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„MAN MUSS VERSUCHEN, SEIN INNERES MAKE-UP ZU FINDEN“


ELVIRA BACH

geboren 22. Juni 1951 in Neuenhain Beruf Malerin

ELVIRA BACH wird am 22. Juni 1951 in Neuenhain im Taunus geboren. Von 1972 bis 1979 besucht sie die Hochschule der Künste in Berlin, u.a. mit den „Jungen Wilden“ Rainer Fetting, Salomé, Helmut Middendorf und Stefan Szczesny. 1982 erlebt sie auf der Documenta 7 in Kassel ihren internationalen Durchbruch. Seitdem sind ihre Werke in Galerien, Museen und auf Kunstmessen in der ganzen Welt zu sehen. Elvira Bach ist heute eine der bekanntesten deutschen Malerinnen. Im Mittelpunkt ihrer Kunst stehen Frauen und alle Themen ihres Lebens, ob als Akt, als Mutter, Geliebte, Hausfrau, als Teil der Welt. Elvira Bach, deren Markenzeichen ihre Turbane sind, ist verheiratet und hat zwei Söhne (Lamine, 28, und Maodo, 20). Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Frau Bach, wie war das, als Sie 60 wurden? Ich habe eigentlich noch nie wirklich Probleme mit meinem Alter gehabt. Nur mit 40 war ich an einem Punkt, an dem ich nachdenken musste. Ich hatte bis dahin nur den einen Sohn; als mein zweiter Sohn auf die Welt kam, war ich schon 42.

Sie haben sich mit 40 überlegt, noch mal schwanger zu werden? Ja. Bei meinem Erstgeborenen war ich 35. Ich habe irgendwann Angst bekommen …

… dass er Einzelkind bleiben könnte? … dass ich ihn verlieren könnte! So bin ich gar nicht, normalerweise. Ich hatte immer alles auf mich zukommen lassen. Nun beschlich mich diese leise Angst.

Wie sehen Sie heute Frauen, die über 60 sind? Alter bedeutet mir nichts. Ob 20, 35, 60 oder 65 – ich sehe die Gesamtausstrahlung, das Besondere eines Menschen.

Was interessiert Sie genau? Es ist die Persönlichkeit, die sich im Laufe eines Lebens aufbaut. Ich finde es traurig, wenn sich schon 18-jährige Mädchen operieren lassen. Es ist wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, wenn die Nase oder was auch immer nicht so ist, wie sie vermeintlich sein sollte. Daran wächst doch die Persönlichkeit. Man sollte versuchen, sein „inneres Make-up“ zu finden, sich innerlich schön zu machen. Viele achten zu sehr auf Äußerlichkeiten, anstatt an ihrer inneren Schönheit zu feilen, zu arbeiten, sie zu trainieren und ihr Herz und ihren Geist zu bilden. Das macht unabhängig. Persönlichkeit stellt Schönheit in den Schatten.

Warum sind Sie und andere Frauen mit über 60 heute so viel selbstbewusster? Daran haben meine Kinder einen großen Anteil. Durch sie bleibe ich jung. Sie inspirieren mich, neue Bereiche des Lebens kennenzulernen, neugierig und offen zu bleiben. Doch es ist auch eine Haltung zur Welt: Es ist schön zu leben, in dem Alter.

Wo leben Ihre Kinder? Ein Sohn wohnt manchmal noch zu Hause, der andere in New York und studiert dort an der Columbia University. Lamine hat mich damals mit seinen Freunden in Clubs mitgenommen. Das war sehr schön. Da wäre ich sonst wahrscheinlich nie hingegangen.

Im Allgemeinen habe ich allerdings kein Problem damit, auch alleine irgendwohin zu gehen. (lacht) Ich habe schon oft alleine an der Bar gestanden! So habe ich anfangs auch meine Frauenfiguren entwickelt, einfach indem ich mich solchen Situationen ausgesetzt habe.

Sind Ihre Frauenfiguren eine Mischung aus Biographischem und dem, was Sie sehen, z. B. dem aktuellen Frauenbild? Ja. Mir ist es ganz wichtig, das auszudrücken, was ich weiß, was ich erfahren habe, was ich mir erträume, wünsche, aber vor allen Dingen, was ich erlebt habe.

