Читать книгу Der letzte Weg des Dr. Dembski - Benedict Dana - Страница 7

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David saß auf einem Polsterstuhl in dem so genannten „Blauen Salon“, der sich im zweiten Stockwerk des Clubgebäudes befand, blätterte zur Ablenkung ohne echtes Interesse in der New York Times und wartete. Walter Silverman hatte ihn vor über einer Stunde hierher geführt, ihm schweigend etwas zu trinken auf den Tisch gestellt und dann den Raum mit dem Detektor gründlich nach Wanzen durchsucht, wie Leo Abrahams es ihm am frühen Nachmittag aufgetragen hatte. Abrahams ließ große Vorsicht walten und hatte von Silverman verlangt, die Umgebung des Salons genau zu beobachten, bevor er mit Snyder, O’Brian, den inzwischen eingetroffenen Juristen Gillian und Parker sowie seinem Sicherheitsmann He in das Erdgeschoß hinunter zur ersten Verhandlungsrunde gegangen war. In der Pause wollte er über die Hintertreppe nach oben kommen und durch einen versteckten Nebeneingang den Salon betreten, wo die kurze, geheime Unterredung mit Dembski stattfinden sollte.

Während sich unten im Konferenzraum zwei ungleiche Parteien aus sechs Personen auf Abrahrams’ und aus vierzehn auf LOGO’s Seite an einem großen ovalen Tisch gegenübersaßen, war David an die Balkontür des Salons getreten und sah nachdenklich in die weite Parklandschaft hinaus. Wenn alles ohne unvorhergesehene Zwischenfälle verlief, würde er später mit den Juristen im Wagen nach New York zurückfahren, dort Lydia Abramovitch die „Geschenke aus Langley“ übergeben und sich am nächsten Morgen auf den Weg nach Hause zu seiner Frau machen. Er würde großes Schauspielvermögen aufbringen müssen, um vor Eliza so zu tun, als ob alles glatt gelaufen wäre und sie in Zukunft nichts zu befürchten hätten. Denn in Wahrheit war seit dem nächtlichen Überfall in seinem Hotel ein tiefer Riss in ihm entstanden, der nicht mehr so leicht zu kitten war.

Bei dem Blick aus dem Fenster spielten sich vor seinem inneren Auge Szenen eines glücklichen Ruhestandes ab, an deren zukünftige Realität er sich mit aller Macht zu glauben zwang. Allerdings war er ein viel zu guter Psychologe, um sich selbst betrügen zu können, weshalb er bald seine Lage mit der eines unheilbaren Krebskranken verglich, der seine Diagnose erst seit kurzem kannte und noch an die Möglichkeit einer Heilung glaubte. Die ausgedehnten Segeltörns, die er mit seinem alten Freund Timothy für seine Pensionszeit geplant hatte, bedeuteten für ihn einen lang gehegten Traum von Abenteuer und Freiheit, der sich nun in seiner Fantasie in den Alptraum einer plötzlich nötig werdenden Flucht verwandelte. Noch während er sich vorstellte, wie er die ganze Ostküste bis zu einer der kleineren Bahamainseln hinuntersegelte, um sich dort in irgendeinem kleinen Hafennest versteckt zu halten, öffnete sich plötzlich die optisch kaschierte Seitentür, durch die Leo Abrahams gefolgt von Akuma He eintrat.

Im Gegensatz zu ihm schien Abrahams die allerbeste Laune zu haben, kam eilig auf ihn zu, hielt nochmals – wie schon am Mittag – für ein paar Sekunden vertraulich seine Hand in seiner fest und bat ihn dann zur Sitzgruppe hinüber.

„Sie müssen ein echter Glücksbringer sein, Dr. Dembski. Genau in der Zeit, seit ich das erste Mal von Ihnen gehört habe, hat sich in meinen Geschäften vieles entscheidend verändert, sodass ich plötzlich die Lösung für einige große Probleme erkennen kann!“, leitete er ihre Unterhaltung sehr enthusiastisch ein.

„Das freut mich sehr für Sie, Mr. Abrahams, bei mir scheint es allerdings genau umgekehrt zu sein. Ich fühle mich wie ein übermüdeter, nächtlicher Wanderer auf einem schmalen Höhengrat, der jederzeit abstürzen kann. Vielleicht gibt es eine besondere schicksalhafte Beziehung zwischen uns, so etwas, was man ein höheres Karma nennt“, entgegnete David halb ernst und halb scherzend und lächelte vieldeutig dabei. Er war abermals von Abrahams’ gesunder und agiler Gestalt beeindruckt und konnte kaum glauben, dass dieser Mann bereits 79 Jahre alt sein sollte.

„Sie dürfen nicht glauben, ich wäre für die Karma-Idee nicht empfänglich. Ich bin nämlich nicht nur Geschäftsmann, sondern habe mich auch für die verschiedensten Geisteslehren interessiert. Haben Sie etwas dagegen, wenn Mr. He bei unserer Unterhaltung anwesend ist?“

„Nein, absolut nicht. Ich habe ja Mr. He bereits kennen gelernt, er scheint mir der Höflichste von all Ihren Leuten zu sein.“

„Falls unsere Beziehung tatsächlich schicksalhaft ist und Sie mir aus irgendeinem Grund Glück gebracht haben, würde ich gern wissen, was ich dafür für Sie tun kann“, begann Abrahams, wie es seine Art war, nach der kurzen Einleitung schnell zur Sache zu kommen - schließlich wartete bald im Konferenzraum die nächste Verhandlungsrunde auf ihn.

„Ich nehme an, Sie kennen den Inhalt der Datenproben, die ich vor drei Wochen an Ihren Mr. Emerson geschickt habe, da es sich um einen Auszug eines digitalen Registers über Ihre eigene Person gehandelt hat“, lenkte also auch David ohne weitere Umschweife zum Thema hin.

„Ich habe mir das selbstverständlich mit größtem Interesse angesehen. Bis auf ein paar nicht ganz richtige Darstellungen über meine Geschäftsbeziehungen scheint das Meiste darin sogar zu stimmen.“

„Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass solche Register nicht nur über herausragende Persönlichkeiten wie Sie angelegt werden. Das werden Sie sicher längst vermutet haben. Mein Partner hat inzwischen Zugang zu etwa 180 Millionen dieser digitalen Personenregister erlangt und möchte solange weiter machen, bis er das gesamte Material über alle amerikanischen Staatsbürger hat. Damit wäre übrigens noch nicht einmal die Grenze erreicht, da das BRAVEHEART-System der NSA mit dem LANCELOT-System verbunden ist, das in einem Bunker der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland steht. Dort wurden bereits die Stammdaten aller EU-Bürger abgelegt und werden schrittweise auf das gleiche Niveau wie in den USA gebracht.

Sie sehen, wir haben es hier mit einem der denkbar größten Datenskandale zu tun, der bei seiner Enthüllung unter Umständen zu revolutionären Aufständen führen kann!“

Davids Darstellung klang ernst, knapp und präzise, und obwohl er sich an den Gedanken der Entsteheung eines digitalen Überwachungsstaates seit seiner zweijährigen Zusammenarbeit mit Frederic Cohen zwangsläufig gewöhnt hatte, hatte Abrahams ein feines, aufgeregtes Zittern in seiner Stimme bemerkt.

„Revolutionäre Aufstände? Glauben Sie das denn im Ernst, Dr. Dembski? Die westliche Welt wurde doch durch Konsum und Medien derartig ruhig gestellt, dass niemand mehr für irgendeinen Freiheitskampf von seinem Sessel aufsteht. Big Brothers allwachendes Auge wird mehr und mehr Gestalt annehmen, darüber kann für niemanden in unserer Branche noch irgendein Zweifel bestehen! Nur Naivlinge, die sich die Welt ständig schönreden wollen, können diese Tatsache noch verdrängen. Was Sie mir da gerade berichtet haben, erstaunt mich nicht allzu sehr, auch weil wir bereits aus anderen Quellen ein paar entsprechende Informationen besitzen.

Wie ich es sehe, haben die Menschen immer wieder alles bis zum Äußersten getrieben – die Geschichte hat es oft genug gezeigt. Es scheint die Entsprechung zu einem kosmischen Gesetz zu sein. Die Computertechnologie wird ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen, davon bin ich überzeugt. Aber vielleicht wird ja eines Tages tatsächlich eine aufgebrachte Volksmasse aufstehen und ihr die nötigen Grenzen aufzeigen. Diese Hoffnung sollten wir natürlich nicht ganz aufgeben!“

Das zynische Lachen, das Abrahams daraufhin entfuhr, gefiel David nicht. Es klang fast wie ein Argument dafür, sich mit der unaufhaltsam wachsenden Macht „Big Brothers“ abzufinden.

„Die Computerbranche hat Sie reich gemacht. Ich hoffe, Sie werden sich nun über die einmalige Gelegenheit freuen, einen entscheidenden Beitrag zum Widerstand gegen diese Entwicklungen leisten zu können“, bemerkte er betont ruhig und freundlich, damit es sein Gegenüber nicht etwa als Vorwurf interpretierte.

„Mich trennen wahrscheinlich nur noch wenige Stunden von dem Moment, in dem ich zu einem entscheidenden Grad Abschied von dieser Branche nehme. Die Verhandlungen mit LOGO schreiten gut voran und ich werde schon bald in ganz anderen Geschäften tätig sein.

