Читать книгу Wissenschaftliches Arbeiten im Wirtschaftsstudium - Beate Gleitsmann - Страница 17
Reliabilität
Оглавление„Reliabilität lässt sich am besten mit Zuverlässigkeit umschreiben“, fuhr Nora fort. „Die Reliabilität verlangt von einer Methode, dass sie zuverlässig immer wieder zum gleichen Ergebnis führt, d. h. bei einer Wiederholung unter identischen Bedingungen muss man zu einem identischen Ergebnis gelangen“. David unterbrach Nora sofort: „Auch auf die Gefahr hin, dass ich nerve. Ich weise noch mal darauf hin, dass ich keine Experimente mache, sondern eine Literaturarbeit schreibe. Die Sache mit der Reliabilität kann ich mir dann doch sparen, oder?“ „Nein, das kannst du nicht“, antwortete Nora. „Auch bei einer Literaturarbeit müssen deine Aussagen zuverlässig und verlässlich sein, d. h. wenn jeder von uns heute Abend eine eigene Hausarbeit zu dem gleichen Thema und der gleichen Forschungsfrage mit der gleichen Methodik schreiben würden, dann müssten wir alle zu einem identischen Ergebnis kommen. Wenn das nicht gelingt, dann sind unsere Arbeiten nicht reliabel, d. h. man kann sich also auf unsere Ergebnisse nicht verlassen.“ „Hä?“, unterbrach David schon wieder. „Du spinnst! Das kann gar nicht klappen. Jeder von uns würde doch anders vorgehen. Nora würde die Literatur recherchieren, David würde eine theoretische Arbeit dazu schreiben, Annkathrin würde mit einem Onlinefragebogen die Studierenden unserer Hochschule befragen und ich mache ein paar Interviews mit den Studierenden, die ich heute Nacht auf dem Weg nach Hause zufällig auf der Straße treffe. Dann kommen wir doch niemals zum gleichen Ergebnis.“ Nora antwortete ruhig: „Das stimmt, David! Aber Du hast gerade vier unterschiedliche Methoden beschrieben. Das sind keine identischen Bedingungen. Nehmen wir an, wir würden tatsächlich in der nächsten Zeit über dieses Thema eine reine Literaturarbeit schreiben und hierzu empirische Studien auswerten, die sich mit Problemen von Studierenden bei der Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit beschäftigt haben. Dann müsste doch jeder von uns die wichtigen empirischen Untersuchungen, die es hierzu bisher gab, finden und in seiner Arbeit vollständig und objektiv auswerten. Dann kämen wir alle zum gleichen Zeitpunkt zum gleichen Ergebnis“, schlussfolgerte Nora.
David fragte nach: „Und wenn ich drei sehr wichtige empirische Studien zu dem Thema einfach nicht finde – was ist dann?“ „Dann hast du methodisch nicht korrekt gearbeitet. Du musst alle wesentlichen empirischen Studien, die es zu diesem Thema zum Zeitpunkt der Abgabe der wissenschaftlichen Arbeit gibt, aufführen, sonst bist Du nicht reliabel“, schaltete sich Annkathrin ein. „Und wenn ich bewusst ein paar Studien nicht berücksichtige? Aus welchem Grund auch immer …“, fragte David weiter. „Dann bist Du nicht objektiv und damit automatisch nicht reliabel“, antwortete Nora.
