Читать книгу Mode Design Theorie - Barbara Schmelzer-Ziringer - Страница 9

1 1.1 Modedesign, Kunsthandwerk und Industriekultur

Оглавление

Traditionell legt das ‚Design‘, als Skizze, Entwurf, Planung, Konstruktionszeichnung etc., die Formgebung von Produkten und deren Herstellungsweise für die Massenproduktion fest. England ist gleichermaßen das Herkunftsland der Industrialisierung wie des Designs und beanspruchte eine wirtschaftliche Dominanz, die von den konkurrierenden ‚westlichen‘ Nationen in einem Wettbewerb um die führende Designkompetenz stets angefochten wurde. Die diesbezüglichen internationalen Designdiskurse waren in den ersten Jahren „also etwa zwischen 1880 und 1910, von der Auseinandersetzung (Kunst-)Handwerk contra Industrie inklusive einer ersten Ornament- und Stildebatte geprägt“ und „die nächsten dreißig Jahre von der Antinomie Massenfertigung versus Handwerk, Serie versus Unikat“.28 Im Jahre 1851 eröffnete die Great Exhibition in Londons Crystal Palace den Kampf der kolonisierenden Länder um die weltweite Vorherrschaft in der Herstellung von ‚formschönen‘ Industrieprodukten. Dieses Ereignis stellte gleichzeitig einen ernsthaften Versuch dar, moderne Industrie und industrielle Gestaltung erfolgreich zusammenzubringen. Die darauf folgenden Gründungen des Royal College of Art und des Victoria & Albert Museum errangen weltweiten Vorbildcharakter.29 Der Kurator der Weltausstellung und spätere Begründer des Museum of Manufactures – des ersten Designmuseums der Welt –, Henry Cole, erstellte Ausbildungskonzepte für Designer und beteiligte sich an der Etablierung einer ersten Designfachzeitschrift, die im Gegensatz zu den rückwärts gewandten Utopien John Ruskins und William Morris‘ die Anforderungen und zukünftigen Möglichkeiten der Industrialisierung fokussierte. Grundsätzlich haftet der Genese der Berufsgruppe des/der Industriedesigner/s/in ein sozialpolitisches Moment an. Die neue ‚Designbewegung‘ zielte bereits seit den 1830er-Jahren darauf ab, die „Geschmacksbildung der ‚verrohten‘ Arbeiterbevölkerung“ zu fördern, was mittels der Herstellung geschmackvollerer [<<21] Produkte erfolgen sollte. Doch schien es, als sei ein guter Geschmack30 nicht durch die Vernunft zu beeinflussen, weil er letztlich auf „Gefühlstatsachen“ gründe.31 Laut dem Select Committee on Arts and Manufactures könne Geschmacksbildung durch die „Wahrnehmung klassischer Kunstwerke“ erzielt werden,32 was eine pädagogische Verschränkung von Kunst und Design beförderte. Doch sah man diese Strategie nicht als ausreichend effizient an, den Publikumsgeschmack der englischen Arbeiter/innenmassen ausreichend zu bilden und Menschen anzuregen, ‚elegantes Design‘ wertzuschätzen. Als Großereignisse des kolonialen Imperialismus konnten die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts diesen Wunsch sukzessive erfüllen. Dazu waren internationale Künstler, Architekten und Designer aufgefordert, den Ansprüchen der Industrie entsprechende Formen zu entwickeln und die Qualität von Massenwaren gegenüber den Handwerkserzeugnissen konkurrenzfähig zu machen. Das im Hinblick auf die wirtschaftlichen Ziele Englands eingerichtete Komitee, das die Interessen der Kunst und der Fabrikanten – der ‚Kunstindustrie‘ – vertreten sollte, kam zu einem weiteren Schluss: „Neben dem Geschmack und den Konsumgewohnheiten“ gebe es einen dritten Aspekt, der Schwierigkeiten bereite – nämlich die Mode. Diese vernichte „systematisch den Erfolg von Geschmacks-Standards. Die gedankliche Frontlinie ist: Hier Art and Taste – dort Fashion“.33

