Читать книгу Ein deutsches Kriegsschiff in der Südsee: Die Reise der Kreuzerkorvette Ariadne in den Jahren 1877-1881 (Bartholomäus von Werner) (Literarische Gedanken Edition) - Bartholomäus von Werner - Страница 6
Kapitel 3. – Von Panama nach den Marquesas-Inseln.
Оглавление„Ariadne“, 17. April 1878.
Vor wenigen Stunden hat unser Anker sich 12 Uhr mittags von dem Boden Panamas gelöst, um sich während dieser Reise hoffentlich nicht mehr in denselben einzugraben. Panama und die ganze Küste Centralamerikas sind, um einen Volksausdruck zu gebrauchen, eine von Gott verlassene Gegend. Weder Natur noch Menschen vermögen dem Fremdling etwas zu bieten; das Land ist am schönsten, wenn man es aus möglichst weiter Ferne beschauen kann, die Leute, wenn sie dem Auge erst wieder entschwunden sind. Wie Land und Leute hier unerträglich sind, so ist es auch die Sonne. Tag für Tag sendet sie ihre versengenden Strahlen fast senkrecht auf die Schädel der Bewohner dieser Länderstrecken herab mit einer Glut, daß man darüber wahnsinnig werden könnte. Doch wozu jetzt noch der Aerger! Lacht uns doch aus weiter Ferne das Paradies der Seeleute entgegen; das Land, wo nach dem Urtheil mancher Reisenden die schönsten und besten Menschen unsers Erdballs wohnen sollen.
Panama mit seinen Ruinen verschwindet langsam unsern Blicken. Vor dem Verlassen der Rhede hatten wir mit den dort liegenden englischen Kriegsschiffen noch durch Austausch von drei Hurrahs einen letzten Gruß gewechselt und eine Stunde später erkannten wir in einem uns entgegenkommenden Kriegsschiff unsere „Elisabeth“, welche von Guatemala kommend nach Panama ging, um von dort aus die Heimreise anzutreten. Wir passirten uns auf Spruchweite, tauschten einige Grüße aus, wechselten drei Hurrahs, und die „Elisabeth“ ging dahin, wo wir herkommen, während wir frohen Muthes den schönen Inseln der Südsee entgegensteuern, wo sich prächtige Natur mit herrlichem Klima vereinigt, um dem Seefahrer die liebenswürdigen und schönen Bewohnerinnen jener Inselperlen noch anziehender erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit sind. So sagen wenigstens die über die Südsee-Inseln erschienenen Bücher.
Ich habe die Absicht, auf unserm Wege nach den Samoa-Inseln einen Abstecher nach den Marquesas-Inseln und Tahiti zu machen, um dort die dann jedenfalls schon sehr zusammengeschmolzenen Vorräthe an Proviant, Wasser und Kohlen zu ergänzen. Ob ich dort wol so viel Interessantes finden werde, wie andere gefunden haben?
Die Marquesas-Inseln sind von allen Reisenden so sehr gepriesen worden, daß man sich fast scheuen muß hinzugehen, um nicht zu sehr enttäuscht zu werden. Ueber die Pracht der Natur und die Schönheit der dortigen Eingeborenen sind fast alle einer Ansicht, nur bestehen Meinungsverschiedenheiten über den Grad der Schönheit der Frauen; denn während einige ihnen die Palme der Schönheit und Grazie zuerkennen, behaupten andere, daß sie nur auf der Höhe der Rasse stehen und sich vor den Männern nicht auszeichnen. Auch im Urtheil über den Charakter dieser Eingeborenen stimmen die Reisenden darin überein, daß Zügellosigkeit der Hauptzug sei, was auch für Tahiti gelten soll, obwol sich dort schon civilisirtere Zustände eingebürgert haben.
Im Stillen Ocean, 18. April 1878.
Panama liegt zwar schon weit hinter uns, die Küste oder vielmehr die Gebirge Centralamerikas sind aber immer noch in unserm Gesichtskreise. Wir haben heute einen bösen heißen Tag, kein erfrischender Lufthauch, 32,5° C. in der Luft im Schatten, 33° C. in dem spiegelglatten Wasser. Mit Dampf muß hier gefahren werden, denn mit Segel allein hier durchzukommen ist oft eine Unmöglichkeit, wenigstens ist thatsächlich festgestellt, daß Schiffe, welche dieses Stück Meer zu durchsegeln versuchten, nach 2½ Monaten wieder in der Bai von Panama ankerten, weil es sich als unmöglich herausstellte, weiter zu kommen. Das von uns zu durchdampfende Stück Weges beträgt 700-800 Seemeilen; keine angenehme Aussicht bei dieser Hitze! Man muß aber immer suchen, das Beste aus dem zu machen, was Einem geboten wird; so legten wir uns denn heute auf den Schildkrötenfang.
