Читать книгу Dein Licht, das mich umfängt - Avon Gale - Страница 10
Kapitel 5
ОглавлениеAm Freitagabend schlängelt Avery sich im Madison's durch die Menge.
»Hey, Avery. Hier drüben.« Brandon steht auf, winkt und deutet auf ihren Tisch im hinteren Bereich.
Avery hebt zur Antwort seine Bierflasche und kämpft sich weiter vor, während er Entschuldigungen murmelt und Leuten ausweicht, die zu viert an der Bar stehen. Seine Nerven liegen blank und er will sich einfach nur hinsetzen, ein paar Bier trinken und dann nach Hause gehen und schlafen.
Morgen früh hat er einen Termin am Bauplatz. An einem Samstag. Um sieben Uhr morgens an einem Samstag. Als wäre das nicht schon schlimm genug, muss er mit Lacroix dorthin. Fuck. Was für ein Wochenende ist das denn?
»Mann, kommst du gerade von der Arbeit?« Brandon macht ihm Platz, als Avery den Tisch erreicht, und schenkt ihm einen mitfühlenden Blick. »Ich sollte mich freuen, dass alles, was Lacroix als Projektmanager beim Byrne-Projekt getan hat, war, mich ihrem Bauunternehmer vorzustellen. Er macht nichts, außer Sachen zu unterschreiben.«
Avery nimmt einen großen Schluck von seinem Bier. »Es ist nicht nett anzugeben, Brandon.«
Brandon grinst, zuckt mit den Schultern und nickt dann in Richtung des anderen Mannes am Tisch. »Avery, das ist Justin. Justin, das ist mein Freund Avery, von der Arbeit.«
»Dein schwuler Arbeitskollege.« Justin, der ihm irgendwie bekannt vorkommt, steht auf und reicht ihm die Hand. »Hi. Schön, dich kennenzulernen.«
Avery schüttelt ihm die Hand. »Halb schwul. Und wow, Brandon. Outest mich einfach so. Es gibt da einen Kodex, weißt du?« Er setzt sich, macht es sich bequem und lässt den Lärm und die Energie der Menge über sich hinwegbranden. Das muntert ihn immer auf und weiß Gott, er hat es nötig.
»Ach ja? Ist Deute nicht an, dass mein Freund billige Blowjobs gibt auch ein Teil davon?«
Avery hebt die Augenbrauen und grinst dann. Er mag Justin jetzt schon. »Ja. Vermutlich.«
»Justin. Benimm dich.« Brandon klingt, als könnte er es nicht weniger ernst meinen.
»Nee. Er hat schon recht.« Avery nimmt noch einen Schluck und mustert Justin interessiert. Er ist zu müde, um es unauffällig zu tun, und davon abgesehen ist er eh nicht gut darin. »Du kommst mir bekannt vor. Kennen wir uns?«
Was er damit wirklich meint, ist Wir haben mal miteinander geschlafen, oder? Unangenehm hoch zehn.
Justin wirft Brandon einen Blick zu. »Ooh. Er weiß es nicht.«
Brandon verdreht die Augen. »Nein. Warum sollte er? Du bist so dramatisch.« Brandon beugt sich vor und knufft Justin in den Arm. »Wir sind hier nicht bei den Hatfields & McCoys, Mann.«
Avery blickt zwischen den beiden hin und her. »Wow. Das… Ich habe keine Ahnung, was diese Anspielung bedeutet.«
»Justin kommt dir bekannt vor, weil er Architekt ist.«
Was Erklärungen angeht, ist diese hier ziemlich schlecht. »Ja. Und wir kennen uns alle aus dem Club der Schwulen Architekten. Ich vergaß. Warst du letzten Monat beim gemeinsamen Essen?«
»Japp. Ich hab den Nudelsalat mitgebracht«, antwortet Justin, ohne mit der Wimper zu zucken.
