Читать книгу Reiseberichte einer begeisterten Seglerin - Beate Rüstemeier-Herget - Страница 6
ОглавлениеUnsere Sommerreise 1998
Von wegen Sonneninsel
(Dritter Sommersegeltörn einer Exbinnenländerin mit demselben Skipper)
Bornholm - wie zarter Schokoladenschmelz zergeht dem Wissenden das Wort auf der Zunge; Synonym für Überschaubarkeit einer variantenreichen Insel, mittelalterliche Kunst und Kultur, Heringe der besonderen Art, Quietschsand für Eieruhren, zahlreiche Segelhäfen und bezauberndes Wetter. Da müssen NordländerInnen hin, egal ob per Boot oder Fähre, so auch wir.
Anreise in großen Schlägen: Spodsbjerg auf Langeland, Stubbekøbing, kurz nach Klintholm auf Møn, Hiddensee und von dort nach Bornholm - so wollte es der Wind und wir fügten uns. Er ließ uns zu Beginn nach NE gleiten, aber ziemlich bald manifestierte er sich als starker Westwind, der uns (von kleinen Abweichungen abgesehen) zwei Wochen lang treu blieb. Da war keine Möglichkeit für Lesen, Musizieren oder gar Sonnen während der Fahrt. Im Gegenteil, wie Polarforscher gekleidet begannen wir unseren Sommerurlaub am 23. Juli. Bedeckter Himmel, sprüh- bis handfester Landregen, Starkwind bis Sturm wurden unsere ständigen Begleiter. Strahlende oder gar wärmende Sonne wurde zum kostbaren, weil so selten erlebten, Kleinod.
Kennen Sie den Begriff der "Vollsonne"? - von uns geprägte und auf diesem Törn öfter erfahrene Erscheinungsform der Sonne zwischen und hinter vorbeiziehenden Wolkenfetzen, dem Vollmond am Tageshimmel ähnlich - weißlich und rund. Abendrot voll Intensität und Kitsch bringt Regen von der fiesesten Art - erlebt und erlitten auf Hiddensee.
Wie also gestaltet man so einen mit Sonne durchwachsenen „Spätherbsttörn“? Die steife Brise durchlüftet auch die Gedanken - Tee mit Rum besänftigt fürs Erste, die Koje wird im Hafen häufig frequentiert - Buch um Buch wird mit Genuss verschlungen. Festliegen auf Hiddensee beschert uns kulturelle Genüsse - Tanz mit Studierenden der Paluka - Ballettschule in Dresden, Ein- Frau Puppentheater aus Berlin. Ersehnte Spaziergänge und Radtouren entfallen wegen Schietwetters. Anders tags zuvor auf Møn: Von Klintholmhavn Richtung Stege zum "Høkerhus" (schmackhafte Vollwertkost), mit Rädern über die sanften Hügel der uns schon so vertrauten Insel, Üppigkeit der Natur, leuchtende Blumenwiesen und all das bei Sonnenschein.
Zurück zum Segeln und einer dramatischen Situation, die einer gewissen Komik nicht entbehrte. Spielort: Smålands Fahrwasser, achterliche See 6 Bft. Der Skipper bereitet Tee mit Rum und Honig, während die Bordfru kurz austritt, und stellt beide Becher ins Cockpit, wo außerdem noch Logbuch und Seekarte liegen. Octopus beginnt zu geigen, die Becher schwingen, die Flüssigkeit ergießt sich in Fontänen. Das Logbuch landet geistesgegenwärtig unter Deck, die Seekarte verselbstständigt sich außenbords. Also Karte- Überbord- Manöver. Der Bootshaken ist das falsche Gerät, stellt sich heraus, als wir trotz hoher See tatsächlich auf den gesuchten Gegenstand stoßen. Beim dritten Versuch legt sich die Bordfru zitternd auf das Deck und greift im Wellental nach unten. Sie berührt die Karte. Nach zwei weiteren Versuchen ist diese so angesoffen, daß sie versinkt. Unser GPS, den wir Gott sei Dank schon am Vortag mit den wichtigen Koordinaten bestückt hatten, weist uns den Weg. Der nicht mehr ganz taufrische Kartensatz wird in Stubbekøbing erneuert.
Bei unserer Überfahrt nach Rönne auf Bornholm war uns Rasmus allerdings hold. Zwischen zwei Tiefs - in 16 Stunden, eine gute Überfahrt von 0500 bis 2100 Uhr. Mit eineinhalb Stunden Flaute zwischendurch - aber ansonsten alle möglichen "guten" Windarten Stärke 4: raume, dann achterliche Spistunden zu Beginn, "Halbwindbrausen" nachmittags bis abends. Endlich am Ziel! Das wird gefeiert. Drei Tage fest im Hafen von Rønne, dann bei schwerer See nach NW um den Hammer herum nach Allinge (2 Tage), Gudhjem (2 Tage), Listed (4 Tage).
Der Hafen von Rönne hat mich sehr berührt. Besonders abends im Hafen sein, im wahrsten Sinne des Wortes - in Sicherheit, geschützt. Die Ostseeriesen kommen an und gehen wieder. Allinge und Gudhjem bekannt, fröhlich und voll, Listed freundlich, einsam - Insidertip.