Diese Thiere sind hier sehr häufig, schwimmen, wenn sie ruhen, an der Oberfläche und zwar mit etwa ein Drittel des Schildes über Wasser, sodaß sie schon von weitem zu erkennen sind. Sehr häufig dienen sie auch den Wasservögeln als Ruhestätte und geben diesen wol auch Nahrung, da die Schildkröten an ihrem Schilde gewöhnlich Saugefische und Muscheln, beides Nahrungsmittel der Vögel, tragen. Schildkröten wie Vögel lassen sich durch das ankommende Schiff in ihrer Ruhe sehr wenig stören; die Vögel fliegen auf, wenn das Schiff auf etwa fünf Schritte herangekommen ist, die Schildkröte dreht dann dem Schiffe den Kopf zu, entweder um es neugierig zu betrachten oder dem Feinde muthig in die Augen zu sehen, denn die Thiere lassen sich außerordentlich leicht fangen. Das spiegelglatte Wasser gestattete, ein Boot neben dem Schiffe zu schleppen, und so wurde auf jede Schildkröte, welche in dem Curs des Schiffes in Sicht kam, hingehalten, die Maschine einen Augenblick gestoppt und von dem Boote aus das Thier an einer Flosse gepackt und aus dem Wasser herausgehoben. In Zeit von zwei Stunden waren acht Schildkröten im Gewicht von je 25-35 kg an Bord, genügend, um der ganzen Mannschaft morgen eine schmackhafte Mahlzeit zu bereiten. Mit diesem Fang gaben wir uns zufrieden, heißten das Boot wieder und dampfen nun einem einsamen Felsen zu, um an demselben unser Besteck zu corrigiren und von da aus dann unsern Curs nach den Galapagos-Inseln zu nehmen.
Malpelo-Fels (Vorderansicht).
25. April 1878.
Der einsame Fels, Malpelo-Insel genannt, ein mächtiger 400 m hoher Felsblock ohne irgendwelche Vegetation, von derjenigen Seite aus gesehen, welche sich uns zuerst darbot, in Form und Farbe einer alten Burgruine ähnlich, wurde am Charfreitag passirt und die Reise bei anhaltender Windstille in derselben Weise unter Dampf fortgesetzt. Allmählich fing die Wassertemperatur an zu sinken, leichte südliche Winde brachten ab und zu etwas Kühlung und seit zwei Tagen haben wir sogar ordentlich frisches Wetter, trotzdem wir uns noch immer unter dem Aequator befinden. Am Tage kann man schon eine Jacke aus ganz leichtem Tuch vertragen, während dies vorher kaum möglich war; es kommt sogar vor, daß man während eines ganzen Tages keinen Tropfen Schweiß verliert. Wenn auch infolge der starken Abkühlung — die Temperatur hält sich am Tage in der Luft im Schatten zwischen 27 und 28° und in der Nacht zwischen 25 und 26° C. — viele Erkältungen (Darmkatarrh mit Fieber, Schnupfen u. s. w.) zum Ausbruch gekommen sind, so macht sich doch im ganzen ein anderes Leben im Schiffe breit. Eine gewisse Elasticität durchdringt den Körper, die Lust zur Bewegung und zur Arbeit bricht wieder hervor. Diese Temperatur werden wir nun wol für den Rest der Reise ziemlich gleichmäßig behalten und sie wird nur dann sich noch einmal bis zur Unerträglichkeit steigern, wenn wir, wie es vorläufig von uns angenommen wird, auf der Rückreise durch das Rothe Meer fahren. Da läßt sich aber schon manches ertragen, lacht uns doch dann ein neues, altgewohntes und langentbehrtes Leben entgegen, welches schon werth ist, daß man vorher einige Unbequemlichkeiten überwindet.
Malpelo-Fels (Seitenansicht).