Avery hebt anerkennend seine Bierflasche. »Der war wirklich gut. Ich mochte den Bacon.«
»Es war sogar ein echter. Nur Architekten, die hetero sind, tun Baconstrips in ihren Nudelsalat.« Justin lächelt. »Ich hab es auf das echt schweinische Zeug abgesehen.«
»Geht uns das nicht allen so?« Avery lacht und stößt mit Justin an.
»Oh, das war eine großartige Idee«, sagt Brandon und seufzt. »Euch einander vorzustellen. Und Avery, du erinnerst dich an den Vertrag für dieses Sportstadion in New Jersey? Dieses echt wichtige Projekt, das vor ein paar Jahren aktuell war?«
Avery nickt. Natürlich tut er das. Es hat ihre ganze Firma monatelang vereinnahmt, schließlich wollte jeder Architekt und Sportfan bei Ratcliff and Roberts von sich sagen können, dass er an der neuen Arena beteiligt gewesen war. Auch wenn sie in New Jersey stand.
Sie hatten es bis in die letzte Runde geschafft und dann gegen Durham and Sikes verloren, einen Konkurrenten, der mit zahlreichen Verträgen aus der Sache herauskam, auf die Ratcliff and Roberts geboten hatte.
Auf einmal macht der Hatfields & McCoys-Kommentar ein wenig mehr Sinn. »Du bist also bei Durham, nehme ich an?«
Justin nickt. »Japp.«
»Das muss die Hölle für euer Privatleben gewesen sein.« Avery sieht zu, wie die beiden einen Blick wechseln, und versteht plötzlich. »Moment. Habt ihr euch so kennengelernt?«
Brandon reibt sich verlegen über den Nacken. »Er war in ihrem Designteam. Ja.«
»Brandon, du steckst wirklich voller Überraschungen. Und ich dachte schon, du wärst so was wie ein Engel. Und jetzt gehst du mit verfeindeten Architekten aus. Wow. Ich lag ja so falsch. Als Nächstes erzählst du mir noch, dass du Typen im Bett fesselst und auspeitschst und so einen Scheiß.«
Justin verschluckt sich an seinem Drink und Brandon errötet leicht und wirft seinem Freund einen Blick zu, der ganz eindeutig Sag kein Wort bedeutet. Das ist irgendwie heiß.
»Moment. Bist du geschickt worden, um ihn auszuspionieren? War es so was wie sexy Architektenspionage?« Avery beugt sich vor und stützt die Ellenbogen auf dem Tisch ab. »Erzähl mir davon. Das ist besser als der Spice Channel.«
»Oh Mann. Alles ist besser als der Spice Channel«, wirft Justin ein.
»Ich kann das Abo kündigen. Ich dachte nur, dass du hin und wieder vielleicht einen Porno mit Frauen sehen möchtest«, murmelt Brandon abwehrend. »Man sollte meinen, dass die meisten Leute es zu schätzen wüssten, wenn ihr Freund sich so für ihre Bisexualität einsetzt.«
»Bran, wir haben Internet und einen Smart-TV. Wir brauchen diesen Sender nicht. Und nein, es gab keine sexy Spionage. Aber das klingt gut, oder?« Justin grinst seinen Freund träge an. »Lass uns den Leuten erzählen, dass es so war.«
Brandon verdreht wieder die Augen. »Nein. Keine Spionage. Wir haben uns in einem – woanders getroffen. Das hatte nichts mit Architektur zu tun. Wie dem auch sei, Justin hatte eine Mitgliedskarte des Clubs der Architekten, die sich nicht eingestehen, dass sie schwul sind oder wie auch immer man ihn nennt.«
»Dieser Teil der Geschichte ist langweilig, da komme ich rüber, als wäre ich dumm«, verkündet Justin.
»Was ist mit dem Teil, wo ihr euch an einem geheimen Ort getroffen habt, über den ihr mir nichts erzählen wollt? Ich finde, der interessanteste Teil der Geschichte ist der, den ihr zu verstecken versucht. Also spuckt es aus.«
»Oh.« Justin untersucht seine Bierflasche genauestens, bevor er zu Brandon hinübersieht. Es ist offensichtlich, dass er auf etwas wartet, und Avery braucht eine Weile, um herauszufinden, worum es sich handelt. Erlaubnis.
