Читать книгу Die Nomaden der Meere - Bernhard von Muecklich - Страница 8
Kapitel 3
ОглавлениеTarkun blieb noch eine ganze Weile auf der Mole stehen und sah den drei Sherdanu-Schiffen nach, die vorhin, mit Fürst Arsili und seiner persönlichen Begleitung an Bord, abgelegt hatten. Die Sheklu waren etwas früher abgefahren und würden jetzt wohl schon das offene Meer erreicht haben.
Man hatte sich mit Triskes und Lunus dahingehend verständigt, dass der erste Schiffsverband, den die Rasunna entsenden würden, im Heimathafen der Sherdanu einen Zwischenhalt einlegen und dann vereint mit der Flotte ihrer neuen Verbündeten weiter nach Chatti segeln sollte, um dort den neuen Stützpunkt zu errichten.
Truns und die anderen, die Arsili gemeinsam mit ihm verabschiedet hatten, waren schon gegangen, doch da ihm der in der vergangenen Nacht zu reichlich getrunkene Wein immer noch arge Kopfschmerzen bereitete, wollte er noch eine Weile die frische, salzige Meeresluft genießen, die eine stete Brise von der gerade einsetzenden Flut den Fluss hinaufwehte.
Wie alles gekommen war! Seit gestern Abend besaßen die Rasunna nicht nur einen schriftlichen Bündnisvertrag mit den Chatti, sondern unglaublicherweise auch noch mit den Tjekern, Sheklu und Sherdanu!
War es die Hoffnung auf das Gold Khemets, was sie mit einem Male zu Bundesgenossen hatte werden lassen? Nach all dem Leid, das diese Völker sich in der langen Vergangenheit gegenseitig immer wieder zugefügt hatten, all den verbrannten Städten und geschändeten Frauen, erschien Tarkun dies wie ein Wunder.
Nun, es würde in der nahen Zukunft wieder Brand und Mord geben, nur dass diesmal das Volk von Khemet darunter zu leiden haben würde, welches schon sehr bald die gewaltige Macht der verbündeten Seevölker, wie sie sich offiziell seit ihrem gestern besiegelten Pakt stolz benannten, zu spüren bekommen würde.
Als Seevölker und Nomaden der Meere wurden sie schon von den längst untergegangenen Kefti abschätzig genannt, nun aber empfanden sie diese mit Verachtung behaftete Bezeichnung als Ehre, wenngleich es sicher noch einige Zeit brauchte, bis man sich gänzlich damit identifizieren würde.
Er musste an die freudig tumultartigen Szenen denken, die sich überall in der Stadt abgespielt hatten, als sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitete, dass die Rasunna nunmehr ein dauerhaftes Bündnis mit ihren ehemaligen Feinden geschlossen hatten, um einen gemeinsamen Feldzug gegen Khemet zu planen. Und obgleich sie schon die vorhergehende Nacht hindurch ausgelassen gefeiert hatten, wurde dieses Ereignis als willkommener Anlass genommen, mit dem einmal begonnenen festlichen Treiben einfach weiterzumachen.
Der Wein floss in Strömen, und die Leute verbrüderten sich allerorten mit den Besatzungsmitgliedern der elf vor der Pier auf Reede liegenden Schiffe, mit denen die Unterhändler der Chatti, Tjeker, Sheklu und Sherdanu am frühen Morgen des gestrigen Tages angereist waren. Seitdem Tar’eses fest in der Hand der Rasunna war, hatte noch nie ein Schiff dieser Völker freiwillig in diesem Hafen festgemacht, es sei denn, es wurde als Prise hierher gebracht.
Niemand hätte es sich je träumen lassen, ausgerechnet mit den verhassten Sheklu und Sherdanu irgendwann ein gemeinsames Freudenfest zu feiern, doch selbst Tarkun hatte in der vergangenen Nacht in weinseliger Stimmung Arm in Arm mit Lunus und Triskes alte, schmutzige Seemannslieder gesungen, um sich hernach mit ihnen unter Tränen ewige Freundschaft zu schwören.
