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6. Drogenerfahrungen Und Musik

Da traf ich „Kalle B.“, einen kaputten Typ, den ich noch von früher kannte. Der kam dann zu mir und fragte mich, ob ich mit hinaus gehen würde, um etwas zu rauchen. Ich wußte, dass er Haschisch meinte. Ich ging einfach mit, weil es mir bei Tritonus sowieso zu laut war. Wir stellten uns bei „Harry´s Gift Shop“ unter. Den Laden gibt es bestimmt noch heute und Kalle B. zündete die Pur-Pfeife an. Zu diesem Zeitpunkt wußte ich nicht genau was sich darin befand. Na, ich zog dann auch ein paar Mal an der Pfeife. Nachdem Kalle B. dann an dieser, jener Pfeife zog und den Qualm in sich hinein presste, fing er an zu Husten und erbrach eine grünfarbige, gallertartige Masse in seine Hand. Später erfuhr ich, dass der Idiot einfach ein Stück Haschisch gegessen hatte. Ein Bekannter Kalle B´s schloß sich uns noch an und die zwei Typen entfernten sich nach einer Weile. Dann wurde mir schlecht. Es war das erste Mal für mich, Haschisch zu rauchen. Ich kotzte ohne Ende, dachte ich würde sterben und es erging mir wahrlich nicht besonders gut. Ich war 15 Jahre alt.


Das sollte sich mir einprägen und rauchte seitdem nie besonders gerne solchen Mist

mit ! Die Musikformation im Cage hielt sich nicht sehr lange. Ein Grund dafür war auch, dass der Gitarrist mit dem Motorrad leider tödlich verunglückte.

Eines Tages, es war bereits das Jahr 1977, kam Erik vorbei, ein alter Bekannter und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte in eine Band als Keyboarder einzusteigen. Ich sagte zu. Es waren drei Leute. Rainer, der Schlagzeuger, Reini als Bassist und Patrick der Gitarrist. Wir wurden zu einer Whiskey-Fete bei einem Amerikaner eingeladen, wo wir ganz schön trichterten. Der Vater, des Jungen, der uns einlud hatte im Party-Keller eine ganze Bar voll mit den verschiedensten Whiskey-Sorten. Am nächsten Tag ging es uns nicht besonders gut hatten mit schwerem Kopf dann Probe. Wir suchten nach einem geeigneten Band-Namen. Reini schlug Washington vor, was ziemlich langweilig klang. Ich meinte, nee Du, es gibt schon Boston, Kansas und America usw. ! Dann sagte ich spontan:“ Wie wäre es denn mit „B O U R B O N“ ??? Alle schien auf und meinten, ja, das ist es !“ Patrick verließ später die Gruppe und wir rockten alleine, meine Eigenkomposition spielend weiter. Wir musizierten sehr laut und es machte wahnsinnig Spaß. Der Proberaum, der in einem stadtverwalteten Jungendhaus eingerichtet war, nebenan am Autohaus „Hallertau“, kostete uns keine Miete und kein Stromgeld. Neben unserem Proberaum probten auch Profis, wie z.B. der Super Schlagzeuger Arthur Weiss. Ab und zu gingen wir zu ihm rüber, um ihm beim Spielen zuzuhören. Gerne wüßte ich, was er heute macht.

Humbi, ein ca. 30-jähriger Gitarrist aus Aschaffenburg stieg bei uns ein. Er hatte einen Vollbart und hatte schon viel in seinem Leben erlebt. Er war ein typischer Hippi, dessen umkomplizierte Art Gitarre zu spielen mir enorm gefiel. Menschlich und musikalisch verstanden wir uns super. Ihn interessierte Buddhismus und leider wanderte er später für immer nach Indien aus, um zu meditieren. Nie wieder habe ich etwas von ihm gehört.

Reini, unser Bassist kiffte von Tag und Tag mehr und oft kam es vor, dass er verschiedene Musikparts einfach vergaß. Er übertrieb es mit seinem Haschischkonsum dermaßen, so dass er bei den Proben musikalisch nichts mehr dazu beitragen konnte. Zeitweise besuchte er die Nervenklinik „Landeck“. Solche Leute waren richtig zu bedauern, weil sie auch durch gutes zureden nichts kapierten und sich nicht helfen ließen und nichts an sich probierten zu verändern. Doch mir sollte es ähnlich ergehen und sitze somit selbst im Glashaus, von wo aus man wirklich nicht mit Steinen werfen sollte.