Wenn Sie auch nur im Entferntesten wüssten, wie es auf dem amerikanischen Markt hinter den Kulissen zugeht, würden Sie mich für nichts verurteilen, Dr. Dembski! Der Korporatismus ist für alle eine große Geißel geworden und es waren natürlich nicht die Kräfte des freien Marktes, die sich einen zunehmenden Staatseinfluss in den Großkonzernen gewünscht haben. Es ist ein Einfluss, der den Hang zu einem hemmungslosen Datensammeln zweifellos begünstigt hat!“

„Sie wissen, warum ich Sie unbedingt persönlich sprechen wollte. Ich muss mir der Unterstützung eines mächtigen Mannes sicher sein, weil ich sonst völlig allein vor einem übermächtigen Gegner stehe. Werden Sie mir helfen?“

Davids Frage klang so schlicht, ehrlich und eindringlich, dass Abrahams plötzlich ein paar starke, positive Empfindungen für den idealistischen Psychologen bekam, wie er da mit seiner nicht gerade kräftigen Gestalt etwas verloren in dem großen Sessel vor ihm saß und für nicht weniger als die freiheitlichen Bürgerrechte der gesamten westlichen Hemisphäre eintreten wollte. Es veranlasste ihn dazu, für einen Moment in die Rolle des gutmütigen, alten Patrons zu schlüpfen, in der er gerne vor seinen Mitarbeitern auftrat.

„Ich bin überzeugt, dass in unser aller Herzen der eine, ewige, universale Gott wohnt, weswegen ich in meiner Hilfsbereitschaft meistens großzügig bin. Ihre Mission hat tatsächlich etwas von einem höheren Schicksal an sich und natürlich übersehe ich nicht, wie sehr Sie sich dabei als Jude auf das Vermächtnis Ihres Großvaters beziehen. Ich werde Ihnen auf zweierlei Art behilflich sein:

Zum einen werden wir all diese Dateien zunächst genauestens prüfen und dann geeignete Kanäle zur Öffentlichkeit herstellen, und zum anderen könnte ich Ihnen einen Unterschlupf anbieten, sobald es für Sie in den USA zu gefährlich wird. Sie werden hier auf Dauer kaum sicher sein.“

Bei dieser Feststellung schwang plötzlich die versteckte Seitentür auf und Tosh O’Brian trat herein.

„Meinen engsten Vertrauten Mr. O’Brian kennen Sie ja bereits. Ich werde ihn bitten, Ihr weiteres Schicksal mit wachsamen Blicken zu verfolgen und mir regelmäßig Bericht darüber zu erstatten. Es dürfte für Sie von Vorteil sein, wenn Sie gleich jetzt Freundschaft mit ihm schließen.“

„Mr. O’Brian und ich haben uns heute bereits unterhalten, er scheint mir ein sehr vernünftiger und vorsichtiger Mann zu sein. Es wird sicher eine fruchtbare Zusammenarbeit werden. An was für einen Unterschlupf haben Sie gedacht, Sir? Ich würde Ihnen dafür natürlich auf ewig dankbar sein!“

„Ein Konzern wie I.I. bietet dafür weltweit ausreichend Möglichkeiten. Ich halte es jedoch für geboten, zunächst Stillschweigen über die Details zu bewahren. Sie sollten sich von nun an strengste Geheimhaltung zur Regel machen. Sobald die Zeit gekommen ist, können Sie alles mit Mr. O’Brian besprechen. Im Übrigen wäre es mir lieb, wenn wir beide uns auf amerikanischem Boden möglichst kein zweites Mal wieder sehen – was Sie bitte nicht als eine Unfreundlichkeit von mir interpretieren!“

Abrahams schaute etwas nervös auf die Uhr, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass die Besprechung fast an ihr Ende gekommen war.

„Ich frage mich, warum Sie unsere Begegnung gerade heute an diesem Ort arrangiert haben. Ist es nicht etwas gewagt hier zusammen zu sitzen, während unten die Vertreter einer Macht versammelt sind, die streng genommen zur Gegenseite zählt? Die Beziehung zwischen LOGO und den Geheimdiensten ist selbst in der Öffentlichkeit längst kein Geheimnis mehr.“

Davids Einwand schien Abrahams nicht unvorbereitet zu treffen, denn er legte sofort ein weises Lächeln auf und erklärte mit feiner und kluger Stimme:

„Wenn ich Ihr Projekt unterstütze, ist dies nicht nur reine Freundlichkeit, Dr. Dembski. Bedenken Sie das. Gäbe es die heutigen Verhandlungen mit LOGO nicht, hätte womöglich auch dieses Gespräch niemals stattgefunden, weswegen dies als Teil eines höheren Zusammenhangs zu sehen ist. Sie können für diese Fügung dankbar sein, denn vielleicht wird Sie eines Tages sogar Ihre Rettung sein. Für mich hat es einen symbolischen Wert, dass Sie heute hier anwesend sind, während im LOGO-Lager bereits ein unverhohlenes Triumphgeheul anschwillt und man sich dort als großer Sieger fühlt. Falls sich aus Ihren Dateien eine Kooperation zwischen LOGO und den Geheimdiensten öffentlich nachweisen lässt, könnte das eines Tages zu einem Schachzug auf internationaler Ebene führen, der mir allergrößte Genugtuung verschafft!“

„Ich hoffe nur, dass all dies nicht zu einem höheren Spiel gehört, in welchem mir die Rolle des Opfers zufällt…“, entgegnete David kritisch, da er sich plötzlich wie eine kleine Bauernfigur auf einem großen Schachbrett fühlte. Tosh O’Brian beschwichtigte ihn jedoch sofort:

„Sie brauchen sich vor Mr. Abrahams nicht zu fürchten. Wem er hilft, hilft er bedingungslos oder er lässt ihn sofort fallen. Es gibt ein paar Prinzipien, die bei uns Bedeutung haben. Verrat und Menschenopfer zählen nicht dazu. Da wir mit Ihnen kooperieren, soll Ihnen nichts geschehen, damit auch wir keinen Nachteil davon haben.“

„Vielleicht werden Sie, werter Dr. Dembski, eines Tages noch die Vorurteile des Akademikers ablegen und erkennen, dass auch ein gewiefter Geschäftsmann geistige Prinzipien vertreten kann“, warf Abrahams grinsend ein. „Hat Ihnen eigentlich irgendjemand schon etwas über meine große Liebe zur traditionellen chinesischen Kultur erzählt?“

„Mr. He erwähnte es, Sir.“

„Nun, im Alter verändern sich die Wünsche und die Träume, das werden Sie bald selbst noch feststellen. Ich träume davon, eine große Pagode oder sogar einen Tempel nach altchinesischem Vorbild aufzubauen und im hohen Alter in eine blühende Berglandschaft mit Dörfern voller zufriedener Menschen zu sehen. Die Harmonie, die in der traditionellen chinesischen Kultur so wichtig ist, hat mir in meinem Leben oft gefehlt, weshalb ich meinen Traum noch nicht aufgegeben habe. Es wäre die Krönung nach der Zeit großer Geschäfte noch ein anderes, geistiges Leben zu beginnen, in dem vollkommen andere Werte zählen.“

„Sie werden bald um ein paar Milliarden reicher sein – was könnte da der Realisierung Ihrer Träume noch entgegenstehen?“

„Was nützt schon Geld, wenn sich die Harmonie nicht erkaufen lässt. Es ist eine hohe Kunst im Inneren echten Frieden herzustellen, der auch die gesamte äußere Realität durchdringt. Mir steht als erstes der große Schritt bevor, meine Geschäfte langsam loszulassen, was hoffentlich zu einer großen geistigen Befreiung führt.“

„Sie wollen also ein letztes, großes Geschäft machen und sich dann sozusagen in eine andere Welt zurückziehen?“

„Ja, so in etwa könnte man es sagen. Ich verrate Ihnen dies, Dr. Dembski, weil zwischen uns eine gewisse Gemeinsamkeit besteht. Sie sind nämlich jemand, der wie ich an einem bedeutenden Scheideweg steht.“

Bevor David hierauf irgendetwas entgegnen konnte, hörten sie wie He, der nicht weit entfernt von ihnen vor der Haupteingangstür des „Blauen Salons“ Wache stand, einen Anruf bekam. Nach einem kurzen Telefonat informierte er sie:

„Mr. Silverman sagt, man hätte Mr. Snyder ein neues Angebot vorgelegt. Die Verhandlungen können bald weitergehen!“

„So schnell? Gut, ich werde gleich herunterkommen“, erwiderte Abrahams widerwillig und wandte sich dann noch ein letztes Mal David zu.

