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Die erste Ebene des Glücks Die Welt der Sinne

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Die vier Ebenen des Glücks, die der Buddha erläutert hat, sind für uns alle von größtem Interesse, denn wir sind alle auf der Suche nach Glück. Daher wird es uns behilflich sein, wenn wir erkennen und auch in uns erleben, welche Ebenen des Glücks es gibt und welche wir schon benutzt haben. Im Prinzip benutzt die ganze Menschheit die unterste, gröbste Ebene. Der Buddha hat sie zwar auch eine Ebene des Glücks genannt, sodass es nicht bedeuten soll, dass sie nicht existiert oder nicht existieren darf. Diese unterste Ebene des Glücks sind die Sinnesbefriedigungen. Wenn wir dies bei uns selbst noch nicht erkannt haben, so haben wir durch Meditation und Kontemplation Gelegenheit, Einsicht in sie zu erlangen. Sollte die Erfahrung durch Selbsterkenntnis nicht funktionieren, brauchen wir nur einmal zu beobachten, womit zum Beispiel Vögel beschäftigt sind. Als nächsten Schritt schauen wir, ob das nicht dem sehr ähnlich ist, was wir auch machen.

Was haben wir für Sinne? In der buddhistischen Lehre ist das Denken der sechste Sinn. Wir haben also Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Berühren und Denken. Die Menschheit hat, mit wenigen Ausnahmen, nichts anderes im Sinn, als diese sechs Berührungskontakte angenehm zu gestalten. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht angenehm sein sollen. Es bedeutet ganz einfach, dass die meisten Menschen auf dieser Ebene steckenbleiben. Es wird auch das erste Hindernis genannt. Wir haben fünf Hindernisse1). Das erste heißt die Begierde nach Sinnesbefriedigung. Es ist darum ein Hindernis, weil es keine endgültige Befriedigung auf dieser Ebene gibt. Das ist in dem folgenden Vers ganz wunderbar ausgedrückt:

„Wonach du sehnlich ausgeschaut,

Es wurde dir beschieden.

Du triumphierst und jubelst laut:

Jetzt hab ich endlich Frieden!

Ach, Freundchen, rede nicht so wild,

Bezähme deine Zunge!

Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt,

Kriegt augenblicklich Junge.“

Wilhelm Busch

Absolute Wahrheiten dagegen bleiben immer dieselben.

Das ist alles schön und gut, hilft uns aber nur, wenn wir es an uns selbst bemerken. Das heißt natürlich nicht, dass wir dann die Suche nach Sinnesbefriedigung auch sofort aufgeben können. Aber endlich wissen wir, was wir eigentlich tun und womit wir unsere Zeit verschwenden. Es ist eine Zeit- und Energievergeudung, nach den Annehmlichkeiten zu suchen, die natürlich überall, vor allen Dingen in einer Wohlstandsgesellschaft wie unserer, käuflich zu erwerben sind. Keiner glaubt, dass man sich das Glück kaufen kann, und dennoch wird es immer wieder probiert.

Was wir wissen und was wir können, liegt meilenweit auseinander. Wer glaubt schon, dass man Glück kaufen kann? Bestimmt nicht ein Einziger. Und was machen wir? Womit verbringen wir unsere Tage? Wir glauben, uns fordern äußere Schwierigkeiten wie Beruf, Gesundheit, andere Menschen, das Wetter, und wir müssten es uns daher recht angenehm machen, wenn wir sogenannte »Freizeit« haben. Wie machen wir es uns angenehm?

Wir versuchen, irgendetwas zu bekommen, das leicht zu haben ist und angenehme Gefühle hervorruft. Und was passiert? Wir bekommen es. Das ist überhaupt kein Kunststück. Das, was der Mensch wirklich will, bekommt er. Hier ist ein wichtiges Kontemplationsobjekt: Was habe ich eigentlich bekommen? Dann muss ich es wohl auch gewollt haben. Denn keiner bekommt etwas, ohne es gewollt zu haben. Ob er nun merkt, dass er es will, ob er es jetzt gewollt hat, vor langer Zeit oder kürzlich, all das bedeutet nichts.

Er hat es gewollt und hat es bekommen. Woraus unser Leben besteht und wie unsere Lebensqualität aussieht, das haben wir uns selbst zuzuschreiben. Wir glauben häufig, dass irgendjemand anderes unser Leben bestimmt und arrangiert hat, weil uns so vieles daran nicht gefällt. Dass es uns nicht gefällt, liegt aber nur daran, dass jeder erfüllte Wunsch sofort einen neuen hinter sich herzieht. Denn die Wünsche, die durch die Sinne befriedigt werden sollen, können keine dauernde Erfüllung bringen. Das ist eine erlebbare Wahrheit, der wir uns durch Kontemplation nähern können.

