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Elfmeter-Ikone Antonín Panenka

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Ich saß mit Antonín Panenka vor seiner Kneipe in einem Städtchen in der Nähe von Prag. Wir sinnierten über Spieler, nach denen Fußballtricks benannt wurden.

„Da gibt’s den Cruyff-Turn“, sagte ich.

„Ja, und die Zidane-Roulette“, entgegnete er.

Und dann schwiegen wir und blickten in die Ferne. Hatten wir jemanden vergessen? Spieler wie Pelé, Maradona oder Puskás müssten doch irgendeinen Trick erfunden oder berühmt gemacht haben, oder? Und was ist mit der heutigen PlayStation-Generation, Lionel Messi, Cristiano Ronaldo, Neymar? Anscheinend nicht. „Damit bleiben also nur drei Spieler“, sagte ich. „Cruyff, Zidane und Panenka.“

„Keine schlechten Spieler“, lachte er. „Ganz und gar nicht!“

Panenka hatte einst eine neuartige Elfmetervariante erfunden, die heute nach ihm benannt ist. Mit dem Cruyff-Turn und der Zidane-Roulette erzielt man keine Tore. Sie entscheiden keine Spiele, und sie sichern keine Titel. Meiner Meinung nach ist ein Panenka in einem Elfmeterschießen wertvoller als ein herkömmlich geschossener Elfer, weil er der eigenen Mannschaft einen psychologischen Vorteil verschafft.

Der Ursprung der Idee reicht bis ins Jahr 1974 zurück. Panenka spielte für die Bohemians Prag in einem Ligaspiel gegen Pilsen. Er war der Spielmacher, der kreativste und versierteste Mann im Team, aber nicht besonders schnell. Nach hinten arbeiten war auch nicht sein Ding, er neigte dazu, defensive Aufgaben zu vernachlässigen. „Ich hasste Tacklings“, bestätigte er mir gegenüber. Aber er hatte ein gutes Auge, und seine Mitspieler sahen ihm seine gelegentlichen Auszeiten nach, denn er bereitete viele Tore vor. Er schoss außerdem hervorragende Ecken, Freistöße und Elfmeter. Gegen Pilsen aber hatte er einen schlechten Tag erwischt. Er verschoss einen Elfmeter. Der Schiedsrichter ließ wiederholen. Er verschoss erneut. Später bekam er eine dritte Chance, und diesmal traf er, aber er war so sauer über seine beiden Fehlschüsse, dass er beschloss, härter zu trainieren.

In den folgenden beiden Jahren blieb Panenka nach jeder Trainingseinheit mit Bohemians-Torwart Zden?ek Hruška auf dem Platz, um Elfmeter zu üben. Seine übliche Methode war, so lange zu warten, bis sich der Keeper bewegte, und den Ball dann in die andere Ecke zu schießen. Manchmal spielten sie um Geld, meistens aber um Bier und Schokolade. „Anfangs hielt er eine Menge, denn er war ein guter Torwart“, erzählte Panenka. „Aber dann überlegte ich mir neue Varianten. Ich lag nachts wach und dachte über einen Schuss in die Mitte nach. Ich wusste, dass sich Torhüter normalerweise für eine Seite entscheiden, aber wenn man den Ball zu hart schießt, kann er mit dem Bein parieren. Bei einem weniger harten Schuss hat er keine Chance, sofern er sich für eine Ecke entschieden hat.“

Bei Panenkas neuartigem Elfmeter ging es darum, den Ball butterweich in die Mitte zu lupfen. Aber er würde es nur dann versuchen, wenn er sicher sein konnte, dass der Torwart in eine Ecke sprang. „Ich probierte es gegen Hruška und begann, unsere Duelle für mich zu entscheiden. Je mehr Schokolade ich gewann, desto dicker wurde ich!“

