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»Meine gefühlten Herzgrüße und Empfehlungen« – so beginnt eine E-Mail, die Professor S. in Tübingen eines Tages auf seinem Bildschirm fand, abgesandt von einem Absolventen der Universität Madras/Indien, der sich bei ihm um einen Posten bewarb, »ungeachtet der Tatsache, dass ich in ganz eine bequeme Position in der gegenwärtigen Universität gelegt werde«.

»Ist er schon deutscher Beamter?«, fragt dazu S.

Meine gefühlten Herzgrüße: eine ganz wunderbare Grußformel, wie ich finde, geeignet sowohl für Anfang wie für Ende von Briefen, wobei ich statt des ewigen »Mit freundlichen Grüßen« auch jenen Briefschluss in Erwägung ziehen würde, den mir Frau S. aus dem Münchner Fremdenverkehrsamt überließ, ein schönes und rares Stück aus Belgien: »Vorwärtshörfähigkeit von Ihnen bald schauend, danken wir Ihnen für Ihre Hilfe und Mitarbeit.«

Vorwärtshörfähigkeit – das haben viel zu wenige Menschen. Rar sind schon jene, die voraus schauend sind, aber vorwärts hörend? Ich wüsste niemand zu nennen. Rätselhaft bleibt, wie man eine Vorwärtshörfähigkeit schaut. Aber gut.

Alternativ kann ich anbieten, was Herr Dr. H., seines Zeichens Philologe in München, mir von einem seiner Kollegen in Weimar berichtete: Der erhielt eines Tages das Schreiben eines japanischen Germanisten, welches, so H., in die »unübertreffliche Formulierung« mündete: »Mit kochendheißem Dankgebet.«

Ein bisschen spezieller, weil persönlicher ist, was ich einem Schreiben von Leser T. aus Waldshut entnehme, der in seiner Familie vor Jahren eine französische Austauschschülerin zu Gast hatte, Anne aus Blois war das. Kaum nach Blois zurückgekehrt, schrieb Anne einen Brief, dankte für den angenehmen Aufenthalt und schloss mit einem besonderen Gruß an die Tochter: »Und viele Nordwinde für Petra.« Ein Rätsel. Bis man im Lexikon nachschlug und entdeckte, dass Anne wohl hatte schreiben wollen: »Und viele Küsse für Petra«. Kuss bzw. Wangenkuss heißt bise im Französischen, schlägt man aber unter bise nach, findet sich als erste deutsche Bedeutung »Nordwind«, dann erst »Wangenkuss«. Aber ist ein Nordwind – zumal in einem heißen Sommer – nicht ein ganz wunderbarer Gruß aus der Fremde?

Bei zu viel Nordwind kann ein Brief allerdings auch enden wie der, den vor Jahren eine meiner Leserinnen bekam. Er war unterzeichnet mit den Worten »Nach Diktat vereist«. Kaum hatte ich davon in einer Lesung dem Publikum berichtet, meldete sich Frau F. aus Köln, die den Abschiedsbrief einer aus der Firma scheidenden Kollegin zitierte. Er endete so: »Damit verbleiche ich mit freundlichen Grüßen.«

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