Im Nachhinein konnte er es kaum fassen, dass er gestern mit demselben Mann, Triskes nämlich, dem er noch vor gar nicht allzu langer Zeit den erstgeborenen Sohn samt dessen Schiff und Besatzung auf den Grund des Meeres geschickt hatte, einträchtig zusammengesessen und unausgesetzt Brüderschaft getrunken hatte.
Tarkun fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
Den Menschen wohnte wirklich eine recht sonderbare Natur inne, dachte er, während er gleichzeitig beobachten konnte, dass auf den drei Schiffen, die wohl schon weit genug an den Wind gerudert worden waren, damit begonnen wurde, die Segel zu setzen.
Nicht zu verzeihender Liebe ratende Vernunft hatte diesen plötzlichen Frieden bewerkstelligt und alte, lebenslange Rachegelüste vergessen lassen, sondern ausschließlich die aus reiner Gier erwachsene und dazu auch noch ziemlich unsichere Hoffnung, sich irgendwann in geraubtem Gold und Edelsteinen baden zu können, die vom Blut vieler Unschuldiger besudelt waren.
Er schüttelte den Kopf.
Welch einem Wahnsinn war er nur erlegen!
Die Rasunna waren noch nie in irgendwelche kriegerischen Auseinandersetzungen mit Khemet verwickelt gewesen, dafür lag es auch viel zu weit entfernt. Anders ihre neuen Verbündeten, die immer wieder wie lästige Mücken in den Leib des Riesen am Hapi gestochen hatten, ohne dabei allerdings nennenswerte Erfolge erzielt zu haben. Deren Angriffe hatten sich bislang lediglich darauf beschränkt, gelegentlich eine schwach bewachte Handelsniederlassung Khemets im weit verzweigten Mündungsgebiet des Hapi zu überfallen oder ein unvorsichtiges Handelsschiff aufzubringen, welches sich ohne ausreichende Bewaffnung seiner Besatzung auf die offene See gewagt hatte.
Seine Mutter kam aus Khemet, und die hatte ihm nur Gutes über dieses fremde Land mit seiner alten und hoch entwickelten Kultur erzählt. Von seinem Vater hatte er erfahren, dass die Altvorderen der Rasunna, die damals noch in ihrer ursprünglichen Heimat an den Küsten des Nordmeeres gelebt hatten, einen regen Handel, vor allem mit dem nur dort vorkommenden Bernstein, mit Khemet betrieben hatten. Darüber hinaus hatten sich in jener Zeit nicht wenige Angehörige dieser beiden Völker in Liebe verbunden, denn in den langen Listen ihrer Ahnen, die von den meisten Familien seiner Landsleute, eingeschlossen seiner eigenen, seit Generationen sorgsam überliefert und schon begonnen wurden, bevor die große Flut sie aus ihrer angestammten Heimat vertrieben hatte, fanden sich immer wieder Namen von Männern und Frauen, die in Khemet geboren worden waren. Einer seiner Urahnen, Tarkon, Sohn des Lareth, hatte sogar eine Tochter des Per-hau von Khemet geheiratet. Sie hieß Hetepibes, und nach ihr wurden späterhin noch etliche weibliche Mitglieder seiner Familie benannt.
Heutzutage aber fuhren nur noch selten Schiffe der Rasunna nach Khemet, um dort, wie ihre Vorfahren, Handel zu treiben, nur dass die Ware, die sie anzubieten hatten, nicht mehr Bernstein war, sondern bedauernswerte schwarze Sklaven, die sie bei ihren ausgedehnten Raubzügen erbeuteten, die sie von Zeit zu Zeit in das Innere des südlich vor der Küste Tar’eses gelegenen Südlandes unternahmen.
Alles in allem gab es, nachträglich betrachtet, eigentlich gar keinen Anlass für sein Volk, sich an einem Kriegszug gegen Khemet zu beteiligen. Aber da es nun einmal beschlossene Sache war, galt es, das Beste daraus zu machen.