Johan Neeskens hatte für Holland im WM-Finale 1974 einen ähnlichen Elfmeter verwandelt, aber eher aus Versehen: Er traf den Ball nicht voll und drosch ihn in die Mitte, während Sepp Maier nach rechts hechtete. Für die beiden Wissenschaftler Wolfgang Leininger und Axel Ockenfels hatte Neeskens damit für eine Innovation gesorgt: Er hatte die Tormitte zu einer Option für Elfmeterschützen gemacht. „Dadurch veränderte sich allmählich die Wahrnehmung des Elfmeterduells zwischen Torwart und Schützen von einem 2 x 2 [links oder rechts] zu einem 3 x 3 [links, Mitte, rechts].“6

Neeskens’ Elfmeter hatte keinen Einfluss auf Panenka. Er hatte das Spiel gesehen, sich aber nicht vom Holländer inspirieren lassen. Neeskens habe den Ball schlecht getroffen, betonte er. Bei seiner Variante hingegen ging es darum, den Ball perfekt zu treffen. Ein Blindgänger wäre eine Blamage. Panenka fing an, diese Variante zunächst in Freundschaftsspielen und allmählich in der Liga auszuprobieren. Einer seiner ersten Versuche ging daneben. Das war gegen Vodňany, einen Dorfklub aus Südböhmen, und es regnete in Strömen. „Der Torraum war ganz matschig, und ich bin überzeugt davon, dass der Torwart nur gehalten hat, weil er nicht springen und sich schmutzig machen wollte.“

Meistens traf er aber, selbst gegen Torhüter, die ihn gut kannten. Im Mai 1976 spielte Bohemians gegen Dukla Prag, deren Keeper Ivo Viktor ein guter Freund und sein Zimmergenosse bei der tschechoslowakischen Nationalmannschaft war. Viktor kannte den Trick, konnte aber trotzdem nicht parieren. „Er blieb nicht stehen. Wenn man stehenbleibt und den Ball reinlässt, fragen einen die Leute, warum man es nicht mal versucht hat. Deswegen ist es wichtig, den Torwart dahin zu bringen, wo man ihn haben will. Man muss ihm mit den Augen, dem Anlauf, dem Winkel, der Körpersprache suggerieren, dass man eine Ecke anvisiert.“

Sechs Wochen später, am 20. Juni 1976, stand die ČSSR nach einem 3:1 gegen Holland nach Verlängerung überraschend im Endspiel der Europameisterschaft. In der Vergangenheit waren tschechoslowakische Mannschaften stets in sich gespalten gewesen: Tschechen und Slowaken aßen nicht nur getrennt, sie trainierten auch jeder für sich, was eine vernünftige taktische Vorbereitung unmöglich machte. Die Mannschaft von 1976 war anders, geeint durch Trainer Václav Ježek, einen Slowaken, und Kapitän Anton „Tonda“ Ondruš, einen Tschechen. Die Elf bestach durch Tempo, Disziplin, Technik, Torgefahr – und jede Menge Selbstbewusstsein. „Wir hatten im Vorfeld gute Ergebnisse erzielt, und weil wir aus Osteuropa kamen, nahm uns niemand für voll“, sagte Panenka. Vor dem Turnier blieb die Mannschaft 20 Spiele in Folge ungeschlagen.

Im Finale trafen die Tschechoslowaken auf den amtierenden Welt- und Europameister aus Deutschland. Auch die Deutschen hatten ein schweres Halbfinale hinter sich. Sie hatten Gastgeber Jugoslawien erst in der Verlängerung mit 4:2 geschlagen und vor dem Endspiel einen Tag weniger Pause gehabt. Die Tschechen gingen schnell mit 2:0 in Führung, aber die Deutschen kämpften sich durch ein Tor von Dieter Müller wieder heran, ehe Bernd Hölzenbein in der 89. Minute der Ausgleich gelang. In der Verlängerung waren die Spieler mit den Kräften am Ende, und zum ersten Mal überhaupt musste ein Elfmeterschießen über den Sieger eines großen Turniers entscheiden – was übrigens erst wenige Stunden vor dem Spiel beschlossen worden war.