Sind das positive Erfahrungen? Ich denke, das sieht man auf den Bildern. Ich kann nur positive, starke Frauen malen, weil ich eben auch positiv bin.

1983 haben Sie hier in Berlin Ihren späteren Mann Alioune kennengelernt. Zwei Jahre später kam Ihr erster Sohn Lamine zur Welt. Wie sieht das Familienleben einer Malerin aus? Ich muss meinen Alltag straff organisieren und kann keine Pause machen, ich kann es einfach nicht. Nach der Geburt habe ich sofort weitergearbeitet, zunächst ein paar Tage zu Hause, dann wieder hier im Atelier. Zum Glück hatte ich Menschen, die auf Lamine aufgepasst haben. Als dann noch Maodo auf die Welt kam, habe ich einen Mann fest angestellt.

Konnten Sie immer von Ihrer Kunst leben? Ja. Anders geht es nicht. Das ist mir ganz wichtig. Seit 1980 kann ich von meiner Arbeit leben.

Was macht Ihr Mann beruflich? Er hat in Afrika eine Farm mit Tieren und baut Mais, Erdnüsse und Hirse an.

Er lebt überhaupt nicht in Berlin? Doch, auch …Er lebt in Berlin und im Senegal. Zeitweise war es sehr schwer, immer wieder Abschied nehmen zu müssen, aber es sorgt auch für eine gewisse Lebendigkeit im Miteinander. Man gewöhnt sich daran, und es wird auch selbstverständlicher Alltag.

Freie Künstlerin ist kein einfacher Beruf. Nein. Ich habe dadurch aber viele Möglichkeiten gehabt, vieles gesehen, konnte in Afrika arbeiten und malen. Am Anfang, als Lamine noch klein war, konnte ich länger wegbleiben.

Und Sie haben dabei viel gelernt … Ja! Irgendwo müssen meine Themen ja auch herkommen. Afrika gehört in meine Welt. Dabei war nicht nur alles schön, es war auch ein Kampf, aber das finde ich eben gut.

Malen Sie, wenn Sie im Senegal sind? Ja. Ich male immer!

Funktioniert eine Beziehung trotz dieser ständigen Trennungen? Sie sind ja schon 30 Jahre verheiratet. Genau. Alioune ist der Mensch, den ich am besten kenne. Und ich bin eine treue Seele. Es gibt tiefe Verbindungen, die man nicht kappen kann.

Und Ihr Leben hier, in Berlin? Besuchen Sie social events, um im Gespräch zu bleiben? Ja, es gibt tolle Veranstaltungen in Berlin. Ich bin sehr viel alleine, jeden Tag, wenn auch freiwillig. Und darum gehe ich ab und zu aus, nicht unbedingt, um zu reden, sondern um zu schauen und zu beobachten.

Reden Sie nicht gerne? Ich rede schon, aber ich muss nicht. Ich habe einiges erlebt und kann jetzt zurückblicken. Wenn ich mit 30 oder 40 gefragt wurde, was ich denn mache, was ich zeigen wolle und warum, konnte ich teilweise überhaupt nichts sagen, weil ich noch mittendrin war. Aber jetzt kann ich es sagen. Das hat mit einem gewissen Alter zu tun. Man ist reifer geworden, auch freier.

Zu beweisen ist ja nichts mehr, Sie haben bereits bewiesen. Nein, aber ich kann heute Sachen sagen, die konnte ich vorher nicht sagen. Vielleicht, dass ich doch mein Leben gemalt habe. Und immer noch male. Vielleicht.

Malen Sie jeden Tag? Gehen Sie jeden Tag ins Atelier? Ja, eigentlich schon.

Sieben Tage die Woche? Nein, aber an fünf Tagen garantiert. So war es immer. Ich habe niemals eine Pause gemacht und habe wenig Urlaub gemacht.

Vielleicht haben Sie eine andere Wahl getroffen. Genau. Und wenn ich irgendwohin fahre, egal wohin, male ich auch da. Ob ich in der Karibik bin oder in Südfrankreich – ich habe meine Malutensilien dabei.

Skizzenbücher? Nein, ich male dann richtig …

… mit Töpfen und Pinseln? Die bekomme ich vor Ort. Überall, wo ich war, wollte und musste ich arbeiten, zum Beispiel für Ausstellungen. Ich kann es mir nicht anders vorstellen (lacht), die Malerei gehört einfach zu mir.