Dennoch war ‚fashion‘ auf den Weltausstellungen von Anbeginn gefragt. Couturiers wie Charles Frederick Worth präsentierten dort erfolgreich ihre Modelle. Er gewann sowohl in London als auch später, 1855 in Paris, Preise für seine Kreationen.34 Als Engländer in Paris verfolgte er gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie Augustine Vernet und seinem schwedischen Geschäftspartner Otto Bobergh die langfristige Erfolgsstrategie, die Nähe des kaiserlichen Hofes von Napoléon III. zu suchen, was darin gipfelte, Eugénie, die ‚Kaiserin der Franzosen‘, um 1860 als Kundin zu gewinnen.35 Die damit verbundene Aufmerksamkeit ermöglichte es dem Modehaus Worth & Bobergh, das seit 1857/58, als eines der Ersten den Namen der Herkunft auf die eingenähten Etiketten [<<22] der Kleider sticken ließ, sich als moderne Variante einer Hofschneiderei zu etablieren. Worth industrialisierte die Couture und ließ entsprechende Kopien für den Verkauf von Exportmodellen anfertigen. So konnte er einerseits den europäischen Hochadel mit exorbitant teuren Einzelstücken und andererseits die US-amerikanische Großbourgeoisie mit günstigeren Modellen langfristig an sich binden. Die Gestaltung der Balltoiletten der Kaiserin Eugénie für die Festivitäten rund um die Eröffnung der Pariser Weltausstellung 1867 markierte einen Höhepunkt in Worths Karriere.36 Um sein Image als ‚Grand Couturier‘, das exzentrische Bild einer Künstlerpersönlichkeit, das nicht einem gewöhnlichen Schneider/couturier entsprach, zu festigen, kleidete er sich im Stile Rembrandts oder eines Fantasiekönigs.37

Die tradierten Wertsysteme von Kunst, Industriedesign und Modedesign gehen unter anderem auf die Institutionalisierung der jeweiligen Ausbildungsstätten zurück. Gegenüber der Autonomie der Kunst war Design stets in funktionalen Abhängigkeiten unterprivilegiert und im Verhältnis zu anderen Designdisziplinen war Modedesignbzw. Bekleidungsgestaltung an öffentlichen, universitären Lehrinstituten bis weit ins 20. Jahrhundert hinein keine selbstständige Disziplin. Dies trifft gleichermaßen auf die Glasgower und Londoner Government Schools of Design, die k. k. Kunstgewerbeschule in Wien, später auf das Bauhaus in Weimar und die Hochschule für Gestaltung in Ulm etc. zu. Die meisten Ausbildungsstätten für Bekleidungsgestaltung waren im 19. und 20. Jahrhundert, nicht nur im deutschsprachigen Raum, außerhalb des nationalen tertiären Bildungsbereichs angesiedelt. Doch obschon das Wort „Mode“ im postrevolutionären Russland tabuisiert wurde, waren Fächer für Bekleidungsgestaltung an der INChUK, dem staatlichen Institut für künstlerische Kultur in Moskau, der dortigen WchUTEMAS und den ,freien Werkstätten‘, durchaus üblich.38 Als ‚Produktionskunst‘ sollte die Gestaltung von Produktionsgütern wie Kleidung zur „Formung der sozialistischen Umwelt“ beitragen.39 Als Bekleidungsgestalter/innen waren u. a. Alexandra Exter, Nadezhda Lamanova, Wera Ignatjewna Muchina, Ljubow Popowa, Wladimir Tatlin und Alexander Michailowitsch Rodtschenko an der künstlerischen Entwicklung einer funktionsgerechten, den praktischen und ästhetischen Bedürfnissen der Massen angepassten Bekleidung beteiligt,40 die sich gegen die feudale Ideologie der Haute Couture richtete. Dieser Berufsgruppe haftete ein [<<23] aristokratischer Nimbus an, denn unter dem höfischen Einfluss des letzten Königs war in Frankreich die älteste institutionalisierte Ausbildungsstätte für couturiers/couturières 1841 gegründet worden. An Alexis Lavignes école supérieure in Paris konnten Auszubildende an von ihm entwickelten Maßschneiderpuppen eine spezielle Art der Drapage erlernen41 und mit einem dafür weiter entwickelten flexiblen Maßband arbeiten, dessen Erfindung auf F. A. Barde im Jahr 1815 zurückgeht.42 Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war das Kleidermachen nicht als künstlerisch-akademische Disziplin anerkannt, wogegen es heute weltweit beinahe selbstverständlich ist, dass Modedesign im tertiären Bildungssektor – an Kunsthochschulen und Universitäten – als Studienfach angeboten wird.

