Читать книгу City Vampire - Beth St. John - Страница 4
Kapitel 2
ОглавлениеJanus blieb noch einen Moment in der geöffneten Tür stehen und sah den beiden Männern nach. Am Ende des Ganges stand eine Traube von Menschen – weitere Polizisten und Männer der Spurensicherung. Sie drängten sich umeinander, machten Fotos, nahmen allerlei Proben. Ein paar Schaulustige waren aus ihren Wohnungen gekommen, um den Grund für das Aufgebot zu erfahren; die Beamten schickten sie jedoch weg und bemühten sich, den Blick auf den Tatort zu versperren.
Schließlich schloss Janus die Tür. Einen Moment lang starrte er einfach nur das weiß gestrichene Holz der Wohnungstür an. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf – die ganze Sache war weit mehr als bloß unangenehm. Er wollte auf keinen Fall noch tiefer in diese Ermittlung hineingezogen werden. Er wusste, dieser Schmidt hatte ihn auf dem Kieker und wenn sie nur tief genug gruben, würden sie mit Sicherheit die eine oder andere Ungereimtheit in seinem Leben entdecken.
Janus hatte stets darauf geachtet, so unauffällig und anonym wie möglich zu leben. Genau aus diesem Grund war er nach Frankfurt gezogen und genau aus diesem Grund lebte er in einem modernen Hochhaus. Anonymität. Niemand scherte sich hier darum, was er tat, wovon er seinen Lebensunterhalt bestritt, warum er in der Regel nur des Nachts das Haus verließ. Diese Mordermittlung drohte alles zu zerstören. Er könnte die Zelte abbrechen, alles aufgeben, wie er es alle paar Jahrzehnte tat. Doch es war zu früh, jetzt schon zu gehen. Und zu auffällig. Allerdings – wenn man ihn verhaftete, ihn gar in Untersuchungshaft steckte … Janus schüttelte den Kopf. Daran durfte er gar nicht denken. Er hätte keine Chance, sein wahres Ich geheim zu halten. Sie würden merken, dass er kein normales Essen zu sich nahm – und er würde immer schwächer werden, da das, was er wirklich zum Überleben brauchte, ihm nicht zur Verfügung stehen würde. Irgendwann würde es so schlimm werden, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle hätte. Er würde jemanden angreifen, einen Wärter oder einen Mithäftling vielleicht.
Und dann würden sie ihn sehen.
Ihn, den Vampir.
Janus musste alle Willenskraft aufbieten, um seine sich verselbstständigende Phantasie zu bändigen. Ganz ruhig, sagte er sich, so weit ist es noch lange nicht. Bisher haben sie bloß kurz mit dir gesprochen.
Er drehte sich abrupt um und ging in sein Wohnzimmer.
Er besaß eine sehr schöne Penthousewohnung – die Decken waren hoch, die Räume hell und weitläufig. Er hatte sich modern eingerichtet, ohne dass es steril wirkte. Die Möbel waren massiv, aus weiß lackiertem Holz, die Böden aus hochwertigem Parkett. Ein Vorteil seines langen Lebens war es, dass er reichlich Zeit gehabt hatte, ein ordentliches Vermögen aufzubauen. Er hatte die Weltkriege erlebt, aber auch den Wirtschaftsaufschwung und er hatte schon immer ein Gespür für Zahlen gehabt und es verstanden, gut zu investieren. Mittlerweile verwaltete er nur noch sein Vermögen. Dieser Umstand und auch die Anonymität der Stadt, in der er lebte, ermöglichten es ihm, völlig unbehelligt und unerkannt unter den Menschen zu leben. Bei seiner nächtlichen Jagd nach Blut verletzte er selten jemanden und tötete niemals. Zumindest nicht mehr – als junger Vampir hatte er sich nicht immer so gut unter Kontrolle gehabt. Aber damals wie heute achtete er die Menschen. Niemals hatte Janus vergessen, dass er einst zu ihnen gehörte. Seit seiner Erschaffung hatte sich vieles verändert: Die Welt war kleiner geworden, kaum jemand glaubte noch an das Übernatürliche und es gab einige moderne Errungenschaften, die ihm das Überleben ungemein erleichterten – wie zum Beispiel Blutbanken. Sein Vorrat an Blut war also stets gesichert. Im Grunde war das Überleben für Vampire leichter geworden und Janus hatte alles um sich herum perfekt organisiert.
Doch nun das.
Einen Moment lang stand er einfach so da, mitten in dem riesigen Raum und starrte ins Nichts, dann griff er nach seinem Mobiltelefon und rief einen Kontakt aus seinem Telefonbuch an. Nach nur zweimaligem Klingeln wurde abgehoben.
„Hey“, erklang eine angenehme männliche Stimme, „du bist ja früh auf heute!“ Ein kehliges Lachen erklang.
„Können wir uns treffen?“, fragte Janus ohne Umschweife. „Ich habe ein Problem.“
„Natürlich.“ Die Stimme wurde schlagartig ernst. „Was ist denn los?“
Janus zögerte. „Ich möchte lieber nicht am Telefon darüber reden.“
„Okay“, sagte der andere. „Ich bin in etwa einer halben Stunde zu Hause. Komm doch vorbei.“
„Danke. Bis gleich.“ Janus legte auf.
Kai Westphal war ein Mensch – und sein bester Freund. Nun, genau genommen war Kai sein einziger Freund. Es war für die meisten Vampire recht schwierig, längerfristige zwischenmenschliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, ohne dass die Menschen irgendwann bemerkten, dass etwas nicht stimmte. Die Abneigung gegen Sonnenlicht zum Beispiel. Wie alle Vampire konnte auch Janus zwar in gewissem Maße UV-Licht ertragen und an dunklen, bewölkten Tagen sogar das Haus verlassen, aber es schwächte ihn. Es raubte seine Kraft. Außerdem aß er nicht. Er alterte nicht. Und er war nie krank.
Seine Freundschaft mit Kai hatte eine besondere Basis: Dessen Familie wusste schon seit Generationen über Vampire Bescheid und pflegte freundschaftliche Kontakte mit ihnen. Man half sich gegenseitig, sozusagen. Die Vampire sorgten für Schutz und Wohlstand, die Menschen kümmerten sich um gewisse Probleme. Vor Kai brauchte er sich nicht zu verstecken.
Janus ging hinüber zum Garderobenschrank, zog ein Paar elegante kalbslederne Stiefel an und griff nach seinem Mantel. Nicht, dass er im Winter frieren würde. Aber wenn er jetzt nur mit einem Hemd bekleidet hinaus ins frostige Frankfurt ging, würde es Aufsehen erregen. Janus hielt noch einen Moment inne, entschied sich dafür, noch einen Schal umzulegen und machte sich dann auf den Weg. Er öffnete seine Wohnungstür und blickte hinaus auf den breiten Flur. Diesen Kommissar Schmidt konnte er nirgends entdecken, wahrscheinlich befragte er gerade einen der übrigen Hausbewohner. Die Polizisten, an denen er beim Verlassen seiner Wohnung vorbei musste, beachteten ihn nicht weiter. Als Janus die mit Absperrband gekennzeichnete Stelle passierte, wo der Leichnam gelegen hatte, sog er unmerklich ein wenig tiefer die Luft ein – der faulige Geruch des Todes hing wie ein Schleier im Hausflur, für menschliche Nasen nicht wahrnehmbar. Aber das war alles. Janus kniff die Augen zusammen. Das war nicht das Werk eines Vampirs gewesen. Er hätte die Essenz eines Artgenossen gespürt, wenn es so gewesen wäre.