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Hannah Goldlaub?“

„¿…Sí …?“

„Sie sprechen Deutsch?“

„¿…ja …?“

Draußen auf der Straße hatte es zu regnen begonnen. Sintflutartig. Mitten im Hochsommer. Schutz suchende Passanten drückten sich eng an die Fensterfront des hoteleigenen Cafés, das hinaus auf die Straße ging.

Hotel & Café Carlos, V. in Buenos Aires.

Hier arbeitete sie.

„Grüß Gott – Kanzlei Leonhard und Stern aus Wien“, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, die einer jungen Frau gehören musste. „Einen Augenblick bitte – ich verbinde Sie mit Ludwig Leonhard, dem Seniorpartner.“

Hannahs Hände zitterten vor Aufregung, als sie fast zwanzig Minuten später auflegte, unter dem argwöhnischen Blick von Ricardo, der an diesem Tag Dienst an der Rezeption hatte. Mit einem gespenstischen Ruck setzte sich urplötzlich der mächtige Deckenventilator in Gang, drohend wie der erhobene Zeigefinger des Schicksals. Ein Monstrum aus massivem Messing, hoch über der Lobby in der Luft gehalten durch ein entschieden zu dünnes Kabel. Als warte er nur darauf, ihr mit seinen scharfen, kalten Flügeln den Garaus zu machen.

Eine im selben Moment einsetzende Panik schnürte Hannah den Atem ab. Nicht nur, weil es Hotelangestellten untersagt war, während der Arbeitszeit Privatgespräche zu führen. Was ohne Zweifel auch für schwangere Zimmermädchen galt, die auch ohne schwere Verfehlungen bald auf der Straße stehen würden – spätestens dann jedenfalls, wenn das Malheur ans Tageslicht kam. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.

Doch es war nicht das, worum ihre Gedanken kreisten. Sie versuchte zu verarbeiten, was sie soeben mit ihren eigenen Ohren gehört hatte. Gehört zu haben glaubte.

Die Welt um sie herum drehte sich, fuhr Karussell mit ihr. Ihre schweißnassen Hände suchten etwas, an dem sie sich für einen Augenblick festhalten konnten.

Nachlass, Erbe, beträchtliche Vermögenswerte … noch immer hallte das verwirrende Echo der Worte in ihr nach, die sie eben am Telefon vernommen hatte. Wären Ricardos Augen nicht nach wie vor starr auf sie geheftet gewesen, sie hätte sich für einen Moment auf einen der exklusiv für Hotelgäste reservierten, vor einem halben Jahrhundert mit senfgelbem und damals sehr wahrscheinlich noch nicht vollständig durchgewetztem Leder bezogenen Sessel in der Lobby gesetzt. Ihr war schwindelig.

Es musste sich um eine Verwechslung handeln. Um ein Missverständnis.

„Wenn Sie Ihre …“ Einen Augenblick hatte der Anwalt nach dem passenden Wort gesucht, um dann fortzufahren: „…Ansprüche wahrnehmen möchten, ist es allerdings zwingend erforderlich, dass Sie persönlich hier erscheinen.“

Hannah konnte es sich nicht erklären. Dieser Anruf war nicht nur geheimnisvoll, er war ihr ein komplettes Rätsel.

„Wer nimmt dich hier auf den Arm?“

Ihr erster halbwegs klarer Gedanke verwandelte sich in Buchstaben, die direkt vor ihrer Nase aufgeregt in der Luft tanzten. Mitten in der Lobby, wo sie nach wie vor ausharrte – zur Salzsäule erstarrt.

Sie kannte keine Menschenseele in Wien, und seit dem Tod ihrer Mutter hatte sie mit niemandem Deutsch gesprochen. Sie lebte seit ihrer Geburt in Buenos Aires. Und hier sprach man Spanisch. Doch genau darum ging es offenbar: Um Esther, ihre vor einem Jahr verstorbene Mutter. Und um ein geheimnisvolles Erbe, das nur vor Ort in Wien besprochen und geklärt werden konnte. Der Anwalt hatte auch noch einen anderen Namen genannt: Eli Goldlaub.

Eli war der Vater ihrer Mutter gewesen.

Ihr Großvater.

Ricardos Blick verhieß nichts Gutes, obwohl er nicht das Geringste verstanden haben konnte. Hannah sputete sich, um zurück zum Angestelltenfahrstuhl zu gelangen. Noch nie zuvor in all der Zeit, die sie hier arbeitete, war sie wegen eines Anrufs an die Rezeption bestellt worden.

Das passierte normalerweise nur, wenn jemand gestorben war.

„Wir werden Ihnen ein Flugticket schicken und ausreichend Geld für eine angenehme Reise. Die Hotelreservierung übernimmt unser Klient ebenfalls. Bitte geben Sie meiner Sekretärin gleich einfach Ihre aktuelle Adresse durch. Und Ihre private Telefonnummer, die fehlt uns auch noch. Wie auch immer, liebe Frau Goldlaub: Wir sind froh, dass wir Sie endlich gefunden haben.“

Ludwig Leonhards sonore Stimme klang noch immer in ihr nach, unwirklich wie eine Botschaft von einem fremden Planeten, und es schien ihr unmöglich, sie je wieder zu vergessen.

Sünde

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