Dazu müssen wir auf uns selbst genau aufpassen. Wenn wir Achtsamkeit walten lassen, wird es nicht schwierig sein festzustellen, dass erfüllte Wünsche keine Erfüllung bringen. Wir sind eine Unannehmlichkeit oder Schwierigkeit vielleicht losgeworden, aber es gibt zehntausend andere, die wir auch noch loswerden wollen. Und daher verzetteln sich die Menschen, indem sie Unannehmlichkeiten loswerden und Annehmlichkeiten bekommen wollen.

Im Allgemeinen könnte man sagen, dass die ganze Menschheit in der Illusion lebt, dass das Angenehme, Bequeme und Komfortable ihnen zusteht. Wenn sie das nicht haben können, werden sie ärgerlich auf irgendjemanden, der angeblich den Komfort unterbunden hat, oder auf die Situation, die nicht angenehm ist. Sie werden ablehnend und negativ, und der Geist denkt sich irgendwelche Erklärungen aus, wie es dazu gekommen ist. Wir machen uns vor, dass es überhaupt nichts mit uns selbst zu tun hat, sondern nur mit den äußeren Umständen. Die äußeren Umstände, in denen wir leben, sind aber nur ein Spiegelbild von den inneren Zuständen, die wir geschaffen haben. Da gibt es keine Lücke dazwischen; das Innere und das Äußere passen genau zusammen. Irgendjemanden dafür verantwortlich zu machen, ist verantwortungslos. Wir machen oftmals andere Menschen für Situationen oder für Dinge verantwortlich, die vor vielen Jahren geschehen sind, oder für Reaktionen, die wir uns ausgedacht haben.

Wir sind sehr fähig zu fantasieren. Wir denken uns aus, wieso etwas geschieht und wie es dazu gekommen ist, und vergessen immer wieder Ursache und Wirkung, die ein wichtiger Einsichtsschritt sind. Da dieser Einsichtsschritt aber auch mit Vernunft und gesundem Menschenverstand zu tun hat, sollte er nicht so schwierig zu verwirklichen sein. Wir können uns fragen, ob wir die Ursachen erkennen können und wer für sie verantwortlich ist in unserem Leben. Die Wirkungen kennen wir ja zur Genüge.

Der Buddha hat gesagt, dass ein Menschenleben etwas sehr Wertvolles ist. Haben wir das überhaupt schon einmal als Gedankenstütze in uns aufgenommen? Nicht, dass wir persönlich so wertvoll sind, aber ein Menschenleben als solches, das wir ja alle erreicht haben, kann wundervolle Resultate erzielen. Das soll nicht die einzelne Person überbewerten. Andererseits darf es uns aber auch nicht zu Lässigkeit und Trägheit verleiten, sodass wir nichts anderes im Sinn haben, als unsere Wünsche erfüllt zu bekommen. Ein Menschenleben ist darum so wertvoll, weil wir den Samen der Erleuchtung in uns tragen.

Die meisten Menschen haben sich noch nicht damit beschäftigt, diese Tatsache in ihr Gedankengut aufzunehmen. Geschweige denn können sie spüren, dass dieser Samen der Erleuchtung in ihnen existiert. Meistens ist sogar dieser Ausdruck unbekannt. Bei den christlichen Mystikern nannte es zum Beispiel Meister Eckhart »das Fünkelein« oder »der Funken«. Es ist gleichgültig, wie wir es nennen. Eine tiefe innere Sehnsucht nach Vollkommenheit kennt fast jeder. Es gibt natürlich Menschen, die nur rein materiell denken. Aber dennoch spüren die meisten eine bedeutsame Sehnsucht nach innerem Glück und innerem Frieden. Dann begeben wir uns auf hunderte und tausende von Abwegen, um das zu finden. Wir können uns nicht nur ein Leben, sondern viele Hunderte von Leben damit beschäftigen, von außen durch die Sinne Glück zu finden.

Durch unsere Sinneskontakte kommen wir mit der Außenwelt in Berührung. Wenn also jemand etwas sagt, was uns passt und unser Ego unterstützt, ist uns das angenehm. Für uns ist dieser Mensch ein netter Mensch. Wenn dagegen jemand etwas sagt, was uns nicht passt und unser Ego nicht unterstützt, ist er für uns ein Scheusal. So teilen wir die Menschheit im Allgemeinen in drei Teile: die netten Menschen, mit denen wir zusammen sein wollen, die Scheusale, die wir loswerden wollen, und diejenigen, die uns gar nicht interessieren. Diese Einteilung kann keine Früchte bringen. Jeder wird ab und zu auf Menschen treffen, die ihm nicht passen, weil sein Ego nicht genügend unterstützt wird.