Auf dem Weg zum Finale hatte sich DFB-Präsident Hermann Neuberger mit Bundestrainer Helmut Schön und Teamarzt Erich Deuser beraten und beschlossen, die UEFA darum zu bitten, im Falle eines Unentschiedens auf ein Wiederholungsspiel zu verzichten, das für den folgenden Dienstag vorgesehen war. Neuberger war der Ansicht, die Spieler seien ausgebrannt. „Die Entscheidung war absolut richtig. Die Gesundheit der Spieler hat höchste Priorität“, sagte Deuser. Die UEFA und der tschechoslowakische Verband waren einverstanden, aber die deutschen Spieler erfuhren erst davon, als sie nach dem Aufwärmen in die Kabine kamen. Wie der Münchner Merkur berichtete, wurde selbst Beckenbauer von dieser Entscheidung überrascht. Weder der Kapitän noch seine Teamkameraden waren gefragt worden, was sie von einer solchen Kursänderung hielten.

Das war nicht das einzige Kommunikationsproblem zwischen den deutschen Spielern und ihrem Verband während des Turniers. Am Samstag vor dem Finale hatte sich der DFB bereit erklärt, die Prämie für die Endspielteilnahme von 5.000 auf 10.000 DM und für den Titelgewinn auf 15.000 DM zu erhöhen. Schon zwei Jahre zuvor hatte es Streit um die WM-Prämien gegeben, und die deutschen Spieler hätten sich beinahe geweigert anzutreten. Der deutsche Verband war nicht scharf darauf, eine Wiederholung zu erleben – allerdings versäumte er es, die Spieler vor dem Finale über die neuen Summen zu informieren.

Die Deutschen hatten also keine Elfmeter trainiert und mit Rainer Bonhof nur einen Schützen, der im Verein regelmäßig Elfmeter schoss. Die Tschechoslowaken hingegen, und nicht nur Panenka, hatten fleißig geübt. Nach einem Freundschaftsspiel im Vorfeld des Turniers hatte Ježek ein Elfmeterschießen unter Matchbedingungen organisiert. 10.000 Fans waren im Stadion, die er per Megaphon zum Mitmachen animierte. „Wir wollen, dass ihr pfeift und schreit und alles versucht, um unsere Spieler aus dem Konzept zu bringen. Genauso, wie es für uns in Jugoslawien bei der EM sein wird.“

Die Deutschen brauchten zehn Minuten, um sich auf die Reihenfolge der Schützen zu einigen. Torwart Maier bot sich für den fünften Elfmeter an, weil sonst keiner antreten wollte. Beckenbauer erklärte sich schließlich bereit, ihn zu übernehmen. „So wurden die Männer zusammengekratzt wie ein Häuflein Verlorener“, schrieb der Merkur am nächsten Tag. „Eine geschlagene Truppe trat an zum letzten Gefecht, und sie musste dieses Duell verlieren, weil ihre Nerven flatterten.“

Die ČSSR musste vorlegen, und Stürmer Marián Masný machte kurzen Prozess. Bonhof traf für die Deutschen. Auch die nächsten fünf Versuche wurden alle verwandelt, und die Tschechoslowaken führten mit 4:3. Dann kam Uli Hoeneß. Sein Schuss ging weit über das Tor. „Ich war schlapp und kraftlos“, sagte er. „Ich konnte nicht mehr schießen, keinen Elfmeter mehr, aber als sich keiner mehr meldete, da habe ich ja gesagt.“

Dann kam Panenka. Zwei Jahre Training für diesen einzigen Versuch: all die Schüsse gegen Hruška (und die ganze Schokolade), die vielen Stunden, die er damit verbracht hatte, den Anlauf zu perfektionieren, den Lupfer zu verfeinern, den Torwart zu verladen. Viktor flehte Panenka an, es nicht zu versuchen, aber dies war sein großer Augenblick. „Ich sah mich als Entertainer und diesen Elfmeter als Ausdruck meiner Persönlichkeit“, sagte Panenka. „Ich wollte den Fans etwas Neues bieten, etwas schaffen, worüber man reden würde. In einem Moment, in dem niemand damit rechnete, etwas Besonderes zeigen. Ich wollte, dass Fußball mehr ist, als nur gegen einen Ball zu treten.“