„Sie sehen, das Karussell muss sich immer weiterdrehen und kann nicht einmal eine halbe Stunde stille stehen. Ich hätte mich gern eingehender mit Ihnen über die Sache unterhalten, aber wenigstens kann ich mir ja bald einen Laborbericht über Ihre Dateien ansehen. Mr. O’Brian wird noch etwas hier bleiben und Ihnen ins Gewissen reden. Ich glaube, wir werden uns noch einmal wieder sehen, dies wird sicher kein endgültiger Abschied sein. Passen Sie gut auf sich auf, Dr. Dembski, und hören Sie auf das, was Ihnen Mr. O’Brian raten wird, damit ich Sie unversehrt wieder sehe. Sie sind ein mutiger Mann, den ich nicht vergessen werde!“

Nach diesem freundlichen Abschiedswort erhob er sich sofort und folgte Akuma He mit raschen Schritten zur Seitentür, um auf dem gleichen Weg hinauszugehen, wie er hineingekommen war. David schaute ihm nachdenklich hinterher und meinte dann zu O’Brian:

„Ich hatte gehofft, er hätte etwas mehr Zeit für mich. Er scheint mir von einer großen inneren Unruhe erfüllt zu sein…“

„Wenn Sie sich in Mr. Abrahams Lage hineinversetzen könnten, würden Sie verstehen, wie sehr Ihre Angelegenheit für ihn nur eine von vielen ist und nicht seine gesamte Aufmerksamkeit beanspruchen kann. Der Mann lebt auf einem höheren Level. Heute fädelt er einen Milliardendeal ein und morgen wird er uns vielleicht schon vor der Entstehung eines Überwachungsstaates retten…“

Da O’Brian deutlich die Ironie anzuhören war, mit der er auf die scheinbar angeborene Überflieger-Attitüde im Charakter seines Freundes anspielte, entgegnete David grinsend:

„Und was denken Sie, wird er übermorgen tun?“

„Er wird wahrscheinlich irgendwo in einer chinesischen Gebirgsprovinz ein paar Hektar Land kaufen und dort eine Pagode samt einem kleinen Dorf rundherum aufbauen – genauso wie er es eben gesagt hat und nicht anders!“

„Dann wünsche ich ihm, dass sein Traum in Erfüllung geht. Er sagte, Sie wollten mir etwas raten. Was meinte er?“

„Zunächst möchte ich Ihnen ein paar Hilfsmittel übergeben, die Sie vielleicht eines Tages brauchen werden. Wer weiß, ob sich dazu noch einmal die Gelegenheit ergibt.“

O’Brian zog den schwarzen Aktenkoffer, der vor seinen Füßen stand, auf seine Knie, öffnete ihn und nahm ein dickes Kuvert heraus. Danach legte er David nach und nach verschiedene Dinge vor, die er mit einer kurzen Erklärung versah.

„Hier wäre eine Liste mit verschiedenen Emailadressen, die Sie abwechselnd verwenden können, wenn Sie mit mir kommunizieren wollen. Es wäre gut, sie auswendig zu lernen. Weiterhin ein Schlüssel zu einer leeren Wohnung, die sich in einer unserer New Yorker Objekte befindet. Die Adresse steht auf diesem Zettel hier, den Sie bitte bald vernichten werden. Scheuen Sie sich nicht diese Möglichkeit in Anspruch zu nehmen, falls Ihnen plötzlich in Washington das Wasser bis zum Halse steht.

Dann noch eine Kreditkarte, die auf einen deutschen Namen läuft und der entsprechende Ausweis, der dazu gehört. Wahrscheinlich werden Sie beides nur wenige Mal verwenden können, bevor diese Identität auffällig wird. Ich hätte noch einige Adressen in London, Paris und Berlin, wo Sie im Notfall Hilfe von Leuten bekommen, die mit dem Konzern in Beziehung stehen. Sie sollten aber diesbezüglich sehr vorsichtig sein, da Sie niemandem hundertprozentig vertrauen können. Und nicht zuletzt ein wenig von dem bunt bedruckten Papier, das die Herzen fast aller Menschen höher schlagen lässt: Zwei hübsche Bündel Euro- und Dollar-Geldnoten.“

Als O’Brian ihm daraufhin die Sachen über den Tisch zuschob, war David nicht in der Lage positiv darauf zu reagieren. Wie er dies alles plötzlich vor sich sah, erinnerte es ihn schmerzlich daran, vielleicht schon bald das Leben eines Flüchtlings führen zu müssen. Er steckte alles in das Kuvert und ließ es in seiner Sakkotasche verschwinden. O’Brian verschonte ihn nicht damit, die unangehme Botschaft, die mit diesen Hilfsmitteln verbunden war, in einige deutliche, warnende Worte zu kleiden:

„Ich muss meinen Rat eigentlich kaum noch offen aussprechen, auch wenn Mr. Abrahams es vielleicht anders sieht:

Verlassen Sie die USA, solange noch Gelegenheit dazu besteht und halten Sie nicht sentimental an Ihrer Heimat fest, weil diese Schwäche Sie früher oder später in ein trauriges Leben zwischen einer kargen Zelle und einem öden Verhörraum führt…“

-

Zur selben Zeit, als Tosh O’Brian diesen Rat aussprach, war bereits eine Ereigniskette in Gang getreten, die für David die Wahrscheinlichkeit, genau einen solchen Verhörraum von innen zu sehen, immer schneller ansteigen ließ.

Während er zusammen mit Lydia Abramovitch bei einem Drink in der Bar des Harriman Countryclubs saß und auf die Rückfahrt nach New York wartete, wurde in kaum 280 Meilen Entfernung durch Peter Dalberg, der dem Führungsstab der CIA angehörte, eine Sondereinsatzgruppe einberufen, die in einem Besprechungsraum in der zweiten Etage des Hauptquartiers in Langley zusammenkam.

Die Eile, mit der Dalberg vorging, hatte weniger mit Dienstbeflissenheit als mit Menschenfreundlichkeit zu tun, denn er wollte in dieser Angelegenheit die Entscheidungen nicht Anderen überlassen, die weniger Verständnis für David Dembskis mögliches Vergehen aufgebracht hätten. Er besaß genügend Einfluss, um die Methoden der weiteren Untersuchungen zu bestimmen und hatte in seiner mächtigen Position nur noch dem CIA-Direktor Rick Hennan Rechenschaft abzulegen, was in dem undurchsichtigen Beziehungsgeflecht von Langley von größtem Vorteil war.

Peter Dalberg kannte Dembski seit über 25 Jahren und war manchmal mit ihm und ihrem gemeinsamen Freund Timothy Spencer auf dessen Segeljacht zum Hochseeangeln hinausgefahren, was allerdings weit in die Zeit zurückreichte, als er noch nicht auf den hohen Posten des Executive Direktors der CIA aufgestiegen war.

Als Dalberg in dem Besprechungsraum eine Reihe zuverlässiger Leute zusammenkommen ließ, die den ehemaligen Leiter der ethischen Kommission alle gut kannten, verpflichtete er sie nach dem Schließen der Tür als Erstes zum Schweigen. Eigentlich war es sogar eine Drohung, die er den sechs Anwesenden ziemlich unverblümt präsentierte:

„Sie werden sich mit gewissen Irregularitäten während Ihrer gesamten Karriere bei uns immer wieder abzufinden haben, weswegen man es auch als eine Form des Trainings begreifen kann, wenn Sie in eine Einsatzgruppe wie diese gerufen werden. Sollten Sie sich diesem Training verschließen und sich unkooperativ zeigen, könnte ich einiges tun, um Ihren Karrieren zu schaden. Andererseits kann sich Ihre Loyalität als sehr förderlich für Ihren weiteren Weg bei der CIA erweisen.

Bevor Sie sich nun aufregen, dürfen Sie sich gleich wieder beruhigen: Sie bekommen es hier nicht mit einer Verschwörung oder mit kriminellen Machenschaften zu tun. Es geht vielmehr darum, einen besonderen Fall nach außen hin professionell zu behandeln, während man im Inneren eine Form der Nachsicht walten lässt, die ich Ihnen gleich darlegen werde.“

Nach dieser Einleitung schaute er die drei Frauen und drei Männer nacheinander mit einem prüfenden und ernsten Blick so lange an, als ob er sich ihre Gesichter für alle Zeit merken wollte, damit keiner von ihnen aus der Reihe tanzte. Unter ihnen befand sich auch die Psychologin Sarah Campbell, die eng mit Dembski zusammengearbeitet hatte und mit ihm befreundet war.

Dalberg öffnete seinen Laptop und verband ihn mit einem großen LCD-Screen, um die Bilder zu zeigen, die glücklicherweise rechtzeitig in seine Hände gelangt waren, um noch vor anderen auf sie reagieren zu können.

„Meine Damen und Herren, der vorliegende Fall betrifft einen Mann, der noch vor wenigen Wochen mitten unter uns gearbeitet hat und nun pensioniert worden ist. Sein Büro befand sich nicht weit von hier auf dem nächsten Flur. Das Gesicht, das Sie gleich sehen werden, wird jeder von Ihnen gut kennen. Bitte erschrecken Sie nicht, wenn Sie neben diesem Gesicht auch das einer in bestimmten Kreisen berühmten Person entdecken, weil dies auf den ersten Blick zu falschen Schlüssen führt!“

Dalberg öffnete auf seinem Computer die Datei, die seinem Sekretariat am Nachmittag aus New York zugesendet worden war und eine umfangreiche Bilderfolge zum Inhalt hatte, die Dembski mit der falschen Lydia Abramovitch alias „Agneschka“ alias „Patricia Stratford“ im „High Times Club“ zeigte. Die Aufnahmen, die Walter Silverman über Umwege an die CIA-Vertretung in New York verkauft hatte, verursachten eine Reihe von erstaunten Lauten im Raum, da natürlich niemand damit gerechnet hatte, ausgerechnet Dr. Dembski, das „menschliche Gesicht von Langley“, auf dem Bildschirm zu sehen.

