Читать книгу Liebe fragt nicht - Bernd Urlaub - Страница 9

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Kapitel 4

„Was geschieht jetzt mit mir?"

Armin sah den Anführer der Gruppe mit besorgter Miene an.

„Wir bringen dich zur Sammelstelle und übergeben dich den Amerikanern. Vielleicht kommst du mit einer der nächsten Transporte in die Vereinigten Staaten, um irgendeinem Farmer bei der Getreideernte zu helfen."

„Was nach Amerika?"

„Klar, die Amis machen nichts anderes als ihr Deutsche mit euren Gefangenen. Möglicherweise behandeln sie euch etwas besser."

Die Gruppe der Resistancekämpfer lagerten in einem Wäldchen. Die amerikanischen und kanadischen Kampftruppen waren zügig Richtung Osten vorgerückt, so dass im Raum Avranches hauptsächlich nur noch Versorgungseinheiten anzutreffen waren.

„Ist doch gar nicht schlecht. Du lernst die große, weite Welt kennen. Russland kennst du ja schon. Mit der Wehrmacht kommt man weit herum."

„Und wann komm ich nach Hause zurück?"

„Ein paar Jahre werden sie dich schon drüben behalten. Aber vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit, die Zeit bis zur deutschen Niederlage zu überbrücken. Wie stehst du eigentlich zu dem Nazi-Regime?"

„Wenn du die nationalsozialistische Ideologie meinst, damit hatte ich nie viel am Hut. Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen und war in der christlichen Jugendarbeit aktiv. Aber irgendwann wurden alle Jugendverbände, außer der HJ verboten. Dieses ganze Rassengetue widert mich an. Ich habe nie verstanden, warum die Juden eine minderwertige Rasse sein sollen. Und nachdem ich im Osten Zeuge von Massenerschießungen geworden bin, verachte ich die Nazis. Zur Wehrmacht habe ich mich freiwillig gemeldet, weil mein älterer Bruder einmal den Betrieb übernehmen sollte. Seit Stalingrad gilt er als vermisst. ich bin gerne Soldat aber die Massaker im Osten haben mir die Augen geöffnet. Ich war froh, als ich nach Frankreich versetzt wurde. Ich hoffe von Herzen, dass dieser Krieg bald endet und der Frieden, der dann kommt nicht wieder Anlass für einen neuen Krieg ist. So wie 1918. Aber warum willst du das wissen?"

„Wir könnten einen wie dich, gut gebrauchen. Du beherrschst unsere Sprache gut, bist aber Deutscher."

„Du meinst, ich soll mithelfen, meine Landsleute, meine Kameraden ins Verderben zu führen. Das werde ich niemals tun. Ich bin kein Verräter." „So meine ich das nicht. Im Gegenteil. General de Gaulle; dem wir direkt unterstellt sind, möchte einen Großteil der Resistance in eine reguläre Truppe umwandeln. Sie soll u.a. bei der Rückeroberung des Elsass eingesetzt werden. Er möchte, dass Frankreich von Franzosen befreit wird. Nun, das ist wohl ein frommer Wunsch. Aber er will auf jeden Fall einen Teil dazu beitragen. Ich habe den Auftrag bekommen, eine Spezialabteilung aufzustellen, die im grenznahen Bereich und eventuell auch hinter den deutschen Linien operiert. Wir könnten jemanden gebrauchen, der sich mit deutschen Gepflogenheiten auskennt. Ich verlange nicht von dir, dass du an Sabotage-Unternehmungen teilnimmst. Vielmehr wäre es deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es erst gar nicht dazu kommt. Ich mache dir diesen Vorschlag nur deswegen, weil deine Familie meinen Bruder gut behandelt. Wenn wir Deutschland erreicht haben, kannst du meinetwegen verschwinden. Ich und meine Leute würden dich nicht daran hindern."

„Wie lange meinst du, würde man mich in Amerika behalten?"

„Zwei, drei Jahre bestimmt. Es sei denn, man wird dich nach dem Krieg den Russen oder meinen Landsleuten übergeben. Ich weiß nicht, ob ich das an deiner Stelle vorziehen würde."

Armin überlegte einen Moment. „Gut, dann betrachte ich mich ab jetzt, als deinen persönlichen Berater, Dolmetscher oder was auch immer. Vorausgesetzt, du versprichst mir, dass ich nichts tun muss, was mein Gewissen belastet."

„Ich werde es versuchen. Versprechen kann ich es dir nicht. Es können immer wieder Situationen auftreten, wo sich jeder selbst der Nächste ist. Also, auf gute Zusammenarbeit!"

Er hielt Armin die Hand hin. Nach einigem Zögern besiegelten sie per Handschlag ihre Abmachung.

„Abmarsch!"

Die Gruppe formierte sich,um die letzten Kilometer Richtung Avranches zu bewältigen.

Die Außenaufnahmen für den Film „Kamerad Hedwig" hatten begonnen. Drehorte waren unter anderem der Bahnhof Thüngersheim, das Haus des Bahnhofsvorstehers Böpple und die Bahngärten. Die Dorfjugend war immer zur Stelle, wenn gedreht wurde und musste des Öfteren ermahnt werden, ruhig zu sein. Für den Ort war es natürlich eine Sensation, dass so gute und bekannte Schauspieler wie Luise Ulrich und Wolfgang Lukschy dabei waren.

Die Crew war nach Drehschluss oft noch für ein, zwei Stunden im nicht weit entfernten Weingut Geiger zu Gast und ließ sich eine Brotzeit und einen Schoppen schmecken. Franzi war immer ganz aufgeregt und hatte sich schon das eine oder andere Autogramm geben lassen.

Werner beobachtete das Treiben mit gemischten Gefühlen. Manchmal schien es ihm so, als würden viele der Szenen unwillkürlich in die Länge gezogen. Schließlich war man hier in Mainfranken noch weit weg vom Kriegsgeschehen. Wären nicht die Bomberströme, die fast täglich zu sehen waren, man hätte sich fast wie in Friedenszeiten wähnen können. Für Menschen, die aus dem zerbombten Berlin kamen, war das sicher so.

Liebe fragt nicht

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