Da das Ego sowieso eine Illusion ist, braucht es ständig Bestätigung. Die bekommen wir aber oft nicht. Es existieren sechs Milliarden Menschen auf diesem kleinen Erdball. Und alle möchten gerne ihr Ego bestätigt haben. Wer unterstützt wen? Jeder ist damit beschäftigt, seine eigene Unterstützung zu finden. Wir müssen nicht einmal an alle sechs Milliarden Menschen denken, es reicht schon, sich mit unserer eigenen Familie zu beschäftigen. Auch dort möchte jeder sein Ego unterstützt haben. Wer ist zuerst dran? Wann ist genügend unterstützt worden? Macht der andere mit oder hat er inzwischen vielleicht vergessen, uns zu bestätigen? Im letzteren Fall kommen Aggressionen, Argumentationen und Feindseligkeiten in uns hoch.

Wir wollen natürlich Angenehmes durch unser Denken erhalten. Anstatt zu meditieren oder kontemplieren, denken wir uns Geschichten aus. Das kann aber in Dösen ausarten, was eine recht angenehme Beschäftigung ist. Das bringt natürlich überhaupt nichts. Oder aber es artet in fantasieren aus. Der Geist dreht sich dann im Kreis, sogar manchmal über Dinge, die wir als spirituelle Lehre gehört haben. Aber auch das bringt nichts, da der Geist nicht in einer einspitzigen Richtung gefördert wird.

Im täglichen Leben sind wir auch damit beschäftigt, uns gewisse Utopien auszudenken, werden aber andauernd aus diesen Phantasien aufgeweckt. Jemand anderes möchte nicht in derselben Utopie leben, sondern hat sich etwas Neues ausgedacht. Solch einen Menschen empfinden wir als unangenehm. Er stört uns oder wir bezeichnen ihn als unwissend. Es ist für uns unmöglich, mit diesem Menschen zu verkehren, weil er ganz andere Fantasien hat als wir. Aber wir merken und spüren nicht, dass wir beim Ausdenken und Fantasieren sind. Wir schauen den Dingen nicht ins Gesicht, wie sie wirklich sind. »Die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind«, ist ein fortgeschrittener Einsichtsschritt, der nur durch starke Achtsamkeit möglich ist.

Der erste Schritt, um überhaupt der Wirklichkeit näher zu kommen, ist, unsere Sinnesbefriedigungen anzusehen. Das wollen wir in der hier folgenden Kontemplation untersuchen. Wie oft am Tag suche ich Befriedigung durch meine Sinneskontakte? Es gibt vom Buddha eine detaillierte Einteilung der verschiedenen menschlichen Charaktere, aber auch eine ganz einfache, nämlich die Unterscheidung von Gier-Typen und Hass-Typen. Die Gier-Typen sind mehr darauf aus, die Sinne zu befriedigen und die Hass-Typen verhalten sich mehr ablehnend. Das bedeutet nun nicht, dass wir ständig entweder Gier oder Hass hätten, sondern das sind lediglich Rubriken. Aber wenn wir sehr viel Ablehnung und Negativität in uns haben, so geschieht es, dass wir ständig Befriedigung durch die Sinne suchen. Das ist bis dahin wahrscheinlich das Einzige, wo wir momentanen Trost oder Erleichterung von der Ablehnung und Negativität gefunden haben.

Wir müssen uns einmal unsere Sinneskontakte genau anschauen. Und das sollten wir in Ruhe und Abgeschiedenheit unbedingt tun. Was geschieht bei einem Sinneskontakt? Er ist äußerst flüchtig. Wir können ihn überhaupt nicht festhalten. Und sollten wir ihn festhalten, wird es Dukkha. Dukkha bedeutet Kummer und Leid, Jammer und Tragödie. Aber im Prinzip ist es alles, was nicht hundertprozentig zufriedenstellend ist. Nach des Buddhas Aussage ist es die erste Edle Wahrheit: Alles, was existiert, ist nicht hundertprozentig zufriedenstellend.

Das ist etwas, was wir einmal untersuchen sollten. Sind unsere Sinneskontakte vollständig befriedigend? Oder ist dann noch etwas übrig, was in uns sozusagen gärt und sagt: „Das kann doch nicht alles sein?“ Was sind unsere Sinneskontakte? Wir sehen einen wunderschönen Sonnenaufgang oder ein herrliches Panorama. Davon sind wir momentan erfüllt und erleben ein Glücksgefühl. Es braucht aber nur anfangen zu gießen und der Nebel sich über das Panorama senken und was dann? Dann müssen wir uns wieder etwas anderes ausdenken. Also beschließen wir, ein Gemälde oder einen Film anzuschauen. Bin ich nun total erfüllt? Kann alles Äußere geschehen, ohne mich in irgendeiner Weise zu berühren, weil ich dieses Gemälde gesehen habe? Das stimmt doch nicht. Aber wir müssen es selbst ausprobieren und nicht glauben oder bezweifeln. Zweifel ist unser fünftes Hindernis. Nur zu glauben nutzt uns nichts, aber es ausprobieren hilft uns sehr viel.