Kevin schaltete sich in die Diskussion ein: „Okay Leute, nehmen wir mal an, wir machen tatsächlich alle unabhängig voneinander eine Befragung unter Studierenden unserer Hochschule. Da wird doch jeder von uns anders fragen und wahrscheinlich auch andere Antworten erhalten, dann kommen wir auch nicht zum gleichen Ergebnis.“ „Bei Befragungen kommen häufiger Probleme mit der Zuverlässigkeit vor“, antwortete Nora. „Ort und Zeit der Befragung beeinflussen die Reliabilität. Wir müssten die Studierenden zum gleichen Zeitpunkt in einem bestimmten Semester befragen, damit wir reliabel sind. Auch die Fragen sollten standardisiert sein, damit alle Personen die gleichen Fragen gestellt bekommen, und bei der Auswertung müssen die statistischen Verfahren dafür sorgen, dass eine andere Person die erhobenen Daten auf identische Weise auswerten kann. Alle diese Informationen müssen natürlich in der wissenschaftlichen Arbeit aufgeführt sein, damit jeder nachvollziehen kann, wie wir vorgegangen sind. Das ist das Kriterium der Reliabilität.“
Kevin dachte nun laut nach: „Ja, das leuchtet mir ein. Wenn ich jedem von Euch die Frage stelle ‚Fühlst Du dich für die Anfertigung einer Abschlussarbeit gut vorbereitet?‘, dann bekomme ich von Euch vermutlich drei völlig unterschiedliche Antworten, z. B. ‚ein bisschen‘, ‚etwas‘, ‚ganz Okay‘ oder ‚so la la‘. Damit kann bei der Auswertung niemand etwas anfangen“, stellte Kevin fest. „So ist es, denn jede Person interpretiert ‚ganz Okay‘ anders. Deshalb ist diese Vorgehensweise nicht reliabel. Das wird schon viel zuverlässiger, wenn ich die Antworten standardisiert vorgebe und das auch noch schriftlich festhalte, damit jeder die Datenerhebung, den Untersuchungsgegenstand, den Verlauf der Befragung und die Auswertung nachvollziehen und auch nachprüfen kann.“ „Genau, schaut her – ich habe mir dazu einige Beispiele herausgeschrieben“, antwortete Nora und legte währenddessen ein weiteres Blatt mit Beispielen auf den Tisch.
Thema: Erfolgsfaktoren von wissenschaftlichen Arbeiten – ein Literaturüberblick | |
Nicht reliabel: | Reliabel: |
Die wissenschaftlichen Studien werden in der Arbeit nicht dargestellt. | In der Arbeit wird ein Überblick über alle wichtigen empirischen Studien zum Thema gegeben. |
Die Literaturangaben sind unvollständig, so dass eine Überprüfung durch Dritte nicht möglich wird. | Alle Angaben zu den Literaturquellen sind vorhanden. |
Thema: Kriterien für ideale Notebooks zum Studieren – eine Studierendenbefragung | |
Nicht reliabel: | Reliabel: |
Die Fragen an die Studierenden werden in der Arbeit nicht dargestellt. | Ein Interviewleitfaden wird entwickelt und in der Arbeit dargestellt. |
Jede Person bekommt andere Fragen gestellt. | Alle Personen bekommen die gleichen Fragen gestellt. |
Die Größe eines Notebooks wird mit einer Waage gemessen. | Die Größe eines Notebooks wird mit einem Maßband oder Zollstock gemessen. |
In der Arbeit wird nicht beschrieben, wann, wo und wie die Studierenden befragt wurden. | Zeit und Ort der Befragung sowie Details zu den Interviewpartnern werden ausführlich beschrieben. |
Vorgehensweise bei der Auswertungsmethode wird nicht beschrieben. | Auswertungsmethode wird exakt beschrieben. Die Auswertung wurde so weit wie möglich standardisiert. |
Tab. 3: Beispiele zur Reliabilität
Nora fasste nun zusammen: „Das Kriterium der Reliabilität gibt an, inwieweit eine Methode oder ein Instrument, z. B. ein Fragebogen, bei wiederholter Anwendung dieselben Ergebnisse liefert. Dabei kann die Reliabilität auch bei der Auswertung und Interpretation der Ergebnisse zum Problem werden, indem zwei Personen die gleiche Aussage unterschiedlich bewerten.“ David grübelte etwas und fügte hinzu „Ich gebe zu, Einschätzungen so zuverlässig zu messen, dass dritte Personen zu gleichen Ergebnissen kommen, ist nicht einfach. Aber es geht auch einfacher. Wenn wir z. B. die Länge des Tisches hier messen, dann wird jeder von uns ein Maßband nehmen und 2,20 Meter messen. Egal wer diese Messung wann und wo vornimmt. Dieser Tisch wird zu jeder Tageszeit und an jedem Ort eine Länge von 2,20 Metern haben.“ „Genau, deshalb ist diese Messung reliabel, weil jeder diese Messung wiederholen kann und zum gleichen Ergebnis kommen wird!“, sagte Nora. „Wärst Du auf die Idee gekommen, die Länge der Tischkanten schätzen zu lassen, wäre das nicht reliabel“, betonte Nora. „So einfach ist es nicht immer. Stell Dir vor, Du möchtest Zufriedenheit, Glücksempfinden oder Motivation messen. Da musst Du dir bezüglich der Messmethodik echt gute Gedanken machen, womit wir beim dritten Kriterium wären“, fuhr Nora fort.