„Der Informant, der diese Bilder heute Morgen dem Leiter unserer New York-Vertretung, Howard Doyle, übermittelt hat, hat eine hübsche Summe dafür verlangt. Doyle verriet mir den Namen des Mannes, der möglicherweise dahinter steckt, allerdings werde ich ihn aus verschiedenen Gründen verschweigen. Kennt jemand von Ihnen die Frau, die neben Dembski zu sehen ist?“

Die Frage hörte sich ein wenig wie die eines Professors an seine Studenten an, der prüfen wollte, ob sie in ihrem Stoff auf dem Laufenden waren. Dabei spielte das fortgeschrittene Alter Dalbergs eine Rolle sowie die 35 Jahre Diensterfahrung, die er auf dem Buckel hatte. Als er nur ratlose Gesichter sah, beantwortete er seine Frage selber:

„Es handelt sich um die berühmte Agneschka, eine Top-Agentin der Russen, die wir bisher nicht enttarnen konnten, weil sie sich nie lange in den USA aufhielt. Auf der letzten Abbildung, die ich von ihr kenne, war sie zehn Jahre jünger und sah vollkommen anders aus. Ich habe Sie vorhin nicht umsonst vor falschen Schlüssen gewarnt: Kommen Sie bitte nicht auf den verrückten Gedanken, unser Dembski würde ein Verbündeter Moskaus sein!

Nun, Sie fragen sich jetzt natürlich, worum es überhaupt geht. Wir haben es hier wahrscheinlich mit einem großen Datenleck zu tun, dessen Inhalt offenbar kurz vor der Übergabe an einen bekannten US-Konzern steht. Agneschka tritt hier zur Täuschung im Namen von Independent Internet auf, um die Dateien vorher abzufangen. Da ich über ein solches Leck bisher absolut nichts gehört habe, würde ich gerne von Ihnen beiden erfahren, ob in letzter Zeit etwas Entsprechendes bekannt geworden ist.“

Bei dem letzten Satz wandte sich Dalberg mit einer Geste an Jonathan Smith und Junius Clark, die als IT-Spezialisten direkten Zugang zu dem CIA-Großrechner GOLIATH hatten. Smith äußerte sich nicht, doch Clark wusste etwas Entscheidendes mitzuteilen, wozu er sich zunächst aber eine Rückversicherung einholen wollte.

„Sie müssten mich als mein Vorgesetzter von meinem Schweigegebot entbinden, wenn ich in dieser Runde etwas darüber sagen soll. Ich arbeite mittlerweile auf Level D und unterliege der entsprechenden Geheimhaltungsstufe.“

„Ich entbinde Sie Mr. Clark, aber bitte haben Sie Verständnis dafür, sich unter diesen Umständen nicht offiziell darauf berufen zu können! Sie müssen in diesem Fall der Verschwiegenheit Ihrer Kollegen vertrauen. Vielleicht hilft es, wenn ich Ihnen meine wahren Motive verrate:

Es geht darum, einen ehemaligen Kollegen vor den schlimmsten Haft- und Verhörmethoden zu bewahren, indem wir die Untersuchungen selber leiten. Ich denke, alle hier sind sich einig, dass Dr. Dembski eine der herausragendsten Persönlichkeiten in Langley war. Er hat sich trotz eines manchmal unmenschlichen Arbeitsumfeldes einen Grundanstand bewahrt, was man von vielen nicht behaupten kann. Bei einem solchen Menschen dürfen nach meinem Empfinden niemals die erweiterten Verhörmethoden angewendet werden, weil dadurch der letzte Glaube an irgendetwas in mir zerstört werden würde!“

Der letzte Satz erntete zahlreiche Laute der Zustimmung, obwohl immer noch offen war, was Dembski eigentlich verbrochen hatte. Clark brach nun sein Schweigegebot und erklärte:

„Wenn Agneschka Interesse an Dembski zeigt, haben wir es sicher nicht mit irgendeiner Nebensächlichkeit zu tun. All das könnte mit einem Vorgang in Zusammenhang stehen, der seit längerem hohe Wellen in unserer Abteilung schlägt. Das EDNA-Sicherungssystem hat mehrfach irreguläre Verbindungen zwischen NSA-BRAVEHEART und CIA-GOLIATH angezeigt, weswegen bei uns der Verdacht auf einen Maulwurf in den eigenen Reihen umgeht. Direktor Springfield glaubt, jemand in unserer Abteilung hätte NSA-Dateien in großem Stil abgezweigt.“

Da Dalberg erwartet hätte, von Springfield, dem Leiter der technischen Beratung, über so etwas umfassend informiert zu werden, zeigte er sich genauso erstaunt wie verärgert über diese Aussage.

„Gibt es Hinweise darüber, um welche Art von Daten es sich handelt?“, fragte er mit einer Schärfe, in der eine ganz neue Art von Neugierde lag.

„Wir haben es wahrscheinlich mit dem Kernmaterial von Level C zu tun. Sie werden verstehen, wenn ich darüber nicht leichtfertig Gerüchte verbreiten will. Im weitesten Sinne hat es mit geheimer Datenspeicherung über die Bevölkerung zu tun“, gab sich Clark diplomatisch, indem er einerseits etwas verriet und sich andererseits relativ bedeckt hielt.

„Welche Schlüsse lässt die Art des Datenmaterials auf die Motive Dembskis zu?“, brachte daraufhin Davids ehemalige Kollegin Sarah Campbell eine entscheidende Frage ins Spiel.

„Wenn es sich tatsächlich um das betreffende Material handelt, würden Dembskis Motive etwa denen eines Edward Snowden ähnlich sein“, deutete Clark vorsichtig an.

„Aus meiner Sicht kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass Dembski aus moralischen Erwägungen handelt. Wir alle kennen ihn als den Vorsitzenden der ethischen Kommission, der nach Außen notgedrungen hohle Phrasen gedroschen hat, nach Innen uns aber oft seine großartige Haltung bewiesen hat. Er bekommt eine sehr gute Pension, wodurch finanzielle Interessen auszuschließen sind. Jemand wie er müsste hoch verschuldet sein, um so etwas aus niederen Gründen zu riskieren“, wusste Dalberg eine kurze und zutreffende Einschätzung Dembskis zu skizzieren.

Dr. Leila Evans, eine Mathematikerin, die in ihrer Abteilung für ihre gute Intuition und ihr logisches Denkvermögen bekannt geworden war, gab daraufhin zu bedenken:

„Er muss das Material von irgendwem in Langley bekommen haben. Während der letzten fünf Jahre schaffte es niemand mehr von außen in GOLIATH und BRAVEHEART einzudringen, weswegen alle aktuellen Planspiele auf einem internen Leck basieren. Mich würde es übrigens nicht wundern, wenn es bereits Berechnungen von GOLIATH darüber gibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Psychologe und Ethiker, der in den Ruhestand tritt, zu einem Geheimnisverräter wird. Vielleicht sollten Sie einmal die Akte Dembski für uns aufschlagen, falls Sie die erforderliche Berechtigung dafür haben, Mr. Clark.

Ich möchte vor allem die Frage stellen, welche Motive wir selber in der Angelegenheit zu verfolgen haben: Müssen wir die Übergabe der Dateien noch verhindern oder geht es prinzipiell darum, einen ehemaligen Kollegen vor den Verhörmethoden der Kategorie A zu bewahren?“

„Doyle hat die Bilder von Dembski mit einer besonderen Dringlichkeitsnote versehen, weil er meint, wir könnten die Übergabe noch verhindern. Dies könnte jedoch auf Maßnahmen hinauslaufen, durch die sich der Fall kaum noch diskret behandeln lässt und möglicherweise sogar die Aufmerksamkeit der Medien erregt. Ich möchte deshalb darauf verzichten und die Übergabe geschehen lassen. Mein Hauptmotiv ist Dembski Kategorie A zu ersparen.“

Dieses Geständnis brachte Dalberg nochmals die deutliche Zustimmung aller Anwesenden ein. Er galt allgemein als ein harter Hund, weshalb sich manche über seine plötzliche Humanität wunderten.

Bruce Huntington, außer Dalberg der Einzige unter ihnen, der praktische Erfahrungen im Auslands-Außendienst gesammelt hatte, drängte als Profi grundsätzlich auf die geschickte Lösung aller Fälle und schlug daher vor:

„Wir könnten Independent Internet durch einen Deal dazu zu überreden, die Dateien unter Verschluss zu behalten. Neben einigen nützlichen Informationen würden wir dafür Straffreiheit für Dembski anbieten. Damit wäre fast alles wieder beim Alten, so als wäre niemals etwas geschehen.“

„Kein schlechter Gedanke, Huntington. Aber wer weiß, ob überhaupt irgendwem bei I.I. etwas an unserem alten Freund Dembski liegt. Nein, der erste Teil unserer Operation wird zunächst nur darin bestehen, Dembski ohne großes Aufsehen offiziell zu verhaften und zu verhören, wobei ihm natürlich kein Haar gekrümmt werden soll. Danach wird man weitersehen. Grundsätzlich habe ich vor allem nur Hennan, einigen Leuten im Kongress und den Direktoren der Intelligence Community Rechenschaft abzulegen.

Ich möchte betonen, dass Sie alle kein Risiko eingehen, da Sie nur meinen Befehlen folgen und nichts Unerlaubtes tun. Sollte die Sonderbehandlung Dembskis eines Tages zum Thema für meine Vorgesetzten werden, werde ich alles auf meine Kappe nehmen.“

Wie schon zu Beginn warf Dalberg den Versammelten abermals eindringliche Blicke zu, so als wollte er sie kraft höherer Suggestion auf bedingungslose Loyalität einschwören. Seine enge Mitarbeiterin Angela McKenzie, die als seine rechte Hand galt, brachte zum Abschluss einen Vorschlag zur Sprache, dem alle zustimmten, da er Dembski die Möglichkeit einer freien Entscheidung einräumte:

„So weit ich weiß, hat der Mann während seiner Karriere selber einige Menschen vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt, weshalb es nur gerecht ist, wenn er von uns eine humane Behandlung erfährt. Sobald Dembski aus New York zurückgekehrt ist, sollte ihn jemand von uns aufsuchen, um ihm die Lage offen zu erklären.