Als nächstes wollen wir etwas hören und sind davon erbaut. Wie lange können wir das Gleiche hören? Dann ist es zu Ende, und dieselbe innere Leere gähnt uns an. Oder wir müssen uns selbst das Gleiche wieder vorsagen oder vorspielen. Wie lange kann der Geist bei einer Sache bleiben? Kann er sich immer wieder das Angenehme vorsagen?

Dann erzählt der Geist etwas Neues. Wenn er genügend fantasiert, merkt er das Dukkha nicht so stark. Wieso fantasieren und dösen wir und denken uns etwas aus? Wir denken an alle möglichen Dinge, damit wir nicht erkennen müssen, dass unsere Sinneskontakte absolut nicht befriedigend sind, sondern kurzfristig sein müssen. Nehmen wir zum Beispiel das Essen. Es schmeckt großartig. Wie lange? Allerhöchstens zwanzig Minuten. Vielleicht denken wir, es hat doch wunderbar geschmeckt, beschließen also, weiter zu essen. Eine Stunde, eineinhalb Stunden, wodurch nichts als Dukkha entsteht. Dasselbe gilt für alle anderen Sinneskontakte. Sollte man sie länger festhalten als ihre natürliche Lebensdauer, die bei manchen nur Sekunden hat und bei anderen etwas länger dauert, dann wird daraus Dukkha. Außerdem sind unsere Reaktionen auch veränderlich, und was einmal Glück war, kann leicht Leid werden.

Dennoch dreht sich alles um das Angenehme. Immer wieder denken wir, wenn wir etwas Unangenehmes erleben – es braucht sogar nur das Wetter zu sein –, dass das Leben nicht richtig abläuft. Wie abhängig dürfen wir uns von äußeren Dingen machen? Wozu das alles? Wieso bringen wir nicht eine ganz andere Richtung in unser Leben? Die Abhängigkeit von den Sinneskontakten ist der Fehler. Die Sinneskontakte selbst sind kein Fehler; sie sind unser Überlebensprogramm. Es ist viel einfacher zu überleben, wenn wir sehen, hören, riechen, schmecken, berühren und denken können, als wenn einer der Sinne nicht funktioniert. Als blinder oder tauber Mensch haben wir es viel schwieriger. Wir sehen das aber überhaupt nicht auf diese Weise. Im Allgemeinen glauben wir, dass unsere Sinne unser Vergnügungslokal sind. Dafür sind sie jedoch nicht gedacht, sondern sie helfen uns zu überleben.

Betrachten wir zum Beispiel die Vögel. Gerade im Winter ist dies einfach, wenn wir Futter gestreut haben. Was machen sie? Sie futtern und sind voller Futterneid. Manchmal, wenn größere Vögel kommen, entsteht Aggression und Krieg, manchmal nur großes Geschrei. Können wir das auf uns selbst beziehen oder sind es immer die anderen? Nur was wir auf uns selbst beziehen, können wir ändern. Kein anderer spielt mit. Wir reagieren nur auf die anderen und vor allen Dingen auf diejenigen, die uns am nächsten stehen. Leider reagieren wir nicht immer positiv. Wir könnten einmal, statt zu reagieren, zuerst untersuchen, auf welchen Sinneskontakt wir eigentlich reagieren: auf das Gehörte, das Gesehene, das Gedachte? Reagiere ich jetzt darauf mit Ärger, Ablehnung und Feindseligkeit, mit Leiden oder Depression? Wozu denn? Vielleicht kommen wir dadurch darauf, uns erst einmal sagen zu können: „Wozu mache ich mich selbst eigentlich unglücklich? Warum muss ich denn reagieren? Ich höre und sehe es. Darauf zu reagieren, ist doch ganz unnötig.“

Was wir hören, ist im Prinzip nur Geräusch, und was wir sehen, ist nur Farbe und Form. Alles andere fabriziert der Geist. Wenn wir zum Beispiel einen Spaziergang in den Wald machen, ist es möglich, dies zu erleben. Was sehe ich? Vielleicht sagt der Geist: „Die Bäume gefallen mir sehr gut. Ich möchte auch im Wald leben.“ Das ist eine Reaktion. Ich möchte schon wieder etwas bekommen, was ich wahrscheinlich nicht habe. Schon entsteht Unzufriedenheit. Wir können einmal versuchen, was wir sehen, nur zu sehen. Das ist nicht ganz einfach, aber mit etwas Übung sollte es möglich sein.