Die Segel der Sherdanu-Schiffe waren mittlerweile am Horizont verschwunden, und Tarkun machte sich auf den Weg, Truns und die verbliebenen Unterhändler der Tjeker zu treffen, um mit ihnen das weitere Vorgehen zu diesem aberwitzigen Plan zu besprechen.
Er fand sie alle wenig später, wie erwartet, im Hause Truns versammelt.
Als er den Raum betrat, kam er gerade recht, um Zeuge einer heftigen und wortstarken Auseinandersetzung zwischen Truns und Ajas zu werden.
Er setzte sich neben Gaelath, der, ebenso wie Triskes und Lunus, die offensichtlich schon etwas länger anhaltende und ziemlich scharf geführter Diskussion mit angespannter Miene verfolgte.
»Nett, dass du doch noch den Weg zu uns gefunden hast, mein Freund!«, wandte sich Truns, den sich gerade in einem gestenreichen Wortschwall ergehenden Ajas barsch unterbrechend, in kampfeslustiger Stimmung an ihn. »Dieser maßlose Tjeker hier verlangt von uns, dass wir ihn und noch einige andere Stammesführer seines Volkes zunächst bei der Eroberung dieses unseligen Wilusa, wo immer das sein mag, unterstützen sollen, bevor diese feinen Herren sich bequemen würden, mit uns gen Khemet zu ziehen! Was sagst du dazu?«
Tarkun erinnerte sich schwach daran, dass Ajas ihm gestern eine anrührende Geschichte erzählt hatte, in welcher er erklärt hatte, weshalb die Fürsten der Tjeker so sehr daran interessiert waren, Wilusa in ihre Gewalt zu bekommen. Da ging es wohl um einen der Söhne des Königs dieser reichen Stadt, der den Besuch bei einem mit Ajas eng befreundeten Edlen zum Anlass genommen hatte, dessen wunderschöne Frau zu entführen. Das lag wohl schon einige Jahre zurück, und seitdem belagerten die Tjeker Wilusa und rannten unausgesetzt gegen die hohen, dicken Mauern an, mit denen die Stadt ringsum geschützt war. Doch obwohl der Tod auf beiden Seiten reiche Ernte gehalten hatte und die Einwohner Wilusas obendrein zunehmend über Nahrungsmittelknappheit zu klagen hatten, war es den Tjekern bisher nicht gelungen, die Stadt einzunehmen.
Ajas hatte aber dabei immer wieder schwärmerisch von den immensen Reichtümern berichtet, die in den Schatzkammern Wilusas angehäuft waren, sodass Tarkun sich schließlich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass es den Tjekern in erster Linie nur darum ging, dieser Schätze habhaft zu werden, statt, wie Ajas stets treuherzig beteuert hatte, einen vor vielen Jahren verübten Frauenraub zu rächen.
Während Tarkun so über das Gespräch nachdenken musste, welches er mit Ajas in der vergangenen Nacht geführt hatte, fiel ihm ein, dass sein Vater ihn kurz vor seinem Tod einmal über die Hintergründe aufgeklärt hatte, die zum Falle des einst so mächtigen Keftu geführt hatten. Es war nämlich die brutale und räuberische Habgier der Tjeker gewesen, die unwiderruflich den restlosen Untergang dieser strahlenden Kultur besiegelt hatte.
Auf kurz oder lang, das wurde ihm dabei in aller Deutlichkeit bewusst, würden die Tjeker deshalb den Sieg über Wilusa davontragen. Die Rasunna hatten sich nun gestern mit den Tjekern verbündet, warum sollten sie sich also nicht jetzt schon an deren Kriegszug beteiligen, um so unter anderem in Erfahrung bringen zu können, wie man eine fest ummauerte Stadt erfolgreich zu belagern und sie letztendlich in seinen Besitz zu bringen hatte, was für die danach folgende Eroberung Khemets sicher von unschätzbarer Bedeutung sein würde.
»Ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was dagegen sprechen würde, wenn wir die Tjeker auf ihrem Feldzug begleiten«, antwortete Tarkun ruhig.