Gestern und heute haben wir die Gruppe der Galapagos-Inseln durchschnitten und sind heute vier Stunden lang dicht an der größten Insel der Gruppe vorbeigefahren, sodaß wir einen oberflächlichen Einblick in dieses merkwürdige Land bekamen. Ich hatte ursprünglich die Absicht, hier einen mehrtägigen Aufenthalt zu nehmen, die letzte Segelordre empfahl mir aber wieder so sehr Eile, daß ich Verzicht leisten mußte.
Dieses Inselland, bei dessen Schilderung ich auch Darwin benutze, ist deshalb so interessant, weil es in seiner ganzen Erscheinung, in seinem Thier- und Pflanzenleben von der übrigen Erde wesentlich abweicht und ganz für sich dasteht. Auch sind wieder Thiere und Pflanzen auf den verschiedenen dicht nebeneinander liegenden Inseln durchaus voneinander abweichend, wenngleich sie derselben Gattung angehören. Außer Insekten ist das Thierreich vertreten durch Landschildkröten von riesigen Körperverhältnissen, welche bis zu 400 kg schwer werden sollen, durch eine Art Landeidechsen und eine Art Wassereidechsen von 1-1½ m Länge, 26 Vogelarten; das Pflanzenreich durch eine größere Anzahl von Pflanzen; Bäume sind ursprünglich nicht vorhanden.
Nordküste der Insel Albemarle (Galapagos-Inseln).
Früher waren diese Inseln gar nicht von Menschen bewohnt, seit einigen Jahren sind auf zwei derselben Ansiedelungen gegründet worden. Im vorigen Jahrhundert dienten sie den Seeräubern (Buccaniere) als Schlupfwinkel, in diesem Jahrhundert sind sie vielfach von Walfischfängern besucht worden, welche auch auf die Schildkröten Jagd machten, aus denen sie ein sehr feines Fett gewannen. Immerhin müssen Menschen aber sehr seltene Gäste gewesen sein, da die Thiere noch jetzt auf diesen Inseln untereinander in dem glücklichsten Frieden leben und keine Scheu vor Menschen kennen. Schildkröten, Eidechsen, Vögel fressen von demselben Blatt, ohne daß ein Thier nach dem andern hackt, eins das andere verdrängt. Alle Thiere lassen sich mit Leichtigkeit fangen, die Vögel fliegen dem Menschen auf den Finger und picken ihn verwundert in die Nase, welche sie wahrscheinlich für eine edle Frucht halten. Alle Thiere sind oder waren doch in großen Massen vorhanden, wie z. B. daraus zu ersehen ist, daß die Mannschaft eines englischen Kriegsschiffs in der nächsten Umgebung des Ankerplatzes an einem Tage über 200 große Schildkröten an Bord schaffte. Wozu? ist mir allerdings unklar, da das Schild werthlos ist, die Mannschaft höchstens 1/10 von dem Fleisch essen konnte und Kriegsschiffe sich mit Thrangewinnung nicht abgeben.
Beim Vorbeilaufen an jenen Inseln glaubte ich den Mond vor mir zu haben; ich denke mir seine Oberfläche so und vermuthe, daß vor vielen Jahrtausenden die Erdoberfläche das Aussehen der jetzigen Galapagos hatte. Die Inseln bestehen eigentlich nur aus Vulkanen, welche sich bis zu 1430 m über das Meer erheben. Die Wände dieser Riesen bestehen wieder aus lauter kleinen Vulkanen. Von der Ferne gesehen hält man das Land für mit Lehmhütten übersäet; in der Nähe findet man, daß diese Hütten kleine Krater sind, welche in ihrem braunen Kleid auf Lavageröll stehen. Man kann sich in eine weit ausgedehnte Ziegelei oder Räucheranstalt versetzt wähnen, da diese Krater durchschnittlich nicht größer wie ordentliche Back- oder Räucheröfen sind. Ich habe an einer Strecke von ½ deutschen Meilen auf dem Kamme eines ganz niedrigen Höhenzugs über 40 solcher Kraterchen gezählt. In der Außenwand eines großen Kraters, welcher den vorgenannten Höhenzug abschließt, sahen wir eine andere Art Krater, vier dicht nebeneinander liegende runde Löcher von 5-7 m Durchmesser, welche wieder selbständige Krater sind, wie die von ihnen auslaufenden Lavaströme deutlich zeigen.
