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Kapitel 4
Оглавление12. August. Tom’s Bar & Grill. Früher Abend.
„Hey, wirst du wohl die Finger davon lassen?“ Ever lachte und verpasste Peter einen Klaps auf die Hand. „Das sind meine! Warte auf deinen eigenen Teller.“
Peter grinste nur frech und steckte sich die Kartoffelecke, die er gerade von Evers Teller gestohlen hatte, genüsslich in den Mund. „Ich habe Hunger. Und von fremden Tellern schmeckt es sowieso besser.“
Ever wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Ben schon mit zwei weiteren Tellern aus der Küche kam. Er stellte sie auf dem Tisch ab und zog sich einen Stuhl vom Nebentisch heran. „Rückt mal ein bisschen, ich will hier auch noch hin!“
Die ganze Clique hatte sich an diesem Abend in Tom’s Bar & Grill versammelt: Ever und ihre beste Freundin Issy, deren jüngerer Bruder Peter, außerdem Charlotte, die früher als geplant von Phoenix zurückgekehrt war. Man hatte ihre Bewerbung am College von Flagstaff angenommen und so kam sie zurück nach Torch Creek, um sich darauf vorzubereiten. Und natürlich Ben. Bens Eltern gehörte der Grill und eigentlich hätte er heute Abend Dienst gehabt, aber sein Vater hatte ihm freigegeben und stand nun selbst hinter der Theke. Die Zeit der Highschool war vorüber – für alle außer Peter, der noch ein ganzes Jahr vor sich hatte – und es würde nicht mehr allzu viele Gelegenheiten für die Freunde geben, einen Abend gemeinsam zu verbringen. Auch, wenn die meisten nur das benachbarte College in Flagstaff besuchen wollten, ihre unterschiedlichen Kurse und Prüfungen würden sie im schon ersten Jahr reichlich auf Trab halten.
„Es ist genug für alle da“, grinste Ben, nachdem er sich gesetzt hatte und zog einen der Teller zu sich heran. „Dad sorgt für Nachschub.“
„Was für ein Glück. Ich verhungere.“ Peter schnappte sich den zweiten Teller und begann zu essen.
„Mein Gott, man könnte meinen, du hättest seit dem Frühstück nichts mehr gekriegt“, schnaubte Issy. „Ist ja nicht so, dass du heute Mittag zu Hause keine doppelte Portion Maccaroni verdrückt hättest.“
Peter zog die Augenbrauen hoch. „Ich wachse noch“, stellte er zwischen zwei Bissen nüchtern fest. „Ich brauche das.“
Ever grinste belustigt und prustete los; Issy, Ben und Charlotte stimmten nur wenige Augenblicke später in das Lachen mit ein.
Peter schaute verständnislos in die Runde. „Was?“, fragte er, eine Kartoffelecke im Mund.
„Du wächst höchstens noch in die Breite, wenn du so weitermachst“, kommentierte Charlotte trocken.
Peter ignorierte die Stichelei und ein paar Minuten lang aßen alle schweigend. Schließlich fragte Charlotte: „Und, habt ihr eure Kurse schon gewählt?“
„Klar“, antwortete Issy. „Ich weiß schon seit Monaten, was ich belegen will. Geschichte, Politik und Kunst.“
„Unsere Issy will Lehrerin werden“, ergänzte Ever mit einem schelmischen Seitenblick auf ihre Freundin.
„Also ich finde das klasse“, überlegte Ben laut. „Und später unterrichtest du dann unsere Kinder.“
Issy zog die Augenbrauen hoch. „Unsere Kinder? Wessen Kinder?“
Verwirrt sah Ben von seinem Teller hoch. „Na, unser aller Kinder halt. Was dachtest du denn?“
„Vorausgesetzt, wir alle bleiben unser Leben lang hier in Torch Creek“, bemerkte Ever wehmütig. In den letzten Monaten war so viel passiert. Ihr ganzes Leben hatte sich auf den Kopf gestellt – sie mochte gar nicht daran denken, wie es sein würde, wenn die Menschen, an denen ihr am meisten lag, die Stadt verlassen würden.