Also: Sonneninsel Bornholm - los geht die Entdeckungsreise. Zuerst die Sonne suchen. Sie kommt für ein paar Stunden in Allinge. Klamotten runter und Shorts ausführen, damit die auch einmal gelüftet werden. Bis dahin mit dem Bus auf Entdeckungsreise in den großen Wald rund Almindingen, viele Fotos aber noch viel mehr innere Bilder: Zauberwälder, "Rhapsody in green", Pilze in rauen Mengen. Die Bordfru fühlt sich in ihre Kindheit versetzt. Schwammerl suchen in den österreichischen Wäldern zählte zum absoluten Hochgenuss. Noch oft trieb es uns auf Wiesen und Wälder mit aufgesetzter Pilzbrille und wir wurden fündig. Dann gab's leckere Pilzgerichte:
1 Pilzsauce: Pfifferlinge (Eierschwammerl) und Zwiebel leicht anrösten, aufgießen, dünsten, salzen und pfeffern, mit Schmand binden, Schwenkkartoffel vom Vortag darin erwärmen.(Schmeckt auch mit Knödel)
2 Pilzsuppe: viele Pfifferlinge mit einer Zwiebel, zwei Möhren und drei Kartoffeln in Hühnerbrühe köcheln (20 min), Salzen, pfeffern und schlemmen.
3 Gebackene Boviste: Boviste in 1 cm dicke Scheiben schneiden, in gesalzenem Ei und Brösel wenden, in Olivenöl schwimmend backen.
4 Gebackene Wiesenchampignons und Anisegerlinge: siehe 3.
5 Gebackene Birkenpilze: siehe 3, 4.
6 Gebackene Rotkappen: siehe 3, 4, 5. (*****)
7 Geschmorte Wiesenchampignons und Anisegerlinge auf Nudeln: Zwiebel und Knoblauch glasig dünsten, kleingeschnittene Pilze zufügen und schmoren, Ketchup und Sojasauce zufügen und mit Vollkornnudeln mischen - nach Bedarf mit Sahne verfeinern.
8 Mischpilzsuppe mit Fridatten: diverse Pilze kleinschneiden und in Brühe köcheln. Feinnudelig geschnittene Pfannkuchen vom Vortag als Einlage verwenden.
9 Pfifferling- und Birkenpilzfrikadellen: Pilze kleinschneiden und 20 min in wenig Wasser dünsten (nicht salzen) Flüssigkeit auffangen und weiter verwenden (z.B. für Suppe oder Saucen) Pilze leicht ausdrücken,salzen, Zwiebel fein hacken, evtl. auch Knoblauch und Petersilie. Mit Ei und Paniermehl zu Frikadellen formen, in Olivenöl braun und knusprig braten. Mit Kartoffeln, Reis oder Brot und mit grünem Salat servieren. (schmecken auch kalt)
Beeren zum Nachtisch, Himbeeren, üppig wie auf der Farm und Heidelbeeren (viele wachsen oberhalb des Geländes des Oluf Høst- Museums in Gudhjem). Um die kulinarischen Köstlichkeiten der Natur noch zu ergänzen: frisch gefangene kleine Heringe in der Pfanne - Geschenk des Nachbarn im Hafen von Allinge - schmecken an Bord noch besser als zu Hause.
Gudhjem besticht auch durch seine Räucherei; auch hier ein cholesterinreicher Tipp: geräucherte Garnelen.
Zwischendurch Kirchen- und Museumsbesuche: Østerlars (bei strömenden Regen erradelt), Ibskirche, Bornholm- Kunstmuseum, Gudhjem- Museum, Oluf Høst- Museum (neu eröffnet und wunderschön), Glasbläserei "Balticsea-Glas". Konzerte in der Kirche in Rønne (Cello und Orgel) und Flamenco- Gitarre in Gudhjem.
Hammeren erradeln, Hammerhus ersteigen, Hammerhavn besuchen...
Und dann wollte die Bordfru noch den Quietschsand kennenlernen. Also von Listed über Svanneke, Nexø nach Dueodde radeln, dann frierend in den Dünen liegen, den guten Willen haben, baden zu gehen, aber in folge Fußschmerzens bereits im wadentiefen Wasser kehrtmachen. Der Weg zurück ins Landesinnere zieht sich - ziemlich erschöpft, aber mit einer Tasche voll Pilzen, erreichen wir Listed.-
Zu früh wird Reinschiff gemacht - kein Baden, kein Sonnen, kein Segeln nach Christiansø, kein Sommer - die zweite Crew übernimmt.
Wir beenden unseren Törn im Iglu- Zelt im Hafen von Listed - bei Windstärke 7 und Böen eine wahrhaft stürmische Nacht - würdiger dramatischer Abschluss eines etwas anderen Segeltörns - rau wie der Sommer im Norden sein kann. Die Sonneninsel Bornholm entdecken wir ein andermal.
PS: Und wie kam Octopus zurück nach Strande? Die Rüstemeier- Tochter und Söhne, Ursula, Hans-Jörg und Arne, bewerkstelligten das: Zwei Wochen Familienurlaub auf Bornholm (Listed, Gudhjem, Allinge, Vang, dann Überfahrt nach Skillinge (Schweden). Crew 3, Hans-Jörg und Arne, brauste in langen Schlägen zurück: Klintholm, Gedser, Orth auf Fehmarn, Strande.
Und alle fanden es kühl aber gut.
Reiseroute Sommerreise 1998 mit SY.Octopus
Reise 1998 23.Juli bis 8.August (Beate und Paul) 252sm
Strande – Spodsbjerg – Stubbekøping – Klintholm – Vitte/Hiddensee – Rønne – Allinge – Gudhjem – Listed
9.August bis 20.August (Ursula mit Familie) 48sm
Listed – Gudhjem – Allinge – Vang – Skillinge
21.August bis 30.August (Söhne Hans-Jörg und Arne) 176sm
Skillinge - Klintholm – Gedser – Orth/Femarn – Strande Gesamt:476sm
Link für Fotos 1998©
https://www.dropbox.com/sh/kjfmr62jzspfybb/la2OZfK1_F?n=267714909