Читать книгу June - Babette Hünerwadel - Страница 10
Kapitel 5
ОглавлениеDie Tafel, die vor uns auf der Picknickdecke ausgebreitet liegt, lässt keine Wünsche offen. Eigentlich doch erstaunlich, was es alles in dem kleinen Lebensmittelladen zu kaufen gab. Und langsam kehrt sogar mein Appetit wieder zurück.
Die Brötchen, die mich heute Morgen noch beinahe in die Flucht geschlagen hätten, lassen jetzt meinen Magen knurren und zusammen mit dem Käse, den Oliven und den frischen Früchten das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auf den Wein kann ich heute hingegen gerne verzichten.
Das Klima ist noch ziemlich mild und angenehm, obwohl die Sonne nur noch spärlich durch die Bäume dringt.
„Hör mal June ... danke dir für gestern. Du hast echt was gut bei mir."
Junes Blick liegt prüfend auf mir. „Wie gesagt, kein Ding. Wir hatten die letzten Jahre unsere Differenzen, aber irgendwie sind wir doch immer noch Freunde."
Ihre Worte treffen mich mehr, als ich es erwartet hätte, oder mir selber eingestehen will. So bescheuert es klingt, sie zielen genau auf den Punkt, der mir an dieser bekloppten Geschichte am meisten zu schaffen gemacht hat. Ich kann ihren Worten nicht glauben. Nicht so, wie ich es gerne täte. Zu viel ist kaputt gegangen damals.
Ich hole tief Luft. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir das noch sind, June."
Junes Blick versucht mich zu durchbohren, während der meine das Weite sucht und sich im grünen Geäst verliert.
„Gib uns die Chance, Levin! Gib uns zumindest die Chance, alten Knatsch abzuschließen und aufzuräumen."
Alles in mir will idiotischerweise die Flucht ergreifen. Und so tue ich das, was ich in solchen Situationen immer gerne tue. Mit einem gemurmelten „Bin gleich zurück" lasse ich June sitzen und mache mich davon.
Ich atme tief durch und bahne meinen Weg durchs Gebüsch. Auch wenn es bescheuert ist, aber manchmal benötige ich einfach ein paar Minuten, um mich zu fangen. Dabei denke ich nicht mal an Junes Worte oder überhaupt an June. Zumindest versuche ich, nicht daran zu denken, wie verletzt sie mich damals zurückgelassen hat.
Der Frieden, den der Wald ausstrahlt, kommt langsam, aber sicher zu mir zurück. Nicht allzu lange und meine Irrwege führen mich wieder zu unserem Picknickplatz.
„Na, hast du dich wieder abreagiert?" Ihr Grinsen ist nicht zu übersehen, geschweige denn auszublenden.
Direkt wie immer, unsere liebe June! So kenne ich sie. Und trotzdem ist es mir irgendwie unangenehm.
„Na komm schon, Levin. Iss endlich!"
Trotz Fluchtversuch meinerseits wird das Picknick ganz angenehm und wir schaffen es sogar, unser Gespräch auf unverfängliche Themen zu lenken, um weitere emotionale Tiefflüge zu verhindern.
Die untergehende Sonne teilt uns unmissverständlich mit, dass es an der Zeit ist, den Krempel zusammenzupacken und uns auf den Heimweg zu machen. Gemeinsam verstauen wir alles in meiner Tasche und sind schon bald startbereit.
Wir folgen dem Trampelpfad durch das Dickicht, auf dem wir an diese Stelle gelangt sind. Ich gehe hinter June her, schließlich hat sie die Stelle gefunden, also wird sie wohl auch wissen, wo es zurückgeht.
Die Dämmerung breitet sich schnell zwischen den Bäumen aus, während wir, wie es mir scheint, mal wieder kreuz und quer durch die Gegend stolpern.
„Bist du dir sicher, dass wir auf dem richtigen Weg sind, June?"
Ihre unbekümmerte Stimme steht ganz im Gegensatz zu ihren Worten: „Was ist schon sicher im Leben?"
„June ...“, will ich ansetzen.
„Verdammt!" June unterbricht mich.
Jetzt sehe ich ihn ebenfalls, auch wenn er nur schemenhaft in der Dunkelheit zu erkennen ist. Unser Picknickplatz. Ja, auch so kann man die Zeit totschlagen! Eineinhalb Stunden in der Dunkelheit umherirren und wir sind wieder am Ausgangspunkt angelangt!
Die dicken Regentropfen, die in diesem Moment auf mein Gesicht fallen, heben meine Stimmung nicht wirklich.
