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2.1 Alexander der Große und der Siegeszug des Hellenismus

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Mit Alexander dem Großen und seinem Sieg über die Perser begann ein neues Zeitalter, indem die Epoche des Hellenismus eingeläutet wurde. Die von Alexander mit atemberaubender Geschwindigkeit geschaffene neue Weltordnung brachte im östlichen Mittelmeerraum einschneidende Umwälzungen mit sich, durch die Jahrhunderte später auch noch die Lebenswelt Jesu und das Ausbreitungsgebiet des Urchristentums nachhaltig geprägt wurden. Während das Zeitalter des Hellenismus politisch mit der Einverleibung Ägyptens in das römische Imperium durch Octavian zum Abschluss kam, hat der Hellenismus geistig weit darüber hinaus gewirkt.

Philipp II. von Makedonien

Philipp II., der Vater Alexanders, hatte durch eine grundlegende Modernisierung seines Reiches und Heeres sowie durch eine expansive Machtpolitik die Vorherrschaft Makedoniens über Griechenland begründet. In der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.) mussten sich die lange Zeit zerstrittenen griechischen Stadtstaaten dem Makedonenkönig geschlagen geben und im neu gegründeten Korinthischen Bund seinen Führungsanspruch anerkennen. Da den Vereinbarungen zufolge Philipps Befehlsgewalt über die griechischen Städte erst im Fall der Friedensstörung zum Tragen kam, war das Bündnis seiner inneren Logik nach auf eine militärische Offensive angelegt. Auf Initiative Makedoniens beschloss der Korinthische Bund einen Krieg gegen die Perser, ohne dass von diesen eine reale Gefahr ausgegangen wäre. Formal wurde das Unternehmen als Vergeltungsschlag für den fast 150 Jahre zurückliegenden Feldzug des Xerxes gegen Griechenland legitimiert. Bald darauf fiel Philipp einem Mordkomplott zum Opfer. Das Vorhaben, unter der Führung Makedoniens alle Griechen zum Kampf gegen die Perser zusammenzuschließen, wurde von seinem Sohn Alexander aufgegriffen und durchgeführt. Was von Philipp als begrenzte Maßnahme zur Durchsetzung und Legitimierung seiner Herrschaft über Griechenland geplant gewesen war, nahm nicht vorhersehbare Dimensionen an. Während die ursprüngliche Zielsetzung wohl im Zurückdrängen der Perser aus Kleinasien bestand, setzte Alexander einen beispiellosen Siegeszug in Gang, der ihn bis nach Indien führte und ihm die Herrschaft über den gesamten östlichen Teil der damaligen bekannten Welt einbrachte.

Feldzug Alexanders

Der panhellenische Feldzug der Makedonen begann im Frühjahr 334 mit der Überschreitung des Hellespont. Alexander brachte zunächst Kleinasien unter Kontrolle und befreite es vom angeblichen Joch der Perserherrschaft. Im Herbst 333 kam es in der syrischen Küstenebene bei Issos zur Entscheidungsschlacht mit den Persern. Dareios III. hatte dem Perserreich, das nach dem Tod von Artaxerxes III. deutliche Auflösungserscheinungen zeigte, in Zeiten innerer Unruhen und Kämpfe um die Reichsspitze nochmals Stabilität verliehen. Angesichts der griechischen Bedrohung erwies er sich aber nicht als Herrscherpersönlichkeit mit solchen überragenden Talenten und Fähigkeiten, wie sie die Lenkung seines riesigen, in Satrapien unterteilten Imperiums in dieser Krisensituation erfordert hätte. Als Alexander der überlegenen persischen Streitmacht in offener Feldschlacht eine vernichtende Niederlage zufügte und Dareios in die Flucht schlug, war damit auch das Ende der rund zweihundert Jahre währenden Perserherrschaft über Palästina verbunden.

