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Schöpferische Werte

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Eine Möglichkeit, Sinn zu erfahren, führt über den Weg der schöpferischen Werte. Hermann Hesse formuliert das treffend: „Das Leben stellt jedem eine andere, einmalige Aufgabe, und so gibt es auch nicht eine angeborene oder vorherbestimmte Untauglichkeit zum Leben, sondern es kann der Schwächste und Ärmste an seiner Stelle ein würdiges und echtes Leben führen, einfach dadurch, dass er seinen nicht selbstgewählten Platz im Leben und seine besondere Aufgabe annimmt und zu verwirklichen sucht.“6 Das heißt, dass jeder Mensch sinnvoll leben und und jede Situation sinnvoll gelebt werden kann.

In den Tagen der Corona-Krise haben wir das auch erlebt. Es gab enge Grenzen, die Freiräume unseres Lebens waren sehr eingeschränkt. Ein junger Mann, der schon längere Zeit im Homeoffice war und eine neue Aufgabe für seine Freizeit suchte, erzählte mir von seinem Besuch in einem Baumarkt, der nach den Ausgangsbeschränkungen wieder geöffnet wurde. Es war für ihn wie das Umhergehen in einer Welt, die ihm Freude macht. Etwas, das er sich vorher nie hätte vorstellen können. Warum? Auf einmal hat er viele Möglichkeiten entdeckt, sich sinnvoll und schöpferisch zu betätigen, selbst wenn es nur der kleine Garten war, den er auf seinem Balkon zusammen mit seiner Frau angelegt hat – das Gemüse, die Blumen, die Aussicht auf eine Ernte im Sommer.

Hätte ich diesem vielseitig engagierten jungen Menschen noch vor einem Jahr vorgeschlagen, „lege doch auf dem Balkon einen Garten für dich an“, er hätte mich wahrscheinlich nur belächelt. Die veränderte Lebenssituation hat ihm eine ganz neue Sinnmöglichkeit aufgetan. Sie berührt die tiefsten Schichten des Menschseins, nämlich des Säens, des Schaffens, eben der schöpferischen Werte. Das bestätigt mir auch ein erfolgreicher Politiker. Seine Augen leuchten, wenn er von seinem Weinberg erzählt. Wer einen Garten anlegt, beteiligt sich am großen Schöpfungswerk Gottes. Mit einem Garten schafft man sich einen Ort des Wohlfühlens und auch der Sehnsucht. Gott hat den Menschen nicht in eine fremde Welt hineingesetzt, sondern in einen geschützten Raum. Wie wir auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift lesen, war das erste Zuhause des Menschen ein Garten, also ein Ort, wo man Schutz und Geborgenheit genießen konnte, wo die Beziehung zur Natur harmonisch war und der Mensch in unmittelbarer Nähe zu Gott lebte. Jemand, der den Garten liebt, spürt vielleicht bewusst oder unbewusst diese Sehnsucht nach einer harmonischen Einheit mit Gott und der Umwelt.

Die Heilige Schrift kennt einen anderen Aspekt des Gartens: Er ist auch der Ort der Liebe und des Lebens. Das Hohelied besingt den Garten als den Ort, an dem man das Leben feiert, wo man einfach Freude daran hat, dass es Leben auf dieser Erde gibt. Dieser Garten ist exotisch, wohlduftend, da wachsen seltene und kostbare Pflanzen, Kräuter und Früchte, die zur Erhaltung des Lebens und zur Heilung von Krankheiten unentbehrlich sind: „Ein Granatapfelhain mit köstlichen Früchten, Hennadolden samt Nardenblüten, Narde, Krokus, Gewürzrohr und Zimt, alle Weihrauchbäume, Myrrhe und Aloe, allerbester Balsam“ (Hld 4,13f) – all das kann man dort finden.

Die Bibel nennt noch eine dritte Dimension des Gartens. Vor seinem Leiden ging Jesus in den Garten Getsemani auf den Ölberg, um dort zu beten und Kraft zu schöpfen. Der Garten ist auch ein Ort der Stille und des Gebetes. Die Seele in Bedrängnis findet dort ihre Ruhe, verwirrte Gedanken werden klar, Fragen bekommen eine Antwort. Die heilende Kraft des Gartens wird vielfach genützt. Aufenthalte in Klöstern wie Exerzitien sind oft verbunden mit Gartenarbeit. Die Therapie bei Erschöpfung und Burnout integriert auch oft Aktivitäten im Garten oder den Gang in die Natur.

Der Garten ist ein wunderbares Bild für die Fülle des Lebens. Und ich glaube: Wer sich um einen Garten sorgt, liebt das Leben. Jede auch noch so kleine Pflanze braucht Zuwendung, Aufmerksamkeit, Pflege – und man könnte sagen: Liebe. Im Garten kann man viel für das eigene Leben lernen: das Warten auf das Wunder, bis der Keimling kommt; zartes und feinfühliges Umgehen mit den Setzlingen; Geduld, bis die Pflanze blüht und dann Früchte trägt; Pflege und Schutz, wenn Schädlinge oder Krankheiten die Pflanze bedrohen. Nicht zuletzt deshalb ist die Natur und das Betrachten von Wachstum und Blühen etwas, das uns im Tiefsten berührt. Wir sind berufen, um es theologisch zu sagen, an der Schöpfung mitzutun. Schöpferische Werte – künstlerisches Schaffen, kreative Umsetzung von Ideen – sind zentrale Wege zum Sinn und zur Zuversicht.

Werft eure Zuversicht nicht weg

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