Er soll selber entscheiden, ob er die Sache freiwillig hinter sich bringt und einige Zeit im Gefängnis absitzt, oder aber ob er die Flucht vorzieht mit allen Konsequenzen, die das mit sich bringt. Die Entscheidung wird ihm leichter fallen, wenn er sich auf Mr. Dalbergs Einfluss während seiner Haftzeit verlassen kann.“

-

Davids Gespräch mit Abrahams im Harriman Countryclub sowie die geheime Zusammenkunft um Dalberg in Langley lagen noch nicht lang zurück, als sich in Elizabeth, New Jersey, der Top-Informatiker Oswald Krueger die Haare raufte und daran dachte, seine Arbeit aus seelischen Gründen niederzulegen. Er galt ähnlich wie Davids Freund Frederic Cohen in Langley als ein Genie unter seinen Kollegen, war dafür aber mit einer etwas labilen Psyche ausgestattet, auf der sein derzeitiger Auftrag stark lastete.

Krueger saß allein in einem geräumigen Computerlabor, das zum „Independent Internet IT Researches Center“ gehörte und als Teil der Internetsparte von der baldigen Übernahme durch LOGO betroffen war. Er befand sich in einem schwerwiegenden inneren Konflikt, da er sich nicht sicher war, ob er den heiklen Auftrag, die Daten auf den vier Festplatten einer genauen Analyse zu unterziehen und von dem Sicherungssystem EDNA zu befreien, überhaupt zu Ende bringen sollte. Schließlich plante der neue Besitzer, das Labor bereits in wenigen Wochen zu übernehmen und würde für seine derzeitige Tätigkeit kaum Verständnis aufbringen.

Er zupfte nervös an seinem schwarzen Bart herum, schob irgendwann seine dünne Nickelbrille auf den Kopf und zündete sich mit zittrigen Händen eine seiner filterlosen, starken Zigaretten an, die er im 30-Minuten-Takt süchtig zu inhalieren pflegte. Das gesamte Datenvolumen der Festplatten, die David einige Tage nach seiner Rückkehr aus dem Harriman Countryclub im „Maison Rouge“ an Lydia Abramovitch übergeben hatte, hatte Krueger bereits ohne die EDNA-Formatierung auf einen großen Rechner übertragen, der in einer Woche durch einige Sicherheitsleute abgeholt werden sollte. Er war in seiner Arbeit schnell vorangekommen und konnte das Zeitlimit in technischer Hinsicht gut einhalten, allerdings streikten dafür jetzt seine schwachen Nerven, da der brisante Inhalt der Dateien zu viel für ihn war. Er nahm den Hörer eines weißen Tastentelefons ab, wählte eine Nummer und sprach bald mit Lydia Abramovitch, die aus Sicherheitsgründen zu seiner einzigen Ansprechpartnerin in der Angelegenheit bestimmt worden war. Die mittlerweile täglichen Gespräche, die er mit ihr führte, waren ihm keineswegs unangenehm, da er die attraktive Detektivin und Sicherheitsangestellte insgeheim verehrte.

„Wissen Sie überhaupt, was Sie mir da zugemutet haben, Lydia?“, raunzte Krueger in weinerlichem Beschwerdeton ins Telefon hinein. „Ich fühle durch diese Arbeit ernsthaft mein Seelenheil bedroht, da ich nachts schon nicht mehr schlafen kann. Ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen, damit es mir nicht den Boden unter den Füßen wegreißt!“

Lydia hatte mit einem derartigen Aussetzer früher oder später gerechnet, weil sie den neurotischen Krueger gut kannte. Da sie bei I.I. als das Mädchen für Alles galt und breit gestreute Arbeitsfelder absteckte, musste sie nun auch noch in die Rolle einer Psychologin schlüpfen, um einem überforderten Kollegen zum Wohl der Firma beizuspringen.

„Was ist denn los mit Ihnen, Krueger? Kommen Sie nicht voran? Denken Sie immer daran: Nächste Woche Montag um 3 Uhr läuft die Frist ab und der Rechner wird abgeholt. Übrigens wird in wenigen Stunden durch eine letzte Unterschrift selbst der Stuhl, auf dem Sie sitzen, bereits an LOGO verkauft sein. Werden Sie bis Montag fertig sein?“

„Wenn ich nicht vorher einen Nervenzusammenbruch kriege, ja. Ich frage mich, warum man ausgerechnet mich für diese Arbeit ausgesucht hat.“

„Bleiben Sie aufrecht, Krueger, und denken Sie an Ihre Prämie! Sie leisten gerade eine Arbeit, die Ihnen eine geradezu historische Bedeutung verleiht, auch wenn Sie diese leider niemals offiziell anerkannt bekommen. Aber immerhin dürfte es schätzungsweise 10 bis 20000 Amerikaner geben, die Kenntnis von der Existenz dieser Dateien haben. Sie stehen also wenigstens nicht völlig alleine da. Außerdem müsste es Ihnen auch ein Trost sein, dass ich als Ihre gute Freundin ebenfalls eingeweiht bin…“

Krueger lachte nervös auf, verschluckte sich hustend an seinem Zigarettenrauch und entgegnete schließlich mit gutmütiger Entrüstung:

„Ihnen sollte klar sein, wie sehr einen das Wissen um ein solches Material belasten kann. Könnten Sie mir nicht wenigstens irgendjemanden schicken, der mir bei der Bewältigung dieser Wahnsinnsaufgabe hilft?“

„Unmöglich. Mr. O’Brian möchte die Zahl der Mitwisser natürlich so gering wie möglich halten. Wenn Sie wollen, kann ich selber im Labor vorbeikommen und Sie etwas aufmuntern. Zwar kann ich Ihnen keine technische Hilfe leisten, aber vielleicht hilft es Ihnen ja, mit jemandem über alles zu reden.“

Die Aussicht auf Lydias Erscheinen rief höchstes Entzücken in dem exzentrischen und wunderlichen Computerexperten hervor, was jedoch durch seine brummige und scheinbar gleichgültige Antwort keinen Ausdruck nach außen fand.

„Nun, Sie könnten ja vielleicht herkommen, um mir einen guten Kaffee zu kochen und mir zu helfen hier etwas Ordnung zu schaffen. Hier liegt ein Berg Fastfoodverpackungen einer ganzen Woche rum. Wenn Sie unterwegs noch irgendwo eine Coke und was zu Essen für mich aufgabeln könnten, würde das vielleicht einen positiven Einfluss auf den weiteren Verlauf der Arbeit nehmen!“

Lydia zögerte nicht eine Sekunde, ihm die Erfüllung seiner Wünsche zuzusagen. Nachdem sie ihm versprochen hatte, sich sofort auf den Weg zu machen, nutzte Krueger die Unterbrechung durch das Telefongespräch zu einer Pause, in der ihm nach längerem Brüten eine Reihe neuer Ideen kam.

Lydias Bemerkung, das Labor würde samt seiner Einrichtung in wenigen Stunden in den Besitz von LOGO übergehen, veranlasste ihn dazu, sich den Inhalt einiger Schränke genauer anzusehen, um vielleicht auf irgendetwas zu stoßen, was für ihn noch zu verwerten war. Neben einer Reihe alter, noch brauchbarer technischer Geräte und Ersatzteile fand er zufällig auch das letzte Exemplar des seltenen Festplattentyps, der mit dem Rechner kompatibel war, auf dem er gerade arbeitete. Es wäre ihm wie eine große Verschwendung vorgekommen, die wertvolle und schwere Platte im Labor zu lassen, wo sie nach der Abholung des Rechners wahrscheinlich nie wieder jemand gebraucht hätte.

Der Gedanke, wie sehr sie sich dafür eignete ein geheimes Back Up aller Daten herzustellen, trat ihm erst mit aller Deutlichkeit ins Bewusstsein, als er schon wieder rauchend an seinem Schreibtisch saß und über ein bestimmtes, seine Arbeit betreffendes Problem nachsann. Zunächst wehrte er sich gegen den Einfall, da er wahrscheinlich alle möglichen Konflikte nach sich zog, die noch gar nicht abzusehen waren. Als er aber anfing ein Resümee seiner Jahre bei „Independent Internet IT Researches“ zu ziehen, fielen ihm auf einmal all die Demütigungen und großmäuligen Überheblichkeiten seiner Kollegen ein, die er zu erdulden gehabt hatte. Die Art und Weise, in der man ihn in die Rolle eines schrägen und neurotischen Genies gedrängt hatte, hatten einen tiefen Ärger in ihm angestaut, der sich nun vielleicht ein Ventil schaffen konnte. Einem Arbeitgeber, der ihn diesem entwürdigenden Arbeitsumfeld ausgesetzt hatte, fühlte er sich nicht zur Loyalität verpfichtet, und doch schätzte er Leo Abrahams persönlich sehr, dem eine geheime Kopie der Daten ja vielleicht eines Tages sogar nützlich sein könnte, wenn diese aus irgendeinem Grund plötzlich benötigt werden würde. Nicht zuletzt kam auch folgendem Gedanken bei seinem Entschluss einige Bedeutung zu:

Wenn Tosh O’Brian und Leo Abrahams dabei versagen würden, das brisante Material in angemessener Weise an die Öffentlichkeit zu bringen, könnte ihm selber eine herausragende Rolle zufallen, indem er tief in das politische Schicksal seines Landes eingriff und die ehrenvolle Aufgabe übernahm, die ganze Welt über ein paar bedeutende Geheimnisse aufzuklären…

-

Als Lydia im Labor eintraf, fand sie Krueger nicht in dem Zustand vor, den sie nach dem Telefongespräch erwartet hatte. Seine Laune schien sich plötzlich stark gebessert zu haben, sodass sie froh war, nicht mehr in die Rolle der Psychologin schlüpfen zu müssen. Nachdem sie ihm etwas zu essen vorgesetzt und ein wenig aufgeräumt hatte, sah sie keinen Grund mehr länger zu bleiben und machte sich auf den Weg zum Independent Internet-Tower, in dem am Abend ein Festbankett anlässlich des Verkaufs der Internetsparte stattfinden sollte.