Matthias, mein Cousin besuchte uns einmal in unserem Proberaum und kurzer Hand stieg er als Gitarrist bei uns ein, obwohl ich dagegen war. Nicht persönlicher Natur, sondern musikalischer. Wieder, wie bei Octopus spielten wir bekannte Songs nach. Wegen musikalischer Differenzen stieg ich dann später genervt aus der Band.

Als ich einmal durch die Innenstadt Kaiserslauterns lief, begegnete ich Thomas G. - Er war ein ziemlich linker Typ, was ich aber zu dieser Zeit jedoch noch nicht wußte. Ab und zu traf man sich und kam öfter mit ihm in Kontakt. Er erzählte mir, er wollte mit Heroin dealen und schwärmte mir vor, dass man damit sehr viel Geld machen könnte. Ich war so naiv und dachte, toll, daran möchte ich teilhaben ! Geld war natürlich nötig dafür, um den Stoff in einer größeren Stadt zu besorgen. Ich Idiot nahm dann bei meinem Bankinstitut 2.000 DM als Darlehen auf, um die Sache mit zu finanzieren. Wir fuhren in diese Stadt und besorgten uns für 1.800 DM Heroin. Mir ging ganz schön die Angst durch den Leib, weil ich ein Mädchen kannte, die wegen nur 1 ½ Gramm ins Gefängnis kam. Glücklich und sicher in Kaiserslautern angekommen verpackten wir den Kram bei ihm zuhause, Grammweise in kleine, sogenannte Packs. G. erledigte das.

Während der „Arbeit“, schreckte uns das klingelnde Telefon auf und Beck nahm den Hörer ab. Am anderen Ende schien ein Mädchen zu sprechen, das völlig aufgelöst war und unbedingt ihren Schuß brauchte. Sie bat uns, bei ihr vorbei zu kommen, da sie auf Entzug wäre. Sie würde auch das Taxigeld für uns bezahlen. Gleich setzte sie sich im Badezimmer den ersehnten Schuß, als wir ankamen. Bei ihr war es etwas schwierig eine Vene zu finden. Also stach sie sich in die Hand und mir wurde es fast übel. Sie schlug uns vor, wir könnten bei ihr übernachten und wir nahmen ihr Angebot an. Sie hieß Helga und war ein sehr hübsches, schlankes Mädchen. Seit zwei Jahren konsumierte sie Heroin und war ziemlich abhängig. Fünf Jahre hatte sie eine Beziehung mit einem Junkie, der später von einem Amerikaner mit einem Stein erschlagen wurde. Als sie von dem Mord hörte, weinte sie bitterlich. Eine Problembeziehung bahnte sich an und sie wurde meine Freundin. Sie war sehr labil und äußerst sensibel. Bei ihr wohnte ich ungefähr ein halbes Jahr. In den ersten zwei Monaten besorgte ich ihre Drogen und sah ihr beim Spritzen zu. Beck hatte mich reingelegt und benutzte die eingekauften Drogen zum Eigenkonsum. Meine 2.000 DM waren in den Wind geschossen, oder besser gesagt in die Venen anderer Leute geflossen. Die Beziehung mit Heike war äußerst schwierig, der ich seelisch nicht gewachsen war. Hier musste ein Therapeut her. Entschlossen bat ich sie, sich für unsere Beziehung, oder für die Drogen zu entscheiden. Sie entschloss sich für mich und wollte gerne damit aufhören. Wie es bei fast allen Drogenabhängigen so ist, brauchten sie nach dem körperlichen Entzug einen Drogenersatz. Für Helga war das Alkohol und Tabletten. Natürlich hatte sie noch Kontakt zu anderen Leuten und besorgte sich ein starkes Schlafmittel mit Namen „Medixxx“. Durch den Entzug bekam sie Schlafstörungen. Oft musste ich nachts zum Kiosk fahren, um eine Flasche Weinbrand für sie zu kaufen. Mit allen Mitteln wollte ich ihr helfen und erfüllte ihre nächtlichen Wünsche. Erst nach ein paar Gläsern Alkohol konnte sie endlich einschlafen. Es war eine schlimme, nervenaufreibende Zeit, da ich mich so hilflos fühlte. Auch ihre Eltern konnten nichts machen, außer Reden, was nichts brachte. Ich war bei den amerikanischen Streitkräften als Wachmann beschäftigt und hatte drei Schichten. Abends kam ich einmal nach Hause, ich freute mich schon, meine Freundin liebevoll in den Arm zu nehmen und öffnete die Wohnungstür. Auf das Wohnzimmer hinzugehend schaute ich hinein. Es war wie im Film. Blumentöpfe lagen mit zerstreuter Erde auf dem Teppichboden, sowie andere Einrichtungsgegenstände. Heike lag wie tot mit dem Bauch auf dem Boden, nur mit einem Slip und Unterhemd bekleidet. Der erste Gedanke war, dass sie vielleicht vergewaltigt wurde, da ab und zu immer noch irgendwelche Drogenleute bei ihr vorbeikamen. Doch nach kurzer Überlegung, kam ich darauf und bemerkte, dass sie stark alkoholisiert war und sicherlich auch noch Schlaftabletten schluckte. Links und rechts, nicht allzu fest auf ihre Wangen schlagend, versuchte ich sie aufzuwecken – ohne Erfolg. Ich zerrte sie ins Bett und heulte, weil auch ich nervlich am Ende war. Ich hielt die ganze Situation nicht mehr aus und beendet am nächsten Tag unsere Beziehung. Sie hat meine Entscheidung verstanden. Eine zeitlang später erfuhr ich, dass sie einen neuen Freund fand, mit dem sie später ein Kind hatte. Jahre später rief sie sogar einmal bei mir zu Hause an. Sie war frei von Drogen und führte ein normales Leben. Ich freute mich wahnsinnig für sie.

