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»Influencer« – Krankheitsbild, Modeerscheinung oder ein neuer Typus Lebenskünstler?

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Der eine oder die andere wird sich sicherlich noch an die Bravo-Poster in den Jugendzimmern meiner Generation erinnern. Sie waren eine begehrte Beigabe des Jugendmagazins Bravo, das bereits 1956 zum ersten Mal aufgelegt wurde und bis heute existiert. Das Kultmagazin mit damals fast einer Million Print-Auflage, die sich heute um über 90 Prozent reduziert hat, kam jeden Monat mit neuen Postern unserer Lieblingsstars. Besonders beliebt waren die Starschnitte: eine Art Poster-Puzzles in Lebensgröße von unseren Kultfiguren, verteilt auf mehrere Ausgaben. Wir sammelten sie akribisch, bis der Star schließlich komplett in unserem Zimmer an der Tür oder an der Wand hing – in Lebensgröße selbstverständlich, so real wie nur möglich.

Im digitalen Zeitalter geht das anders! Heute haben wir bessere Möglichkeiten, direkt mit unseren Idolen in Kontakt zu kommen oder ihnen mindestens – beinahe – in Echtzeit durch ihr Leben zu folgen. Was uns damals die Zeitschrift Bravo so gut wie eben möglich lieferte, leistet heute zum Beispiel die Onlineplattform Instagram – und das um Längen besser. Näher ran an die Stars kamen wir noch nie!

Auf »Insta« oder »IG« – so die liebevolle Abkürzung des Plattform-Namens unter begeisterten Nutzern – »folgen« wir unseren Lieblingen virtuell – den sogenannten Influencern. Wenn es geht, auch live bis ins Badezimmer. Und das Ganze inzwischen sogar via Bewegtbild, nicht nur via Foto, der Upload-Möglichkeit von Videos und den Momentaufnahmen, genannt »Stories«, sei Dank. Weil wir dem Tagesablauf unserer Influencer auf diese Weise auf Schritt und Tritt folgen können, vermitteln sie uns per Plattform das Gefühl, ganz nah an ihnen dran zu sein. Statt als Fans monate- und jahrelang ein und denselben Starschnitt unseres Idols anzuhimmeln, sind wir audiovisuell in Echtzeit unseren Influencern ganz nah und nehmen dabei die Rolle eines sogenannten Followers ein. In diesem Zusammenhang gibt es sogar den Ausdruck des »FOMO« (»Fear of missing out«): Wenn der Follower nicht ständig dabei ist, zum Beispiel mal eine Stunde oder einen halben Tag nicht »on« ist, hat er gleich das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Der Begriff »FOMO« wird auch in anderen Zusammenhängen mit der digitalen Lebenskultur verwendet; der eine oder andere kennt das Gefühl vielleicht auch im Zusammenhang mit seinem E-Mail-Posteingang …

Firmen bezahlen Influencer mittlerweile sogar dafür, dass sie einen Lippenstift, eine neue Jeans oder ein Smartphone auf ihrem Instagram-Account in Szene setzen. Der neue Typus »digitaler Star« ist zu einem Geschäftsmodell geworden. Im letzten Jahr haben Unternehmen für diese Form der Vermarktung, genannt »Influencer-Marketing«, mehr als drei Milliarden Euro allein für die Plattform Instagram in die Hand genommen.4

Schauen wir uns an, was Toan Nguyen dazu zu sagen hat. Er ist Partner bei der Werbeagentur Jung von Matt und hat kürzlich die weltweit größte Studie zum neuen Markt des Influencer-Marketings durchgeführt.5 Dafür hat er die 1200 bekanntesten neuen Werbeträger analysiert. Dabei kam er mit seinem Expertenteam zu der Überzeugung, dass nur die Influencer, die das engste Verhältnis zu ihren Followern haben, auch zukünftig von diesen Erfolgen getragen werden können.

Es sind die Fans, die ihre Vorbilder erfolgreich machen. Was früher das Poster aus der Jugendzeitschrift Bravo war, erledigt heute Instagram – nur eben viel effizienter und kleinteiliger steuerbar. Heute hat man durch die digitalen Möglichkeiten ein gefühlt engeres Verhältnis zu seinem Star. Wenn wir die Fotos oder Videos eines Influencers »liken« oder auch »sharen«, also mit anderen teilen, entsteht eine scheinbare Nähe, da es im Gegensatz zu früher zu einer Art Interaktion kommt. Die Psychologie nennt das eine »parasoziale Interaktion«. Gefühlt haben wir eine zeitlich aktuelle Bindung zu unseren Influencern, wir nehmen regelrecht an ihrem Leben teil. Je mehr von uns das tun, desto besser für die Absender: Die Anzahl der Follower und Likes macht Influencer mächtig.

Die Führungskraft als Influencer

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