Читать книгу Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein - Axel Klingenberg - Страница 11
WARUM ES NICHT IMMER EIN ERFOLG IST, VERÖFFENTLICHT ZU WERDEN
Оглавление»Es ist ein großer Trost, andere dort scheitern zu sehen, wo man selbst gescheitert ist.«
William Somerset Maugham
Wir erwähnten es bereits: Wer Schriftsteller ist, muss veröffentlicht werden. Er ist – über den Umweg Buch – eine Person des öffentlichen Lebens. Damit sind wir so etwas ähnliches wie Paris Hilton. Wir machen etwas, die Welt schaut zu. Manchmal auch lieber weg. Manchmal auch beides gleichzeitig: Erst hinglotzen, dann angeekelt weggucken und »Igitt« sagen. Der Unterschied: Paris Hilton macht viel, kann aber nix, außer betrunken Auto zu fahren und ältere Herren auf Partys zu begleiten. Betrunken Auto fahren können manche Schriftsteller auch (Bukowski!), aber würden Sie Hank fragen, ob er Sie auf eine Party begleitet? Davon mal abgesehen, dass er tot ist.
Veröffentlichen also ... Wie geht das?
Gut geht es, manchmal sogar besser. Wenn einem nicht die Veröffentlichungsmöglichkeiten unter der Hand wegsterben, wie es mir eine Zeitlang passiert ist. Jede Zeitschrift (»Stimmen zur Zeit«, »Brunsweek«, »Ohropax«, »Szens«), in der ich publizierte, war wenig später mausetot. Ich hatte den braunen Daumen! Mehr noch: Sie starben wie die Fliegen, und ich war ihr Herr! Ach was: Ich war der Midas unter den Autoren, nur ohne Gold. Immerhin haben dann doch einige Zeitungen meine Mitarbeit glücklich überstanden, auch wenn sie nicht immer glücklich damit waren. In einer linken Wochenzeitung ging eine Serie über Literatur und Nationalsozialismus den Weg alles Irdischen, weil ich Gottfried Benn nicht beschimpfen durfte. Nun ja, ich beschimpfte ihn eigentlich noch nicht einmal, sondern kritisierte ihn nur sanft für sein wenig ruhmreiches Engagement während der Nazizeit. Seitdem halte ich mich mit Zeitschriftenveröffentlichungen ein wenig zurück – ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn wieder ein Magazin auf dem Scheiter-Haufen endet. Vielleicht war es auch gar nicht so, dass ich am Einstellen dieser Zeitschriften schuld bin, sondern vielleicht hatte ich einfach die falsche Einstellung und setzte auf die falschen Pferde – auf schnelle Renner, die nach einigen Runden zu fußlahmen Gäulen mutierten, weil die Damen und Herren aus der Redaktion glaubten, es würde ausreichen, bunte Bilder mit unbezahlten Texten zu kombinieren, anstatt den Türklinkenputzer zu machen und Anzeigen zu akquirieren, wie es sich für anständige Zeitschriftenmacher gehört! Ach, könnte ich mich aufregen ...!
Auch über mich selbst, denn auch andere Veröffentlichungen von mir entpuppten sich als veritable Rohrkrepierer. Meine Lieblingspublikation in dieser Hinsicht ist meine Fortsetzungsgeschichte »Das Schwert des Xanq«, die ich so wagemutig wie blauäugig als Hörbuch herausgegeben hatte. Mein Lieblingsverleger ergraute daraufhin innerhalb kürzester Zeit vollständig – ihn packte nämlich das Grauen ob der unglaublich schlechten Verkaufszahlen. Mir selbst ging es nicht besser – auch eine hübsche Diashow mit hippen Playmobil-Darstellern (kurz bevor dies zu einer Modeerscheinung in der Kunstszene wurde) trug nicht dazu bei, das Hörbuch in die Bestsellerlisten zu katapultieren. Warum nicht? Ganz einfach: Ich machte die Erfahrung, dass jedes Buch eine klar definierte Zielgruppe haben muss. Hat es die nicht, hat es keine Chance. Es muss später auch gar nicht nur in diesem Marktsegment seine Käufer finden, es muss nur erst mal entsprechend deklariert werden. Die Harry Potter-Bände z. B. gelten offiziell als Kinderund Jugendbücher – dabei werden sie fast noch öfter von Erwachsenen gelesen bzw. gekauft. Naja, gekauft natürlich sowieso, bei den Preisen! Adulte Konsumenten sind es aber auch, die sie lesen – es verhält sich dabei ähnlich wie bei der Modelleisenbahn. Vadder schenkt sie seinem Sohn und spielt selber damit: »Du musst jetzt wirklich zu Bett, Jonas-Tim!« »Aber es ist erst halb drei nachmittags!« »Aber du bist doch müde, ODER ETWA NICHT?« Und Mutter schenkt Tochter den Potter und liest ihn selber: »Ja, du kriegst es doch bald, nur noch vierhundert Seiten. Es ist grad so spannend!«
Veröffentlichen also ... Wie geht das?
Indem man schreibt.
Und wie geht das?
Indem man sich von der Muse küssen lässt oder am besten gleich mit ihr ins Bett geht. Oder vielleicht doch lieber nicht ins Bett, sondern an den Schreibtisch. Dort treibt man es dann. Heftig, wild und hemmungslos. Vesuvartig und eruptiv bricht es dann aus einem heraus, Gedanken werden zu Wörtern, zu Sätzen, zu Absätzen, zu Kapiteln, zu Büchern. Erschöpft sinkt man nach getaner Arbeit zusammen und lässt sich vom Schlaf übermannen.
Ah, herrlich!
Aber nicht vergessen: Vorher schön speichern, möglicherweise auch im Postfach des Email-Accounts, sonst gibt es ein böses Erwachen, wenn der Text wieder einmal im digitalen Nirwana des Cyberspace verschwunden ist.
Gute Nacht!