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Vorwort des Herausgebers

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"Beraube einen Menschen seiner Freiheit, entziehe ihm das Vergnügen der selbstgewählten Gesellschaft, drücke ihn hinab auf die unterste Stufe der Armut, damit ihm seine eigene Erscheinung widerwärtig werde und er seine Augen verwünsche, die ihm sein Bild und das der übrigen Gestalten seiner Bettelmannswelt vorführen, kette die Zeit an, damit der Tag zur Woche und die Woche zum Jahre werde, lass seinen Körper hungern und seinen Geist dürsten und du gibst ihm eine Hölle, schlimmer als das Gehirn eines Gottesgelehrten sie erfinden kann."

Bernhard Domschcke


In den Jahren nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs (1861 - 1865) greifen zahlreiche Veteranen in Nord und Süd zur Feder, um ihre Geschichte niederzuschreiben. Ihre Motivationen sind mannigfaltig und reichen von stolzer Verewigung der eigenen Taten und trotziger Rechtfertigung der "Verlorenen Sache" bis hin zur Vergangenheitsbewältigung mittels Niederschrift der eigenen Erlebnisse und Taten. So unterschiedlich die individuellen Beweggründe jedoch sein mögen, ein Grundbedürfnis ist bei nahezu sämtlichen Kriegserinnerungen erkennbar: Der Leser soll wissen, dass die "patriotische Pflicht" erfüllt und die "Mannesehre" gewahrt wurde. Durch die Verknüpfung des eigenen Namens mit den berühmten Generälen und großen Schlachten fällt deren Glanz auf den (mehr oder minder) einfachen Soldaten zurück und adelt dessen bescheidenen Beitrag zum Kriege. In diesen Geschichtsinszenierungen ist den Geschehnissen abseits des ruhmreichen Schlachtfeldes und der Kameraderie des Feldlagers bestenfalls eine flüchtige Erwähnung vergönnt. Nur wenige Veteranen bekennen sich zu den demütigenden und "ehrlosen" Aspekten ihrer Kriegserlebnisse, was ihre schriftlichen Zeugnisse zu umso wertvolleren Quellen macht.

Einer dieser Männer ist der deutschstämmige Bernhard Domschcke. Geboren im Jahre 1827 in Freiberg, Sachsen, genießt er eine vorzügliche Schulbildung in Dresden und Leipzig. Der junge Bildungsbürger ist ein leidenschaftlicher Verfechter der Demokratie und nimmt aktiv an den Barrikadenkämpfen des Dresdner Maiaufstandes 1849 teil. Nach dem Scheitern der Deutschen Revolution flieht Domschcke, wie so viele seiner Gesinnungsgenossen, in die Vereinigten Staaten, wo er bereits kurz nach seiner Ankunft seinen wachen Geist und seine rhetorische Begabung in den Dienst diverser New Yorker Zeitungen stellt. 1854, im Gründungsjahr der Republikanischen Partei, verschlägt es Domschcke nach Wisconsin, wo er die erste republikanische Zeitung des Staates gründet und sich rasch einen Namen als glühender Gegner der Sklaverei und wortgewaltiger Journalist macht. Im Jahr 1862 stellt seine deutschsprachige Zeitung "Milwaukee Herold" ihr Erscheinen ein und Domschcke meldet sich mit der gesamten Redaktion freiwillig zum Kriegsdienst. Aufgrund seiner Bildung und seines gesellschaftlichen Status wird Domschcke zum 2nd Lieutenant von Kompanie G der 26th Wisconsin Infantry ernannt und rasch zum 1st Lieutenant und Captain von Kompanie H befördert. Als sein Regiment am 1. Juli 1863 bei der Schlacht von Gettysburg nördlich des Städtchens von den angreifenden Konföderierten zerschlagen wird und dabei fast 50% seiner Männer verliert, gerät er in Kriegsgefangenschaft.

Hier beginnt für Domschcke eine Zeit des Leidens, die ihn für den Rest seines Lebens prägt. Monatelang ist er mit seinen Leidensgenossen in dem berüchtigten Libby-Gefängnis in Richmond eingepfercht, bevor er in Gefangenenlager in Danville, Macon, Savannah, Charleston und Columbia verlegt wird. Die anfänglichen Unannehmlichkeiten des Gefängnislebens verschlimmern sich rasch zu einem mörderischen Alltag aus quälendem Hunger, grassierenden Krankheiten und gleichgültiger Grausamkeit des Wachpersonals. Dabei bleibt Domschcke durchweg ein scharfer Beobachter seiner Umgebung und seiner Mitgefangenen, die ihren täglichen Überlebenskampf auf verschiedenste Arten bestreiten.

Als er im März 1865 schließlich ausgetauscht wird, mag Domschcke geahnt haben, dass seine ruinierte Gesundheit ihm kein langes Leben mehr gewähren würde, denn er beginnt unverzüglich mit der Niederschrift seiner noch frischen Erinnerungen. Freunde und Bekannte bemerken mehrfach, dass Domschcke seinen Überzeugungen zwar treu geblieben ist, sein inneres Feuer jedoch erloschen scheint. Nach seiner Heimkehr stellt sich keine Besserung seines Zustandes ein, doch trotz seiner zerfallenden Gesundheit nimmt er seine journalistische Tätigkeit wieder auf, bevor ihn die Spätfolgen seiner Gefangenschaft schließlich ans Siechbett fesseln. Bernhard Domschcke stirbt am 5. Mai 1869 im Alter von 43 Jahren.

Domschckes faszinierende Einblicke in einen vergleichsweise selten durch Primärquellen dokumentierten Aspekt des Krieges werden ergänzt durch einen umfangreichen Anhang, der zahlreiche Facetten des Lebens in konföderierten Gefangenenlagern beleuchtet und dabei hilft, die Erlebnisse des Autors in einen breiteren Kontext einzuordnen.

Bernhard Domschckes zeitgenössischer Sprachstil wurde weitestgehend gewahrt und nur dann behutsam an die modernen Gepflogenheiten angepasst, wenn dies für das Verständnis des heutigen Lesers angeraten schien. Fehlerhafte Schreibweisen von Namen wurden stillschweigend korrigiert.

Florian Dexheimer

Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft

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