Читать книгу Reiseberichte einer begeisterten Seglerin - Beate Rüstemeier-Herget - Страница 10

Die „Nord-Ost Story“

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(Fremdgänger – und – Heimkehrer)

FREMDGÄNGER

„Tu es nicht, bleib zu Haus‘ in den vertrauten Ostseegefilden, wo nur der Wind dich begleitet, weist und lenkt!“ – Warum eigentlich? – Wir waren jedenfalls wild entschlossen, das Abenteuer zu wagen und dorthin zu fahren, wo der Mond regiert.....

1 Wider Willen, wider Starkwind, wider Sprühregen aus West ging es am 24. Juli los – weil es besser werden sollte am Wochenende. Unsere Freude war reduziert auf die „gute Luft“, denn man wurde bescheiden in diesen kalten „Novembertagen“. Rendsburg war unser erster Urlaubshafen.

2 Weiter ins mäandrierende Flussbett der Binneneider – lieblich, idyllisch – ein paar unermüdliche Angler unter grünen Regenschirmen können’s nicht lassen. – 5* Matjes mit Bratkartoffel in Süderstapel krönen den grauen Tag – mit neuer Kraft in der frühen Abenddämmerung zur Schleuse Nordfeld.

3 Staunen über die Gezeiteneider im morgendlichen Sprühregen – warme Klamotten und Ölzeug schützen den Leib, die Sinne werden frei für den Zauber: das Ohr für das Tschilpen und Tirilieren der Vögel, das Auge für das lebendige Treiben des Federviehs in Wasser und Luft, für Tonnen und Baken im so ganz anderen Flussbett, die Nase für den Duft des Watts. – Nur der Magen fordert noch sein Recht.

4 langsamer: In Friedrichstadt die Handbremse ziehen – bleiben, die Müdigkeit spüren und zulassen – schlafen – lesen - schweigen – sein. Kleiner Spaziergang zu den abendlichen Grachten. Das Volksfest tönt zu laut. Der italienische Wein im einsamen Lokal stillt vorübergehend Sommergelüste und schürt Sommerahnung – Tatsächlich: die Abendluft duftet satt nach nahender Wärme.

5 endlich: Die Sonne kehrt in Tönning zurück, erleuchtet pflichtbewusst den schönsten Hafen der Eider – das malerische Städtchen und der freundliche Hafenmeister laden zum Bleiben. Sonnenbaden im Cockpit mit Blick in das bunte Treiben – mittendrin‘ sein und doch geschützt – vorher die Gezeiten erleben – drei Stunden vor der Einfahrt liegen – festmachen verholen – learning by doing.

6 Timing: Ein Wunschtraum wird wahr – pünktlich dreht der Wind nach SE und wir gleiten mit Spinnaker auf Helgoland zu, lassen das Eidersperrwerk am frühen Morgen hinter uns – sagen dem Wasserlauf „Danke“ und begrüßen die Deutsche Bucht. Sonnenschutzfaktor 20 täte not! –

7 reizvoll ist Helgoland von oben, der Blick zur „langen Anna“ – der Blick auf nistende, flatternde und kreischende Vögel – der Blick in die Vergangenheit. Unten toben die Touristen – hier oben meint man gar, man gehöre nicht dazu – spätestens im Hafen, wenn der 10. übers. Vorschiff trampelt – fühlt man sich mittendrin‘.

8 Heimkehr: Mit dem Boot in die Geburtsstadt Wilhelmshaven einlaufen, das ist Prämiere! Alles stimmt: mit Spi bis zur Schleuse, allein in der riesigen Schleusenkammer, durch die „Kaiser-Wilhelm-Brücke“ – über die Toppen geflaggt in den Hafen einfahren – Panoramaplatz – erwartet von Geschwistern und Schulfreund mit Begrüßungs-Transparent; da sind die Tränen der Rührung nicht weit.