„Okay June ... fassen wir mal zusammen: Wir haben uns verirrt, es ist Nacht und in den nächsten Minuten wird uns ein Wolkenbruch beglücken. Na ja, immerhin wird's uns nicht langweilig!"
„Mist! Tut mir leid, Levin! Ich hab wirklich gedacht, es sei der richtige Weg!"
„Kein Thema." Gerade steht mir der Sinn nicht nach Entschuldigungen und ich denke, wir sollten uns eher darauf konzentrieren, ein trockenes Plätzchen für die Nacht zu schaffen. „Hilf mir lieber Äste und Zweige zu sammeln, um uns einen Unterstand zu basteln."
Und so schleppen wir alle Äste an, die wir in der Dunkelheit zu fassen kriegen, und versuchen behelfsmäßig ein kleines Dach zu bauen, was sich ohne Schnüre und ordentlichem Messer als gar nicht so einfach herausstellt.
Leider ist der Regen schneller als unser improvisiertes Dach. Aber auch schneller fertig. Der Wolkenbruch hat nur einige Minuten gedauert, die ersten paar Sekunden haben jedoch ausgereicht, um uns buchstäblich bis auf die Haut zu durchnässen.
Wir setzen uns unter das relativ unnütze, halbfertige Dach und schlottern gemeinsam durch die Nacht.
„Hast du Streichhölzer oder ein Feuerzeug? Wir sollten versuchen, ein Feuer zu machen."
Während June in ihren Taschen nach einer Feuerquelle sucht, versuche ich kleine Äste zu finden, um ein Feuer in Gang zu kriegen.
Das Tannenreisig, das June angeschleppt hat, ist da schon eine große Hilfe und nach einigen Versuchen kriegen wir tatsächlich eine kleine Flamme zustande, die wir mit allen Mitteln am Leben zu erhalten versuchen.
Ich greife nach meiner Tasche und stelle erleichtert fest, dass die Picknickdecke trocken geblieben ist.
„Wir sollten die nassen Klamotten ausziehen und sie über die Äste zum Trocknen hängen. Wir können uns in die Decke wickeln und uns am Feuer wärmen."
Obwohl es sich doch etwas seltsam anfühlt, so entblößt neben June unter der Decke zu sitzen, bleibt uns keine andere Wahl. Wir beide zittern vor Kälte und versuchen uns gegenseitig am Feuer zu wärmen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass das gesammelte Holz noch lange ausreicht, denn ich möchte ungern nackt im Wald spazieren gehen, um neues Feuerholz zu sammeln und ebenso ist die Vorstellung, in die feuchten Kleider zu steigen, nicht unbedingt das, was einem schönen Ausflug allzu nahekommt.
Wir sitzen dicht nebeneinander, in unsere rettende Decke gehüllt, und starren ins Feuer.
„Was hat es denn nun mit dieser Hochzeit auf sich, June?"
June zittert noch immer vor Kälte und ich lege meinen Arm um ihre Schultern, um sie etwas zu wärmen.
„Mein Ex. Es ist mein Ex, der meine ehemals beste Freundin heiratet."
„Autsch!"
June lacht auf, während ihr Blick noch immer vom Feuer gefangen genommen ist.
„Das kannst du laut sagen! Er hat am Vorabend unserer Hochzeit mit mir Schluss gemacht. Na ja, immerhin hat er mich nicht vor dem Altar stehen lassen. Man soll ja bekanntlich überall nach der positiven Seite suchen." Der Versuch, einen Scherz zu machen, gelingt ihr nur mäßig.
„Verdammt! Aber warum tust du dir das an, June? Warum willst du da hinfahren?"
Junes Gedanken scheinen eine Weile nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich möchte mich nicht kleinkriegen lassen. Ich möchte ihnen mit erhobenem Kopf entgegentreten und ihnen zeigen, dass sie ..." Junes Stimme verstummt.
„... dass sie dich mal können?"
„So in etwa ... Obwohl ich zugeben muss, dass die Idee ziemlich bescheuert ist, zumal ich keinen Dunst habe, wie ich meiner Demütigung erhobenen Hauptes zusehen soll."
Ich schweige eine Weile, während ich den inneren Kampf mit mir auszufechten versuche. Die Gedanken jagen durch meinen Kopf, doch schließlich weiß ich, was ich zu tun habe.
Manchmal muss man über seinen Schatten springen, denn auch wenn mich June mehr als sonst jemand verletzt hat, so ist sie noch immer einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Und das wird sie wohl immer bleiben.
„Ich werde dich begleiten, June."