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Montag, 17.00 Uhr, Valletta, Malta

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Eigentlich war es nur ein Fels im Meer. Klein, trocken, zerklüftet und doch heiß begehrt. Für die einen war Malta das Tor nach Afrika, für die anderen jenes nach Europa.

Die Mitglieder des Malteserordens bauten ab dem sechzehnten Jahrhundert riesige Festungen, um den Osmanen zu trotzen, die Briten Flughäfen, um den Nachschub für Hitlers Afrikakorps zu stören.

Phönizier, Römer, Vandalen, Goten, Araber, Normannen, auf diesem Stück Kalkstein hatten unzählige Völker geblutet. Walter Denk, Abteilungsleiter im Wiener Finanzministerium, hatte sich ein wenig eingelesen. Das tat er vor Auslandsreisen immer. Diese informelle Vorbereitung machte ihm Spaß und war immer eines seiner Erfolgsgeheimnisse gewesen. Ein bisschen mehr Hintergrundwissen, ein bisschen fundierter informiert als andere.

Als er in das wartende Taxi stieg, stellte er verwundert fest, dass bereits jemand darin saß. Der Wagen fuhr an, und sein ihm unbekannter Sitznachbar zog wortlos ein paar Handschellen aus der Tasche, hielt sie hoch und zeigte mit der Pistole in Richtung Füße.

Schlau, dachte Walter Denk, mit gefesselten Händen konnte man sich an einer roten Ampel aus dem Wagen fallen lassen und zu flüchten versuchen, mit gefesselten Fußgelenken nicht. Kaum hatte er die stählernen Fesseln angelegt, hielt ihm der Unbekannte wortlos ein zweites Paar hin. Nun waren auch seine Hände gefesselt, schachmatt.

Die Pistole. Woher kannte er dieses klobige Modell mit dem nach unten breiter werdenden Lauf? Irgendwo hatte er es schon einmal gesehen, aber wo? Nicht in natura, da war er sich sicher. Wahrscheinlich im Kino. Aber in welchem Film? Es wollte ihm einfach nicht einfallen.

Und warum dachte er in dieser Situation über die Pistole nach? War das eine Art Verdrängungsmechanismus, eine Panikreaktion? Walter Denk versuchte, sich zu konzentrieren. Warum hatte man ihn entführt? Er war als Verbindungsmann von seinem maltesischen Kollegen eingeladen worden, erst vor gut einer Stunde gelandet und gleich ins Hotel gefahren. Seinen Kollegen hatte er noch gar nicht getroffen. Er wusste nur, dass es um einen Fall von vermuteter Geldwäsche und Finanzbetrug ging, mehr nicht. Das ergab alles keinen Sinn.

Eine Verwechslung? Nein, unmöglich. Der Fahrer hatte ihn erwartet und mit Namen angesprochen. Sie wussten, wer er war. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Nichts. Walter Denk sah aus dem Fenster und versuchte, sich wenigstens anhand der Verkehrsschilder zu orientieren. Sie hatten Valletta verlassen und fuhren an Pembroke vorbei Richtung White Rocks. Also Richtung Nordwesten. Allerdings nur kurz. Der Wagen verlangsamte das Tempo, bog nach rechts ab und fuhr am Malta BMX Indoor Skatepark vorbei, bevor er nach links auf einen Schotterweg abbog.

Walter Denk bemerkte, dass er trotz der Klimaanlage zu schwitzen begonnen hatte. Durch die Windschutzscheibe sah er einen steinernen Wachturm, konnte sich aber nicht an dessen Namen erinnern. Wahrscheinlich war es einer der zahlreichen Beobachtungstürme, die die Malteser im siebzehnten Jahrhundert nach der erfolgreich überstandenen Türkenbelagerung errichtet hatten.

Als sie den Turm erreicht hatten, hielt der Fahrer an, stieg aus, sah sich um und nickte. Wortlos griff sein Sitznachbar in die Hemdtasche, nahm einen kleinen Schlüssel heraus und reichte ihn Walter Denk, mit der Pistole auf dessen Füße zeigend. Als seine Füße frei waren, zeigte die Pistole Richtung Tür. Also stieg er aus. Der unbekannte Beifahrer tat es ihm gleich und deutete Richtung Turm.

Walter Denk fragte sich, warum er in diesem Augenblick nichts fühlte. In Kürze würde er sterben, aber in ihm war alles leer. Er spürte den Wind auf der Haut, hörte die Brandung unter ihm gegen die Felsen schlagen und fühlte − nichts.

Dann ein leichter Stoß in den Rücken. Anscheinend sollte er weitergehen. Er tat es. Langsam, Schritt für Schritt Richtung Meer. Einen Meter vor der Klippe blieb er stehen. Wieder ein Stoß in den Rücken, diesmal etwas fester. Er konnte deutlich die Mündung der Pistole an seinen Rippen spüren. Links, genau auf Höhe seines Herzens.

Walter Denk machte einen Schritt. Dann noch einen. Jetzt stand er unmittelbar an der Klippe und wunderte sich, dass die einzige Frage, die ihn beschäftigte, jene war, ob er nun erschossen oder von der Klippe gestoßen werden würde. Dann war die Pistolenmündung nicht mehr zu spüren. Also war sein Begleiter einen Schritt nach hinten getreten. Jetzt war er sich sicher, erschossen zu werden, von hinten, mit einer Desert Eagle, Kaliber .50 AE. Walter Denk lächelte, es war ihm doch noch eingefallen. Der Film hieß Snatch.

Der stumme Schütze steckte die Waffe weg, trat einen Schritt nach vorn und versuchte, in der unter ihm tosenden Brandung die Leiche zu entdecken, vergebens. Dann sah er sie einige Meter von den Klippen entfernt in Richtung offenes Meer treiben und nickte zufrieden. Diejenigen, die es anging, würden die Botschaft verstehen. Die Österreicher eher nicht.

Der Malik

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