9 Bleiben: Vier Tage Stadtgenuss. Verwandte einladen zu Frühstück und Schlummertrunk auf Octopus, zum Flautensegeln – die Schulfreunde bewirten – zwischendurch schwimmen: das Morgenbad im sauberen „Kanal“ und „Strömungsschwimmen“ am Südstrand (für Ostseeanwohner ein besonderes Vergnügen!) – so lange bleiben, bis die Lust zum Weitersegeln unbändig wird. Die kleine 7-jährige Denise jauchzt bei der Weiterfahrt zum Nassauhafen, als ein Motorboot vorbeikommt: „Das Schiff schenkt uns Wellen!“ –

10 Endlich zu neuen Abenteuern! Eine der Ostfriesischen Inseln soll es sein. Ein Gewitter aus S naht – aber das Timing stimmt: Spiekeroog erreichen wir sicher und trocken – schwitzend zwar beim Überqueren der Barre – und dankbar. Spaziergang zu Ort und Strand – Schotten dicht und abwettern mit Krimi in der Koje.

11 „Landgangszauber“: Die Touristen meiden – fernab des Hauptweges zum Strand – Idylle und Einsamkeit: Durch den Wald streifen, Klarinette spielen in der Grasmulde – Strandlaufen durch den weißen Sand – riechen, schauen – die bunten Strandkörbe sind noch weit – die Inseljugend spielt Kricket. Lesen, heim- schlendern und Abend ausklingen lassen.

12 Zwischenstopp Zuerst mit Schwung – schließlich mit viel Mühe Kurs Helgoland und wieder Abwettern im Hafen. Der Ruhetag ist zwar nicht nötig, tut aber gut! – neue verborgene Plätzchen finden – vorbereiten auf neuen großen Schlag.

13 Schleswig Holstein erreichen wir wieder (nach Rauschefahrt) in Hörnum / Sylt. Herrlicher Strand – herrliches Bad – Krabbensuppe – am nächsten Tag fröhliche Kaffeefahrt mit unseren Hausfreunden aus Kiel.

14 böses Erwachen um 06:45 – wir waren längst unterwegs, wollten nach Esbjerg (dem NW-Wind in 3 Tagen vorauseilen) und plötzlich sitzen wir fest! Eine dänische Yacht, die uns gefolgt war, konnte noch rechtzeitig ihren Kurs ändern. Es ging alles ungeheuer schnell – nur mehr 90 cm Wasser zeigte das Echolot an – und der Tiefststand war noch nicht erreicht. Wir wurden langsam auf eine Sandbank getrieben. Alle Versuche frei zu kommen scheiterten – also Aussteigen – Anker ausbringen und um Hilfe funken. Eine halbe Stunde später waren wir wieder im sicheren Fahrwasser – und mit dem Schreck in den Gliedern davongekommen. Was war eigentlich passiert? Wir hatten uns einfach „vernavigiert“! –

15 obwohl wir hätten auf die Flut warten müssen, um wieder freizukommen, war unsere Entscheidung richtig – und die 3 langen Schläge machten Sinn: Esbjerg – Hvidesande – Thyborøn. Manchmal Gewitter in der Ferne, Sprühregen von oben, Spi-Kurs; manchmal Sonne, gute Gespräche und Gedanken – einmal Makrelen, „die der Ostwind schickte“; moderater Wind – einsame Nordsee!

16 aber kaum 3 Std in Thyborøn ging’s los: Platzregen, Sicht gleich null, Gewitter, 6-7 aus NW, Dankbarkeit für unser „sicheres Gelandetsein“; abwettern in der Koje – spannender Krimi „Mittsommernachtsmord“ von Henning Mankell – Besuch des „Küstencenters“ (sehr interessant, es gewährt Einblicke in die verletzliche Nordseeküste und den Umgang der Küstengemeinden damit) –

17 Kurios Wer wundert sich nicht über ein Boot mit schweizer Flagge im Hafen, ein Boot, das die Patina großer Schläge trägt und Gemütlichkeit ausstrahlt. Ein kleiner athletischer Schweizer klopft wenig später an unseren Bugkorb. Er möchte die Besitzer von Octopus kennenlernen – einem Boot, das seine Jahre auch nicht verbergen kann. – Dieter aus Küsnacht lädt uns zu einem besonderen Abend auf seine Yacht. Zwei Freunde sind noch dabei, einer aus der Nähe von Thyborøn – einer aus der Schweiz, Nordseesegler aus Leidenschaft: „aus N-Frankreich eben mal in einem Rutsch nach Jütland, dann in einem Schlag nach Norwegen (wegen einer reizvollen Ankerbucht) – am liebsten alles ohne Motor, am liebsten ganz allein (mit Eieruhr ¼-stündige Wachen in der Nacht)“. Der schrullige aber kommunikative Dieter steckt an mit seiner Begeisterung! –Schließlich gab’s noch ein kleines Klarinettenständchen im Duett mit Paul.