Mit Chrstoph, einem ehemaligen Schulkameraden von mir war ich jetzt oft abends unterwegs und er lud mich ein, mit in das „Amis De La Nuit“ (Name geändert) einen kleinen Schwulenclub zu gehen. Punker Kalle, mein Freund, den ich 1976 im „Thing“ kennen lernte, ging auch ab und zu mit. Das Unbekannte und Neue interessierte und reizte uns zu entdecken. So neugierig waren wir. Alle in diesem Laden waren sehr nett zu mir, natürlich weil sie nur an eins dachten. Ein gewisser Paul machte mich einmal sehr betrunken, und dachte, ein leichtes Spiel mit mir zu haben. Paul und ich wurden von einem Ami-Pärchen zum Frühstück zu sich nach Hause eingeladen. Morgens um 2 Uhr. Etwas Angst verspürte ich schon, mit diesen fremden Leuten mit zu gehen. Aber ich ging dann einfach mit, um meine Erfahrungen zu sammeln. Alles verlief cool und nachdem wir gefrühstückt hatten verzogen sich die beidem Ami´s in ihr Schlafzimmer. Paul fragte ganz nett, ob ich hier schlafen möchte. Mir erschien es wir eine von im geplante, raffinierte Tour. Doch er war ganz okay und ich blieb dann über Nacht. Zwar war ich ganz schön naiv, zu der Zeit, wußte aber genau, was ich nicht wollte – und das war, mit einem Mann zu schlafen, obwohl ich neugierig darauf war, wie das wohl wäre. Ich stieg mit ihm ins Bett. Unangenehm war mir das schon und er erzählte mir ganz offen von seiner Vergangenheit, die Erfahrungen, die er in Männerbeziehungen hatte. Er beichtete mir, als 13-jähriger wäre er von einem Mann vergewaltigt worden und wäre seitdem schwul. Anscheinend hatte es ihm sogar gefallen. Als Paul mir dann einen Kuss gab, erklärte ich ihm klar und deutlich, dass ich Angst hätte und nichts ablaufen würde. Er war echt tolerant und fasste mich auch nicht an. Ein paar Tage später lud er mich zum Essen ein. Es war richtig teuer und er meinte, einmal im Monat bräuchte er das, sich bewirten zu lassen und gut zu essen. Da er selbst als Kellner in einer Pizzeria arbeitete, war dieser Wunsch von ihm irgendwie nachvollziehbar.