Brandon gibt sie ihm offensichtlich nicht und zwischen den beiden entsteht ein aufgeheizter, intensiver und sehr, sehr heißer Moment. Avery sagt nichts, weil er sie nicht unterbrechen möchte, und auch, weil es ihn irgendwie anmacht, ihnen zuzusehen. Er hat eine lange Woche hinter sich. »Hey, ihr müsst es mir nicht sagen. Ich bin nur eine Nervensäge.«
»Wir hatten einen One-Night-Stand, ohne sonst viel voneinander zu wissen«, erklärt Brandon, auch wenn das auf jeden One-Night-Stand zutrifft. Oder zumindest auf alle von Avery. »Dann gab es dieses Treffen aller Büros, die es in die letzte Runde geschafft hatten. Und wir haben uns erkannt und… ja. Überraschung.«
»Und jetzt habt ihr ein Abo des Spice Channel, besitzt einen Smart-TV und es ist Liebe.« Avery lächelt die beiden an und klimpert mit den Wimpern. »Das ist wirklich romantisch. Es ist wie –«
»Wenn du einen Fountainhead-Witz machst, schlage ich dir ins Gesicht.«
Avery schnaubt empört. »Hatte ich nicht vor.« Hatte er allerdings. »Egal, das ist ziemlich toll. Freut mich für euch. Echt.«
Die Kellnerin kommt zurück, um ihre Bestellungen aufzunehmen, und sie einigen sich auf einen Krug eines vor Ort gebrauten Indian Pale Ales. Als sie alle eine neue Runde vor sich stehen haben, wendet Justin sich an Avery und sagt fröhlich: »Also, Avery. Brandon sagt, dass du auf deinen Chef stehst.«
»Oh, sagt er das, ja?«
»Mhm. Heiß. Oder das wäre es, wenn… Na ja, Geschmäcker sind verschieden.« Justin tätschelt ihm den Arm. »Ich stehe auf heiß und blond. Du auf… ältere französische Arschlöcher?«
»Justin ist kein Fan von Lacroix.«
»Ist mir gar nicht aufgefallen.« Avery mustert Justin genau. »Warum nicht?«
»Lacroix ist wirklich gut in dem, was er tut. Er ist schon lange in der Branche, aber er ist berüchtigt dafür, dass es schwer ist, mit ihm zu arbeiten.« Justin zuckt mit den Schultern und schiebt sein Glas hin und her, von Hand zu Hand. Es ist seltsam faszinierend. »Er sitzt immer in irgendeinem Gremium und findet einen Weg, den Fortschritt zu stoppen oder aus Spaß an der Freude eine Million verschiedene Beschränkungen einzubauen. Oder so kommt es mir zumindest vor.«
»Ah ja. Vage Geschäftsklischees.« Avery nickt verständnisvoll. »Ich möchte wetten, dass er bei seinem Weg die Karriereleiter hinauf auch einigen Leuten auf die Füße getreten ist. Über Leichen gegangen ist. Den ein oder anderen vom Gipfel des Erfolges hinuntergestoßen hat. So was in der Art. Langsam wird das alles klarer.«
»Siehst du. Ich hab's dir ja gesagt«, meint Brandon und nickt zu Avery. »Süß, aber nervig.«
»Du findest mich süß? Ach, Brandon. Danke. Aber ich mag dich nur als Freund.« Avery nimmt einen Schluck von seinem Bier. Es ist vielleicht schon ein bisschen schön zu hören, dass ihn jemand süß nennt. Fuck. Er muss dringend flachgelegt werden.
Justin zuckt mit den Achseln. »Ich weiß nur nicht, ob du eine lange Liste mit Einzelheiten hören willst. Aber... ja. Er ist wirklich gut darin, Dinge ohne Grund komplizierter zu machen. Sogar bei Projekten, die nichts mit ihm zu tun haben. Wir vermuten, es ist aus reiner Boshaftigkeit, aber wer weiß.«
Avery befindet sich in der seltsamen Lage, mit Justin einer Meinung zu sein, aber völlig unfähig zu sein, das auch zu sagen. »Hm«, ist so ziemlich alles, was er zustande bringt.