„Elvira Bach hat jedes detail inszeniert, mir blieb nur die fotografische umsetzung.“ Konrad Rufus Müller

„MAN MUSS ALLES GLEICH MACHEN, NICHTS VERSCHIEBEN, NICHTS AUFHEBEN FÜR IRGENDWANN …“

Ist es Besessenheit, oder ist es das Thema Ihres Lebens? Ich weiß es nicht, jedenfalls ist es so und war immer so gewesen. Wenn ich aus dem Atelier gekommen bin, in dem die großen Bilder entstehen, dann habe ich zu Hause weitergemalt, nachts, auf dem Esstisch, wo auch immer, die kleineren Bilder. Wenn es große Formate sind, brauche ich die Intimität des Ateliers. Aber kleine Arbeiten male ich zu Hause.

Machen Sie noch etwas neben der Malerei – gehen Sie ins Theater? Nein, derzeit leider nicht.

Ins Konzert, ins Kino? Leider auch nicht!

Haben Sie Freunde, gehen Sie gelegentlich aus? Ja, auf jeden Fall. Ich habe große Lebensfreude, höre viel Musik, laut, rauche dabei, trinke gerne Wein. Vor allem, seitdem die Kinder vor einem Jahr ausgezogen sind. Bis dahin war ich jeden Abend zu Hause.

Um sich um die Kinder zu kümmern. Ja, ich war im Atelier und dann zu Hause. Nach 20 Uhr noch irgendwo ins Theater zu gehen oder in ein Konzert, funktionierte leider nicht. Natürlich bin ich viel gereist, war auf Ausstellungen und Messen. Am Anfang waren die Kinder aber immer mit dabei, wenn ich sie mitnehmen konnte. Es war mir immer wichtig, mich intensiv um meine Kinder zu kümmern. Mein Leben waren die Kinder und das Atelier. Natürlich habe ich Einladungen angenommen, aber dann war die Betreuung immer organisiert. Soll ich Ihnen etwas verraten? Ich bin nicht mal zum Mülleimer gegangen … nicht mal das – ich habe sie keine Minute aus den Augen gelassen. Vielleicht war es zu viel, vielleicht war ich zu alt. Wenn ich jünger gewesen wäre, hätte ich es vielleicht anders gemacht, gelassener. Aber bei mir war es nun einmal so. Und es sind immer Helfer da gewesen. Stefan hat 20 Jahre für mich gearbeitet, fest angestellt im Haushalt, so lange, bis Maodo weggegangen ist. Ich hätte gar nicht arbeiten können, wenn ich nicht gewusst hätte, dass alles in Ordnung ist. Und das ist eben anders als bei Kollegen, die eine Frau zu Hause haben. Ich musste mich um alles kümmern, dafür sorgen, dass alles funktioniert. Das geht auch nur, wenn man das Geld dazu hat ...

… und die Disziplin. Total, sonst geht es nicht. Ich habe auch immer gedacht, ich muss alles gleich machen, nichts verschieben, nichts aufheben für irgendwann … Das sind die Bausteine, die zum Leben beitragen: für die Kinder alles machen. Nicht sagen, das geht nicht. Ich meine, wenn es geht, dann muss man es machen. Nie sagen, das mache ich übermorgen oder in drei Jahren. Nein. Jetzt. Heute.

Die Zukunft ist heute. Ja, genau. Dadurch wird das Leben aufgebaut. Das kann einem keiner mehr nehmen. Das Erleben, das Schöne. So habe ich immer gedacht.

Sogar Ihre Ehe auf zwei Kontinenten haben Sie hinbekommen. Ja, das haben wir, auch wenn es immer wieder herausfordernd ist. Und genau das ist es, was das Leben spannend, schön und natürlich auch manchmal anstrengend macht. Herausforderungen anzunehmen, zu lernen, sich die Welt und die Menschen zu erobern. Ich hatte das große Glück, mich immer konzentrieren zu können und mich nicht ablenken zu lassen, sondern mich meinem Lebensthema widmen zu können: der Malerei. Ich fühle mich dadurch vom Leben beschenkt und freue mich auf alles, was noch kommt.

Lust auf Leben

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