Читать книгу Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке - Бернгард Келлерман - Страница 20

Erstes Buch
XIX

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Das kleine «Residenzcaf». lag in einem barocken Pavillon neben dem früheren bischöflichen Schloss. Es bot einen schönen Ausblick auf die alte Lindenallee, war aber nur an Sonn- und Feiertagen während des Promenadenkonzertes stärker besucht. Sonst traf man dort nur stille Zeitungsleser und häufig Damen, die ihren Kaffeeklatsch veranstalteten. Als Fabian um fünf Uhr die Promenade überschritt, fühlte er, dass Christa schon anwesend war. Er empfand es an dem stärkeren Daseinsgefühl, das ihn durchströmte, augenblicklich fühlte er sich freier, leichter und fröhlicher. Sein Gefühl hatte ihn nicht getäuscht. Als er die Tür öffnete, sah er Christa an einem kleinen Fenstertisch sitzen. Sie hob in diesem Augenblick den Kopf, sah ihn mit einem zarten Lächeln ihrer braunen Augen an, und ihr Lächeln und ihr Blick erfüllten ihn mit Freude. Er war von diesem Augenblick an ein völlig neuer, verwandelter Mensch.

«Sie kommen gerade zur rechten Zei», begrüßte sie ihn, «nehmen Sie bitte hier an meiner Seite Platz, wir können so die Photos zusammen besser betrachten».

«Das also ist die Ausbeute Ihrer letzten Spanienreise». fragte Fabian, indem er Platz nahm. «Sie sind außerordentlich fleißig gewesen».

Auf dem Tisch vor Christa lag ein großer Stapel Photos, in denen sie soeben geblättert hatte. Es waren kleinere und größere Aufnahmen, viele hatte sie mit der eigenen Kamera festgehalten.

Christa Lerche-Schellhammer hatte sich einige Jahre mit Modellieren und Malen beschäftigt, war aber nunmehr endgültig, wie sie sagte, zur Architektur übergegangen, um die sie sich mit größtem Ernst bemühte. Zusammen mit ihrer Mutter unternahm sie jedes Jahr eine Reise im Auto, das die beiden Frauen abwechselnd steuerten. Im vergangenen Jahr hatten sie einige Monate Spanien bereist und all diese Photos mitgebracht, meist Aufnahmen von Bauwerken und architektonische Einzelheiten, Portale, Treppen, Kapitäle und andere Details, die Christa besonders interessierten.

Christa nickte. «Warten Si», begann sie eifrig, «ich will Ihnen zuerst diese herrliche kleine Kapelle aus Toledo zeigen, eben hatte ich sie noch in der Hand, ich glaube, sie ist eine der ältesten Kirchen Spaniens. Im Kirchenschiff hängen einige der herrlichsten Grecos[55]. Hier ist sie».

Und sie erzählte, dass gegenüber von dieser Kapelle eine Weinkneipe lag, in die sie sich beide verliebt hatten, besonders ihre Mutter. Das war ein kleiner Keller, in dem Reihen von mannshohen Weinkrügen, Amphoren, standen. Die riesigen Amphoren waren aus rotem Ton, und der ganze Keller sah wohl überhaupt noch ebenso aus wie zur Zeit der alten Römer. Es war einfach herrlich! Es gab hier die köstlichsten alten Weine, und sie tranken beide hier jeden Tag ein Gläschen. Ihre Mutter pflegte zu sagen: «Gehe du ruhig zu deinen Grecos, ich bleibe hier bei meinen Amphoren».

Sie erzählte reizend, mit einer seltenen Anschaulichkeit. Jede Einzelheit schien ihr in der Erinnerung plastisch vor Augen zu stehen. Ihre schlanken Hände formten die hohen Amphoren, und die herrlichen Grecos leuchteten im Glanz ihrer Augen. Fabian genoss erneut den Klang ihrer weichen Stimme und die Klarheit ihrer Sprache. «Ich bin erstaun», sagte er, «dass Sie sich an jede Kleinigkeit erinnern».

«Man erinnert sich immer gut an Dinge, die man lieb», erwiderte Christa.

Sie waren so eifrig mit dem Studium der Photos und dem Austausch ihrer Meinungen beschäftigt, dass sie alles ringsum vergaßen. Wenn der eine einen Gedanken nicht mit voller Klarheit auszudrücken vermochte, so kam ihm der andere zu Hilfe, und wenn auch das mißlang, so genügte ihnen eine Geste oder ein Lächeln.

An einem Nebentisch hatte sich nach und nach ein Kaffeekränzchen weißhaariger Damen zusammengefunden, die lebhaft schnatterten. Sie beachteten es kaum. Sie übersahen auch die beiden jungen Herren, die dicht neben ihnen die Schachfiguren aufzustellen begannen, während sie Kaffee bestellten und ihre Zigarren anzündeten.

Christa zeigte nun einige Klosterhöfe, die sie meist selbst aufgenommen hatte. Es waren Bilder, die den Frieden, die Stille und Unwirklichkeit einer anderen Welt verkörperten.

«Sie wisse», wandte sie sich an Fabian, «man hat zuweilen solche Anwandlungen. Hatten Sie nicht auch einmal den Wunsch, Priester zu werden? Erzählten Sie es nicht».