Die Bedingungen für die letzte feierliche Unterschrift, durch die dieses Geschäft unmittelbar vor dem Bankett endgültig an LOGO fallen sollte, waren bereits einen Tag, nachdem Dembski mit Abrahams im Harriman Countryclubs zusammengekommen war, erfolgreich zu Ende verhandelt worden, wobei tatsächlich der allseits prophezeite Preis von 7 Milliarden US-Dollar fixiert worden war. Von den Absprachen und heißen Tipps hinter den Kulissen war offiziell natürlich nichts bekannt geworden und so hatte Abrahams nur in kleiner Runde abends in der Bar lobend das Glas auf seinen „Glücksbringer“ Dembski erhoben, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit Lydia Abramovitch und den beiden Juristen in einer Limousine auf dem Rückweg nach New York befunden hatte.

Als Lydia am frühen Abend auf der Strecke zwischen Labor und Tower mit ihrem Sportwagen auf der Fifth Avenue im Stau stecken blieb, ging sie ein weiteres Mal im Kopf die Aufgaben durch, die man ihr für den reibungslosen Ablauf des großen Ereignisses aufgetragen hatte. Einige Personen auf der langen und illustren Gästeliste erforderten besondere Sicherheitsmaßnahmen, was sehr viel Arbeit bedeutete. Eric Young beispielsweise, der Vorstandsvorsitzende von LOGO, der sich derzeit auf einer Wirtschaftskonferenz in Boston aufhielt, würde mit dem Helikopter anreisen, weshalb einige Sicherheitsleute für den Heliport abgestellt werden mussten. Sie selber sollte zusammen mit Akuma He, Walter Silverman und anderen Kollegen den Festsaal unter Beobachtung halten, damit es nicht zu irgendwelchen unvorhergesehenen Zwischenfällen kam. Im Grunde genommen waren die Gäste dieses Banketts Feinde, weswegen die ganze Veranstaltung von Anfang bis Ende von dem kaum zu verhehlenden Sentiment einer heuchlerischen Freundlichkeit durchzogen sein würde, unter deren Oberfläche heiß der Hass brodelte. Wenn sich an diesem Abend Leo Abrahams und Eric Young zu dem endgültigen Abschluss eines 7-Milliarden-Deals lächelnd die Hände reichen würden, hätte man genauso gut vergiftete Pfeile aufeinander abschießen können, was natürlich niemandem von den geladenen Damen und Herren auf diese offene Art angenehm gewesen wäre.

Nachdem Lydia die Tiefgarage des Towers erreicht hatte, fuhr sie mit dem schnellsten Aufzug in die 98. Etage hinauf, wo sie Luke Sawyer, dem Chef der Sicherheitsabteilung, treffen wollte, um mit ihm noch einmal die Aufgaben für den Abend durchzugehen. Als sie ihn jedoch nicht am verabredeten Ort vorfand und auf dem Korridor zufällig Tosh O’Brian begegnete, nahm sie die Gelegenheit wahr, diesen auf ein paar eklatante Sicherheitsmängel hinzuweisen.

„Ich fühle mich verpflichtet, Sie über zwei außergewöhnliche Risiken zu informieren, die das Firmenwohl bedrohen, Sir. Die Verantwortung dafür liegt danach ganz und gar bei Ihnen. Ich möchte mir den Vorwurf ersparen, ich hätte sie Ihnen nicht mitgeteilt.“

Tosh und Lydia kannten sich bereits seit Jahren, weshalb sie sich nicht mehr allzu formell begegnen mussten und das Gespräch ohne großes Getue zwischen Tür und Angel führen konnten.

„Nur zu, Lydia. Ich schätze es, wie Sie sich engagieren und nicht nur Ihr Gehalt kassieren und alles andere einfach unter den Teppich kehren.“

„Nun, da wäre zunächst das Thema Oswald Krueger. Er ist ein wirklich vorzüglicher Experte, aber das Innenleben von Genies ist schwer zu ergründen und sollte in wichtigen Fällen unter einer besonderen Beobachtung stehen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass er bald für LOGO arbeitet und sein geheimes Wissen dorthin mit sich nimmt. Halten Sie es für klug, einen solchen Mann allein in dem Labor zu lassen, vor allem wenn man bedenkt, was mit Dr. Dembski im Maison Rouge geschehen ist? Die Sicherheitslage in dem Labor ist mangelhaft, außer einem Eintrittscode und einer verstärkten Tür gibt es keine besonderen Vorkehrungen. Meiner Ansicht nach müssten dort bis zur Abholung des Rechners mindestens zwei Leute Tag und Nacht Wache stehen.“

Sie hatte ihre Beschwerde vollkommen ruhig vorgebracht, aber tief im Inneren erregte sie diese himmelschreiende Unprofessionalität und ging ihrem Perfektionsstreben stark gegen den Strich.

„Ich hätte gedacht, solche Fragen liegen in Ihrem Verantwortungsbereich. Beschweren Sie sich bei mir über Ihr eigenes Versagen?“, entgegnete Tosh ein wenig zu schroff, um nicht sofort ihren scharfen Protest hervorzurufen.

„Vergessen Sie nicht, dass ich offiziell nur freie Mitarbeiterin bin. Manchmal habe ich das Gefühl, in Ihrer Sicherheitsabteilung gibt es nur überbezahlte und unfähige Leute, die sich nicht einmal über ihre Zuständigkeiten einig sind!“

„Ich denke, Luke Sawyer und Walter Silverman müssten in der Sache verantwortlich sein. Ich werden den Beiden gleich morgen früh mal ein bisschen auf die Finger klopfen.“

„Womit wir gleich bei dem wichtigsten Thema wären! Es lautet nämlich Walter Silverman“, enthüllte sie mit ernstem Blick, da sie eine schwerwiegende Anschuldigung vorzubringen hatte.

„Silverman? Inwiefern? Sie wissen ja, ich mag den Kerl nicht.“

„Ich schwärze normalerweise niemals einen Kollegen an, aber in diesem Fall springen bei mir alle Alarmglocken an, weil uns die Angelegenheit vielleicht eines Tages alle in den Abgrund reißen kann! Mir sind inzwischen genügend Gerüchte über Silvermans Unter-der-Hand-Geschäfte zu Ohren gekommen, um aus ihnen mit ausreichender Sicherheit auf entsprechende Aktivitäten zu schließen.“

Tosh zog erstaunt die Augenbrauen hoch, spitzte die Lippen und fuhr sich nervös durch seine dünnen, grauschwarzen Haare. Dann bot er ihr neben sich den Platz auf einem der modernen Ledersofas an, die in dem breiten, mit Marmorfliesen ausgelegten Gang für Besucher bereit standen.

„Welche konkreten Belege haben Sie dafür? Ich selbst hatte bei ihm schon oft ein ungutes Gefühl, aber mehr war es bisher nicht.“

„Jeder hat seine Quellen, von denen man die wichtigsten meistens verschweigen muss. Über einen entscheidenden Vorfall während unseres letzten Aufenthaltes im Harriman Countryclub kann ich jedoch offen berichten:

Ein gewisser Enrico Gonzalez, der bei LOGO im Controlling sitzt, kam aufgrund einer etwas seltsamen Wette mit der Bitte um ein Date zu mir, die ich ihm im Gegenzug für einen wichtigen Tipp erfüllt habe. Eigentlich ging es bei allem nur um einen Scherz, doch dann erfahre ich, Gonzalez’ Chef Oliver Hill hätte mehr als nur einmal fünfstellige Summen dafür bezahlt, um von Silverman wichtige Informationen über Abrahams Geschäftspläne zu erhalten. Dies war wohl auch letzten Montag der Fall. Ich nehme natürlich an, das wird nur die Spitze des Eisbergs sein. Allein dies wäre schon schlimm genug, aber wenn ich nun noch an Dembskis gehackte NSA-Dateien denke, wird mir schwindelig. Wie könnten wir uns jemals sicher sein, dass Silverman nicht auch Dembski – und damit womöglich auch uns – eines Tages verraten und verkaufen wird?“

Lydia unterbrach sich, da eine Gruppe von Angestellten an ihnen vorbeikam, die auf dem Weg zu dem Festsaal war, in dem in wenigen Minuten der feierliche Akt zur Vertragsunterzeichnung beginnen sollte.

