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Cool, calm and collected

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Sie brauchten bis um vier am nächsten Nachmittag, bis sie endlich abdampften. Ich war natürlich unglaublich gereizt und ungeduldig, wartete seit den frühen Morgenstunden auf ihre Abreise, und ein paarmal wäre ich fast explodiert. Aber ich beherrschte mich und lächelte brav, während meine beiden Alten wie angesengte Rikscha-Chinesen durch die Gegend hoppelten. Ich begriff nicht, was sie eigentlich trieben, und wahrscheinlich wußten sie es selbst auch nicht so genau. Cammi blieb natürlich cool, nach dem Frühstück setzte sie sich in den Liegestuhl auf der Terrasse und dort blieb sie, bis der Aufbruch endlich kurz bevorstand.

„Okay, dann fahren wir jetzt“, ächzte mein Vater zu guter Letzt. „Ruf an, wenn was sein sollte.“

Dann quetschte er sich selbst und seinen Bauch hinters Lenkrad.

„Und vergiß nicht, den Herd abends auszumachen“, rief meine Mutter aus dem Auto. „Und denk daran, daß –“

Ihre Stimme wurde vom Automotor übertönt.

Und dann fuhren sie ab.

Der weiße Audi schaukelte die steile Auffahrt hinunter.

Ich sah, daß Cammi sich umdrehte und leicht die Hand hob. Das bedeutete bei ihr winken.

Unten an der Grundstücksgrenze hielt der Audi, und einen Augenblick lang befürchtete ich, sie hätten was vergessen, doch dann bog er auf die Straße hinaus und brummte davon.

Das Motorengeräusch erstarb, und bald hörte ich nichts als den Wind, das Vogelgezwitscher und kreischende Seevögel in der Ferne.

„I think I’m alone now“, dachte ich.

Und genau das war ich auch.

Ich war allein.

Und sofort wurde ich ganz ruhig. Die Ruhe breitete sich in mir aus wie Tinte im Wasser, sie durchströmte meinen ganzen Körper.

Ich war cool, calm and collected.

Und diesen Zustand erreichte ich sonst nie. Nicht einmal, wenn ich nur mit Cammi zusammen war, nicht einmal dann fühlte ich mich so richtig entspannt, sondern war die ganze Zeit auf der Hut, leicht nervös, daß ich etwas Falsches sagen könnte.

Wenn ich mit mehreren Leuten zusammen war, wurde es natürlich noch schlimmer, da fühlte ich mich fast immer unmöglich – unbeholfen, albern, abgelehnt und ausgeschlossen.

Ich entspannte mich, setzte mich gemütlich in mir selbst zurecht.

Manchmal bekam ich allerdings auch höllische Angstanfälle, wenn ich allein war. Dann fürchtete ich mich vor allem – vor mir selbst, vor allen meinen verrückten Ideen, ich bekam Angst vor Katastrophen, daß das Haus abbrennen würde oder daß ich einen Schlaganfall bekommen könnte. Mann, ich bin vielleicht ein schräger Typ, kein Mensch außer mir hat so eine weiche Birne, da bin ich sicher. Es würde mich kein bißchen wundern, wenn ich eines Tages in der Klapsmühle landete.

Eins stand wenigstens fest – wenn ich alleine war, konnte ich mich sowohl saugut als auch sauschlecht fühlen. Also brauchte ich ja nur dafür zu sorgen, daß ich mich jetzt ausschließlich saugut fühlte.

Ich blieb noch eine Viertelstunde neben der Garage sitzen, zur Sicherheit, um mich davon zu überzeugen, daß ich tatsächlich ganz allein war. Die ganze Viertelstunde lang befürchtete ich, daß der Audi zurückkommen könnte und meine Mutter mich zwingen würde, nach Schonen mitzukommen.

Natürlich ist sie halbtot vor Angst, daß mir was zustößt, und garantiert ruft sie an, kaum daß sie angekommen sind. Vielleicht sollte ich den Stecker rausziehen, dachte ich – einfach so, aus Bosheit. Dann würde sie außer sich geraten vor Panik und könnte nicht einschlafen. Allerdings bestand die Gefahr, daß sie statt dessen meinen Vater zwingen würde, mitten in der Nacht den ganzen Weg zurück zu fahren. Und das wäre ganz und gar nicht gut.

Ich stand auf und lief die Treppe zum Haus hinauf. Als ich ins Wohnzimmer kam, blieb ich stehen und lauschte.

Eine blauweiße Standuhr tickte in einer Ecke. Weit draußen in der Bucht waren Schiffe zu hören. Irgendwo heulte ein Automotor auf. Ein Kind lachte.

Ich ging die Treppe rauf und zog in das größere Schlafzimmer um. Holte meine Zigaretten aus der Umhängetasche.

Langsam ging ich die Treppe runter, Schritt für Schritt, und setzte mich in das große cremefarbene Ledersofa, das mitten im Zimmer stand. Ich zündete mir eine Zigarette an, schaute zu den offenen Terrassentüren hinaus und sah den heißen, blaßblauen Himmel und die Inseln hinten am Horizont.

Genau wie im Kino, dachte ich. Na ja, vielleicht nicht ganz so exotisch wie es dort meistens aussieht, aber doch annähernd.

I need a drink, dachte ich laut.

Mit der Fluppe im Mundwinkel ging ich in die Küche, mixte mir einen ‚Sicilian Flyer‘ und kehrte damit zum Sofa zurück. Gedankenverloren nippte ich an meinem Glas und rauchte.

Das stellte ich mir wenigstens so vor, und das genügte. Daß es in Wirklichkeit ein Glas Pepsi war, in dem eine Zitronenscheibe und ein paar Eiswürfel schwammen, spielte keine Rolle.

Michelle

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