Vor dem Elfmeter ging es Panenka ähnlich wie vor manchen seiner Freistöße für Bohemians. Er liebte das Duell mit dem gegnerischen Torhüter und hatte so etwas wie einen sechsten Sinn dafür – „eigentlich war es wie Gänsehaut“, – ob er treffen würde. Wenn ein Keeper die Mauer so stellte, dass er bessere Sicht auf den Ball hatte, schickte Panenka ein paar seiner Mitspieler dazu, um es ihm schwerer zu machen.


Legendärer Elfmeter im EM-Finale 1976: Der Tscheche Antonín Panenka lupft den Ball im Elfmeterschießen gegen Deutschland über Sepp Maier.

Als wir uns das Video seines entscheidenden Elfmeters ansahen, fiel mir auf, wie lang sein Anlauf war – bis hinter den Teilkreis außerhalb des Strafraums. „Ich wählte einen langen Anlauf, damit ich mehr Zeit hatte, zu schauen, was der Torwart vorhatte und wie er reagierte“, erklärte er. „Ich lief außerdem schnell an, was es dem Torwart erschwert, die Körpersprache zu lesen. Man sieht schon, als ich noch einen Meter vom Ball entfernt bin, dass sich Maier nach links bewegt. Hätte ich mich nicht für den Heber entschieden, hätte ich also einfach in die andere Ecke geschossen.“

Bevor es überhaupt einen Namen dafür gab, schoss Panenka den perfekten Panenka. Der Ball segelte gemächlich, geradezu frech, über Maier hinweg, der früh abgetaucht war und mit dem rechten Arm vergeblich nach dem Ball wedelte, als wolle er ihn durchwinken. Er wusste, dass er geschlagen war. Seitdem sind einige fantastische Panenkas verwandelt worden – Zinédine Zidane, Francesco Totti und Andrea Pirlo haben in entscheidenden Momenten auf diese Weise vollendet –, aber Panenkas eigener bleibt die Mutter aller Panenkas: der schönste und beste, das Original.

Nach dem Spiel bekam Panenka von Politikern zu hören, dass er bestraft worden wäre, hätte er verschossen, denn der Elfmeter hätte als Respektlosigkeit gegenüber dem kommunistischen System verstanden werden können. Welche Art von Strafe hätte ihn erwartet, wollte ich wissen. „30 Jahre in den Minen“, antwortete er. „Das macht seine Leistung umso bemerkenswerter“, meinte der spanische Fußballautor César Sánchez Lozano. „Sein Elfmeter ist aus visueller Sicht faszinierend: Er ist schön, wie ein Kunstwerk. Aber dazu kommt der Druck, die Situation des Elfmeterschießens, der entscheidende Schuss, und dass er aus einem kommunistischen Land kommt und trotzdem etwas so Spontanes zeigt – das ist einfach erstaunlich.“

Lozano war so hingerissen von dem Moment, dass nur ein Titel in Frage kam, als er ein neues Magazin ins Leben rief, das sich den ausgefallenen Geschichten, abseitigen Charakteren und romantischen Seiten des Spiels verschrieb: Panenka. „Geschichte wird nicht nur mit Siegen geschrieben“, sagte er. „Manchmal ist es wichtiger, wie etwas gemacht wird. Niemand kann sich an die anderen Spieler aus der Mannschaft erinnern. Panenka schaffte etwas Einmaliges, und seine Wirkung geht weit über diesen Schuss hinaus.“ Panenka ist stolz darauf, dass sein Name weltweit zu einem Begriff geworden ist, behauptet aber ganz bescheiden, dass es nur daran liege, weil er so leicht auszusprechen ist. „Panenka – das klingt in jeder Sprache gleich.“

