Читать книгу Die Gründer der Stadt - Bernhard von Muecklich - Страница 5

Prolog

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Grelle Blitze durchzuckten vielädrig die Atmosphäre, die an jenem schwülheißen Sommernachmittag in grünlich gelber Unwirklichkeit über dem Land lastete.

Das anfangs aus der Ferne vernehmbare, den Blitzen folgende dumpfe Grollen des Donners schwoll immer stärker an, bis es sich in schneller Abfolge mit ohrenbetäubendem Krachen über dem auf wandlosen Pfosten stehenden und nur mit einem einfachen Ziegeldach geschützten Heiligtum entlud, welches in einem lichten, einsam gelegenen Eichenhain errichtet worden war.

In atemloser Spannung verfolgten drei Männer, die sich ihre goldbestickten, purpurfarbenen Mäntel zum Zeichen ihrer ehrfürchtigen Andacht über den Kopf bis tief ins Gesicht gezogen hatten, das Geschehen am Altar, auf dem der immer noch zuckende Körper eines soeben geschlachteten Schafes lag.

Etwas erhöht hinter dem schlichten Opferstein standen eine Frau und ein weiterer Mann, deren lange, fließende, aus feiner weißer Wolle gewebte Gewänder erkennen ließen, dass sie dem Priesterstande angehörten.

Mit geübten Handgriffen entnahm der Priester die Leber aus dem geöffneten Leib des Tieres und legte sie vorsichtig in eine flache, goldene Schale, welche er dann auf einem bronzenen Dreifuß abstellte, der zwischen dem Altar und den drei vermummten Männern stand.

Gemeinsam mit der Priesterin betrachtete er eingehend das dampfende Organ, welches er wenig später mit einem schmalen scharfen Messer der Länge nach halbierte, um nun auch das Innere auf das Genaueste zu untersuchen.

Als sie beide damit fertig waren, verständigten sie sich stumm mit einem unmerklichen Kopfnicken, worauf der Priester die Leber wieder in den Kadaver zurücklegte und denselben sodann mit Öl und Wein übergoss, während er ein kurzes, leises Gebet dazu sprach. Schließlich ergriff er seinen bislang an dem Altar lehnenden, aus poliertem Eichenholz gefertigten Amtsstab, welcher an der Spitze von einem in Gold gefassten Bernstein geschmückt wurde, und stellte sich wieder neben die vor dem Dreifuß harrende Priesterin.

Reglos und in schweigender Erwartung hielten sie nun alle ihre Blicke auf den Altar gerichtet, während draußen das Gewitter seinem infernalischen Höhepunkt entgegentobte.

Plötzlich fuhr mit einem kreischenden Fauchen und begleitet von einem markerschütternden Donnerschlag ein Blitz durch die über dem Altar befindliche Dachöffnung herab und verschmorte in einem Augenblick das Fleisch des Opfertieres zu einer schwärzlich amorphen Masse.

Gleichzeitig öffnete der Himmel seine Schleusen, und eine schwere, großtropfige Regenflut prasselte befreiend in dichten Schwaden auf die seit vielen Tagen von der Sonne verbrannte Erde hernieder.

Jetzt wandten sich die Priesterin und ihr Amtskollege zu den drei Männern um, die sie mit angstvoll geweiteten Augen anstarrten.

Die schlanke, etwa vierzig Jahre alte Frau, deren weiche, in herber Schönheit erstrahlenden Gesichtszüge von ihrem lockigen, blauschwarzen, von grauen Strähnen durchzogenen Haar, welches sie über der Stirn gescheitelt und um den Hinterkopf zu mehreren schulterlangen Zöpfen gebändigt hatte, umrahmt wurde, schloss die von langen Wimpern umsäumten Lider und begann mit ihrer warmen Altstimme in seltsam entrückter Weise zu sprechen.

»Ihr hohen Lukomonen, die ihr aus Tarchnal, Chaisrie und Velchal zu diesem geheiligten Ort gekommen seid, um die Götter über die Zukunft der Rasna zu befragen, vernehmt nun also durch meinen Mund, welches unabwendbare Schicksal die Unsterblichen unserem Volke zugedacht haben.