Im Amis, wie wir es abgekürzt nannten, machten mich die Typen nur so an. Die Kellner Horst, Paul wohnten gemeinsam mit Alfons, der der Besitzer des Clubs war, zusammen in einem großen Apartment. Besonders Horst, war ziemlich dreist und nahm nie ein Blatt vor den Mund. Und Schatz, höre ich ihn mit seiner Tuntensprache noch reden. Wann gehen wir .... ! Paul, der Stiefsohn von Alfons, meinte zu mir, komm, wir machen einen Termin aus und dann gehen wir ......., aber erzähle bloß dem Alfons nichts davon. Es kam aber nie dazu. Am Wochenende einmal sah ich ein tolles Mädchen, das super aussah. Sie hatte schwarze Klamotten und hochhackige Schuhe an. Die Haare hatte sie interessant nach oben gesteckt. Gut geschminkt war sie. Ich überlegte, wie ich in näheren Kontakt mit ihr kommen könnte. Öfter kam sie mit einem gutaussehenden farbigen Jungen, der sehr auf sein Äußeres bedacht und einen tollen Kleidungsstil hatte. Aber sie waren kein Paar, bemerkte ich bald. Eines abends im Amis schaute er mir intensiv von der Bar her in die Augen. Er kam einfach zu mir herüber und begann mit einem Gespräch. Zuvor hatte er die Anmachen mir gegenüber mitbekommen und meinte zu mir – er wolle mir zeigen, dass es nicht nur solche Homosexuelle geben würde. Lukas hieß er und lud mich zu sich nach Hause ein. Ich saß in seinem Zimmer, als das Mädchen, mit der er immer zusammen war und mir so gut gefiel, herein kam. Silvia hieß sie und war seine Schwester. Jedoch hatten sie zwei verschiedene Väter. Erst hatte ich sie gar nicht erkannt, als sie ins Zimmer herein kam und mich traf dann ein kleiner Schock. Ihre Haare trug sie heute, lang über ihre Schultern fallend, strähnig und außerdem noch eine Brille. Doch das störte mich nicht sonderlich, nur war ich eben sehr überrascht über die starke äußerliche Veränderung

Trotzdem war ich sehr angetan von ihrer Art und Weise wie sie sich benahm und redete. Doch zuerst sollte ich nun endlich meine Erfahrungen mit einem Jungen machen. Uns es war Lukas. Nie hätte ich gedacht, dass auch eine Beziehung mit einem Jungen so schön sein konnte, aber es war nicht meine Erfüllung. Oft musste ich mich, als wir spazieren gingen beherrschen, um nicht wie gewohnt bei einem Mädchen, die Hand zu ergreifen. Bei der damals noch vorherrschendem Gesellschaft, war Homosexualität nicht so offen, wie heute. Ein paar Mal fuhren wir nach Mannheim. Dort wollten wir in verschiedene Diskos tanzen gehen.

Wartend im Auto, geschah es dann mit Silvia, während die anderen am Wasserturm Geld von Passanten schnorrten. Wir küssten uns und sie meinte:“ Mensch Ben, jetzt ist es passiert !“ Das kuriose aber war, dass ich meine eigentlich kurze Beziehung mit Lukas noch nicht beendet hatte. Kurze Zeit ging ich, ungewollterweise und ohne böse Absichten, gleichzeitig mit beiden und als ich Lukas eines Tages einmal wieder antraf, beichtete ich ihm meine Situation und trennte mich von ihm. Er weinte fürchterlich. Ich tröstete ihn und erklärte ihm, dass ich mich gerne noch weiterhin mit ihm treffen möchte und dass meine Offenheit besser für ihn und mich wäre. Mit Silvia war ich jetzt fest zusammen. Mein Wunsch hat sich somit erfüllt, nur wußte ich nicht, dass dieser so zustande kommen würde. Auch die Beziehung mit Silvia war Anfangs schön. Nur hatte auch sie leider die Neigung, Tabletten und Alkohol zu konsumieren. Oft war sie frustriert und schlecht gelaunt. Nach einiger Zeit machte ich Schluss, da ich auch diese Beziehung, gerade nach der Sache mit Heike, nicht mehr ertragen konnte. Gerade auch noch an dem Tag, an dem sie beim Arzt war, der ihr erklärte, dass sie unfruchtbar wäre, machte ich Ende mit der Beziehung. Sie machte das natürlich total fertig und ich kam mir wie das Letzte vor. Abends kippte ihre Mutter zusammen mit ihr eine ganze Flasche Gin. Mir reichte der Stress allgemein aber auch. Danach hörte ich komischerweise, dass sie ein Baby bekommen hätte. Jetzt hatte ihr Leben einen Sinn bekommen und ich freute mich für sie.

