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EIN PROBLEM

Auf in die Ferien! Die Eltern und die drei Kinder freuen sich nach einem arbeitsreichen Jahr auf den gemeinsamen Urlaub. Valerie hat das Schuljahr erfolgreich mit dem Abitur abgeschlossen. Die Noten hätten besser sein können, aber sie lacht und meint: „Wichtig, dass ich durchgekommen bin und nicht mehr in die Schule muss.“ Mona hingegen hat ein sehr gutes Zeugnis bekommen. Sie ist keine Streberin, aber eine interessierte Schülerin. Sie freut sich auf das nächste Schuljahr, denn nun kommt auch sie in die Oberstufe und gehört somit zu den Großen. Michael hat ebenfalls an der Universität wichtige Prüfungen erfolgreich abgelegt. Er darf daher im Herbst mit dem zweiten Studienabschnitt beginnen.

Vater und Mama freuen sich über die Erfolge der Kinder und über den gemeinsamen Familienurlaub. Zum Entspannen und Erholen fahren sie wie jedes Jahr gemeinsam ans Meer. Tagsüber liegen sie faul am Strand in der Sonne. Abends gönnen sie sich ein landesübliches Essen. Tanzen, Musizieren, Spazieren, Herumschlendern, Veranstaltungen besuchen und angeregtes Plaudern mit anderen Gästen füllen die Abende aus. Erholt und gut gelaunt fahren die Eltern und ihre drei Kinder nach dem Urlaub im Familienauto wieder heim. Ausgeruht, mit viel Elan und Freude bereiten sie sich zu Hause in den letzten Ferientagen auf das beginnende Arbeitsjahr im Herbst vor.

Mona betritt voll Freude nach den Schulferien die Aula der Schule und wartet gespannt auf die Klasseneinteilung für die Oberstufe. Die Schuldirektorin begrüßt die Schüler und Schülerinnen in gewohnt salopper Art, denn diesmal sind sie erstmals ohne Eltern gekommen. Sie fühlen sich nicht nur erwachsen, sondern sind auch gereifter, selbstbewusster und voller Pläne nach den Sommerferien eingetroffen. Die Direktorin ruft nun die Schüler und Schülerinnen einzeln auf, macht eine nette Bemerkung und weist ihnen eine Klasse nach den gewünschten Schwerpunktfächern zu.

Allmählich wird es Mona mulmig, denn ihre Freundinnen wurden bereits aufgerufen und gehen beschwingt in den neuen Klassenraum. Schließlich sind nur mehr die Direktorin und Mona in der Aula. Zaghaft fragt sie nach ihrer Klasse. Die Direktorin überfliegt nochmals ihre Listen und kann Monas Namen nicht finden. „Du wurdest nicht angemeldet, daher bekommst du auch keinen Platz“, meint sie arrogant und schnippisch. Mona erinnert die Direktorin daran, dass ihre beiden Geschwister an dieser Schule auch die Oberstufe besucht haben, doch diese dreht sich um und geht ungerührt und achselzuckend in ihre Kanzlei.

Starr vor Schreck bleibt Mona allein in der leeren Aula zurück. Alle haben ihren Platz bekommen, nur sie nicht. Warum? Ihre Gedanken kreisen, ihr Kopf brummt, die Augen füllen sich mit Tränen. Vorbei die Freude, die sie noch morgens beim Frühstück verspürt hat. Was soll sie nun tun? Der Direktorin nachlaufen, die sie so unfreundlich abblitzen hat lassen? Hier weiter herumstehen, bis die Stunde endet und sie zum Gespött der anderen wird? Langsam dreht sie sich um und verlässt traurig und in sich hinein weinend die Schule.