An der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert erfuhr Mode als Designdisziplin im Zuge euphorischer Texte zum ,Stardesign‘, die darin gipfelten, dass Design die Kunst des 20. Jahrhunderts sei,43 eine späte Aufwertung gegenüber den ,harten‘ Designdisziplinen44 und den freien Künsten. Ein konstruierter Geniestatus, der mit dem Anspruch einer genialen Befähigung auf renaissancistische Selbstkonzeptionen45 rekurriert, rechtfertigt noch heute die Autorität und eine originäre Autorschaft von Künstler/inne/n.

„Autorität in der Grundbedeutung des Wortes basiert auf Macht: Der Meister bestimmt die Bedingungen der Arbeit, die andere nach seinen Anweisungen verrichten. Darin unterschied sich das Atelier des Renaissancekünstlers kaum von der Werkstatt des Handwerkers oder vom modernen wissenschaftlichen Laboratorium. Im Atelier des Künstlers legte der Meister die Zeichnung für das Gemälde an und malte eigenhändig die ausdrucksstärksten Teile wie die Köpfe. Doch die Werkstatt des Renaissancekünstlers lebte vor allem von den herausragenden Fähigkeiten des Meisters. Es ging nicht darum, irgendwelche Gemälde zu schaffen, sondern seine Gemälde oder solche in seiner Manier. Die Originalität verlieh den persönlichen Beziehungen innerhalb der Werkstatt besondere Bedeutung.“46 [<<24]

Originalität, so der Soziologe Richard Sennett, beruhe darauf, etwas zu erschaffen, was vorher noch nicht da war. Dieser Akt der poiesis setzt eine zeitliche Markierung. Und weiter: „In der Renaissance verband man das plötzliche Entstehen von etwas mit der Kunst – oder, wenn man so will, dem Genie – eines Individuums.“47 Der Universalkünstler Giorgio Vasari wertete ein disegno, die (Entwurfs-)Zeichnung, als grundlegend für alle bildenden Künste, wobei diese in der Praxis auch als Planungsgrundlagen für Gebäude, Skulpturen etc. dienten. Die Entwurfskunst als Zeichenkunst war in den Schaffensprozess integriert und noch nicht als ‚Design‘ eine an Spezialisten abgetretene, von der Ausführung völlig abgekoppelte Tätigkeit.48 Das italienische Wort disegno rekurriert in seiner heutigen Prägung auf die Gründung der Accademia del Disegno, die 1563 unter Giorgio Vasaris Einfluss in Florenz erfolgt ist, denn sie gilt als „Zeichen der Loslösung der Kunst vom Handwerk. Disegno wird nobilitierte Vorarbeit für das eigene Werk, bis dahin war das Entwerfen offenbar eher eine Dienstleistung von Künstlern für Handwerker.“49 Diese Vorarbeiten erreichten ein immer größeres Funktionsspektrum, und im Zeichen der industriellen Revolution erlangte die Entwurfstätigkeit eine neue Dimension, die in England mit dem Begriff „Design“ gefasst wurde. 1873 schreibt Christopher Dresser, der als ‚erster‘ Designer bezeichnet wird, die Principles of Decorative Design nieder.50 Dresser wies mit der Gravur seiner Initialen – in gleicher Weise wie Künstler/innen mit ihrer Signatur und wie das Couturehaus Worth & Bobergh mit seinem Etikett51 – auf von ihm entworfenen Gegenständen seine Urheberschaft nach.

„Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein war es im Kunsthandwerk üblich, nach Musterkatalogen zu arbeiten und die darin abgebildeten Vorbilder nur leicht zu variieren. […] Der Wandel kam mit den künstlerischen Avantgarde-Bewegungen der Moderne und der darin angestrebten Annäherung von Kunst und Design. Als Kapital des avantgardistischen, (meist männlichen) Künstlers, Designers oder Architekten galt seine gestalterische ‚Innovationskraft‘.“52 [<<25]

Die ökonomischen Strukturen der Moderne waren davon gekennzeichnet, dass die mechanische und industrielle Produktion sowie der Handel mit Massengütern ein Unternehmertum hervorbrachten, das die Handwerker bzw. Kunsthandwerker in ihren Werkstätten marginalisierte. In den 1920er- und 1930er-Jahren untersuchte der Ökonom Joseph Schumpeter die Figur des Unternehmers, den er in die Prozesse der Innovation und der Diffusion von ‚Erfindungen‘ eingeschrieben sah, ohne diesen als Einzelpersönlichkeit beziehungsweise die Erfindertätigkeit als ‚genialen Akt‘ zu würdigen.53