Von Syrien nach Ägypten

Juda war seit 539 v. Chr. Teil des von Kyros errichteten persischen Großreiches gewesen und hatte innerhalb der Satrapie Transeuphrat zunächst zu Samarien gehört, bevor es in den Tagen Esras und Nehemias in den Rang einer eigenständigen Provinz erhoben wurde. Anders als die Babylonier hatten die Perser die kulturellen und religiösen Traditionen der von ihnen unterworfenen Völker geachtet. Kyros persönlich soll den Befehl zum Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und zur Rückführung der nach Babylon verschleppten Tempelgeräte gegeben haben (Esra 6,3–5). Mit dem Siegeszug Alexanders wurde das persische Zeitalter beendet und die griechische Herrschaft über Palästina begründet. Auf Alexanders Weg nach Ägypten entlang der Mittelmeerküste unterwarfen sich die alten Phönizier- und Philisterstädte, die der persischen Flotte als Basen dienten, kampflos. Lediglich Tyros und Gaza konnten erst nach erbittertem Widerstand erobert werden und wurden mit äußerster Härte bestraft. Ein umfassendes Friedensangebot von Dareios, der weitgehende Zugeständnisse machte und den westlich des Euphrat gelegenen Teil seines Imperiums an Makedonien abtreten wollte, lehnte Alexander ab. In der Zielsetzung des Feldzuges war eine Wende eingetreten. Es ging Alexander nun um die Eroberung des gesamten Perserreiches und vielleicht sogar um den Griff nach der Weltherrschaft. Nach dem Fall Gazas brach er im November 332 zunächst nach Ägypten auf, um sich von der dortigen Bevölkerung als Befreier von der Perserherrschaft und göttlicher Herrscher feiern zu lassen. Wahrscheinlich wurde er auch offiziell als Pharao inthronisiert. In der entlegenen Oase Siwa suchte Alexander, der sich im Denken und Fühlen stark von den homerischen Mythen inspirieren ließ, das Orakel des Zeus Ammon auf und folgte darin dem Vorbild von Perseus und Herakles. Die Besetzung des syrophönizischen und palästinischen Binnenlandes hatte er seinen Feldherren Parmenio und Perdikkas überlassen. Neben der Küstenebene waren damit auch Juda und Samarien in die Hände der Makedonier gefallen.

Alexander in Jerusalem?

Dass Alexander auf dem Weg nach Ägypten im Anschluss an die Eroberung von Tyros auch in Jerusalem Einzug hielt, wird nur von Josephus berichtet (Ant. 11,329–339) und ist mehr als zweifelhaft. Alexander soll sich in Begleitung der Priesterschaft zum Tempel begeben haben, um Opfer darzubringen. Als man ihm das Buch Daniel mit der Vision von der Zerstörung des persischen Großreiches durch einen mächtigen König der Griechen (Dan 11,3) zeigte, habe er diese Prophezeiung freudig auf sich bezogen und die von den Persern gewährten Privilegien bestätigt, indem er dem jüdischen Volk Religionsfreiheit und Befreiung von Abgaben im Sabbatjahr zusicherte. Dieser Bericht entlarvt sich bereits dadurch als Legende, dass das in der Seleukidenzeit entstandene Buch Daniel zu jener Zeit noch gar nicht existierte. Es ist deutlich das Bestreben erkennbar, Alexander den Großen als Förderer der religiösen Traditionen des Judentums darzustellen und den Begründer des hellenistischen Weltreiches mit einem positiven Image in das jüdische Geschichtsbewusstsein eingehen zu lassen. Auch hellenistisch-jüdische Traditionen, die in den aus byzantinischer Zeit stammenden Alexanderroman eingeflossen sind (Vit. Alex. 20; 39), zeichnen den Makedonenkönig als Wohltäter des Judentums und Bekenner seines Gottesglaubens. Eine antisamaritanische Legende im Talmud berichtet von einer Zusammenkunft in der Küstenebene, bei der sich Alexander vor dem Hohenpriester verneigt haben soll (bJom 69a).

In der Tat hat Alexander diejenigen Privilegien, die der jüdischen Bevölkerung von den Persern eingeräumt worden waren, nicht angetastet. Die Politik Alexanders, der von einer elementaren Religiosität bestimmt war und in den eroberten Gebieten an verschiedensten Orten den Lokalgottheiten seine Referenz erwies, war von hoher Wertschätzung der geistigen und religiösen Traditionen der unterworfenen Völker gekennzeichnet. Zudem wird ihm eine wichtige Rolle bei der Errichtung des Tempels auf dem Garizim zugeschrieben, der die zunehmende Verselbstständigung der samaritanischen Gemeinde nach sich zog.

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