Um zu relaxen, ging ich fast jeden Abend in das „Thing“ eine Studentenkneipe. In Kaiserslautern gab es zum Ausgehen fast keine Alternativen zu der Zeit. So begab man sich in das berühmt berüchtigte „Dreieck“, wo man sich traf. Dreieck deshalb, weil die Kneipe „Glockeneck“ (Name geändert), „Smile“ und „Thing“ in einer Art Dreieck ziemlich zusammen lagen. Man konnte also von einer Kneipe zur anderen pendeln und Leute suchen, die irgendwelche Drogen hatten, denn am Dreieck war die Drogenszene vor Ort. Soweit ich noch weiß, lief außer Heroin und Kokain alles und die Umgebung wurde von der Polizei täglich observiert. Die Drogenleute hatten sowieso nur Geld für Haschisch oder LSD. Sehr viele amerikanische Soldaten, standen wartend auf die Dealer auf der Strasse und das Geschäft blühte. Mit Punker Kalle war ich sehr oft unterwegs.


Punker Kalle

Sie nannten ihn so, weil er einer der ersten Punker in Kaiserslautern (außer Ronnie H.) war. Seitdem veränderte ich mein Aussehen und kleidete mich dementsprechend, schon alleine um die Leute zu schocken. Die Revolte gegen die Masse machte sich nun auch in meiner Musik bemerkbar und Kalle und ich probten oft in den Kellerräumen zuhause bei mir, die als Zimmer für uns eingerichtet waren. Oft kam meine Mutter verärgert die Tür herein und bat uns, leiser zu musizieren. Mit dem Hereintreten in den Raum kam es mir immer vor, wie ein Hereinplatzen und kann meine Mutter heute wirklich sehr gut für ihre Reaktion damals verstehen, weil wir wirklich sehr laut waren. Mir gefiel es unwahrscheinlich, wie dumm und intolerant manchmal Menschen drein schauen konnten, wenn sie etwas unbekanntes auf der Straße entdeckten, was nach deren Meinung eigentlich nicht in ihre Welt gehörte, oder paßte.

Durch Punker Kalle nahm ich meinen ersten LSD-Trip. Darauf folgten mehrere. Das Thing war eine totale Freak-Kneipe, gemütlich und rustikal mit Holz ausgeschlagen eingerichtet. Man fühlte sich wohl bei Gesprächen mit Freunde und einem Glas Bier. Kalle und dessen Freund Jürgen Jung saßen im Thing, als ich einmal abends um ca. 20 Uhr vorbeischaute. Sie schauten mich an und Kalle meinte: „ Mensch Ben, wir haben etwas ganz tolles entdeckt, was dermaßen in den Kopf reinhaut. Im ersten Moment wußte ich nicht was ich sagen sollte und fragte dann daher, was es denn sei ? Kalle meinte, Nissutibor DM Family Size (Name geändert). Ein amerikanischer Hustensaft, der eine Morphinbase enthielt. Man brauchte „nur“ eine halbe Flasche zu leeren und würde auf einen wahnsinnigen Trip kommen. Ich probierte dann später erst mal eine drittel Flasche und musste mich übelst übergeben. Man schmeckte beim Trinken regelrecht die Chemie, die darin enthalten war. Der Geschmack war einer der schlimmsten, den ich jemals kannte. Nachdem ich nicht lassen konnte und ihn ein zweites Mal ausprobierte, haute das Zeug rein wie ein Hammer. Fortwährend meinte ich, ich müsste draußen an den Zäunen oder die Wände hoch klettern. Das Zeug betäubte extrem, welches das darin enthaltene Morphin erzeugte. Es machte den Körper richtig taub. Ohne weiteres hätte man mir einen Arm abhacken können, gemerkt hätte ich wahrscheinlich gar nichts. Der Hustensaft wurde legal von den Amerikaner in deren Supermärkte zu Kauf angeboten. Wir besorgten ihn durch Soldaten, die ihn für uns kauften, da es für Deutsche verboten war, in steuerfreien, amerikanischen Läden einzukaufen.

Hier ein kleiner Bericht vom 06. April 1981, den ich damals über diesen Hustensaft schrieb:

Nissutibor ! Flüssigkeit des Satans ?