»Ich schon!«, herrschte Truns ihn zornig an. »Erstens haben wir uns nur mit ihnen verbündet, um Khemet zu bekriegen, und nicht, um irgendwelche Privatfehden für sie auszufechten! Zweitens scheinst du nicht mehr daran zu denken, dass wir einen Stützpunkt in Chatti zu errichten haben! Das heißt, dass wir mehrfach dieses verdammte Meer in seiner ganzen Länge zu durchqueren haben, bis wir all unsere Leute auf dem Fleckchen Erde versammelt haben, das uns die Chatti freundlicherweise abtreten werden. Sodann müssen wir einen Hafen bauen und Werften, damit wir die Schiffe auf Kiel legen können, die nötig sind, um diese Invasion in Angriff zu nehmen. Kurz gesagt: Wir haben keine Zeit, irgendwo zwischendurch auch noch ein wenig Krieg zu spielen!«
Tarkun, der seinen Freund während dessen Rede aufmerksam betrachtet hatte, ließ darauf seinen Blick zu Ajas wandern, der mit grimmiger Miene dasaß und irgendetwas vor sich hin murmelte.
Was Truns gesagt hatte, war vollkommen richtig, dennoch missfiel Tarkun die Art und Weise, mit der Truns ihn hier vor allen anderen zurechtgewiesen hatte. Auch verfluchte er insgeheim die Starrköpfigkeit des Polemarchen, der stur an seinem Vorhaben festhielt, zuerst Wilusa zu zerstören, bevor er und sein Volk sich an der Eroberung Khemets beteiligen würden. Das war insofern fatal, da das ganze stolze Vorhaben damit gefährdet war, denn in einem Punkt hatte Ajas vollkommen Recht: Ohne die im Landkampf ausgebildeten Truppen der Tjeker würde sich die Invasion nicht durchführen lassen!
Er bemerkte, dass alle Augen gespannt auf ihn gerichtet waren, und ihm wurde klar, dass seine nächsten Worte über den Bestand des gerade erst geschlossenen Bündnisses entscheiden würden.
»Ich bin derselben Meinung wie Truns«, begann er schließlich. »Aber«, fuhr er mit erhobener Stimme weiter fort, als sein Blick auf den empörten Gesichtsausdruck des Polemarchen fiel, »aber wiewohl ich nicht ganz einzusehen vermag, weshalb es Ajas so sehr daran gelegen ist, vorab Wilusa einzunehmen, eine einzelne Stadt also, deren Schätze sich, gemessen an denen, die wir uns in einem so reichen Land, wie es Khemet nun einmal ist, erobern werden, doch eher bedeutungslos ausnehmen, habe ich ihm dennoch gestern meine Waffenhilfe gegen Wilusa zugesagt.«
»Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, mein Freund«, wurde er von Truns jäh unterbrochen, der dazu bösartig auflachte. »Das Wort eines Betrunkenen zählt nicht in einer so wichtigen Angelegenheit! Und, glaube mir, Tarkun, du warst gestern sehr betrunken!«
»Ich habe mich deshalb entschlossen«, setzte er seine Rede unbeirrt fort, »euch folgenden Vorschlag zu unterbreiten. Uns allen ist wohl bewusst, dass wir uns, angesichts dieser ungeahnten Gelegenheit, die uns hier geboten wird, ein Auseinanderbrechen unseres Bündnisses nicht leisten können – und es auch nicht wollen! Um dies also zu verhindern und dabei trotzdem allen Beteiligten in dieser verzwickten Situation gerecht zu werden, schlage ich vor, dass unser Volk, gemeinsam mit den Sheklu und Sherdanu, unter der Führung Truns zu den Chatti fährt, um dort unseren Stützpunkt auszubauen und die Vorbereitungen für die geplante Invasion Khemets zu treffen. Ich selbst werde Ajas mit einer handverlesenen Schar Freiwilliger vor die Mauern Wilusas folgen, um dort zu erfahren, wie man befestigte Städte, die wir ja auch in Khemet reichlich vorfinden werden, zu belagern und einzunehmen hat.«
Für eine Weile herrschte nach diesen klaren Worten Stille im Raum, und alle bis auf Tarkun, der mit unbewegter Miene die Reaktion seiner Zuhörer erwartete, schauten sich mit einer Mischung aus Betretenheit und erstaunter Verblüfftheit an.