Der Begriff „industrielle Formgebung“ war im deutschsprachigen Raum im Sinne von Design anfangs allgemein in Gebrauch und bezeichnete neben den technologischen Herstellungsprozessen zuerst nur vereinzelt die ästhetische Komponente bei der Fertigung von Serienprodukten. Im Deutschen Werkbund wurden Designer sowohl als Künstler, Architekten oder als Industriegestalter bezeichnet.54 Der Architekt, Designer und Theoretiker Mart Stam sprach nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals vom industrial designer und meinte damit Produktgestalter/innen – ohne Bekleidungsgestalter/innen explizit einzubeziehen. Dagegen war man in Frankreich, dem traditionellen ‚Herkunftsland‘ des Modedesigns bemüht, Pariser Couturi/ers/ères und die französische Bekleidungsindustrie zu fördern. 1945 organisierte die Entraide Française in Kooperation mit der Chambre Syndicale de la Couture Parisienne, die Lucien Lelong und Robert Ricci leiteten, ein Théâtre de la Mode – eine Ausstellung französischer Bekleidungskreationen auf Mannequins im Kleinformat. Die unter der künstlerischen Leitung von Christian Bérard gestaltete Mode(puppen)schau tourte weltweit. Sie sollte die französische Haute Couture und die zukünftige Pariser Modeszene (re)inthronisieren.55

„Das Ziel dieser aufwändigen Präsentation Pariser Mode en miniature war, das französische Selbstbewusstsein nach der langen Besatzung wieder aufzubauen und Frankreich und der Welt zu zeigen, dass Paris nach wie vor die Hauptstadt der Mode sei. Und natürlich sollte die Wirtschaft angekurbelt werden.“56

Der andauernde institutionelle Einsatz lohnte sich, denn spätestens in den 1960er- und 1970er-Jahren war die Pariser Modeszene innerhalb der kulturellen Hierarchie in einen Kreis aristokratisch strukturierter Kulturschaffender eingereiht. In Frankreich [<<26] tätige Modedesigner/innen bestimmten die Orientierungswerte für die internationale Modebranche.57 Anfangs reagierte die französische Kunstszene auf die Aufwertung des (Mode-)Designs dahin gehend, die ‚eigenen‘ Positionen durch eine Abgrenzung zur marktorientierten Kulturproduktion der Designer/innen zu stärken.

In Resteuropa stand das Produktdesign unter Ausgrenzung der Bekleidungsgestalter/innen, die sich mehrheitlich an Pariser Vorbildern orientierten, im Bann des Neofunktionalismus. Eine Weiterentwicklung der Bauhausideen fand in den USA unter den emigrierten Architekten im „International Style“ ihren Ausdruck. Der von Max Bill forcierte Begriff der „Guten Form“,58 der in den 1950er- und 1960er-Jahren populär war und die Programmatik der Hochschule für Gestaltung Ulm59 prägte, wurde vom „Neuen Design“ abgelöst. Infolgedessen war eine Abkehr vom Funktionalismus eingeläutet worden, die zu Grenzüberschreitungen Richtung Kunst führten, was kritische Künstler wie Dieter Meier monierten, der die „Ästhetik des Alltags im spätkapitalistischen Mitteleuropa“ als „Hure des Konsums“ bezeichnete.60 ‚Design‘ diente während der Wirtschaftskrisen Ende der 1970er-Jahre als notwendiges Prädikat für eine erfolgreiche Schaffung und Steuerung von gesicherten Absatzmärkten. In Großbritannien konnte die Berufsgruppe der Designer/innen auf staatliche Förderungen zurückgreifen, deren Aufgabe es war, den industriellen Niedergang zu kompensieren. In den 1980er-Jahren hatte der Designbegriff soziale Räume populärer und elitärer Kulturproduktion bereits werbewirksam erobert.61 Diese Veränderungen waren an eine intensive diskursive Auseinandersetzung mit Design und dessen Produktsprachen im Verhältnis zu sozioökonomischen, gesellschaftspolitischen und ästhetischen Fragen sowie an methodologische Regelwerke gekoppelt.62 Später herrschte ein Stilpluralismus vor, innerhalb dessen eine ‚zweite Moderne‘ Platz fand. Seit dem aufkommenden Hype um internationale ‚Stardesigner/innen‘ ist der Designbegriff inflationär in Verwendung, [<<27] um Distinktionsgewinne zu erzielen, sodass dem Begriff keine spezifische Wertigkeit mehr innewohnt. Heute sind Design, Originalität und Innovation politisch einsetzbare Schlüsselbegriffe in Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung und vermitteln in allen ‚westlichen‘ Industrienationen ästhetische Normen des ‚Fortschritts‘. Denn die Strategie, nationale Designstandards fortdauernd zu bewerben, hat sich bewährt. Deutschland behauptet langfristig eine führende Rolle im Industriedesign, insbesondere im Automobildesign und in der Werkzeugherstellung. Prädikate wie ‚Skandinavisches Design‘, ‚Italienisches Design‘ oder ‚Japanisches Design‘ stehen für spezifische Formensprachen von Gebrauchsgegenständen, die von national ausgerichteten Organisationsstrukturen gefördert und vermarktet werden. Mit dem Niedergang der Produktions- und Fertigungsstätten in den ‚westlichen‘ Ländern haben diese Bezeichnungen eine neue Qualität erlangt.63 So erhielt der Terminus „Designed in EU“ gegenüber dem Siegel „Made in EU“ eine gleichwertige Bedeutung, um Konsument/inn/en mit einer positiven Ursprungsnarration zu gewinnen. Modedesign im Sinne einer Disziplin und als Dienstleistungsindustrie reiht sich in diese bereits abgeschlossene Entwicklung gefügig ein, da die Gestaltung von Bekleidung seit jeher höher bewertet wurde als die Kunst des Schneiders/der Schneiderin, diese zu nähen.