Hektik, Stress, Aggressivität, Gedanken ? Nur eins ! Sprung ins Auto – überladen -. Ampel rot – überfahren. Am Ziel angekommen – Einer springt heraus, haut einen an, der winkt ab, - schwitzen – Herzklopfen – der nächste kommt, es klappt, er kommt zurück und setzt sich rein. Freude, Jubel und Gelächter. Nun kommt das lange warten, das sich rauszieht, wie das Warten auf dem Arbeitsamt. Doch es dauert nicht lange, da kommt er langsam daher – gierige Blicke entgegen-schmetternd – hoffend – Ein greller Freudenschrei aufkommend – „JA“, es ist Familien-Grösse. Allen lehnen sich entspannt zurück, schnaufen erleichtert, schwitzen und Herzklopfen hören auf. Überreicht, bezahlt, gestartet, da kommt die Polizei – Angst ? Nein – losgefahr´n. Angekommen im Raum. Niemand hält es mehr aus. Jeder einzelne braucht das traumerfüllende Chemiewasser. Ein Glas in der Hand, halb voll, die anderen etwas mehr, es reicht nicht mehr. Nahe am Kotzen, du trinkst Chemie, du würgst, es kommt dir wieder hoch, aber es muss runter, schnell, man muss so oft schlucken, gleich, jetzt ist es drunten; du krümmst dich vor Ekel, stößt auf, schell etwas hinterher. Jetzt geht´s wieder. Ein Glück es ist unten. Alle lachen und schreien „Nissutibor“ ! Warten muss t du nur eine halbe Stunde – dann – fängt – es – an ! Und zwar wirst du zuerst müde, nur für kurze Zeit, dann kommt die „Action“, darfst nicht schlapp machen, das ist gefährlich, nur Bewegungen, dann kommt das „Feeling“. Du kommst auf abnorme Gedanken, alles im Körper prickelt wie Sekt in den Adern. Du willst die Wand hinauf. Du willst irgendwie in die Höhe ! Fängst an zu stottern. Hast keine Kontrolle über deine Nervenstränge, weil sich alles verkrampft. Du meinst du hast den totalen Weltendurchblick, das führt in die Irre, dein Hirn spielt nicht mehr mit. Du siehst Nebelschwaden links und rechts an Dir vorbeiziehen.

Du fühlst Dich wohl. Dein Körper ist taub. Machst Dinge, die du nie machen würdest. Fratzen, Geräusche, abnormes, unverständliches Gerede. Das bleibt später auch in normalem Zustand. Sie tanzen – gehst hin – tanzt mit – verfügst bald nicht mehr über deinen eigenen Körper. Er tanzt beinahe wie von selbst. Aber gut – nicht normal – anders als sonst – sonst tanzt es sich steifer. Nur beim Gehen meinst du, dass du von tausend Augen beobachtet wirst, dass jeder Fußtritt gleich zum Stürzen kommen wird, aber es geht trotzdem, du schwankst „nur“. Da sitzt du nun, den Kopf vollgepanscht mit Chemie, greifst nach einem Glas Limo. Der Greifweg zum Glas erscheint dir meterlang. Manches siehst du einfach nicht. Zum Beispiel, halbhoch in Ecken stehende Gläser – Du schmeißt sie um. Da ist ein Mädchen – Du machst sie an – sagst – ej, weißte was, du gefällst mir – und sie erwidert – komm Mann, dann gehen wir .... ! Du gehst nicht mit ihr, weil es dir peinlich und zu doof vorkommt. Doch siehe da, da tanzt ein Mädchen alleine auf der Tanzfläche. Du gehst langsam vor allen Leuten zu ihr hin, stellst dich lässig vor sie, wie ein Macho, schaust sie überheblich und hochnäsig von oben herab an und sagst einfach nur „geil“.

Sie haut dir keine rein, womit du eigentlich gerechnet hattest. Sie lächelt dich sogar noch an und meint, vergiss nicht, später noch einmal zu kommen. Verdutzt und überrascht über den Erfolg der Anmache, verlässt du wieder die Tanzfläche und setzt dich auf deinen Platz. Damit haste nicht gerechnet. Anschmiegsamkeit ist gewöhnlich, innere Zuneigungen werden nicht eingepfercht, sie werden manchmal positiv zur Geltung gebracht. Du magst jeden, obwohl es in manchen Fällen gar nicht stimmt. Du bestehst auf Frieden. Möchtest Dich mit jedem verstehen, willst keinen Ärger. Trotzdem – Dieses Zeug ist ein einzig großer Scharlatan. Er verarscht und täuscht dich von hinten bis vorne – Täuscher sollte man ihn nennen – oder besser wäre – Vernichtet endlich die Formel !!!


