Читать книгу Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein - Axel Klingenberg - Страница 7
NOCH EIN VORWORT: WIE SIE DER IDEALE LESER WERDEN
Оглавление»Wer wird das Zeug lesen?«
Persius
»Is’ ganz gut«, sagte meine Nachbarin, »aber mehr Bukowski wär’ besser.« Ich bereute sofort, ihr mein Buch geliehen zu haben. Und wenn ich ›mein Buch‹ sage, dann meine ich auch ›mein Buch‹. Ich hatte es selbst geschrieben und nun war es endlich bei einem Braunschweiger Verlag erschienen, der sich auf ›Popliteratur‹ (im allerweitesten Sinne) spezialisiert hatte. Was mich störte, war weniger die nur mäßig euphorische Reaktion dieser Leserin, sondern vor allem die Aufforderung, ich solle anders schreiben. Mehr noch: Ich solle schreiben wie jemand anders.
Nicht dass ich hier falsch verstanden werde: Ich schätze Charles Bukowski durchaus. Ich habe seine Bücher einst verschlungen und mag auch diejenigen seiner Werke sehr, die aus dem Nachlass herausgegeben werden. Nur: Sie haben – literarisch – nichts mit mir selbst zu tun. Natürlich habe ich mich in den ersten Jahren, in denen ich mich schreiberisch versucht habe, durchaus von anderen Autoren beeinflussen lassen. (Um ehrlich zu sein: Das ist wohl heute immer noch so – wie sollte es auch anders sein, als dass man das verarbeitet, was man aufnimmt?) Aber in diesem Buch (mit dem, bezieht man ihn auf die Verkaufszahlen, wohl allzu programmatischen Titel »Gute Verlierer«) war von Bukowski meiner Meinung nach gar nichts zu spüren. Null. Niente. Nada. Nothing. Nix. Und so sollte es auch sein.
Aber das ist eine Sache, die jemand, der seine Texte (oder seine Musik, seine Gemälde, seine Fotos) veröffentlicht, als erstes lernen muss. Sobald er sie publiziert hat, verliert er die Kontrolle darüber: Der Leser darf nun damit machen was er will. Und das ist nicht immer schön. Denn er macht es fast immer falsch (auch auf die Gefahr hin, dass ich mir mit diesem Satz sehr viele Feinde mache). Der Autor arbeitet an seinem Werk, er leidet dafür, er quält sich durch einsame Stunden, durch Selbstzweifel, durch Enttäuschungen, durch Langeweile und widersteht – die größte Leistung – den Versuchungen des Sich-Ablenken-Lassens (gerade eben habe ich, als mir das richtige Wort nicht sofort einfiel, ein paar Zeitungen auf der Küchenbank neben mir zurechtgerüttelt, als ob es etwas ausmachen würde, wenn sie nebeneinander und nicht übereinander lägen).
Und dann – ich erhebe anklagend meine Stimme! – kommt so ein unwissender Leser daher und sagt: »Is’ ganz gut«. Um anschließend mitzuteilen, was er (in diesem Falle: sie) eigentlich lieber gelesen hätte.
Meine Damen und Herren: So geht das nicht!
Ist es denn zuviel verlangt, wenn ich ausschließlich – hier neige ich tatsächlich zu einer totalitaristischen Haltung – Begeisterung erwarte? »Phantastisch!«, »Genial!« und »Begnadet!« sind die einzigen angemessenen Reaktionen auf meine Werke.
Die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus. Ganz anders.
Es gibt gute Besprechungen. Es gibt mäßige Besprechungen. Es gibt schlechte Besprechungen. Manchmal wird man sogar positiv überrascht und erhält von Rezensenten, die man gar nicht kennt, mit denen man also weder Tisch noch Bett geteilt hat, eine gute, eine sehr gute, eine brillante Besprechung. Vielleicht sogar eine, bei der man merkt, dass dieser Berufsleser das Buch verstanden hat bzw. so verstanden hat, wie es gemeint war. Liest man eine derartige Rezension, erlebt man einen großartigen Augenblick, der all die Mühen der letzten Monate (mitunter: Jahre) vergessen, der einen wieder spüren lässt, warum man eigentlich schreibt.
Weil man Verständnis sucht, weil man sich mitteilen will, weil man etwas zu sagen hat.
Die anderen großartigen Augenblicke sind die, in denen man auf den Kontoauszug blickt und dort ein »+« mit einer Zahl dahinter sieht. Dann verzeiht man auch unwürdigen Lesern und Kritikern und Lektoren und Verlegern und Herausgebern und Veranstaltern und Kollegen ihre Unwissenheit und ihre Unfähigkeit. Denn wenn der Betrag hoch genug ist, kann man sogar die Miete und die Krankenkasse und das Schulgeld und das Kindertagesstättenentgelt und die Versicherungen und die Lebensmittel und die Kleidung für sich und die Frau und die Kinder davon bezahlen. Wenn nicht gerade ein dummer und hässlicher Steuereintreiber um die Ecke biegen würde ...
Also lieber Leser, liebe Leserin, hier noch einmal zusammengefasst: Seien Sie begeistert. Und zahlen sie begeistert. Dann kommen wir ins Geschäft.
Es ist Zeit, sich mal wieder ablenken zu lassen. Ist die Waschmaschine eigentlich schon fertig?