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Mel

Mel war verwitwet. Ihr Gatte, Max, war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Auf der Autobahn hatte ein Lastwagen vor ihm einen Reifenplatzer gehabt. Der Riesenwagen war ins Schleudern gekommen und stellte sich quer. Mels Mann hatte sich in dem Auto hinter dem Lkw befunden. Er hatte gar keine Chance gehabt. Die Notbremsung hatte nicht geholfen. Er war auf der Stelle tot. Da noch andere Autos in den Unfall verwickelt gewesen waren, kamen fünf Feuerwehren, drei Notarztwagen und ein Hubschrauber. Die Autobahn war komplett gesperrt. Mels Mann wurde mit der Bergeschere aus dem Wrack geschnitten. Es war jedoch zu spät für ihn.

Mel war ihr ganzes Leben lang Hausfrau gewesen. Ihr Mann hatte als Direktor einer Großdruckerei sehr gut verdient. Sie musste nie arbeiten. Ihre Zwillinge, Fred und Lisa, waren in einem behüteten Heim aufgewachsen bis zu diesem unheilvollen Tag. Von da an war alles anders.

Dank Max´ Lebensversicherung war die Familie gut versorgt. Mel erhielt eine monatliche Pension, die Ausbildung der Kinder war Gott sei Dank ebenfalls abgesichert.

So ging Mels Leben weiter, wie es vor dem Unfall gewesen war, aber Max fehlte ihr natürlich sehr. Sie hatte diverse Hobbys wie zum Beispiel Demos für die Rechte der Tiere. Mindestens einmal im Monat fand irgendwo eine Demonstration gegen Tierleid, gegen Tierfabriken und gegen den übermäßigen Fleischkonsum statt. Allein diese Zusammenkünfte verschlangen einen großen Teil ihrer Freizeit.

Sie strickte sehr gerne. Sie ernährte sich ausschließlich vegetarisch und war Obfrau des Leseclubs für Kinder in Mariahilf. Jeden Montag trafen sich die Mitglieder des Clubs, stellten neue Bücher vor, hielten Lesungen ab oder luden Autoren in den Club ein. Das oberste Ziel war es, den Kindern das Lesen näherzubringen, sie wegzuholen von Handy und TV.

Fred und Lisa waren zu dem Zeitpunkt, als ihr Vater verunglückte, mitten in der Pubertät gewesen und Mel hatte ihre liebe Not mit ihnen. Aber auch diese Zeit ging vorbei. Als das Gymnasium geschafft war, beschlossen die beiden, in Klagenfurt Soziologie zu studieren.

Mel machte das möglich, indem sie ihnen in Kärnten eine passende Unterkunft suchte und dafür sorgte, dass die beiden inskribierten.

Nun waren die Kinder aus dem Haus. Ihr blieben nur ihre diversen Hobbys.

Sie betreute weiter den Leseclub und befasste sich gerne mit den Kindern. Viele waren ihr schon ans Herz gewachsen.

Einmal im Monat fuhr sie mit ihrem hellblauen Fiat Panda nach Klagenfurt und besuchte die Zwillinge. Die hatten sich dort bestens eingelebt. Sie hatten zwei Untermietzimmer bei einer netten alten Dame, der Gerti, die Fred und Lisa gerne verwöhnte. Sie selbst hatte nie Kinder gehabt und genoss die beiden Wirbelwinde jetzt umso mehr.

Mel engagierte sich noch mehr für die Tiere. Sie führte herrenlose Hunde aus, die im Tierschutzhaus lebten und noch nicht vermittelt waren. Sie half bei dessen wöchentlichen Flohmärkten, um Geld für die Tiere hereinzubekommen. Sie renovierte ihre Wohnung, was in ihrem Fall hieß: Sie ließ renovieren.

Sie ließ Vorzimmer und Küche in Hellblau streichen. Das war nämlich ihre Lieblingsfarbe. Früher hatte sie sich nicht getraut, ihren Wunsch durchzusetzen. Ihr Mann war eher der Beige-Typ gewesen. Nur ja immer dezent und nicht irgendwie auffallen!

Jetzt hatte sie die Gelegenheit, die Wohnung ganz nach ihrem Geschmack umzugestalten. Es machte ihr auch enormen Spaß, immer wieder kleine Verbesserungen vorzunehmen.

Im Tierschutzhaus hatte sie einen Lieblingshund. Er war eine Mischung aus Dackel und Dogge, ein lustiges Kerlchen. Sie nannte ihn Dee-Dee.

Er liebte es, wenn sie ihn besuchen kam, denn dann gab es auch immer einen guten Leckerbissen. Jeden Montag durfte er außerdem mit Mel in den Leseclub. Er hatte Abwechslung und die Kinder hatten Freude mit ihm. Ruhig lag er mit gespitzten Ohren zwischen den Kindern, die im Kreis um Mel saßen und ihren Geschichten lauschten. Natürlich wurde er von den kleinen Lauschern auch zärtlich gekrault. Fast mochte man glauben, er horchte genauso andächtig zu wie die Kinder.

Mel suchte sehr gerne Tiergeschichten aus, da sie die Erfahrung gemacht hatte, dass die Kleinen diese besonders mochten. Nur wenige von ihnen hatten ein Haustier, daher waren sie mit Mels Auswahl immer sehr zufrieden und Dee-Dee auch. Mel hatte sich darüber hinaus angewöhnt, den Kindern Kakao zu kochen. Das liebten die Kleinen. Was gab es auch Schöneres an einem kalten Novembernachmittag, als einer Tiergeschichte zu lauschen, einen süßen Hund zu kraulen und heißen Kakao zu trinken?

Dann waren dazwischen noch die Demos gegen lange Tiertransporte, gegen Pelztierfarmen und für glückliche Hühner. Es gab immer etwas für sie zu tun.

Mit der Zeit überlegte sich Mel, dass die Wohnungsrenovierung eine Fehlinvestition war. Zunehmend fühlte sie sich in der großen Bleibe, die ja ursprünglich für vier Familienmitglieder passend gewesen war, mehr und mehr verloren.

Sie würde sich wohl doch etwas Kleineres suchen. Na, und von den Renovierungsarbeiten würde halt der Nachbesitzer profitieren. War ja auch nicht schlecht. Vielleicht würde ihm Hellblau ja gefallen.

Fred und Lisa machten in Klagenfurt im Studium gute Fortschritte. Sie waren beide sehr ehrgeizig. Den Plan ihrer Mutter, die Wohnung aufzugeben, befürworteten sie. Es war ohnehin nicht klar, ob sie nach dem Studium nicht hier in Kärnten bleiben würden.

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Nice Girls Verrückte Hühner, leicht ergraut

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