Der singuläre Status des Modedesigns als Unterdisziplin des Industrial Designs ist insofern herauszustreichen, da die Gestaltung und Verwendung von Bekleidung direkt an die menschliche Gestalt gebunden ist. Modeentwürfe folgen den bestehenden Prämissen des menschlichen Körpers in allen seinen Erscheinungsformen, Funktionen und Bewegungen. Den intrinsischen Körperfunktionen gegenüber – wie beispielsweise Hautatmung und Bewegungsfreiheit – ist bei der Bekleidungsgestaltung Beachtung zu schenken, wohingegen die Gestaltung von Wohnmobiliar, Küchengeräten, Automobilen etc. dem Körper Gegenstände bietet, auf die Menschen einwirken und deren Funktionen auf spezifische extrinsische Zielsetzungen gerichtet sind.


Das Textildesign geht mit dem Modedesign insofern Hand in Hand und ist der Bekleidungsgestaltung immanent, wenn Stoffe in der unmittelbaren Körpersphäre eingesetzt werden und nicht im innerhäuslichen oder industriellen Bereich. Als zweite Haut ist Kleidung einer dritten vorgelagert, wie sie Innenraumensembles bieten, wobei sich Mode- und Produktgestalter/innen in beiden Sphären bewegen können.64 Zwischen Modedesign und weiteren Industrial Designdisziplinen wie Interior Design, Automotive Design, Hardware Design, Maschinendesign etc. bestehen Überlagerungen, [<<28] denn der Wissenstransfer bezüglich Textilien, Bekleidung, deren Herstellung und über die dafür benötigten Technologien erfolgt stets über tradierte Wissensbestände und Kulturpraktiken.

Im breiten Spektrum handwerklicher Tätigkeiten setzte der Originalitätsanspruch der eigenen Arbeit erst Ende des 19. Jahrhunderts mit den „Avantgardebewegungen der Moderne und der darin angestrebten Annäherung von Kunst und Design“65 ein. In diesem Zirkel schlossen sich die Diskursformationen um Imitation, Originalität, Genialität und individueller Schaffenskraft als Entitäten der ‚künstlerischen Gestaltung‘, die in bildenden und angewandten Künsten als Leitbegriffe für ihre ökonomische Verwertung zum Ausdruck kommen.66 Irgendetwas zu schaffen reicht nicht aus, um sich im Marktgeschehen erfolgreich zu behaupten. Trendbewusst, innovativ, künstlerisch-kreativ zu sein und eine individuelle Designhandschrift herauszustreichen, ist gefragt. Von Designer/inne/n wird ein (Selbst-)Marketingkonzept verlangt, das diese Leitbegriffe überzeugend vermittelt.67 Hierbei geht es keineswegs um eine creatio ex nihilo,68 eher um eine Modifikation des Bestehenden, einem redesign im (post)modernen Sinne – das letztlich, wenn es sich durchsetzt, werbewirksamen Geniecharakter erhält, denn der Wert von ,Kreativität‘ wird in kapitalistisch ausgerichteten Gesellschaften nach deren Markterfolg bemessen.69


Mode Design Theorie

Подняться наверх