Читать книгу Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium - Beate Gleitsmann - Страница 14
Moralische Ansprüche
Оглавление„Wir dürfen die moralischen Ansprüche auf gar keinen Fall verletzen, sonst gibt es sofort eine 5,0“, betonte Nora. „Die Trennung der Eigenleistung von der Fremdleistung können wir dadurch sicherstellen, dass wir alle Aspekte, die wir in unserer Arbeit aus anderen Quellen übernommen haben, entsprechend mit Literaturangaben belegen. Wenn wir das nicht tun, ist es ein Plagiat und damit ist die 5,0 berechtigt, da wir geistiges Eigentum geklaut und es als Eigenleistung dargestellt haben. Alles, was wir selbst erarbeitet haben, ist Eigenleistung und wird nicht mit Literatur belegt, da es ja hierzu noch nichts gibt. Das ist relativ einfach, oder?“, stellte Nora fest. „Na ja, so einfach ist das wiederum auch nicht“, entgegnete Kevin. „Was ist, wenn ich eine tolle Idee habe und irgendwo schon mal jemand diese Idee in einem Buch beschrieben hat? Nehmen wir mal an, ich habe dieses Buch wirklich niemals in der Hand gehabt. Der Gutachter meiner Arbeit kennt es aber oder er ist zufällig drauf gestoßen. Jetzt denkt er, dass ich das abgeschrieben habe. Kann er mich dafür bestrafen?“ „Ja, das kann er. Das muss er sogar! Deshalb müssen wir doch die wissenschaftlichen Kriterien erfüllen und vor der eigentlichen Schreibarbeit, die wissenschaftliche Literatur recherchieren. Du hättest diese Idee des anderen Autors finden müssen, wenn du richtig gesucht hättest“, stellte Nora fest. „Stimmt, ich erinnere mich. Zufälle bei der Literaturrecherche sollen wir vermeiden“, sagte Kevin nachdenklich. „Aber heißt das, dass ich Literatur auch dann noch suchen muss, wenn ich zu einem Thema bzw. zu einem Aspekt schon sehr viel weiß, z.B. aus früheren Vorlesungen, aus meinen Erfahrungen durch Praktika oder von Erzählungen meines Vaters, der immerhin ein erfolgreicher Manager ist und vieles selbst erlebt und erfahren hat?“, bohrte Kevin weiter.
„Ja, genau so ist es! Du musst immer die Literatur zu deinem Thema suchen, damit du belegen kannst, wer in der Wissenschaft zu deinem Thema was geschrieben hat. Das ist der beste Schutz vor dem Vorwurf des Plagiierens. Übrigens sind deine eigenen Erfahrungen bzw. die Erfahrungen deines Vaters subjektiv und haben in einer Abschlussarbeit sowieso nichts verloren.“
„Erinnerst du dich noch?“, fragt Nora. „Du hast recht“, antwortete Kevin.
„Mit der Nicht-Manipulierbarkeit der Person ist gemeint, dass der Bearbeiter sich nicht durch einen Auftraggeber der Studie bzw. einer Forschungsarbeit beeinflussen lassen darf. Damit soll also eine Gefährdung durch Auftragsforschung ausgeschlossen werden“, sagte Nora. „Aha, wenn ich also eine Studie zum Thema Gesundheitsbelastung durch Mobiltelefone durchführen würde und der Auftraggeber wäre z.B. ein Hersteller von Mobiltelefonen, der während meiner Forschung dafür sorgen würde, dass es mir so richtig gut geht, dann wäre ich gefährdet,“ sagte Kevin. „Du meinst wohl bestechlich“, unterbrach ihn Annkathrin. „Ja, genau. Dann hat man mich manipuliert und ich erfülle die moralischen Ansprüche an die Wissenschaftlichkeit nicht“, beendete Kevin seinen Gedankengang. „Korrekt“, erwiderte Nora. David lehnte sich entspannt zurück und sagte: „Leute, das kann uns nicht passieren. Im Rahmen einer Abschlussarbeit im Studium ist die Gefahr sehr gering, dass jemand auf die Idee kommt uns zu manipulieren.“ „Sag das nicht. Das muss nicht im großen Stil erfolgen. Ich habe von einem schlimmen Fall gehört, dass ein sehr guter Student für eine Firma eine Abschlussarbeit schrieb. Während der Bearbeitungszeit hat der Student auch für die Firma gearbeitet. Der Abteilungsleiter des Unternehmens, der dem Studenten als Ansprechpartner genannt wurde, hatte aber eigene Interessen und beeinflusste ihn die ganze Zeit. Er stellte ihm nur bestimmte Informationen zur Verfügung, ließ ihn nur mit bestimmten Personen im Unternehmen sprechen etc. Mit dem Ergebnis, dass in die Abschlussarbeit eine einseitige Meinung geflossen ist. Die Arbeit wurde an der Hochschule mit einer 5,0 bewertet und der Student war total überrascht. Erst bei der Besprechung der Note hat er festgestellt, dass er viele Aspekte nicht beachtet hat und eigentlich manipuliert worden ist“, erzählte Nora. „Ist ja der Hammer! Tja, ich schätze, das heißt, dass wir niemandem trauen dürfen und ständig kritisch sein müssen“, stellte Annkathrin fest.