„Ich muss Ihnen gestehen, dass Silverman für uns schon mehrmals Leute bestochen hat“, gab Tosh kurz darauf offen zu. „Genau das ist auch letzten Montag geschehen, als er diesem Clifford Dearing, dem Sicherheitsoffizier von LOGO, eine Information abgekauft hat. Wahrscheinlich haben wir uns die Geschäftstüchtigkeit dieses Menschen selbst herangezüchtet und müssen nun sehen, wie wir den bösen Geist wieder zurück in die Flasche bannen.“

„Es klingt fast, als hätten Sie Verständnis für ihn. Ich hoffe, Sie werden ein solch verräterisches und geschäftsschädigendes Verhalten in keiner Weise tolerieren!“

„Natürlich ist der Mann früher oder später zu entfernen, aber vorher müssen wir uns gut überlegen, wie wir dabei vorgehen wollen. Wenn wir ihn offen konfrontieren und in die Enge treiben, bringen wir ihn vielleicht dazu, einen noch viel schlimmeren Verrat zu betreiben.

Das Beste wäre, ihn zunächst von allen entscheidenden Informationen abzuschneiden, ohne dass es für ihn zu auffällig wird. Sobald wir irgendetwas über Dembskis Dateien öffentlich bekannt gemacht haben, wird er dann aus irgendeinem vorgeschobenen Grund entlassen und mit einer Geldsumme für sein zukünftiges Schweigen abgefunden.“

„Wie? Sie wollen ihm auch noch Geld hinterher werfen? Nun, wie auch immer, ich selber habe zumindest meine Pflicht getan und Sie informiert. Über das weitere Vorgehen entscheiden natürlich Sie.

Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie die Bewachung des Labors veranlassen werden?“

„Natürlich. Ich werde es Sawyer und Silverman befehlen. Es handelt sich ja nur noch um ein paar Tage bis nächsten Montag, dann ist der ganze Spuk vorbei. Ich hätte da noch eine etwas heikle Frage zu Ihrem Freund Enrico Gonzalez: Wäre es von Ihnen zu viel verlangt, die Beziehung zu ihm etwas zu vertiefen? Falls er zu einem zuverlässigen Informanten für uns wird, könnte das für Sie zu großzügigen Sonderprämien führen. Mr. Abrahams sucht noch irgendetwas, wodurch er LOGO in der Öffentlichkeit kompromittieren kann.“

Obwohl Tosh die delikate Bitte betont vorsichtig und diplomatisch vorbrachte, musste sie zu einer leicht verschämten Antwort bei der schönen Lydia führen.

„Vielleicht haben Sie schon davon gehört, dass ich Männern körperlich nicht zugeneigt bin. Es wird ja kaum genügen dem hübschen Bengel bloß etwas vorzuspielen, falls Sie mich verstehen…

Nun, ich werde darüber nachdenken, wie weit ich zum Wohl der Firma gehen will.“

-

Wenig später war Lydia in der 99. Etage damit beschäftigt, zusammen mit Luke Sawyer, dem Leiter der Sicherheitsabteilung, den Eingangsbereich des großen Sitzungssaals zu überwachen.

In derselben Zeit unterzeichnete Leo Abrahams in seinem Büro den Verkaufvertrag der Internetsparte, wobei auf seiner Seite Wesley Snyder, die Juristen Dr. Gillian und Mr. Parker, die Vorstandsmitglieder Mr. Fisher und Prof. Dr. Fuller sowie Tosh O’Brian anwesend waren, während Logo durch Eric Young, Amy Livingston, Oliver Hill, einem gewissen Carl Dubridge und zwei Vertreter von der Kanzlei White & Blumberg repräsentiert wurde.

Lydia, die nicht hinnehmen konnte, dass ein Mann wie Silverman die Arbeit einer ganze Abteilung durch Verrat massiv durchkreuzte, fühlte sich von Tosh O’Brian nicht genügend verstanden und hatte deshalb Luke Sawyer in das Problem eingeweiht. Luke, der als ein harter, aber loyaler Typ galt, betrieb keine Geschäfte in Silvermans Art und war über die Enthüllung aufrichtig bestürzt. Sie verdarb ihm die Aussicht auf einen abwechslungsreichen Abend, an dem er sich wie ein geladener Gast unbeschwert unter die Menge mischen und sich über das üppige kalte Buffet hermachen konnte.

Gerade als Lydia ein unrühmliches Psychogramm über Silverman zeichnete und meinte, „für mich ist er nichts als ein frustrierter, dicker Mann ohne Frau und Familie in einer permanenten Psychokrise, der ein halbes Leben unter der Fuchtel autoritärer Vorgesetzter gestanden hat und die Lösung aller Probleme in einer möglichst großen Summe Geld erkennt“, öffnete sich eine Seitentür, durch die der innere Zirkel um Abrahams und Young den Festraum betrat. Kurz bevor Luke zum anderen Ende des Saals hinüberging, um sich, wie es seiner Aufgabe entsprach, in der Nähe von Abrahams Sitzplatz zu positionieren, antwortete er mit bösem Zynismus:

„Ist das denn irgendetwas Besonderes, Lydia? Was haben Menschen im Laufe der Geschichte nicht schon alles für Geld getan. Vielleicht werde ich mir den Verräter einfach selber vorknöpfen und ihm eine Falle stellen!“

Lydia nahm die Drohung ihres Kollegen zufrieden auf und beobachtete, wie der große und schlanke Eric Young mit überheblichem Blick als erster in die Mitte des Saals stolzierte und sich vor den etwa 150 Anwesenden so präsentierte, als würde er der große Gewinner und absolute Mittelpunkt des Abends sein. Jedermann wusste, dass er eher wegen seines passenden Auftretens als wegen seiner Fähigkeiten zum Gesicht von LOGO geworden war und im Grunde nur ein gut bezahlter Schauspieler war. An der Stirnseite des riesigen Saals, an der man durch eine voll verglaste Wand die Lichter Manhattans in der dämmerigen Tiefe sah, trat Jessica Mayfair, die Pressesprecherin von Independent Internet, an ein Rednerpult und verkündete mit ein paar blumigen Worten den erfolgreichen Vertragsabschluss. Dieser wurde daraufhin durch ein mehrfach wiederholtes Händeschütteln von Abrahams und Young einige Minuten lang im Mittelpunkt des Saals in Szene gesetzt, sodass einige anwesende Fotografen genügend medienwirksame Bilder aus verschiedenen Perspektiven aufnehmen konnten. Die Gäste hatten dabei einen großen Kreis um die beiden Hauptpersonen und ihr Gefolge gebildet und klatschten artig zu der Presseerklärung, die später noch durch einen Sprecher von LOGO fortgeführt wurde.

Nach der Show nahmen alle die ihnen zugewiesenen Plätze an zwei langen Festtafeln ein, um einer Ansprache von Abrahams’ Sohn Theodore zuzuhören. Während Theodore vor dem Publikum, das vor allem aus leitenden Angestellten beider Konzerne, diversen Firmenvertretern, Journalisten, Politikern und Freunden der Abrahams-Familie bestand, eine nicht sehr viel sagende Rede hielt, die von der Public-Relations-Abteilung ausgearbeitet worden war, hatten sich Abrahams und Young an einen der beiden Tische gesetzt und bei einem Glas Champagner ein kurzes Gespräch begonnen.

Young, der sich noch immer nach allen Seiten wie ein strahlender Sieger darstellte, sah mit seiner samtenen, lilafarbenen Krawatte, dem teuren Maßanzug und den spitzen, glänzenden Schuhen wie ein großer Dandy aus, der von grinsenden Posen und medienwirksamen Auftritten erheblich mehr als von Geschäften verstand. So war auch das gesamte Szenario für die Geschäftsübernahme nicht von ihm selber ausgearbeitet worden, sondern von einem scheinbar unabhängigen Think Tank, der in Wahrheit der United States Intelligence Community nahe stand. Er hatte fast permanent ein überhebliches und spöttisches Grinsen im Gesicht, das nicht nur der gesamten Veranstaltung, sondern auch Leo persönlich galt, den er in der Art des vermeintlichen Gewinners ziemlich von oben herab ansprach:

„Nachdem nun alles unterschrieben ist, brauchen wir uns zum Glück nichts mehr vorzumachen, Leo. Sie sollten nicht so böse in die Gegend blicken, als ob Ihnen irgendetwas Schlimmes geschehen wäre. 7 Milliarden für Ihr defizitäres Internet sind wie ein großes Geschenk, für das Sie den Fotografen wenigstens ein kleines Lächeln schenken könnten!“

„Ihr aufgesetztes Grinsen verhindert jedes aufrichtige Lächeln, Eric. Irgendwann haben Sie bestimmt genug davon, bloß einen gut bezahlten Darsteller abzugeben, der sich auf allen Veranstaltungen wie ein Popstar beklatschen lässt, obwohl er selber noch niemals wirklich etwas geleistet hat. Ich glaube in Ihnen könnte wirklich etwas stecken, sobald man Ihnen eine echte Chance gibt!“

Abrahams musste selber über seine Worte lachen, durch die er Sarkasmus, Beleidigung und einen kleinen Rest von Menschenfreundlichkeit originell durchmischte. Den abrupten und extremen Wechsel des Tonfalls nach der Zeit des seriösen Verhandelns empfand er als nichts Besonderes, da er damit in seinem langen Geschäftsleben schon oft genug konfrontiert worden war.