Fabian antwortete nicht sofort. Er betrachtete Christas Hand, die auf den Photos lag, und es schien ihm, als ob er zum erstenmal sehe, wie frauenhaft zart ihre Hand war. Wolfgang hatte sie einmal modelliert. Ihre Hand hatte Grübchen an den Knöcheln, wie man es oft bei Kindern sieht. Zum erstenmal sehe ich, wie frauenhaft schön ihre Hand ist, ging es ihm durch den Sinn, dann erst erwachte Christas Frage in seinem Ohr, und er sagte, während er flüchtig errötete: «Gewiss, ich habe es erzählt. Es war damals eine fixe Idee von mir, nun, ich war noch sehr jung. Ich sagte Ihnen auch, dass ich bereits in einem Priesterseminar ausgebildet wurde».

Christa streifte sein Gesicht mit den flachen Wangen und dem frauenhaften Mund, sie blickte auf seine männlich geformte Hand und dachte: In der Tat, er hätte recht wohl einen Priester abgegeben[56]. Dann errötete sie plötzlich.

«Wie lange waren Sie im Priesterseminar». fragte sie. Fabian sprach nur ungern von dieser Epoche seines Lebens. «Ziemlich lang», antwortete er. «Ich stand dicht vor der ersten Weihe».

«Und weshalb haben Sie Ihre Absicht wieder aufgegeben, Priester zu werden». forschte Christa weiter, während sie Fabian mit einem Lächeln ermutigte.

Fabian wurde verlegen. «Nun, ich war unterdessen älter geworden und zur Einsicht gekommen, dass ich nicht die nötige Eignung zum Priester besa», erwiderte er.

«Nicht die nötige Eignung».

«Nein. Ich fand, dass ich zu weltlich gesinnt war. Es fehlte mir der entsagungsvolle Charakter, den ein Priester haben muss».

«Gut, dass Sie rechtzeitig zu dieser Erkenntnis kame», erwiderte Christa und lächelte. «Nur auf Wahrheit und Lauterkeit lässt sich ein Leben aufbauen, pflegt Mama oft zu sagen».

Christa wandte sich wieder den Photos zu. «Das hie», begann sie von neuem, indem sie auf einen Stoß von Abzügen gleichen Formats deutete, «sind die Aufnahmen vom letzten Winter, den wir auf Palma de Mallorca[57] verbrachten. In diesem Dom hie», fuhr sie fort, «der berühmten Kathedrale von Palma de Mallorca, habe ich eines der tiefsten Erlebnisse meines Lebens gehabt. Hören Sie zu! Wir wohnten der Christnachtmesse bei, Mama und ich. Es war unvergesslich – einfach unvergesslich».

Und Christa erzählte, dass tausend Kerzenflammen den mächtigen Dom erhellten. Hunderte von armdicken Kerzen brannten auf dem Hauptaltar, und doch waren die ungeheuren Umrisse des Kirchenschiffes kaum zu ahnen. Auch von der dichtgedrängten Menge sah man nicht mehr als schattenhafte Umrisse. Die Männer knieten im linken Kirchenschiff, auch ihre Bekannten, Ärzte, Anwälte, die höchsten Beamten, sonst so vornehme Herren, alle knieten, die Frauen in ihren dunklen, spanischen Mantillen knieten auf der rechten Seite. Auch sie knieten, ihre Mutter und sie. Priester wandelten die Stufen zum Hauptaltar auf und nieder, der Bischof zelebrierte die Messe. Eine Unzahl von Ministranten bewegte sich lautlos beim Altar, der Weinrauch stieg im Schein der Kerzenflammen in die Höhe, die helle Glocke klingelte, ein Buch wurde feierlich hin und her getragen. Und das alte Latein, es hatte einen feierlichen, nie gehörten Klang! Herrlich erzählte Christa.

«Die Orgel ertönte! Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass der Dom von Palma eine der größten und wunderbarsten Orgeln der Welt besitzt? Diese Orgel konnte mehr als ein Mensch, sie konnte flüstern, seufzen, schluchzen, schreien, wimmern, lachen, weinen, frohlocken, jubeln, was konnte sie nicht? Ja, sie konnte noch mehr als ein Mensch, sie konnte brausen, donnern, rasen, verdammen und segnen. Wenn Gott eine Stimme hätte, so müsste er reden! Ein Mönch saß oben bei der Orgel, der berühmte Franziskaner[58] Francesco, einer der größten und unübertroffensten Meister nicht nur Spaniens, sondern der Welt. Unvergesslich wird mir für immer sein Spiel in dem von Tausenden von Kerzen erleuchteten Dom bleiben! Und das beschwörende alte Latein, es war wie ein Fest im Himmel». Sie hielt inne.

«Ich kenne den Wortlaut der Messe sehr gu», sagte Fabian halblaut und nickte, völlig benommen von ihrer Schilderung.

«Alle Leute weinten vor Ergriffenhei», schloss Christa, «auch Mama weinte, die niemals weint. Und auch ich weinte, dass mir die Tränen übers Gesicht liefen, überwältigt wie alle». Sie blickte Fabian an und lächelte.

Ihr Gesicht war blasser geworden und spiegelte in allen Zügen so klar ihre Erregung wider, dass es sich verwandelte und förmlich verklärte. Niemals hatte Fabian ihr Gesicht so gesehen, niemals hatte er ein menschliches Antlitz so wahr gesehen.

Lange blieben sie still. Fabian wagte nicht, sich zu bewegen. Er blickte in ihr verändertes, verklärtes Gesicht.

Ich liebe diese Frau, dachte er. Ja, nun weiß ich, dass ich sie liebe.

55

El Greco – Эль Греко (1541-1614), испанский художник греческого происхождения

56

er hätte recht wohl einen Priester abgeben – из него получился бы хороший священник

57

Palma de Mallorca – Пальма-де-Мальорка, испанский курорт

58

Franziskaner m – францисканец, член католического монашеского ордена

Тотеnтаnz / Пляска смерти. Книга для чтения на немецком языке

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