Teil unserer “Thing” Clique

7. Rumpelkammer Und Besetzte Häuser

Kalle und ich gingen nun sehr oft in einen kleinen Tanzclub, genannt „Rumpelkammer“. Ein halb verfallener Laden in einem kleinen Haus, das schon oft abgerissen werden sollte, da es sich in dem geplanten zu sanierenden Altstadtgelände befand. Zu dieser Zeit hatte die Stadt Kaiserslautern nicht viele Auftrittsalternativen für Musiker und beabsichtigte, das Waschbrett, worin sich unser ehemaliger Proberaum „Cage“ befand abzureißen. Viele Leute demonstrierten gegen den Abriss und die Stadt gewann.

Stattdessen errichteten sie in der Altstadt ein neues Jugendzentrum in der S. Strasse, worin man auch Musikauftrittsmöglichkeiten hatte. Es hieß, es würde ein weiteres Jugendzentrum in der in Konkurs geratenen Spinnerei eingerichtet werden. So kam es später auch. Die Rumpelkammer, die schon mehrmals negativ von sich reden machte und bekannt für die Drogenszene war, war für Kalle, mich und andere ein wahres Abdröhnparadies. In Punker-Klamotten tanzten wir wie besessen. Ohne irgendwelche unangebrachten Hemmungen. Alles war so locker und die Musik war erstklassig. Wir schwebten nur so herum auf unserem Hustensaft. Die Altstadt wurde also saniert. Das hieß, die eigentlichen alten Häuser wurden zu größten Teil abgerissen. Dafür wurden auf alt getrimmte neue Häuser hingestellt. Mittlerweile waren schon etwas mehr Punks in KL unterwegs. Wie aus dem Nichts entsprungen. Kalle kannte einen von denen, der eines abends kam und Kalle und mich fragte, ob wir mit in ein besetztes Haus gehen wollten. Vor dem besetzten Haus stand ein baggerähnliches Gerät, dass wahrscheinlich für den Abriss am darauffolgenden Tag bereit stand. Dieser Bagger wurde erst mal so richtig maltretiert, so dass er am nächsten Tag zu hundert Prozent betriebsuntauglich war.


Bernd & Kalle

Im besetzten Haus saßen wir oft zusammen, unterhielten uns und sprühten die Wände mit irgendwelchen ollen, nichtssagenden Sprüchen an. An einem Abend fanden wir an der Außenwand des besetzten Hauses ein riesiges Loch vor, das die Arbeiter sicherlich aus Ärger des zerstörten Baggers eingebrochen hatten. Das war deren Rache. Kalle und ich waren mal wieder extrem auf Hustensaft und er lernte in der Rumpelkammer ein nettes Mädchen kennen. Sie hieß Bärbel, die mit ihrer Freundin Petra da war. Wir stimmten so aus Spaß ab, wer zu wem passen würde. Kurz danach wurde Bärbel die Freundin von Kalle. Mir war Bärbel schon zuvor im Thing aufgefallen und kann mich noch gut erinnern, als ich ihr einmal sagte, sie käme mir vor wie ein kleines Mädchen aus dem Märchenwald.

So erschien sie mir einfach immer. So zart und unschuldig erschien sie mir. Nie hätte ich gedacht sie anzufassen, so zerbrechlich sah sie aus.


Bärbel

Kalle litt später sehr, als es kriselte und die Beziehung zerbrach. Er wollte sich sogar umbringen. Sein Cousin rief dann in der Nervenklinik Landeck an und Kalle wurde abgeholt. Bei der erstbesten Gelegenheit flüchtete er zurück nach KL. Wir gingen oft auf viele Punk-Konzerte wie z.B. die UK-Subs aus England, die in Heidelberg spielten. Aber wir gaben selbst auch einige Konzerte wie z.B. im „Flash“, oder im „Kuckuksnest“. Unsere Gruppe hieß Z CAR M. Mein Bruder Felix spielte Schlagzeug, Kalle sang und ich spielte die 3-stufigen Keyboards.

