Читать книгу Tacheles glauben - Bernd Beuscher - Страница 7
ОглавлениеBekehrung
Entschiedenheit oder Bescheidenheit
„Ich muss mich bekehren: Ich muss anständig werden und mich bewusst für einen Glauben entscheiden.“
Tacheles
Die Lebenswette bedarf immer wieder eines gewagten, ungesicherten Schrittes. Aber das nennen die biblischen Geschichten aus guten Gründen nicht „Entscheidung“, sondern →Glauben.
Das „Sich-Bekehren“ ist die leistungsfromme Version der Lügengeschichte des Barons Münchhausen, der angeblich sich selbst samt Pferd an den eigenen Haaren aus dem Schlamassel zog. Die simple These nach moralischem Strickmuster lautet, man müsse nur wollen, anderenfalls halte man an irgendwelchen →Sünden fest, wolle gar nicht wirklich und sei folglich selber schuld.
„Ich habe mich bewusst persönlich entschieden.“ – Die Betonung der „Bewusstheit“ des Bekehrungsgeschehens ist symptomatisch. Doch mit der verbreiteten Auffassung, dass der Anfang des Glaubens aus einem Akt des menschlichen Willens bestehe, ist eine schwerwiegende Verfälschung der christlichen Überlieferungen geschehen. Der Konversionsprozess, die Bekehrung, die Umkehr, die Buße selbst werden durch ein Leistungs- und Lohndenken verdorben.
In den biblischen Geschichten wird der Beginn des Glaubens als (Wieder-)Geburt bezeichnet. Geburt ist keine Willenssache. Bei der Erfahrung des →Evangeliums geht es nicht um eine Aktionsgeschichte, sondern um eine Passionsgeschichte, nicht um Entschiedenheit, sondern um Bescheidenheit. Ich weiß bei der Konversion gar nicht, wie mir geschieht, ich mache eine ganz neue „Erfahrung mit meinen Erfahrungen“ (Eberhard Jüngel). Schilderungen von Bekehrungen in biblischen Geschichten sind durch vorübergehende Ohnmacht, Blindheit, Sprachlosigkeit und Lähmung gekennzeichnet. „Nicht der Glaube macht die Wiedergeburt, sondern die Wiedergeburt den Glauben.“4 Man kann sagen: God happens. Die Traditionen schildern dies anhand von Kindern als Propheten des Daseins: „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.“ (Markus 10,15)
Noch kein Mensch hat sich selbst geboren. Der Theologe Karl Barth bezeichnete „die Vorstellung von einem Wählenkönnen gegenüber dem Namen Jesus Christus“ als „das tief Unglaubwürdige an der Jesulatrie des Pietismus und der Erweckungsbewegungen dieser Zeit“5 und klagt: „Dass wir doch nun ja nicht wieder selbst die Helden unserer Bekehrungsgeschichte sein wollen, auch nicht zur Hälfte, auch nicht zum kleinsten Teil!“6
Wie nimmt man ein Geschenk an, das man nicht verdient? Man sagt: „Danke.“ Und auch das ist keine Leistung, sondern zu verdanken, wie es in der letzten Strophe eines Kirchenliederschlagers heißt: „Herr, ich will dir danken, dass ich danken kann.“7
→ Ein Filmtipp: In der ersten Folge der dritten Staffel der US-amerikanischen Serie Breaking Bad spricht ein Therapeut die Gruppe seiner Drogenentzugspatienten an: „Wer ist hier, um sich weiterzuentwickeln? Na, kommt schon, hebt die Hände! Wer von euch ist hier, um sich aktiv persönlich weiterzuentwickeln?“ Alle heben die Hände. „Na also, und das ist euer erster Fehler. Ihr solltet hier sein, um zu lernen, euch selbst zu akzeptieren.“ Klingt gut, oder?