Auf unser Sehen folgt sofort ein Gefühl, das mit einem Etikett versehen wird, woran sich die Reaktion anschließt. Das sind die vier Teile des Geistes. Diese einmal kennenzulernen, ist unumgänglich nötig, wenn man den spirituellen Werdegang ernst nimmt. Ohne das Erkennen des eigenen Geistes wird auch aus der Meditation nichts, geschweige denn aus der Achtsamkeit oder aus erhöhter Lebensqualität, die sich jeder wünscht und haben könnte, wenn er seinen eigenen Geist einmal verstehen würde.

Was hier passiert, sind vier Schritte. Der erste ist der Sinneskontakt. Es kann Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Berühren oder Denken sein. Jeder Sinneskontakt bringt unweigerlich ein Gefühl mit sich. Daran ist nichts zu ändern. Das Gefühl kann angenehm, unangenehm oder neutral sein. Die neutralen Gefühle beachten wir nicht, weil wir nicht genügend Achtsamkeit haben, um sie überhaupt wahrzunehmen. Sie reizen uns auch nicht zum Ablehnen oder zum Begehren. Sie sind auch nicht so häufig wie die angenehmen oder unangenehmen Gefühle. Wenn wir also das Gefühl gar nicht bemerkt haben, sondern sofort ein Etikett auf unser Erleben kleben, so reagieren wir neutral. Aber das passiert selten.

Im Allgemeinen haben wir entweder ein angenehmes oder ein unangenehmes Gefühl. Sollten wir zum Beispiel Essen zu uns nehmen, das zu scharf oder versalzen ist, kommt ein unangenehmes Gefühl hoch. Das Etikett: „Es schmeckt scheußlich.“ Die Reaktion: „Was haben die hier für eine fürchterliche Küche? Es ist ein Jammer, hergekommen zu sein. Für das Geld könnten sie auch vernünftig kochen. Man müsste mit dem Koch sprechen. Die verlangen sowieso zu viel Geld. Ich habe meine Rechnung ja noch nicht bezahlt. Alles ist zu teuer heutzutage. Ob die Bank mein Darlehen wohl bewilligt hat?“ Das geht dann weiter und weiter. Nur weil das Essen etwas salzig war, sind wir beim Bankdarlehen gelandet.

Dasselbe geschieht bei der Sitzstellung. Wir sitzen ganz ruhig in der Meditation. Mit der Zeit kommen Rückenoder Knieschmerzen oder beides. Wir können feststellen: „Berührungskontakt in der Sitzstellung. Unangenehmes Gefühl als Folge.“ Dann kommt das Etikett »Schmerz« und die Reaktion: „Das ist ja schrecklich. Ich hätte mir doch meinen Stuhl von Zuhause mitbringen sollen. Wozu überhaupt so sitzen? Das kann doch keinen Sinn ergeben. Ich habe immer gewusst, ich eigne mich nicht für die Meditation.“ Und dann hören wir schnell wieder auf mit der Meditation und versuchen etwas Neues, weil das Knie wehgetan hat, weil wir Berührungskontakt hatten, weil wir darauf geeicht sind, dass alles angenehm sein soll. Es darf uns nichts wehtun. Wieso eigentlich nicht? Wer hat denn das erfunden? Vielleicht die Ärztekammer?

Solange wir einen Körper haben, wird immer irgendetwas nicht in Ordnung sein. Es geht einfach nicht anders. Am Schluss stirbt er noch weg, wahrscheinlich am falschen Tag. Dass wir den Körper ganz in Ordnung halten können, ist eine Fantasie, eine Utopie. Wenn wir ihn schmerzfrei und funktionsfähig haben, können wir uns glücklich preisen. Das vergessen wir meistens, obwohl es ein wichtiger Punkt ist, dankbar zu sein, wenn der Körper einen halben Tag keine Beschwerden hat. Weder war ihm zu heiß, noch zu kalt, noch hat ihm der Rücken oder irgendetwas wehgetan, er war weder hungrig noch übersättigt. Alles ging einen halben Tag lang wunderbar. Statt dankbar zu sein, wenn es uns gut geht, sind wir ärgerlich, wenn es nicht so läuft und müssen sofort etwas unternehmen, damit der Körper sich wieder angenehm anfühlt. Bei der Sitzstellung können wir das genauestens kennenlernen. Obwohl wir im Prinzip genau wissen, dass Meditation sehr gut für uns wäre, lassen wir uns durch unangenehme Gefühle davon abhalten. Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass wir wissen, was richtig ist, es aber nicht verwirklichen können, weil wir uns auf das Angenehme fixiert haben.