„Naja, die nächsten Jahre zumindest noch“, tröstete Issy Ever. Es entging ihr nur selten, wenn der Freundin etwas auf der Seele lag. Sie beide waren schon seit der Kindheit befreundet und kannten einander besser als irgendjemand sonst. „Und du wirst sehen, so viel verändert sich gar nicht. Nur, dass wir uns statt in der Highschool dann auf dem Campus ständig über den Weg laufen.“
Ever zwang ein Lächeln auf ihre Lippen. „Aber wir alle werden unterschiedliche Kurse besuchen.“
„Was wirst du studieren?“, wollte Ben neugierig von Ever wissen, um sie abzulenken und ihre Stimmung zu verbessern. Es gelang.
„Ich will Astronomin werden“, raunte Ever begeistert. „Deshalb habe ich mich für einige Physik- und Mathematikkurse eingeschrieben.“
Ben pfiff leise durch die Zähne. „Wow. Wolltest du ursprünglich nicht mal Tierärztin werden?“
„Ja, das war einmal der Plan“, gab Ever zu und lachte. „Aber aufgrund der jüngsten Ereignisse habe ich mich anders entschieden. Das Raum-Zeit-Gefüge interessiert mich mittlerweile mehr als die Pferdezucht vom alten Hornsby.“
Die jüngsten Ereignisse, von denen Ever sprach, bezogen sich auf ihr unschönes Zusammentreffen mit der mächtigen Dämonin Linestra, als diese mithilfe einer besonderen Sternenkonstellation und den magischen Schwingungen des Sunset Crater, der ganz in der Nähe von Torch Creek lag, den Höllenschlund zu öffnen versuchte. Ever – deren Gestaltwandlerblut wie ein Universalschlüssel funktionierte – sollte in dieser Zeremonie geopfert werden. Nur mit knapper Not hatten George, James und Sam es schließlich geschafft, sie zu retten und Linestra zu bannen.
„Hallo alle zusammen.“ George war gerade hereingekommen und an ihren Tisch getreten. Er zog sich einen Stuhl heran und schob ihn neben Evers Sitzbank. Sanft hauchte er einen Kuss auf ihre Lippen.
„Hi“, flüsterte Ever und schaute ihm verliebt in die Augen. Dann warf sie einen Blick zum Fenster hinaus; draußen hatte sich bereits die Dunkelheit über die Stadt gelegt, ohne dass sie es bemerkt hatte.
„Habe ich was verpasst?“
„Nicht wirklich. Wir sprachen nur darüber, welche Kurse wir am College belegen wollen“, fasste Issy knapp zusammen. Sie mochte George gerne und sie wusste, wie viel er Ever bedeutete. Zu ihrer eigenen Überraschung war es ihr nicht sonderlich schwergefallen, sich damit zu arrangieren, dass George ein Vampir war. Vielleicht war sie durch die Tatsache, dass auch Ever einer übernatürlichen Art angehörte, einfach schon auf Überraschungen gefasst gewesen.
„Hey, hast du was von Sam gehört? Es ist hier echt öde ohne ihn …“, wandte sich Peter sofort an George. In der Nacht nach Linestras Niederlage war Sam plötzlich verschwunden, ohne sich verabschiedet zu haben.