»Ich respektiere den Mann, aber ich wünschte, er würde sich einem anderen Büro ganz weit weg anschließen. Vielleicht an der Westküste. Aber wir reden hier nicht über die Arbeit. Wir reden darüber, dass du ihm an die Wäsche willst.« Justin macht eine unterirdische Tanzbewegung mit seinen Armen. »Es klingt für mich, als würdest du ihn nicht mögen. Du willst nur mit ihm schlafen.«
»Ja!« Avery stellt sein Bierglas mit so viel Schwung ab, dass er etwas von seinem IPA verschüttet. »Gott. Okay. Ich frage immer wieder Leute, ob das komisch ist, und sie sagen, es ist komisch.« Damit meint er, dass er eine Textnachricht an Everett geschickt und sich dabei nicht wirklich erklärt hat, aber wie dem auch sei.
»Weil es das ist. Ich meine, nichts für ungut, Avery. Du kannst ficken, wen immer du willst. Aber ja, jemanden, mit dem du arbeitest, den du nicht einmal magst? Ich verstehe einfach nicht, warum du das willst.« Brandon blickt ihn aus diesen leuchtend blauen Augen an.
Justin schenkt sich noch etwas Bier nach. »Ich verstehe es. Komm schon, Brandon.« Justin wirft Brandon einen Blick zu, der wohl sehr bedeutungsvoll sein soll. »So weißt du, dass Avery und ich nie und nimmer miteinander schlafen werden. Aber er würde dich sofort flachlegen, wenn er könnte. Was er nicht kann«, fügt Justin entschieden hinzu.
»Warum ist das plötzlich die Handlung eines schwulen Lifetime-Films?« Aber Avery versteht, was Justin ihm sagen will. Obwohl er sich nicht sicher ist, ob er Brandon genauso sieht. Er scheint zu... nett zu sein. Was anscheinend nicht Averys Typ ist. »Ich stehe nicht wirklich auf diese ganze Seitensprunggeschichte. Ich kann echt überhaupt nicht lügen. Außerdem ist Brandon mein Kollege. Was, wenn ich ihn eines Tages erpressen muss? Da darf ich mich doch nicht auf ihn einlassen.«
»Da hast du vollkommen recht, Avery.«
»Danke. Und außerdem mag ich dich.« Avery war schon immer sehr freigiebig mit seiner Freundschaft und Zuneigung, und er neigt dazu, sie relativ schnell anzubieten, nachdem er jemanden kennengelernt hat. Er mag Justin und er freut sich wirklich für sie, wenn er nicht sogar ein wenig neidisch auf das ist, was sie zusammen haben. »Aber ja. Ich denke schon. Trotzdem wollte ich noch nie mit Ratcliff vögeln. Oder Roberts.«
»Hast du sie überhaupt schon getroffen?« Brandon verzieht das Gesicht. »Sie sind alt. Sogar älter als Lacroix. Obwohl ich einmal gehört habe, wie Ratcliff... Wie heißt der Typ, der bald Partner wird? Den hat er angeschrien.«
»Dabney?«
»Ja. Ihn.« Brandon lehnt sich verschwörerisch zu ihm. »Er hat sich über die Appetithäppchen auf der Weihnachtsfeier aufgeregt. Wenn du also auf Arschlöcher stehst, könntest du ihm einen blasen. Aber ich glaube, er hat eine furchterregende Frau. Also vielleicht nicht, während sie zu Hause ist.«
Avery wäre fast an seinem Bier erstickt. »Brandon, bist du betrunken? Das bist du, oder? Wir hatten etwa zwei Bier. Das ist eine Schande.«