Natürlich gibt es eine Schmerzgrenze. Bei manchen Menschen ist diese sehr eng, bei anderen etwas weiter. Der Buddha hat gesagt, dass die Gesundheit ein großes Hilfsmittel für den spirituellen Pfad ist. Aber er hat auch erwähnt, dass wir ausdauernd sein sollten und ertragen können müssen. Letzteres bedeutet bei der Sitzstellung nicht, die Zähne zusammenzubeißen und negativ zu denken: „Ich werde es noch schaffen. Es ist zwar fürchterlich, aber ich werde schon zeigen, dass ich es kann.“ Im Prinzip will kein Mensch etwas davon wissen. Also es sich selbst beweisen? Das ist darum falsch, weil es negativ strukturiert ist. Ertragen bedeutet akzeptieren. So wie es ist, ist es. Gerade in der Sitzstellung können wir lernen, die vier Teile des Geistes, den Sinneskontakt, das Gefühl, das Etikett und dann die Reaktion des Geistes wahrzunehmen. Die Reaktion: „Jetzt muss ich mich aber umsetzen“, wird im Allgemeinen überhaupt gar nicht erkannt, sondern wir setzen uns schon um, bevor wir überhaupt die vier Teile des Geistes erlebt haben.

Das ist etwas, was wir lernen können, um unsere Geisteshaltung einmal genauestens zu erkennen. Dann wird es uns möglich sein, nicht impulsiv und instinktiv zu reagieren und, wenn unsere Impulse hochkommen, sie nicht sofort in die Tat umzusetzen, sondern den Weg des Geistes zurückzuverfolgen: Berührungskontakt, unangenehmes Gefühl, Etikett, Reaktion. Wenn wir das tun, sind wir ein objektiver Beobachter. Dann stellen wir ein zweites Mal Berührungskontakt und unangenehmes Gefühl fest, ohne es zu etikettieren, ohne zu reagieren und gehen stattdessen zurück zum Atem. Das können wir alle zwei- oder dreimal tun, auch wenn die Konzentration vielleicht nur eine Minute anhält. Wir haben aber unseren Geist kennengelernt und nicht instinktiv gehandelt, so wie wir das im Allgemeinen tun. Wenn wir die Vögel beobachten, so sehen wir sie instinktiv und impulsiv handeln. Wir sind schließlich eine Stufe weiter als die Vögel im Wald. So niedlich sie auch aussehen mögen, vielleicht niedlicher als wir, haben wir jedoch die Möglichkeit, unseren Geist zu beobachten.

Wenn wir jetzt erkannt haben, was die vier Schritte des Geistes beinhalten, uns noch einmal Berührungskontakt und unangenehmes Gefühl verdeutlicht haben und dann zurück zum Atem gegangen sind, sagt der Geist vielleicht: „Sehr interessant, aber so kann ich nicht sitzen.“ Dann können wir uns umsetzen. Leise, sodass wir weder uns selbst noch einen anderen stören. Aber auf jeden Fall haben wir nicht impulsiv und instinktiv reagiert. Aus zwei Gründen ist dies ein wichtiger Vorgang. Zum einen, weil es gut zu wissen ist, was unser Geist hervorbringt. Und zum anderen, weil diese Art des impulsiven Handelns uns von morgens bis abends begleitet. Weg von der Unannehmlichkeit, hin zu den Annehmlichkeiten.

Wenn wir anfangen zu meditieren, handelt es sich nicht nur darum, dass wir erkennen, was wir tun, sondern es handelt sich auch darum, es einmal anders zu machen; außer wir wären so glücklich und zufrieden mit unserem Leben, dass wir nichts ändern möchten. Es ist kaum anzunehmen, dass dies bei vielen Menschen der Fall ist. Wenn wir aber selbstzufrieden sind und glauben, alles sei in Ordnung in uns selbst, wir wollten nur noch etwas schöner meditieren, dann wollen wir nichts ändern. Der Buddha hat jedoch gesagt, man solle nur zum Meditieren kommen, ganz gleich aus welchem Grund.

Wenn wir uns aber darüber klar sind, dass unsere innere Sehnsucht nicht befriedigt ist, dann müssen wir etwas anderes probieren. Dies bedeutet, dass wir uns nicht instinktiv vom Dukkha wegbewegen, sondern es erst einmal erkennen und auch wissen, dass Wegbewegen das Verschleiern des Dukkha ist. Wenn wir aber unser Dukkha verschleiern, dann wissen wir überhaupt nicht, wozu wir diesen Weg gehen sollen. Entfernen wir uns immer wieder von unserem Dukkha, bauen wir durch diese Bewegung Barrikaden auf. Das, was unangenehm ist, soll irgendwo begraben werden. Wir wollen nur das Angenehme wissen. Es ist ein unmöglicher Wunsch, ein Wunschtraum, der nicht erfüllbar ist. Daher ist jeder Mensch unzufrieden und unerfüllt, weil es keine Möglichkeit gibt, dem Dukkha zu entkommen.