Draußen geht sie zur Bushaltestelle, doch sie kennt nur die Fahrtzeiten für den Schulweg in der Früh und am Nachmittag für den Nachhauseweg. Fahrpläne gibt es hier keine. Nervös versucht sie am Handy ihre Mutter anzurufen, doch sie wird immer nur auf die Mailbox weitergeleitet. Vaters Firmensekretärin richtet ihr aus, dass er heute einen auswärtigen Termin hat und erst am Nachmittag zurückkommt. Michael braucht Mona nicht anzurufen, denn der ist bereits an der Universität in der anderen Stadt. Valerie wagt sie nicht anzurufen, denn ihre Schwester zeigt ihr stets unverhohlen ihre Abneigung. Außerdem ist sie mit der Planung ihrer Kunst- und Antiquitätengalerie beschäftigt. Valerie wollte nach dem Abitur kein Studium beginnen. Das Lernen reichte ihr. Verständlich nach den qualvollen Schuljahren und den vielen tollen anderen Interessen, die es gibt!

Schon gestern beim Abendessen hat Mona etwas unruhig die Nachricht vernommen, dass sie ab dem neuen Schuljahr mit dem Bus in die Schule fahren muss. Sie wäre nun schon groß und käme in die Oberstufe. Es wäre daher kein Bedarf mehr vorhanden, sie allein mit dem Auto zu fahren. Das würde sie sicher verstehen. Valerie und Mama könnten nun ihre Termine abstimmen und mit Mutters Auto fahren. Vater bräuchte keine Umwege mehr machen und Michael kommt sowieso erst wieder zu Vaters Geburtstag heim. Vater erklärte Mona danach in der Bibliothek ruhig und eingehend die beiden Buszeiten und die Ein- und Ausstiegshaltestellen. „Ich vertraue dir und weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann“, meinte er gütig. Mona nickte verständnisvoll mit dem Kopf, versuchte ein Lächeln und wollte Papa nicht enttäuschen. Doch im Zimmer grübelte sie nach und dachte daran, wer sich diese Schikane wohl ausgedacht hatte, und vor allem wann? Schließlich waren die Sommerferien lange genug, sodass man ihr diese Änderung nicht erst am Vorabend hätte mitteilen müssen.

Nun steht sie da und weiß nicht, wohin. Der Fußweg nach Hause dauert zu lange. Stehen bleiben will sie auch nicht länger, damit niemand ihre Blamage sieht und sie obendrein auslacht. So geht sie einfach weiter. Sie schlendert einfach langsam dahin. Nun betrachtet Mona die Gegend rund um die Schule, sieht die schönen Häuser und die netten Vorgärten. Bei jeder Busstation schaut sie sich um, ob nicht zufällig ein Bus ihrer Linie vorbeikommt. Nach zirka einer Stunde kommt tatsächlich einer und hält an, um sie einsteigen zu lassen. Um diese Zeit sind nur wenige Fahrgäste im Bus. Sie setzt sich auf die Heimfahrtseite des Busses und merkt erst jetzt, wie ihr Herz noch immer klopft und wie ihre Füße schmerzen. So weit und vor allem allein ist sie vorher noch nie gegangen. Sie starrt angestrengt aus dem Fenster, damit sie ja nicht die Ausstiegsstelle versäumt.

Zu Hause angekommen, ist Micki, die Haushälterin, überrascht und meint: „Du bist schon da? So zeitig?“ Mona aber nickt nur und geht ins Obergeschoß in ihr Zimmer. Dort lässt sie sich auf das Bett fallen und ist froh, dass sie den Weg gut überstanden hat. Möglicherweise ist sie schnell eingeschlafen. Dann aber hört sie im Erdgeschoß Stimmen. Wer ist es? Aha, Mama spricht mit Micki. Mona überlegt, wie sie Mama mitteilen kann, was in der Schule passiert ist. Sie vermutet nämlich, dass ihr Micki von ihrem frühen Heimkommen erzählt hat. Aber nichts geschieht. Sie hört, wie Mama in ihr Zimmer geht und Micki die Küchentür schließt. Auch gut, dann wird sie am Abend mit Papa reden.

Zum Abendessen kommen Mama und Valerie gut gelaunt und in frischer, duftender Kleidung, während Papa abgearbeitet bei der Tür hereinkommt. Ungewöhnlich für ihn, setzt er sich und beginnt mit dem Essen, obwohl er sich nicht frisch gemacht hat. Sogar Mama und Valerie essen still und ahnen, dass er einen schweren Tag hatte. Mona traut sich daher erst recht nicht, Papa mit ihren Problemen zu belästigen. Danach gehen alle stillschweigend in ihr Zimmer.

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