Читать книгу Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein - Axel Klingenberg - Страница 13
WARUM SCHREIBEN ARBEIT IST
Оглавление»Kann man das Werden eines schlechten Buches vergeben, / Dann nur den Ärmsten, welche schreiben, um zu leben.«
Molière
Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, ist ein Autor nicht immer nur Autor, sondern hat auch noch andere Verpflichtungen. Er (oder sie – die deutsche Grammatik ist schuld daran, dass die weiblichen Kolleginnen hier ein wenig zu kurz zu kommen scheinen) hat Familie und oft auch noch einen Brotberuf. Vielleicht hätte ich auch tatsächlich auf meine Frau Mutter hören sollen, die mir damals riet, meinen Arbeitsplatz beim Fernmeldeamt (so hieß das damals – heutzutage klingt diese Bezeichnung fast sozialistisch) nicht aufzugeben und doch noch Beamter zu werden.
Heutzutage bin ich Freiberufler. Frei von einem Beruf also, jedenfalls von einem mit einer klaren Definition. Manchmal auch frei von einem Verdienst, jedenfalls von einem nennenswerten. Ich bezeichne mich deshalb gerne als Literaturdienstleister.
Ich schreibe (für Zeitungen, für Magazine, für die Schublade), lese vor (in Kneipen, Kulturzentren und Schulen), lektoriere die Texte anderer Leute (eine anstrengende Tätigkeit, die schon alleine deshalb schwierig ist, weil viele Autoren so an ihren Texten hängen, dass sie sich nicht überwinden können, diese großzügig zu überarbeiten – obwohl sie es eigentlich dringend tun müssten) und lehre das Schreiben. Erzieher, Autor, Lektor, Dozent und Vortragskünstler – ganz schön viel für eine Person. Aber das ist die Regel und nicht die Ausnahme.
Die meisten (um ehrlich zu sein: fast alle) Schriftsteller gehen eben auch noch anderen Tätigkeiten nach. Und diese müssen nicht unbedingt etwas mit dem eigentlichen Beruf zu tun haben. In den letzten Jahren habe ich u. a. für ein Verkehrsforschungsinstitut gearbeitet und ökologisch angebaute Lebensmittel ausgefahren. Andere Kollegen arbeiten als Taxifahrer, Buchhändler, Kellner, Werbetexter (das geht ja schon fast – aber nur fast – in die angestrebte Richtung), Veranstalter, Herausgeber, Autoren von Festschriften und Sonntagsreden, Lektoren von Diplomarbeiten, DJs, Grafikdesigner, Reinigungsfachkräfte, Bauarbeiter, Erntehelfer, Pizzaboten, Testpersonen für neue Medikamente (am liebsten für Stimmungsaufheller – die kann man ja immer gebrauchen), Jongleurinnen, Psychiater, Angestellte im Krankenhaus zur Betreuung dieser komischen Geräte mit dem Piep, Langstreckenpiloten, Musiker, Zeichner, Maler, Wahrsagerinnen, Blutplasmaspender ...
Ach, es gibt nichts, was wir nicht machen.
Denn wir mögen uns auf die Fahnen schreiben, dass wir für die Literatur leben, doch von der Literatur zu leben, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Und kommen Sie mir jetzt nicht mit den Autoren, deren Namen Sie in der SPIEGEL-Bestsellerliste gelesen haben – diese Leute sind lediglich die Ausnahmen, die die Regel bestätigen.