In der Kneipe, vor der wir saßen, die den einfallsreichen Namen „Stará Hospoda“ („Alte Kneipe“) trug, wurde es allmählich voller. Die Bewohner von Nespeky kamen zusammen, um sich ein wichtiges Spiel der Eishockey-WM zwischen Tschechien und Norwegen anzusehen. Ich erläuterte ihm meine Theorie, dass ein erfolgreicher Panenka in einem Elfmeterschießen mehr wert sein könne als ein herkömmliches Tor. Man denke nur an die Spanier und die Italiener bei der EM 2012. Im Viertelfinale gegen Portugal in Donezk traf Verteidiger Sergio Ramos im Elfmeterschießen mit einem Panenka zum 3:2. Portugals nächster Schütze war Bruno Alves: Er traf nur die Latte, und Spanien gewann 4:2. Einen Abend später in Kiew lag Italien gegen England nach je zwei Versuchen mit 1:2 hinten. Der englische Torwart strahlte große Zuversicht aus, wedelte mit den Armen und schnitt Grimassen in Richtung der gegnerischen Spieler. Auftritt Pirlo, der eiskalt einen Panenka verwandelte, während Hart nach rechts hechtete. Schlagartig kippte die Stimmung: Die italienischen Spieler lachten und klatschten Beifall, die Engländer wirkten nervös. Der nächste Schütze war Ashley Young, der Gigi Buffon nicht einmal anzusehen wagte. So wie Alves am Abend vorher traf auch Young nur die Latte. Zwei Panenkas, gefolgt von zwei Fehlschüssen. Zufall oder nicht?

„Es sollte keinen großen Unterschied machen, aber es ist schon möglich, dass es den Burschen, der als Nächster an der Reihe ist, aus dem Konzept bringt“, sagte Panenka. „Es könnte seine Konzentration stören, vielleicht denkt er: ‚Was hat der da gerade gemacht?’, und dabei verliert er seinen eigenen Schuss aus den Augen. Alles Kopfsache.“ Lozano hegte diesbezüglich keinerlei Zweifel: „Ich stimme hundertprozentig zu, dass ein Panenka mehr wert ist [als ein normaler Elfmeter]. Der Panenka gibt der ganzen Mannschaft Auftrieb und kann den gegnerischen Torwart vollkommen aus der Fassung bringen.“

Noch etwas war an Panenkas Elfmeter einzigartig: Niemand hat die Deutschen seither im Elfmeterschießen geschlagen. Fünf Elfmeterschießen, fünf Siege. Aber auch die Gesamtbilanz der Tschechen kann sich sehen lassen: drei Anläufe, drei Siege, kein einziger verschossener Versuch. 20 Schüsse, 20 Treffer. Beeindruckend. „Ich glaube, es liegt am tschechischen Charakter, dass wir gute Elfmeter schießen“, sagte Panenka. „Wir nehmen uns nicht so ernst, so wie der brave Soldat Schwejk. Wir nehmen alles mit Humor. Wir können außerdem gut improvisieren und reagieren manchmal auf eine Weise, wie man sie nicht von uns erwartet. Das war unsere stärkste Waffe.“

Heute ist Panenka Ehrenpräsident der Bohemians, inzwischen ein Fahrstuhlverein, der fast jede Saison gegen den Abstieg oder um den Aufstieg zu spielen scheint. Als ich Panenka traf, trug er ein grünes Bohemians-Bändchen am Handgelenk. Er erholte sich von einer Hüftoperation, wegen der er leicht humpelte – er ging so, als hätte er gerade einen Langstreckenflug hinter sich –, er war aber zuversichtlich, vollständig zu genesen, und konnte es kaum erwarten, wieder Tennis spielen zu dürfen. Golf war eher nicht so sein Fall.