Einmal ging ich alleine auf ein Punk-Konzert in Kaiserlautern. Gerade hatte ich mir nagelneue Turnschuhe gekauft. Alle tanzten den Pogo vor der Bühne und ich mittendrin. Es kam zu Raufereien und Anrempelungen, so dass plötzlich ein unbeholfener Tänzer zu Boden kam. Danach stürzten viele direkt auf den am Boden liegenden. Der, der am Boden lag, war ich und als sich der Tumult auflöste, musste ich ärgerlich feststellen, dass die Farbe meine neuen Turnschuhe nicht mehr weiß, sonder schwarz waren. Total verärgert verließ ich die Halle und ging seitdem nur ungern zu Konzerten zum mittanzen. Wir fanden später noch ein anderes besetztes Haus in der Nähe der Rumpelkammer. Da war es super. Kalle und ich waren fast jeden Tag auf Hustensaft, der wahnsinnig ins Blut ging. Oft träumte Kalle von einer eigenen Gesangsanlage, denn die fehlte uns. Als wir wieder einmal bedröhnt waren, kam ich auf die total blödsinnige Idee, dass ja im Bösken, dem Proberaum, wo Markus noch mit Bourbon spielte, eine Gesangsanlage stehen würde und vermittelte so den Eindruck, diese einfach heraus zu holen. In wirklich jugendlichem Leichtsinn und Dummheit begaben wir uns dann irgendwie in den abgeschlossenen Raum und holten einfach die Gesangsanlage, die uns ja nicht gehörte, in einer Nacht und Nebelaktion heraus. Am nächsten Tag, mit klarem Kopf war es mir dann so dermaßen peinlich, so dass ich Markus unseren Diebstahl beichtete und ihm sofort die Anlage wieder zurück gab. Was konnte man nur mit diesem Saft anrichten, wurde mir damit bewußt.

Wir gingen eines abends von der Rumpelkammer hinüber in das besetzte Haus, wo wir viele Leute antrafen. Kalle, der wirklich Stadtbekannt war, kannte einige unter ihnen. An Kalle war ein echtes Schauspielertalent verloren gegangen, so gut konnte er Geschichten erzählen und Menschen auf seine eigene komische Weise unterhalten. Es war schade, dass er nie in dieser Richtung etwas unternahm. Er präsentierte sich vor der Menge und spielte ihnen regelrecht sein eigenes Theater vor. Alle genossen dieses Schauspiel und bogen sich nur so vor lachen. Leider kamen ab und zu auch richtig asoziale Leute in die Rumpelkammer, was uns gar nicht gefiel und es herrschte eine spürbar gedrückte Stimmung. Die Junkies spritzten sich ihre Drogen unten in den Toiletten. Eines Tages, urplötzlich, ohne Gründe, verweigerte der Besitzer der Rumpelkammer ausgerechnet mir den Eintritt. Warum weiß ich bis heute nicht. Als ich Kalle davon unterrichtete, ging er zielstrebig zum Besitzer und beschwerte sich, legte ein gutes Wort für mich ein, obwohl ich ja nie etwas verbrochen hatte. Dann war die Sache geklärt und die Party ging weiter. An einem Abend waren wir wieder einmal auf dem Weg in die Rumpelkammer, den Kopf bereits mit Substanzen gefüllt, unterwegs mit meinem alten R 4. Kurz vor der Rumpelkammer befand sich eine Polizei-Station und direkt vor dieser wurden wir überraschend und grundlos von der Polizei angehalten und an die Wand gestellt. Mit gezogenen Waffen verlangte überraschend und grundlos von der Polizei angehalten und an die Wand gestellt. Mit gezogenen Waffen verlangte die Polizei, die in Zivil war unsere Personalien, die wir bereitwillig übergaben. Kalle regte sich wahnsinnig auf, dass ohne ersichtlichen Grund scharfe Waffen auf uns gerichtet wurden. Ich selbst war mir keiner Schuld bewußt, die diese Situation hätte zustande bringen können. Nachdem die Personalien überprüft wurden, entschuldigten sich die Polizisten und wünschten uns noch einen schönen Abend. Sie hatten uns aus irgend einem Grund mit einem Bankraub in Verbindung gebracht und es wäre ein Versehen gewesen, hieß es. Unbeeindruckt, aber doch ärgerlich überden Zeitverlust, fuhren wir zum Tanzen in die Rumpelkammer.

In Zirkel Des Lebens

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