»Das passiert, wenn man nur Salat-Wraps isst.« Justin füllt sein Glas und macht dann dasselbe für Brandon. »Aber trink gerne mehr. Wenn du betrunken bist, wirst du anhänglich. Also, glaubst du, dass du eine Chance hast? Erzähl mir deine schmutzigsten Geschichten, Hextall. Ich bin in einer festen, monogamen Beziehung und das klingt wie eines der Videos, die Brandon auf unserem Smart-TV hat.«
»Oh, das mit dem Geschäftsmann und dem heißen Verkäufer, der seine Umsätze steigern muss.« Brandon räuspert sich. »Ich bin betrunken. Wisst ihr was? Scheiß drauf.« Er gießt sich noch etwas Bier nach. »Das ist ein gutes Video. Mir egal, was ihr davon haltet.«
»Es gibt nichts zu erzählen. Ich glaube – ich schätze, ich finde ihn einfach attraktiv.« Das ist das erste Mal, dass er es laut sagt, und es ist nicht... allzu schrecklich, aber das könnte am Bier liegen. »Aber er macht mich verdammt verrückt. Er widerspricht grundlos bei allem. Er lässt mich keinen Satz beenden. Er ändert Dinge, weil ich sage, dass ich sie mag. Es ist wie bei diesem Katy-Perry-Song, wisst ihr, welchen ich meine?«
Brandon singt ein paar Zeilen dieses Hot N Cold-Liedes, schräg und in einem absolut grauenhaften Falsett.
Justin und Avery starren ihn an, bis Brandon die beiden finster anfunkelt. »Was? Das ist in meiner Playlist fürs Joggen. Seid still. Außerdem habt ihr es erkannt.«
»Ja, aber du läufst Marathons und isst Salat-Wraps«, betont Justin. »Du bist eher der Typ für Mumford and Sons.«
»Ich habe nur zwei ihrer Songs heruntergeladen«, protestiert Brandon und zeigt dann auf Avery. »Wir reden über Averys Schwärmerei für unseren Boss. Dem ich billige Blowjobs verpasst habe.«
Justin hebt die Augenbrauen. »Die waren nicht nur billig, Babe. Das war so was wie der Schlussverkaufs-Sonderpreis für Blowjobs.«
Das muss Avery sich merken.
»Reden wir lieber noch etwas mehr über Avery«, fordert Brandon und zeigt auf ihn. »Lass meine Blowjobs aus dem Spiel.«
»Haha. Okay. Also wissen wir, ob Lacroix Mitglied im Club der Schwulen Architekten ist?«
»Er war mal verheiratet«, wirft Brandon ein. »Ich glaube, es endete ziemlich hässlich. Oder chaotisch. Vielleicht? Oder ich denke mir das aus.« Er schiebt sein Bierglas in Justins Richtung. »Ich brauche noch etwas mehr davon.«
»Das tust du ganz und gar nicht, aber okay.« Justin schenkt ihm ein und schüttelt den Kopf. »Es ist vielleicht acht Uhr, du Loser. Und das sagt nichts aus. Vielleicht haben sie sich scheiden lassen, weil er Schwänze mag. Oder so. Ich sage nur, es wirft ihn nicht aus dem Club.«
»In meiner Welt ist jeder bi«, sagt Avery und Justin stößt mit ihm an.
Brandon nimmt das Glas, das Justin ihm hinschiebt, und fixiert Avery mit einem sehr ernsten Blick. »Schlaf nicht mit Lacroix, Avery. Das wird böse enden und dann musst du dir einen neuen Job suchen. Und ich mag dich, weil du halb schwul bist und mir was von deiner Pizza abgibst.«
»Du bist mir auch sehr wichtig, Brandon.« Avery trinkt sein Glas Bier aus und obwohl er irgendwie bleiben und mehr trinken möchte – es ist ja nicht so, als würde er zu einem betrunkenen Dreier Nein sagen –, sollte er wirklich nach Hause gehen. Er ist hungrig, spürt die Erschöpfung in seinen Augen und muss morgen in Topform sein, um mit Lacroix fertigzuwerden.