Ich will versuchen, das vor uns vorüberziehende merkwürdige Bild etwas näher zu schildern.
Aus dem tiefblauen, von Delphinen (wir prosaischen Seeleute nennen diese Fische nur Tümmler oder Schweinsfische) reich bevölkerten Meere erheben sich in sanften Linien aufsteigend große Ländermassen, deren 1430 m hohe Gipfel sich in den Wolken verlieren. Nichts läßt zunächst den vulkanischen Ursprung erkennen; erst in größerer Nähe fängt das Land an sich zu zergliedern, um bald dem menschlichen Auge zu offenbaren, mit welcher Kraft das allgewaltige innerirdische Feuer hier gewirkt hat. Die sanften Linien verschwinden, man sieht nur noch eine wildzerklüftete nackte Erdrinde, welche in den höhern Regionen allerdings größtentheils einen grünen Ueberzug von Gras, niedrigem Gestrüpp und Cacteen hat. Hohe Berge wechseln mit niedrigen Hügeln ab, die Wände der hohen Berge tragen ebenso wie die der kleinern Hügel wieder ganz kleine Berge, welche genau dieselben Formen haben wie diejenigen, auf welchen sie scheinbar erwachsen sind. Von dem größten Naturgebilde bis zu dem kleinsten, alles zeigt dieselbe Form, denselben Ursprung. Der brodelnde Feuerherd, welcher die Erdrinde hier in fast senkrechten Wänden bis zu 1430 m hohen Bergen über das Meer erhob, entsendete gleichzeitig unzählige schwächere Strahlen, welche wiederum die Bergriesen durchbrachen, um kleine niedrige Krater zu bilden, die ihren scharf geränderten Kamm mit ebenso viel Zierlichkeit tragen, wie ihre colossalen Genossen mit Majestät. Eine Abwechselung in diesen Gebilden tritt nur dadurch ein, daß der eine Theil unergründliche Oeffnungen zeigt, während der andere seine ehemaligen Feuerschlünde bereits mit Lava ausgefüllt hat und dem Auge an Stelle des unheimlichen Schlundes den Anblick einer grünbematteten Grube bietet. Nur einige wenige der Hauptkrater sollen noch thätig sein; die Krater, welche wir sehen, sind bereits mehr oder weniger zerstört. Die Kämme sind im Zerfallen begriffen, viele der kleinen Krater sind nur noch schwer zu erkennen, mit der Zeit werden diese ganz verschwinden und ihr verwittertes Gestein wird zu fruchtbarem Land geworden sein. Es ist interessant zu sehen, wie die Lavaströme sich von den Krateröffnungen aus ihren Weg gebahnt haben. An den grünen Bergwänden sieht man oben an ihrem Kamm feine braunrothe Striche, welche, sich nach unten immer mehr verbreiternd und noch deutliche Flußlinien zeigend, schließlich als mächtige Ströme in das Meer fließen. Der ganze Strand besteht nur aus Lavamassen, und alle Thäler sind damit angefüllt. Das Land macht den Eindruck, als ob auf einem enormen Lavahaufen große Gebirge aufgebaut seien. Trotz des großen Gegensatzes der Farben weiß ich für die vor mir liegende Landschaft kein passenderes Bild zu finden, als ein in tiefem Schnee liegendes Gebirgsland. Der Schnee wird hier durch die abgelagerte Lava vertreten, die Gletscher durch die Lavaströme, die nackten schwarzen Felswände durch die grünbewachsenen Berge. Wie sich aus einem großen Schneefeld die nackten Gebirge erheben, deren Wände nur in ihren Gruben ewigen Schnee beherbergen, wie aus den tiefen Schluchten Gletscher zu Thal fließen, aus deren Strombett Steinoasen sich erheben, so erheben sich hier auf dunkelm Steingeröll grüne Bergmassen mit Lavagruben und dunkeln Kratern, mit mächtigen Lavaströmen, aus denen hier und da freundliche grüne Flecken hervorleuchten. Im Laufe der Jahrhunderte werden all die scharfen Kämme vor der Einwirkung von Wind und Wetter verschwinden, um das Land zu einem sanftwelligen Gebirgs- und Hügelland zu machen, der Fels wird verwittern, der Mensch wird urbares Land finden und kann dann hier Hütten bauen.