Читать книгу Agenda 2020 - Was jetzt zu tun ist! - Bert Rürup - Страница 5
Was nicht getan werden sollte
ОглавлениеBelastbare Anzeichen für einen systemweiten Versorgungsengpass und eine Gefährdung der nationalen Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren sind jedoch bei nüchterner Betrachtung nicht ersichtlich. Vielmehr ist der deutsche Markt für Stromerzeugung nach wie vor durch deutliche Überkapazitäten gekennzeichnet. Regionale Versorgungsengpässe in Süddeutschland können am günstigsten durch den Ausbau der Übertragungsnetze und eine Umgestaltung der Netzentgelte (dazu auf den nächsten Seiten mehr) behoben werden, benötigen darüber hinaus aber keinen dauerhaften Kapazitätsmechanismus. Durch einen solchen würde das bisher relativ einfache Marktsystem stark verkomplizieren. Mögliche Designfehler könnten das Marktergebnis deutlich verzerren. Dem Lobbyismus würde das nächste Einfallstor geöffnet. Die Erfahrung absolut aller Kapazitätsmechanismen auf der gesamten Welt lehrt vor allem eines: Das Marktdesign ist nicht stabil, sondern wird in unterschiedlich kurzen Intervallen immer wieder verändert und angepasst. Die Vorstellung, heute ein langfristig stabiles Marktdesign zu entwerfen und zu implementieren, erscheint vor dem Hintergrund internationaler Erfahrungen doch etwas optimistisch.
Da der deutsche Strommarkt zudem noch immer durch deutliche Überkapazitäten gekennzeichnet ist, ist von einer Einführung eines Kapazitätsmarktes und damit einer fundamentalen Veränderung des bestehenden Energy-Only-Systems abzuraten. Eine heutige Änderung des Systems in Deutschland und eine abermalige Änderung auf europäischer Ebene, die bei einem Zusammenwachsen der Märkte notwendig wäre, würden erhebliche Unsicherheiten mit sich bringen. Wenn überhaupt, erscheint es ratsam, Kapazitätsmechanismen auf der Ebene der geografischen Marktabgrenzung einzuführen und somit oftmals supranational und nicht national.
Möglich sind jedoch einige leicht zu implementierende Maßnahmen, um sich gegen erzeugungsseitig bedingte Stromausfälle abzusichern. So könnten begrenzte strategische Kaltreserven gehalten werden, die im Falle einer extremen Knappheit genutzt werden könnten. So würden der Preismechanismus und die dadurch induzierten Investitionsanreize nicht durch diese außermarktliche Maßnahme geschwächt werden. Die Einführung eines Kapazitätsmechanismus hingegen führt zum Verschwinden der Preisspitzen im Großhandel und schafft so erst die Notwendigkeit, künstliche Anreize zum Kraftwerksbau zu notwendig zu machen.
Die Große Koalition hat sich darauf geeinigt, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu erhalten, in dem die Ausnahmeregeln der Besonderen Ausgleichsregelung prinzipiell beibehalten werden. Dies ist sinnvoll, da durch die Abschaffung der Ausnahmen von der EEG-Umlage diese kurzfristig höchstens um 1,5 Cent/kWh gesenkt werden und das auch nur, wenn es (a) keinerlei Ausnahmen mehr gäbe und (b) zugleich die stromintensiven Betriebe unverändert dieselben Produktionsmengen in Deutschland produzieren würden. Letzteres wäre im Fall einer Streichung der Ausnahmen jedoch sehr unrealistisch. Vielmehr wäre mit Produktionsverlagerungen und Schließungen zu rechnen, sodass letzten Endes die EEG-Umlage doch wieder auf die verbleibenden Stromverbraucher umgelegt werden müssten. Gleichwohl könnten die Ausnahmeregeln stärker als bisher an der internationalen Wettbewerbssituation der betroffenen Unternehmen festgemacht werden.