In all seiner Macht und Herrlichkeit hat sich Velthune, Vater und zugleich Mutter der Götter und Menschen, gerade vor uns offenbart, und dies ist sein Wille!« Sie hielt inne und fuhr dann in einem verklärten Singsang weiter fort. »Von jetzt an gezählt, werden den Rasna acht Zeitalter gewährt, in welchen sie ihre Herrschaft über das Land ausdehnen, neue Städte gründen und es zu großem Ansehen und Wohlstand bringen werden. Das jeweils neue Zeitalter beginnt immer dann, wenn der letzte Rasna, der in dem vorangegangenen geboren wurde, gestorben sein wird.

Mit dem Ablauf des letzten Zeitalters aber wird das Volk der Rasna verlöschen wie eine Fackel im Sturm. Die eigenen Kinder werden sich dann nämlich gegen ihre Eltern erheben und sie mit Krieg überziehen! Das reine Blut der Rasna wird vergossen werden, und ihre Städte werden veröden. Ihre Sprache wird nicht mehr gesprochen werden, und ihre Lebensart wird dem Vergessen anheim fallen. Nur ihre stummen Gräber werden dereinst daran erinnern, dass es die Rasna überhaupt einmal gab.«

Nach diesen dunklen Worten stöhnte sie auf und brach ohnmächtig zusammen.

Namenloses Entsetzen war jetzt in den während dieser Prophezeiung aschgrau gewordenen Gesichtern der drei Lukomonen zu lesen, und nur der weißhaarige Priester schien von all dem unberührt geblieben zu sein, denn er stand, sich an seinem Stab stützend, emotionslos da und schaute in die Ferne.

Mit einem Male jedoch kam wieder Leben in ihn, und er schritt, ihnen den Rücken kehrend, wortlos zum Altar zurück, vor dem er, den triefenden Regen nicht achtend, mit über seiner Brust verschränkten Armen hoch aufgerichtet stehen blieb.

»Geht jetzt und kündet eurem Volk den Willen der Götter«, befahl er, ohne sich noch einmal zu ihnen umzudrehen. »Von nun an sollt ihr euch jedes Jahr zu dieser Zeit hier versammeln und euch einen aus eurer Mitte zu eurem Oberhaupt erwählen. Für ein Jahr wird dieser Mann dann den Titel eines Mechel-Rasnal führen, und er wird sowohl Herrscher als auch Priester sein. Zum Andenken daran, dass alles vergänglich ist und ihr als einziges Volk auf dieser Welt um euer Schicksal wisst, sollt ihr in diesen Tagen festliche Spiele abhalten und euch ausgelassen eurer Lebensfreude hingeben. Wenn die Feiern vorbei sind, schlagt einen Nagel in die Torpfosten dieses Heiligtums, welches ihr in eurer Dankbarkeit den Göttern gegenüber an dieser Stelle mit großer Pracht neu errichten werdet. Die Nägel aber werden euch und eure Nachfahren immer daran erinnern, wie viel Zeit unserem Volke bis zu seinem Ende noch bleibt.«

Darauf hüllte er sich wieder in Schweigen und versank gänzlich in seiner Meditation.

Noch eine geraume Weile verharrten die drei Männer wie in Trance, und nur das leichte Plätschern des verebbenden Regens und das leise Grummeln des abziehenden Gewitters war um sie herum zu hören.

Dann riss auf einmal die Wolkendecke auf, und die rotgoldenen Strahlen der Abendsonne fielen durch die Dachöffnung über dem Altar, brachen sich in dem großen Bernstein am Stabe des Priesters und tauchten den Raum in ein warmes, überirdisches Licht.

In diesem Moment erwachte auch die hehre Priesterin aus ihrer Ohnmacht.

Sie erhob sich und schritt mit einem ätherischen Lächeln auf die drei Fürsten zu.

Nacheinander berührte sie mit einer sanften, segnenden Geste deren Stirn, worauf die lähmende Lethargie sogleich von ihnen wich und sie förmlich spüren konnten, wie neuer Lebensmut kraftvoll durch ihre Adern zu pulsieren begann.

Dankbar beugten sie ihre Knie vor der Frau und verließen dann ehrerbietig rückwärts gehend das Geviert des Heiligtums, um sich nun, derart beseelt und erquickt, auf den Weg zurück in ihre Städte zu machen.

Noch lange schaute die Priesterin ihnen hinterher, und kurz bevor die sich vor der untergehenden Sonne schattenhaft abhebenden Gestalten der drei Männer endgültig hinter den Hügeln entschwunden waren, hob sie noch einmal die Arme gen Himmel und flehte den Segen der Götter für sie und ihr Volk herab.

Die Gründer der Stadt

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