»Würde dich ... äh ... dieser Vorschlag zufrieden stellen?«, wandte sich Truns lauernd an den Tjeker.
Dieser warf einen kurzen, bewundernden Blick zu Tarkun hinüber und lehnte sich dann entspannt zurück. »Würde es!«, antwortete er knapp, wobei ein breites, zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
Alle atmeten daraufhin hörbar und befreit auf und begannen sowohl Ajas als auch einen nunmehr sehr erleichtert wirkenden Tarkun mit immer lauter werdenden Beifallsbekundungen hochleben zu lassen. Wein wurde herbeigeschafft und dann wurde kräftig auf den so letztlich doch noch geretteten Erhalt des Bündnisses und ein glückliches Gelingen all ihrer zukünftigen Unternehmungen angestoßen.
Später dann, es war schon Abend geworden, konnte Truns Tarkun zu einem gemeinsamen Spaziergang gewinnen, der sie, den Fluss entlang, in einen lichten Wald außerhalb der Stadt führte. Unter einer knorrigen alten Eiche ließen sie sich nieder und lauschten eine Weile schweigend dem Gezirpe der Grillen, welches die warme, würzige Luft von dem dichten Ried, das sich vor dem Wald an der Flussaue erstreckte, zu ihnen herübertrug.
»Was du heute erreicht hast, mein Freund, ist schlichtweg bewundernswert!«, eröffnete Truns schließlich behutsam die Unterhaltung. »Wenn du nicht diesen genialen Einfall gehabt hättest, wäre das schöne Abenteuer Khemet schon in seinem Ansatz zum Scheitern verurteilt gewesen.«
»Vielen herzlichen Dank! Das habe ich heute schon oft genug zu hören bekommen«, wehrte Tarkun lachend das Lob ab. »Aber mal ernsthaft! Die Wahrheit ist, dass es mir für die Zukunft unseres Volkes wirklich nicht ganz unwichtig erscheint, wenn wir uns ein wenig mehr von den Taktiken zu Eigen machen würden, deren sich eine vorwiegend auf dem Lande kämpfende Streitmacht, wie etwa die der Tjeker, bedient, um gegen einen Feind, selbst wenn er sich hinter hohen Mauern verschanzt, erfolgreich vorzugehen.«
»Da stimme ich dir voll und ganz zu!«, pflichtete ihm Truns unumwunden bei. »Aber ich bin vielleicht zu sehr mit dem Meer verhaftet, als dass ich mir bislang darüber Gedanken gemacht hätte. Und es ist immer noch so, dass ich lieber meiner Mannschaft, der See und meinem Schiff vertraue, wenn ich in den Kampf ziehe.«
»Du hast mich doch nicht hierher gelockt, um dich bei mir das zehnte Mal für meinen Verhandlungserfolg zu beglückwünschen oder mit mir die Vorteile des Seekriegs zu erörtern?«, fragte Tarkun misstrauisch.
Truns richtete sich ein wenig auf und schaute seinem Freund lange in die fragenden Augen, während er intensiv an einem Grashalm kaute.
»Nein«, entgegnete er dann leise. »Ich wollte mich bei dir für das große Vertrauen bedanken, mit welchem du mich geehrt hast, indem du mich für die Zeit, in der du vor Wilusa kämpfen wirst, mit der Führung deiner Ter’usu beauftragt hast.«
Tarkun schüttelte darauf nur leicht den Kopf und erwiderte lächelnd den offenen, geraden Blick seines Gegenübers.