Bevor ich ihn seinen Freunden und dem Eishockey überließ, fragte ich Panenka nach etwas, das er Panenka gegenüber erwähnt hatte (ja, Panenka sprach mit Panenka über den Panenka). „Ich bin ein Gefangener dieses Elfmeters“, hatte er gesagt. Empfand er es wirklich so? „Na ja, auf der einen Seite bin ich sehr stolz darauf und glücklich, ihn verwandelt zu haben“, antwortete er. „Aber andererseits hat dieser eine Schuss meine ganze Karriere überlagert: meine ganzen Leistungen, meine Pässe, meine anderen Tore. Es ist also durchaus ein zweischneidiges Schwert.“

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1Jordet, Hartman & Vuljk, „Team history and choking under pressure in major soccer penalty shootouts“ (British Journal of Psychology). Die Studie von 2012 untersuchte anhand von 309 Versuchen im Elfmeterschießen bei Welt- und Europameisterschaften den Effekt früherer Teamresultate auf die gegenwärtige individuelle Leistung.

2In „Bad is stronger than good“ („Schlecht ist stärker als gut“) (Review of General Psychology, 2001) schreibt Dr. Roy Baumeister: „Die vielleicht deutlichste Ausprägung der größeren Macht negativer Erfahrungen gegenüber positiver, bleibende Reaktionen hervorzurufen, zeigt sich in der Psychologie des Traumas. ... Viele Arten von Traumata bringen schwerwiegende und bleibende Auswirkungen auf das Verhalten hervor, aber es gibt keinen korrespondierenden Begriff eines positiven Erlebnisses, das ebenso starke und bleibende Auswirkungen zeitigt. In gewissem Sinne gibt es zum Trauma keinen gegenteiligen Begriff. ... Es ist denkbar, dass solche Erlebnisse sich schlicht psychologischen Studien entzogen haben, aber es erscheint wahrscheinlicher, dass das Fehlen eines positiven Gegenstücks zum Trauma auf ein größeres Gewicht negativer Einzelerlebnisse gegenüber positiven auf die menschliche Psyche hindeutet.“

3Entscheidend ist hier der Begriff „korrelieren“ im Gegensatz zu „verursachen“. Sämtliche Erkenntnisse Jordets beschreiben Korrelationen, der große Unterschied (zumindest für Ökonomen) ist, dass Ursächlichkeit die Gründe für etwas beschreibt. Das berühmteste Beispiel ist Franz H. Messerlis Diagramm, das den „Zusammenhang zwischen dem jährlichen Pro-Kopf-Schokoladenkonsum eines Landes und der Zahl der Nobelpreisträger pro 10 Millionen Einwohner“ belegt, in seiner Studie „Schokoladenkonsum, kognitive Funktion und Nobelpreisträger“ (New England Journal of Medicine). Das Diagramm zeigt eine fast gerade Linie von links unten nach rechts oben, obwohl die x- und y-Achsen keinen klaren Zusammenhang aufweisen. In Wirklichkeit ist es eine ganz andere Variable (möglicherweise das Einkommen), die beides verursacht. Auf gleiche Weise liefern Jordets Daten isoliert betrachtet – und vielleicht auch zusammen – keine sicheren oder ursächlichen Gründe für Englands Scheitern, jedoch zeigen sie relevante Korrelationen auf, die es sich lohnt, weiter zu untersuchen.

4In „Why do English players fail in soccer penalty shoot-outs? A study of team status, self-regulation, and choking under pressure“ (Journal of Sports Sciences, 2009) schreibt Jordet: „Mit ihrem ausgeprägten Egoismus, der Tendenz zu eskapistischer und fehlgeleiteter Selbstregulation und schwachen Leistungen passen englische Spieler gut in unser Modell vom Versagen in Drucksituationen.“

5Quelle: „Why do English players fail in soccer penalty shoot-outs? A study of team status, self-regulation, and choking under pressure“ (Journal of Sports Sciences, 2009)

6Leininger, W. & A. Ockenfels (2008), „The penalty duel and institutional design: is there a Neeskens effect?“, in: Andersson, Ayton & Schmidt (Hg.), Myths and Facts about Football, S. 73.

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