„Ihre Undankbarkeit gefällt mir nicht, Leo“, entgegnete Young, der hinter seiner arroganten Fassade insgeheim Respekt vor dem 25 Jahre älteren Abrahams empfand, leicht beleidigt und schüttelte mit gespielter Fassungslosigkeit grinsend den Kopf. „Es mag sein, dass der amerikanische Markt nicht wirklich frei ist, aber wenigstens zahlt man in den USA noch immer sehr anständig, während Leute wie Sie in anderen Ländern manchmal einfach enteignet werden.“

„Wissen Sie, Eric, zum Glück ist die ganze Geschichte für mich halb so schlimm. Ich sehe mich selbst als einen alten Spieler und da ich in meinem Alter noch immer nicht müde bin, werde ich nun eben meine Chance in East-West-Water sehen. Vielleicht hat es am Ende sogar etwas Gutes an sich, weil ein neues Spiel für einen alten Spieler neues Glück und frischen Mut mit sich bringt!“

Abrahams Bemerkung entsprang nicht nur dem Versuch überlegene Gelassenheit zum Ausdruck zu bringen, sondern stellte auch eine bewusste Irreführung dar: In Wahrheit sollte ja sein „Spiel“ mit East-West-Water nur wenige Tage dauern, da er - wenn alles glatt lief - seine Mehrheitsanteile sofort an die Chinesen weiter veräußern wollte.

Noch während Young nach einer passenden Antwort suchte, trat Carl Dubridge zu ihnen an den Tisch, der bei der Vertragsunterzeichnung offiziell als Rechtsberater aufgetreten war. Der kantige, fast glatzige Mann hatte ein kaltes, ausdrucksloses Gesicht und war einer von jenen unheimlichen Leuten, über die viele gar nicht wussten, wer sie eigentlich waren und welche Absichten sie verfolgten. In Wahrheit war er inoffiziell für die Wahrung bestimmter, geheimer Interessen in der Konzernleitung von LOGO zuständig und verbreitete eine besondere Aura von Autorität um sich, da er als hoher Funktionär der Intelligence Community großen Einfluss besaß. Auch er hatte die Aufnahmen von Dembski und Agneschka längst gesehen, die Walter Silverman vor einer Woche an den Leiter der New Yorker CIA-Vertretung Howard Doyle geschickt hatte, weshalb er an diesem Abend eigens erschienen war, um eine ernste Warnung an Leo Abrahams zu richten.

„Sie kennen ja Mr. Dubridge bereits. Er bat mich darum, ein kurzes Gespräch mit Ihnen zu vermitteln, weswegen ich mich für ein paar Minuten zu den Journalisten zurückziehen werde“, erklärte Young bei Dubridges Erscheinen sofort und sprang auf. Da nirgendwo mehr ein passender Platz frei war, ließ Dubridge sich kurzerhand auf Youngs Stuhl nieder, sodass Abrahams gezwungen war seinen leisen und vertraulichen Worten zuzuhören, die er ohne eine Sekunde Zeit zu verlieren in einem unangenehm eindringlichen Tonfall vorzutragen begann:

„Ich freue mich sehr, endlich einmal persönlich mit Ihnen sprechen zu können, mein lieber Abrahams!

Viele meinen, die Vereinigten Staaten wären ein großes, unübersichtliches Land, das zur Wahrung seiner inneren Sicherheit einer strengen Kontrolle bedarf. Man könnte jedoch auch behaupten, in einigen Dingen sei unser Land nicht größer als ein Dorf – ein Dorf, in dem sich die Gerüchte manchmal schnell verbreiten! 7 Milliarden Dollar, Mr. Abrahams, dazu eine lohnende Investition, die meine Freunde exklusiv für Sie bereit halten, dürfte eine angemessene Entschädigung für ein kränkelndes Geschäft sein, das sowieso nur unter LOGO überleben kann.“

Bei den Worten „meine Freunde“ schaute ihn Abrahams für eine Sekunde erschrocken an und wusste endgültig, es hier mit keinem „Rechtsberater“ zu tun zu haben. Der unheimliche Dubridge aber sprach fast ohne Pause weiter:

„Für einen solchen Deal dürfte man ein wenig mehr Loyalität gegenüber staatlichen Interessen erwarten, zumal Sie vielleicht schon bald der Eigner eines Wasserprojekts sind, das für die Öffentlichkeit große Bedeutung hat. Hören Sie mir genau zu, Mr. Abrahams, denn ich möchte Sie warnen:

Ich habe vor kurzem in eine große Glaskugel gesehen und dabei von Dingen erfahren, die Sie selber vielleicht noch für ein großes Geheimnis halten. Die Dateien, die Ihnen Ihr neuer Freund Dr. Dembski inzwischen vielleicht schon übergeben hat, gehören einer Sicherheitsstufe an, deren Preisgabe zu erheblichen politischen Spannungen führen kann. Möchten Sie für so etwas wirklich die Verantwortung übernehmen? Sie sind ein Geschäftsmann und kein Politiker, und als ein solcher sollten Sie sich niemals auf einen Deal einlassen, der Ihnen große geschäftliche Nachteile bringen kann. Ich rate Ihnen, diese Dateien zu vernichten oder für immer an einem geheimen Ort zu verwahren, denn falls sie doch an die Öffentlichkeit gelangen, könnten Sie dabei sehr viel verlieren…“

Leo war durch die unerwartete Drohung zutiefst erschrocken, doch wäre er nicht der „große Abrahams“ gewesen, wenn er nicht auch in dieser Lage die Fassung bewahrt hätte. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und er schaute kurz zu seinem Sohn Theodore herüber, der ihm gegenüber am Tisch saß und über dessen Erbe er sich plötzlich ernstlich Sorgen machte. Natürlich wäre es ein Leichtes gewesen, Oswald Krueger zu befehlen, das gesamte Material einfach zu vernichten, allerdings konnte er kaum Dembski und dessen unbekannten Partner und damit die mögliche Anfertigung weiterer Kopien kontrollieren. Wie es der ganzen Wirklichkeit entsprach, in der er lebte, ersann er sich sofort einen Deal, durch den er mit der Gegenseite eine Einigung erzielen konnte.

„Wir sollten Frieden schließen, Mr. Dubridge, schließlich sind wir von nun an Geschäftsfreunde. Allerdings müssen Sie einem Freund gegenüber schon ein wenig Vertrauen aufbringen, genauso wie ich Ihnen bei East-West-Water vieles ohne jede Sicherheit einfach glauben muss.

Ich könnte Ihnen garantieren, dieses Material dauerhaft unter Verschluss zu halten, wenn Sie mich und Independent Internet dafür in Ruhe lassen. Das Zauberwort lautet friedliche Koexistenz, Mr. Dubridge, jedoch nicht ganz ohne Rückversicherung, denn falls es in meinen zukünftigen Wassergeschäften noch irgendeinen dunklen und unentdeckten Passus zu meinem Nachteil gibt, hätte ich immer noch etwas in der Hinterhand, für das sich die Welt sicher interessieren wird. Natürlich kann ich nur für mich selber sprechen und nicht die Verantwortung für das übernehmen, was Dr. Dembski treibt.“

Abrahams Vorschlag war im Grunde nur ein Spiel auf Zeit, bis sich die Lage durch in Zukunft eingetretene Umstände von Grund auf neu sondieren ließ. Dubridge ließ sich scheinbar darauf ein und schloss die bedeutungsschwere Unterredung mit einer letzten Warnung ab:

„Sie haben Glück, Mr. Abrahams. Wir bemühen uns Sie mehr und mehr als einen von uns zu betrachten, weil wir ein Interesse daran haben, den Einsatz Ihres Kapitals in die richtige Richtung zu lenken. Wäre dem nicht so, könnte sich auch jemand wie Sie sehr schnell in einem Verhörraum wieder finden, in dem das Niveau der allgemeinen Höflichkeit meistens recht schnell nachlässt. Sie brauchen übrigens Dr. Dembski nicht zu warnen, da dies nur unnötige Komplikationen mit sich bringt. Wie ich höre, hat er einflussreiche Freunde, die sich dafür einsetzen wollen, sein Leiden erträglich zu gestalten. Sie sollten sich in diese Dinge nicht mehr einmischen und sich auf Ihre eigenen Angelegenheiten konzentrieren. Zuletzt möchte ich Ihnen noch eine weitere Sache ans Herz legen:

Die 7 Milliarden Dollar warten auf ihre sinnvolle Investition und sollten nicht plötzlich in irgendein anderes Projekt abfließen. Wenn Sie dem Wassergeschäft untreu werden, könnte dies eine Anklage wegen des versuchten Verrats von Staatsgeheimnissen nach sich ziehen und würde auch Ihrem neuen Freund Dembski sicher nicht gut bekommen. Ich hoffe, Sie haben mich gut verstanden. Und nun wünsche ich Ihnen noch einen angenehmen Abend, Mr. Abrahams!“

Nachdem der unheimliche Mann nach diesen unverschämten Drohungen fast wieder so schnell und lautlos verschwunden war, wie er erschienen war, goss sich Leo ein großes Glas Champagner ein und trank es in wenigen, großen Zügen aus. Die Gedanken ratterten in seinem Kopf wie in einer gigantischen Stenographiermaschine und er wusste, dass er in dieser Nacht nicht eine Minute schlafen würde, da er plötzlich nach einer Lösung für viele neue Probleme zu suchen hatte.

Der letzte Weg des Dr. Dembski

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