»Wem, wenn nicht dir, könnte ich wohl das Schicksal meiner Leute sonst in die Hände legen?«, sagte er heiter. »Seit unserer Kindheit verbindet uns eine tiefe Freundschaft, mehr noch, wie Brüder stehen wir zusammen, was ja auch von vielen Fremden angenommen wird, wenn sie uns das erste Mal gemeinsam erleben. Und wie es zwischen Brüdern bisweilen vorkommt, haben wir uns schon so manches Mal herzlich gestritten, in unserer Jugend um Spielzeug und heute, wenn es um die Interessen unserer beiden Stämme geht. Aber ein ernstes Zerwürfnis zwischen uns hat es nie gegeben – und wird es auch nie geben. Auch haben wir immer alles brüderlich geteilt, Mädchen, Beute, eben all das, was uns das Leben bisher an Freuden und Sorgen beschert hat.
Also kannst du dich meinethalben dafür bedanken, dass es mir gelungen ist, den Erhalt des Bündnisses zu sichern, aber doch nicht für die Selbstverständlichkeit, dir meine Ter’usu anvertraut zu haben!«
Obwohl Truns genauso dachte und fühlte wie Tarkun, nahm er dessen schlichte Darstellung ihres Verhältnisses dennoch sichtlich bewegt auf. Die beiden Männer standen auf und umarmten sich innig. Dann trat Truns einen Schritt zurück, wobei er aber seine Hände noch auf Tarkuns Schultern ruhen ließ, und sah ihm fest in die Augen.
»Du hast ja Recht, mein Freund!«, brachte er mit rauer, brüchiger Stimme hervor. »Wäre ich in deiner Lage, würde ich ebenfalls nicht zögern, meine Pelthtim deiner Obhut zu unterstellen. Trotzdem ...«, dabei sickerten ihm einige Tränen über die Wangen, »trotzdem hat es mir gut getan, von dir einmal so deutlich zu hören, wie sehr du mich und unsere Freundschaft schätzt. Auch ich liebe dich wie einen Bruder, und ich verspreche dir, dass ich selbst aus der Anderswelt herbeieilen werde, um dir in Gefahr zur Seite zu stehen!«
Tarkun grinste ihn darauf mit einem schalkhaften Augenzwinkern an. »Wie? Du würdest dich wegen mir sogar aus den ranken Armen der wunderschönen Frauen reißen wollen, denen du dort in den himmlischen Gefilden des Sonnenlandes zweifellos ohne Hülle und in üppiger Fülle begegnen wirst? Das setzt im Übrigen voraus, dass du vor mir den Tod fändest, was ich wiederum, solange ich lebe, mit allen mir zu Gebote stehenden Kräften zu verhindern wüsste! Schon allein deswegen«, fügte er dann noch in einem weinerlichen Tonfall hinzu, »weil es für mich eine grauenhafte Vorstellung ist, mich, bis wir uns dereinst wiedersehen würden, allein vor meinen Becher zu hocken und mich auf dein Wohl zu betrinken!«
»Du bist ein elendes Schandmaul, Tarkun!«, fuhr Truns ihn in gespielter Entrüstung an. »Wenn ich dich so gotteslästerlich daherreden höre, fürchte ich, dass du nach deinem Ableben eher im wein- und frauenlosen Schattenreich schmachten wirst, statt es dir unter dem ewig blauen Himmel der goldenen Welt mit mir gemütlich zu machen!«
»Da du gerade von Gemütlichkeit sprichst, in deinem Haus harren unsere neuen Bundesgenossen wahrscheinlich schon ungeduldig unserer baldigen Rückkehr entgegen, da sie sich vermutlich, genau wie ich, nach einem deftigen Abendessen sehnen!«
»Du bist nicht nur ein Lästermaul, du bist dazu auch noch ein rechter Geizkragen!«, polterte Truns empört. »Es wäre doch nun eigentlich mal an dir, uns ein gutes Mahl in deinen vier Wänden zu bereiten!«
»Und du beweist gerade wieder einmal, wie wenig du mich kennst!«, versetzte ihm Tarkun fröhlich. »Ich sagte lediglich, dass unsere Gäste in deinem Hause warten, ich habe jedoch nicht gesagt, wo wir essen werden!«
So traten sie in bester Stimmung den Heimweg an.