Avery steht auf, streckt sich und reibt sich mit dem Handballen über die Augen. »Ich sollte gehen. Aber das hat Spaß gemacht. Es war schön, dich kennenzulernen«, sagt er aufrichtig zu Justin und hält ihm die Hand hin. »Ich habe großartiges Erpressungsmaterial über Brandon gesammelt und du bist ziemlich cool.«
»Win-win. Und hey, Avery, wenn du deinen Boss vögelst und das Ganze zu einer Melrose Place-Folge wird, kannst du bei mir arbeiten.« Justin schüttelt ihm die Hand. Er hat einen guten, festen Händedruck.
Scheiße. Warum kann er sich nie in nette Typen wie Justin verlieben? Oder Brandon, der mit seinem leicht herrischen Auftreten eigentlich eher sein Typ ist?
Und warum zum Teufel hat er das gerade gedacht? Sich verlieben? Nein. Scheiß auf alles. Er ist müde und das ist im Moment seine Entschuldigung. Er mag Lacroix nicht einmal. Er wollte ihn in den letzten vierundzwanzig Stunden etwa sechzehn Mal schlagen.
Ja. Und wie oft wolltest du für ihn auf die Knie gehen?
Okay. Es ist nicht fair, dass seine innere Stimme nicht so müde wird wie er. Avery ignoriert sie und bedankt sich bei Justin für das Beinahe-Jobangebot. Dann holt er etwas Geld aus seiner Brieftasche. »Wir sehen uns am Montag«, sagt er zu Brandon, der sich auf dem Stuhl breitmacht, mit dem Finger am Rand seines Bierglases entlangfährt und Justin einen Blick zuwirft, der nicht in die Öffentlichkeit gehört.
»Ich begleite dich hinaus«, sagt Brandon, als wären sie bei ihm zu Hause in seinem Wohnzimmer. Im Jahr 1953.
»Ich finde den Ausgang schon«, sagt Avery trocken. »Ich bin nicht so betrunken wie du.«
Hinter ihm vertauscht Justin heimlich Brandons Glas mit seinem eigenen, leeren Glas. Er hält sich den Finger an den Mund, als er Avery dabei erwischt, wie er ihn beobachtet.
»Is' okay. Ich muss sowieso aufs Klo. Bin gleich wieder da, Babe«, sagt er zu Justin. »Mach nicht die Sache, bei der du unsere Gläser vertauschst und denkst, ich würde es nicht merken. Denn das werde ich.«
»Das mache ich nie. Was meinst du?« Justin nippt mit großen Augen an Brandons Bier.
Brandon geht mit Avery zum vorderen Bereich der Bar, legt dann einen Arm um ihn und lehnt sich zu ihm – anscheinend ist es Zeit für ein verschwörerisches Gespräch unter Alkoholeinfluss. Er sagt: »Ich bin froh, dass du kein Problem mit Justin und mir hast. Außerdem… Scheiße. Warum bin ich betrunken? Ich mache so was nicht... normalerweise nicht.«
»Dachte ich auch nicht. Aber Mann, ich lerne eine Menge über dich, Brandon. Du betrinkst dich nach der Arbeit. Deine Blowjobs sind viel Geld wert. Du triffst dich mit einem Typen, den du bei einem kinky Treffen kennengelernt hast, bei dem wahrscheinlich viele Frauen Herrin genannt wurden und Typen in Sklavenmontur rumgerannt sind.«
»Hey, warte. Wer hat dir das erzählt? War es Justin? Denn das war so schrecklich, richtig peinlich. Uff. Ich weiß nicht mal, woher man das ganze Latexzeug bekommt. Und wir wollten nicht darüber reden. Ich kann nicht glauben, dass er es dir erzählt hat.«
»Hat er nicht«, sagt Avery grinsend. »Du hast es getan.«
»Hm?« Brandon blinzelt ihn verständnislos an. »Habe ich das? Wann?«