18 Ade Nordsee, es hat sich gelohnt – trotz mancher Unkenrufe, trotz Nervenkitzels, trotz unseres Bootes, denn: für einen echten Wattsegler ist der Kiel zu lang und für ein echtes Nordseeschiff ist Octopus zu klein! – Aber einen Besuch „drüben“ können wir allen Ostseeseglern wärmstens empfehlen.

Und wie kommt man von Thyborøn in die vertraute Ostsee? – Der Kenner empfiehlt den Limfjord.

1 Ins Landesinnere Mit NW 5/6 Bft bei Sonnenschein geht es los. Sollte ich bis hierher die Fantasie gehabt haben, der Limfjord ähnle dem Götakanal, werde ich eines Besseren belehrt. Der Brückenwärter der Oddesundbrücke erspart uns das Kreuzen bei Seegang und wir erreichen den einsamer Inselhafen Jegindø.

2 Abfallen müssen erst einmal die Strapazen der Nordsee-Etmale – Gemütlichkeit will neu erlernt werden – sollen wir ausschlafen oder einen Morgenspaziergang machen? Wir waschen Wäsche und schnabulieren im kleinen Fischrestaurant.

3 Zahlreich die Möglichkeiten der Routen und bezaubernden Plätze – Entscheidungsfreudigkeit ist angesagt. Der Wind meint „Fur“, eine glückliche Wahl! – Radwanderung zu Badestränden, durch bewegte Landschaft, zur Steilküste mit unterschiedlichen Gesteinsarten (ein Eldorado für Geologen) – enge Pfade durch Heckenrosen und Brombeerbüsche –

4 Lang der Weg nach Gjøl – weil zart der Wind - heiß brennt die Sonne in Aalborg. Der Charme der pulsierenden Stadt zeigt sich erst auf dem 2. Blick. Segeln und Städte – für uns eine immer wieder gesuchte und noch nie ganz geglückte Liaison. Streunen durch Straßen und Schlosspark in der Mittagshitze – die Museen locken nicht in der Glut – kühle Kirchen und altes Kloster geschlossen – schade. Ein schattiger Biergarten und eine gute lokale Jazzband versöhnen.

5 Kurs Hals und schon wieder dem Limfjord ade sagen! Gegenwind – und hier gebührt unserem Motor ein kleines Lob für die gesamte Reise. 5* für den Hafen Hals – charmant, individuell, besucherfreundlich, preisgünstig – zum Bleiben einladend. Wir laufen weit – waten durch Untiefen und über Sandbänke – erkämpfen uns Wasser zum Schwimmen; danach spinnen wir Gedanken beim Dösen in den Dünen. –

Heimkehrer

Vertrautes Kattegat, heimische Ostsee, willkommen! – Unsere Devise: neue Plätze erkunden – alte vertraute wieder begrüßen.

1 Ostwind ist kombinierbar mit meinem Wunsch nach Läsø: schöne einsame Insel, glasklares, wohltemperiertes Kattegat-Wasser – Ein zufälliger reicher Pfifferlingsfund beim Abendspaziergang ermöglicht unser 2-Hauben-Frühstück. Die 1000 Einwohner halten sich und ihre Häuser versteckt hinter Büschen und Wäldern – stilvolles Wohnen im Verborgenen. In Vesterø + Østerby liegt unter Schirmen individuell Hergestelltes zum Verkauf bereit – Gemüse, Keramik, Schnitzereien, Strickwaren. – Wir radeln zu den Salzwiesen, erleben Salzgewinnung „einst und jetzt“ und fühlen uns auf Läsø so richtig wohl. Beleuchtete Fischrestaurants an der Hafenpromenade - dahinter der große fast volle Mond – Geborgenheit im Hafenbecken.

2 SE 2 Bft Also vielleicht einen Anlieger nach Grenå? Wir sind früh los. Bald erhebt sich bedrohlich die Gewitterwand über Jütland – also weg und lieber nach Schweden! Es läuft, „es wellt sich“, es schaufelt Wasser – 1 Reff – lieber noch ein 2. – nichts ändert sich! Das ist kein Vergnügen! Wir drehen ab nach Østerby und holen uns einen genüsslichen „Läsø-Nachschlag“ – wir baden, pflücken Brombeeren und machen „Bordmarmelade“!