Es gibt aber die Möglichkeit, Dukkha zu erkennen und zu akzeptieren. In dem Moment, in dem wir das tun, leiden wir nicht darunter. Das ist der Weg in die Freiheit. Erkennen, akzeptieren und nicht darunter leiden. Vor allen Dingen hat das oft und viel mit dem Körper zu tun, der sehr häufig bei uns an erster Stelle steht. Wer auf dem Meditationskissen sitzt, heißt doch »Ich« und hat all diese Schwierigkeiten. Dieses »Ich« ist in der Länge vom Fuß bis zur Kopfspitze und in der Breite von Arm zu Arm begrenzt. Eine nicht besonders zufriedenstellende Situation, weil man sich ja auf diese Art sehr allein in diesem Universum vorkommt. Aber so denken die meisten Menschen. Dem Dukkha zu entkommen, ist der unerfüllbare Wunschtraum der Menschheit. Viele Menschen reden sich noch mehr Dukkha ein als sie eigentlich schon haben, und manche glauben, weniger zu haben als andere. Die meisten Menschen erkennen nicht, dass Dukkha einfach eine Begleiterscheinung von Existenz ist und weiter nichts.

Diese Erscheinung kann nur dann gemeistert werden, wenn wir objektiv sehen, dass Existenz einfach nicht zufriedenstellend ist. Nun haben wir schon ganz herrliches Wetter, eine erstklassige Küche, sehr guten Komfort, das Dhamma des Buddha und die Meditation. Und nun? Totaler innerer Frieden, nichts stört? Im Gegenteil, die Sonne scheint einem ins Gesicht und wirkt unangenehm. Man fängt an zu husten, auch das ist unangenehm. Der Nachbar ruckelt herum, und es stört uns. So ist es nun einmal. Dieses »so ist es nun einmal« ist der Weg. Leben, Vergänglichkeit und Tod, die ganze Existenz sind einfach nicht zufriedenstellend, ganz egal, wie schön alles gerade erscheint.

Wenn wir es bei uns selbst nicht merken, möchte ich noch einmal vorschlagen, die Vögelchen anzuschauen, die bestimmt draußen zu finden sind. Weniger wichtig ist, dass sie niedliche Federchen haben, die haben wir auch. Wir haben auch ein hübsches Kleid an. Aber wir sollten beobachten, wie sie sich benehmen, was sie machen. Dann einmal schauen, was wir machen. Natürlich machen wir alles auf eine andere Art und Weise, aber mit derselben Motivation der Wunscherfüllung.

Es gibt kaum einen Menschen, der nicht am eigenen Geist interessiert ist. Die Meditation ist die Wissenschaft des Geistes und besteht nicht nur daraus, sich hinzusetzen und konzentriert zu werden. Immer wieder können wir unsere geistigen Reaktionen erkennen und dabei auch feststellen, dass sie immer auf persönlichen Komfort ausgerichtet sind. Oft ist es uns dann ganz egal, ob es für unseren Nachbarn auch angenehm ist, denn vor allen Dingen soll es uns angenehm sein. Wir können diese Einstellung nicht sofort ändern, aber wir können sofort erkennen, wie wir das handhaben und auch, dass die ganze Menschheit so handelt, dass wir immer so gehandelt haben und nie befriedigt waren.

Dann können wir dieses »nicht befriedigt sein« dazu benutzen, um die Dringlichkeit der Praxis zu erkennen und weitere, höhere Ebenen des Glücks kennen zu lernen. Der Buddha hat nicht gesagt, dass die Sinnesbefriedigungen nicht existieren sollen oder dürfen. Das ist eine Frage, die immer wieder gestellt wird. Von »sollen« oder »dürfen« wird nicht gesprochen. Je mehr gutes Karma wir gemacht haben, umso mehr angenehme Sinneskontakte werden wir haben. Je mehr schlechtes Karma wir gemacht haben, umso mehr unangenehme Sinneskontakte erleben wir. Sind wir sehr großzügig gewesen, so werden wir viele schöne Dinge bekommen. Sind wir sehr kleinlich gewesen und haben immer nur an uns selbst gedacht oder höchstens noch an die eigene Familie, wird uns nicht so viel Angenehmes zuteilwerden. Es hat kein Mensch, keine Situation und nichts Äußeres daran schuld. Schuld und Sühne gibt es in der Buddha-Lehre nicht, sondern nur Ursache und Wirkung. Wie du säst, sollst du ernten, und wir ernten nur unsere eigene Saat. Wir können nicht in Nachbars Garten ernten, dort erntet er selbst.