»Gerade eben. Mach dir keine Sorgen. Das ist ziemlich merkwürdig, aber wem sollte ich davon erzählen? Du weißt auch einiges über mich. Und ich denke, Lacroix vögeln zu wollen, ist viel schlimmer.«
»Oh. Richtig.« Brandon nickt. »Okay, dann. Aber... also... wenn du glaubst, dass du darauf stehst, Mann, es gibt Websites. Fang mit denen an, bevor du zu etwas namens Total Domination Tuesdays gehst.«
»Oh mein Gott, Brandon. Es ist fast schade, dass ich dich jetzt mag.« Avery klopft ihm wieder auf die Schulter. »Geh zurück zu Justin, bevor er dein ganzes Bier austrinkt.«
»Siehst du. Ich wusste, dass er das getan hat. Ich hab's gewusst. Aber okay. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.« Plötzlich werden Brandons Augen schmal. »Blas ihm am Wochenende keinen. Bleib stark, Avery.«
Avery blickt finster drein. »Du darfst Justin sagen, was er tun soll, nicht mir.« Sein düsterer Blick verwandelt sich in eine Grimasse. »Aber danke. Ja. Das werde ich nicht tun. Das geht vorbei.«
»Wahrscheinlich, ja.« Brandon räuspert sich. »Natürlich habe ich das auch bei Justin gedacht. Na ja. Aber ich bin mir sicher, dass das bei dir nicht passieren wird.« Er klopft Avery auf den Arm, um ihn zu beruhigen. »Zumindest hoffe ich, dass es nicht so ist. Bis Montag.«
Avery muss ganz eindeutig Freunde finden, die besser lügen können als er, nicht schlechter.
Avery schafft es, seinen Bauplatzbesuch mit Lacroix zu überstehen, ohne ihm einen zu blasen, aber es wird nicht besser.
Das Problem ist, je mehr der Kerl ihn ärgert, desto mehr will Avery ihn gegen eine Wand drücken und auf die Knie gehen. Und je mehr er das will, desto widerspenstiger macht ihn das. Und das ist es im Wesentlichen, was Lacroix wütend auf ihn macht.
Es ist auch deshalb ärgerlich, weil Avery anfängt, widerwillig zu respektieren, wie gut Lacroix in seinem Job ist. Avery verliert die Geduld mit anderen Leuten außer Lacroix, wie zum Beispiel den Bauunternehmern und den Handwerkern, die das verdammte Projekt offenbar in fünf Tagen oder einer ähnlich absurden Zeitspanne fertigstellen wollen. Das hier ist keine verdammte Extreme Home Makeover-Sendung, und doch scheinen sie alles überstürzen zu wollen. Wahrscheinlich, um Geld zu sparen, aber scheiß drauf. Es geht nicht ums Geld. Es geht um das verdammte Gebäude. Uff.
Natürlich ist er nicht derjenige, der dafür bezahlt, dass es gebaut wird. Trotzdem könnten sie verdammt noch mal etwas mehr Respekt vor seinem Entwurf haben und nicht Unfug vorschlagen wie Können wir einfach farbigen Steine statt Ziegelsteine verwenden? Verstehen die nicht, was der subtile Materialwechsel symbolisieren soll? Glatter, kalter Stein und rauer, wütender Ziegelstein? Gott, sind sie dämlich.
Wenn Avery also die Beherrschung verliert, läuft er wütend herum und überlässt es Lacroix, mit ihnen fertigzuwerden. Und allmählich beginnt er das zu schätzen, denn ausnahmsweise vermasselt Lacroix nicht ihm die Tour. Leider findet er das wirklich attraktiv.
Er arbeitet immer länger, und Averys Nerven liegen gefährlich blank. Er ist angespannt und scheint sich nicht erholen zu können. Wenn er nicht bei der Arbeit ist, denkt er über die Arbeit nach, und die einzige Zeit, in der er jemals tief durchatmet, ist nachts im Bett, nachdem er bei dem Gedanken an seinen verdammten Chef gekommen ist.