3 Tags darauf ist Anholt möglich – das wünscht sich der Skipper – denn von dem vertrauten Ort aus kann man mehrere Routen nach S wählen. – Auf Anholt am 21. 8. direkt am Steg festmachen – ein besonderes Vergnügen! Kitschiger Sonnenuntergang – ausschlafen für den nächsten langen Schlag.

4 Ein bekanntes Gesicht erscheint in Ebeltoft. Begegnung mit einem dänischen Seglerfreund aus alten Tagen – anregende Gespräche – Whisky im kleinen Hafencafe – Einkäufe – Keramik vom Feinsten – Das pulsierende Städtchen mit schönen Fachwerkhäusern ist ein Platz zum „Immer-wieder- kommen“.

5 Tunø hat sicherlich viele Fans. Für uns ist es eine charmante Erstbegegnung – Abendspaziergang, Morgenwanderung durch Wald und Feld. Malerisch liegt die leider verschlossene Kirche vor uns mit ihrem einmaligen Leuchtturm. – Tunø, ein Platz zum Stillwerden und Verweilen.

6 nächste Kattegattinsel – Endelaeve – einsam –Radeln durch weite Wege umsäumt von Obstbäumen und Brombeerbüschen – Reife Augustäpfel, süße kleine Birnen, Zwergpfaumen und Brombeeren hängen verlockend in unsere Münder – saftige Erntezeit. (Nebenbei bemerkt holt sich der Skipper auf dieser Insel 12 Zecken!)

7 Ritardando, ein musikalischer Begriff, meint „langsamer werden“, steht oft am Ende eines Musikstückes – um eine Schlusswirkung zu erzielen. Auch am Ende unseres Segeltörns steht ein „Ritardando“ – die Schläge werden kleiner, wir bremsen vor dem Ziel. Wir nehmen uns Zeit für den kleinen Belt – den Alsenfjord, Zeit zum Ankern, Zeit zum Betrachten unserer nicht so fernen Umgebung. Dieses Verlangsamen ist nicht nur leicht, die Pferde wittern schon den Stall, das Bett zu Hause lockt und immer mehr Landsleute erinnern an daheim. Das Beschenkt werden ist trotzdem offensichtlich; die ersten kühlen Herbstmorgen fallen in den Spätsommer, die ausgeruhte Seele gebiert Stimmungen, das durchgepustete Gehirn schöpft neue Gedanken – reich sind diese letzten Tage.

8 Gustostückerl Kongebro hat das schönste Hafenhotel, der Wald Rotkappe und Steinpilz – beim Ankern im Gamborgfjord erleben wir das längste Flautengewitter mit nur 2-minütigem Sturm. – Falsled hat das zauberhafteste Segelrevier!

9 Abwettern der besonderen Art – Abwettern in der Koje kennt man ja schon, aber Abwettern im Hotel, noch dazu im „Baltic“ in Hørup Hav tut wohl! Nach 5 ½ Wochen in Klein „Octopus“ schließen wir unser Boot vor dem letzten Schlag nach Hause. Riesig erscheint das Hotelzimmer – so gerade die Wände und Fußböden! Wir genießen diesen Luxus, lassen unsere Reise in Gesprächen revuepassieren und fahren am 1. September mit erfülltem Seglerherz nach Hause. Wie gut, dass wir am Wasser leben!

Reiseroute Sommerreise 2002 mit SY.Octopus


Reise 2002 24.Juli bis 1.September (Beate und Paul)

Strande – Rendsburg – Nordfeld – Friedrichstadt – Tönning – Helgoland – Wilhelmshaven-Stadt – W-Nassauhafen – Langeooge – Helgoland – Hörnum/Sylt – Esbjerg – Hvidesande –

Thyborøn – Jegindo/Limfjord – Fur – Gjol – Ålborg – Hals – Vesterø/Læsø – Øster-Hurup – Anholt – Ebeltoft – Tunø – Endelæve – Kongebrohavn – Gamborgfjord(A) – Årø – Falsled – Mjelsvig-Bucht(A) – HørupHav – Strande. Gesamt: 860sm

Link für Fotos 2002©

https://www.dropbox.com/sh/hpzn7oayej31m41/3XzhgaNEsQ?n=267714909

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