Wenn wir angenehme Sinneskontakte haben, so sollten wir das nicht für eine Selbstverständlichkeit halten. Das ist auch ein allgemeiner Fehler, den wir alle machen. Wir glauben, sie stehen uns zu. Keiner hat an unserer Wiege prophezeit, dass wir nur Annehmlichkeiten erleben werden. Im Gegenteil, wenn einer etwas prophezeien könnte, hätte er sicherlich gesagt, dass wir beides, Angenehmes und Unangenehmes erleben werden. Wir sollten dankbar sein für schönes Wetter, gutes Essen, angenehmes Sitzen, liebe Freunde, gute Lehren, dankbar sein für alles, was uns geboten wird. Was tun wir aber wirklich? Wir sind erbost über das, was uns nicht gefällt. Wir sollten es einmal genau umdrehen und tief dankbar sein für alles, was wir bekommen und haben. Was wir nicht haben, das haben wir uns eben nicht erarbeitet. Das ist doch ganz einfach. Was nicht bei uns existiert, das haben wir einfach nicht gesät. Wir machen aus vielen Dingen große Affären, die nur in unserem Geist existieren.

Die Dankbarkeit für die Annehmlichkeiten bringt auch Erkennen, wieso der Buddha die Sinnesbefriedigung die unterste Ebene des Glücks genannt hat. Wir bekommen Freude, Vergnügen und Glück durch die Sinneskontakte, vor allen Dingen durch die verfeinerten. Manche Menschen sind auf der Suche nach Glück durch grobe Sinneskontakte. Das bringt natürlich nur Dukkha. Das kann Alkohol sein oder Drogen, Sex (in verstärktem Maße) oder auch Essen. Es gibt aber auch verfeinerte Sinneskontakte, die fraglos Glück bringen. Wenn wir zum Beispiel Dinge sehen oder hören, die auf einer uns erhebenden geistigen Ebene liegen, wie ein schönes Gedicht oder wunderbare Musik. Das sind Sinneskontakte, die einen Wert für uns haben. Auch wenn wir selbst malen, so ist das eine Sinnesbefriedigung, die auf einer höheren Ebene liegt und daher Glück bringt, wenn auch nur befristet. Diese Sinneskontakte werden vom Buddha nicht abgelehnt.

Aber um es ganz deutlich zu machen: Wir müssen wissen, dass das nicht eine unabhängige Glücks- und Friedenssituation ist, auf die wir uns verlassen können. Wir können nicht darauf bauen, dass unsere Sinneskontakte angenehm sind und dass sie so bleiben. Wie Wilhelm Busch richtig sagt: „Ist ein Wunsch erfüllt, so kriegt er gleich wieder Junge.“ Wir müssen erkennen, dass wir auf dieser Ebene unsere Sehnsucht nicht erfüllen können. Und dennoch tut es die Menschheit, weil sie nichts anderes kennt. Wir haben ganz andere Möglichkeiten, ein ganz anderes Potenzial.

Es ist also unumgänglich nötig, die vier Schritte des Geistes zu kennen, die mit dem Sinneskontakt anfangen (Sinneskontakt, Gefühl, Etikett und Reaktion). Die meisten Menschen merken nichts anderes als die Reaktion. Dann greifen sie auf den Sinneskontakt zurück und beschuldigen denjenigen, der den Sinneskontakt ausgelöst hat. Die beiden Schritte in der Mitte, das Gefühl und das Etikett, merken die meisten überhaupt nicht. Merken, bemerken, dabei sein, nicht fantasieren, die Dinge einmal so sehen, wie sie wirklich sind, sind des Buddhas Wegweiser.

Wir, als Menschen, haben ein Potenzial der vollkommenen Freiheit, des vollkommenen Erkennens, des Durchblickens durch alle Ideen und Absurditäten und Unvollkommenheiten. Diese Fähigkeiten ermöglichen auch, nicht nur zu erkennen, sondern auch zu verzeihen und Mitgefühl zu haben. Je weniger wir uns selbst erkennen, umso weniger wissen wir, was in der Welt passiert. Da können wir jede Tageszeitung lesen und jede Nachrichtensendung im Fernsehen anschauen. Wir wissen doch nicht, was in der Welt geschieht, sondern bleiben nur an der Oberfläche. Um zu wissen, wieso etwas geschieht, müssen wir erkennen, warum es bei uns selbst geschieht. Dann wissen wir, warum es anderswo auch geschieht. Dazu brauchen wir Achtsamkeit, Willenskraft, Wachsein und einen Geist, der untersuchen will, und nicht einen, der sich einlullen lassen will. Letzteres bringt auch nur Dukkha, denn immer wieder gibt es ein grobes Wachgerüttelt werden.

Die vier Ebenen des Glücks

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