Aber er hält durch, weil er auch das Hochgefühl erlebt, dass sein erstes Projekt zum Leben erwacht. Es wird gebaut, egal, was die langweiligen, bösen Bauunternehmer und Geschäftsleute zu tun versuchen. Und er ist Lacroix dankbar, dass er sich fast ausschließlich mit ihnen beschäftigt, obwohl er manchmal in einigen Punkten nachgibt, von denen Avery sich wirklich wünscht, er würde standhaft bleiben. Er lernt – zähneknirschend –, dass es ein Teil des Prozesses ist. Es könnte ein sehr faszinierendes Verfahren sein – trotz des gelegentlichen Aufflackerns seines Temperaments und des Verkümmerns seiner künstlerischen Seele –, wenn er nicht wegen Lacroix vor Lust entbrannt wäre.
Er erlebt eine höllische Woche, in der die Investoren plötzlich eine Menge über Kapitalkosten, Bauauflagen und Kapazitätsstudien sagen – Dinge, die er theoretisch aus seinem Wirtschaftsunterricht kennt, die Lacroix aber nicht glücklich zu machen scheinen. Damit verbunden ist eine ermüdende Menge an E-Mails. Avery schläft beinahe am Schreibtisch ein und hat das Gefühl, dass AutoCAD mit seinem Gehirn verschmolzen ist. Er kann sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal die Arbeit verlassen hat, als es draußen hell war.
Oder wann er das letzte Mal bei Tageslicht angekommen ist.
Avery ist in Lacroix' Büro. Und es ist spät – fast halb zehn Uhr abends. Er hat vor etwa einer Woche den Überblick verloren, welcher Tag gerade ist, aber er glaubt, es könnte Dienstag sein. Oder Donnerstag? Er ist sich jedenfalls sicher, dass ein D drin ist. Er sitzt auf dem Stuhl, der normalerweise gegenüber von Lacroix' Schreibtisch steht, und wie üblich hat er ihn so gedreht, dass er seine Füße auf den anderen Stuhl oder sogar auf Lacroix' Schreibtisch legen kann – obwohl er sie zugegebenermaßen nicht lange dort lässt. Diesmal sitzt er nur todmüde auf dem Stuhl und sieht Lacroix bei seinem fünfundsiebzigsten Telefonat des Tages zu. Er kann nicht einmal die Energie aufbringen, sich zu strecken.
Lacroix ist offensichtlich nicht zufrieden mit seinem Gesprächspartner. Er schreit nicht. Er erhebt nur selten die Stimme, zeigt kaum Temperament, es sei denn, es ist Avery, der ihn wütend macht. Aber er ist so angespannt, dass er aussieht, als würde sein Kiefer irgendwann während des Telefonats brechen. Alles, was er sagt, ist: »Ja, ich verstehe. Ja. Natürlich werden wir das. Ja, das ist völlig verständlich.« Doch er sieht aus, als wolle er sagen, dass sein Gesprächspartner ein verdammter Idiot ist, und sein Telefon nach etwas werfen.
Avery wünscht sich, er würde es tun, einfach, weil es etwas Neues wäre.
Als er das Gespräch beendet, lehnt Avery seinen Kopf gegen den Stuhl und unterdrückt ein Gähnen. »Stellen sie sich wieder an, oder was?« Sein Tonfall ist mild. Er ist zu müde, um absichtlich trotzig oder lästig zu sein.
Lacroix antwortet – lauter harte, wütende Silben. Eine Sekunde lang ist Avery besorgt, dass er verrückt geworden ist, weil er absolut keine Ahnung hat, was die Worte bedeuten. Und er braucht ein paar Augenblicke, um zu erkennen, dass das daran liegt, dass Lacroix gerade nicht Englisch gesprochen hat.
Avery hat Lacroix noch nie eine andere Sprache als Englisch sprechen hören. Tatsächlich hat Avery ihn auf ihrer letzten Fahrt zur Knight-Baustelle immer wieder gebeten, ihm beleidigende Sätze auf Französisch beizubringen, damit er Leute damit anschreien kann, wenn er wütend wird. Lacroix lehnte ab, weil er Spaß hasst. Also schrie Avery sie einfach auf Englisch an und bekam einen Vortrag über Professionalität. Man konnte es dem Mann einfach nicht recht machen.