„Was interessiert dich dieser Idiot?“, fragte Charlotte aufgebracht. „Schon vergessen, was er mir angetan hat?“
Peter winkte ab. „Jaja, wir wissen, er hat dich sitzen gelassen. Was lässt du dich auch so schnell auf irgendwelche Typen ein? Du kanntest ihn doch kaum! Also … ich mochte ihn.“
Charlotte sah Issys kleinen Bruder zornfunkelnd an. „Was verstehst du schon von sowas?“
Peter grinste frech. „Mehr, als du denkst!“
Ben hob beschwichtigend die Hände. „Hey, keinen Streit heute, okay? Es war nicht in Ordnung, was Sam mit dir gemacht hat, Charlotte. Aber trotzdem, ich konnte ihn auch gut leiden.“ Er nickte George zu. „Also, wo steckt er?“
George zuckte fragend mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Er hat nichts von sich hören lassen. Ich habe es auf seinem Handy versucht, aber scheinbar gibt es die Nummer nicht mehr. Sam ist einfach wieder weg.“
Ever runzelte nachdenklich die Stirn. „Er ist doch in derselben Nacht verschwunden wie James“, überlegte sie laut. James, der nachdenkliche Wächter mit der Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse zu bewahren, war ihr Freund und Mentor gewesen – und ihr Lehrer. Erst durch ihn hatte sie erfahren, was es mit ihrer besonderen wandlerischen Fähigkeit auf sich hatte. Und plötzlich hatte auf mysteriöse Weise auch James Torch Creek verlassen. Er war – wie Sam – einfach über Nacht verschwunden gewesen. Ever vermisste James sehr und dass er ihr nicht einmal eine Nachricht hinterlassen hatte, schmerzte sie zutiefst. Für Ever fühlte es sich an, als habe sie einen Vater verloren. Seit seinem Verschwinden zermürbte sie die Sorge um ihn, doch sie war völlig hilflos. Wo sollte man beginnen, einen Wächter zu suchen? „Was, wenn das doch irgendwie zusammenhängt?“, beendete sie ihre Vermutung.
„Aber wie?“, fragte Ben. „Und wieso sollte es? Sam ist schon immer umhergezogen – um ehrlich zu sein, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder aufbricht. Und mit James hatte er nun wirklich gar nichts zu tun.“
„Mich beunruhigt vielmehr, dass Lukas Drake seinen Posten hier übernommen hat und in Torch Creek hockt“, brummte George. Er kannte Drake schon eine Ewigkeit, und doch – oder vielleicht gerade deshalb – traute er ihm nicht über den Weg. Wächter waren von Natur aus undurchsichtig und für Lukas Drake galt das im Besonderen. Dass gerade er James Nathan abgelöst hatte, war für George eine böse Überraschung gewesen.
„Ich weiß gar nicht, was du hast, George“, warf Issy urplötzlich ein. „Ich habe ihn kürzlich in der Bank getroffen. Er hat gelächelt und scheint ganz nett zu sein.“ Unwillkürlich schoss ihr die Röte in die Wangen und Ever knuffte ihre Freundin in die Seite. „Wie jetzt, hast du dich etwa verknallt?“
„Quatsch!“ Issy senkte verlegen den Blick und wehrte ab. „Ich meine ja nur. Er ist nicht böse und finster, so wie ihr immer tut. Irgendwie ist er – nett.“
Ben grinste und Ever lachte. Einzig George schaute wenig begeistert in die Runde; er wollte die gute Stimmung nicht verderben, dennoch behagte es ihm gar nicht, dass Evers beste Freundin Sympathie für den undurchsichtigen Wächter hatte. Drake war auf seine Weise gefährlich, insbesondere für übernatürliche Wesen wie ihn und Ever. Er hätte eine Menge dafür gegeben, könnte er Drake aus der Stadt vertreiben. Doch dies lag leider nicht in seiner Macht.
Peter rollte mit den Augen. Für die Schwärmereien seiner Schwester hatte er freilich nichts übrig. „Könnten wir bitte das Thema wechseln? Ist ja grausig.“
Issy funkelte ihn böse an. „Du würdest dich besser mehr auf dein Abschlussjahr an der Highschool konzentrieren.“
Peter zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Das wird ein entspanntes Jahr. Ich werde es genießen, wenn ihr alle weg seid.“
„Glaub nicht, nur weil wir anderen aufs College gehen, behalten wir dich nicht mehr im Blick“, warnte seine Schwester tadelnd, aber mit einem Lächeln. Ihr kleiner Bruder schoss gerne mal über die Stränge und die Wahl seines Freundeskreises war nicht die beste. Vor allem in jüngster Zeit. „Ich werde es mitkriegen, wenn du Unfug treibst.“
Peter grinste nur und Ben klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch. „Leute, wir sind zum Feiern hier, schon vergessen? Also: Wer will noch etwas trinken?“