Читать книгу Soul Surfer - Bethany Hamilton - Страница 7
ОглавлениеIch habe viel von meinen Eltern. Sie haben schon immer unglaublich hart daran gearbeitet, ihre Ziele zu erreichen. Ich weiß, dass viele Teenager ihre Eltern für Außerirdische von einem anderen Stern halten, aber meine finde ich ganz cool. Sie unterstützen mich nicht nur in allem, was ich tun will. Sie inspirieren mich regelrecht, eine tolle Surferin und vor allem ein toller Mensch zu sein.
Mein Vater war absolut verrückt aufs Surfen. Man stelle sich Folgendes vor (ich lache mich bei der Vorstellung jedes Mal halb tot): Ein bitterkalter Winter in Ocean City, New Jersey. Von den Dächern hängen Eiszapfen, über die Gehwege wirbelt der Schnee. Bald sind die Bordsteine zugeweht und an den Hauswänden türmen sich kleine Schneehügel auf. Alle sind schön warm eingemummelt und kratzen das Eis von den Autoscheiben. Da kommt ein hagerer Siebzehnjähriger mit seinem Surfbrett angestapft, Tom Hamilton, mein Papa. Seine Biberschwanzkappe (à la Davy Crockett!) flattert ihm hinterher. Er trägt einen primitiven schwarzen Taucheranzug und hat sich die Achselhöhlen dick mit Vaseline eingeschmiert, damit sie durch den Anzug nicht aufscheuern. Und dieses sonderbare Wesen stapft nun, egal wie es stürmt und schneit, zu seinem Lieblings-Spot von Ocean City, Tenth Street.
Hier trifft er sich mit Monk, seinem besten Kumpel. Die beiden überqueren einen verwaisten, zugefrorenen Strand, um auf dem eisgrauen Atlantik unter Bedingungen zu surfen, die ihnen die Augenbrauen gefrieren lassen. Tom und Monk haben im Sommer 1962 mit dreizehn, vierzehn gemeinsam angefangen zu surfen. Innerhalb weniger Jahre waren die beiden Jungs so von ihrem Sport besessen, dass sie ihn das ganze Jahr über ernsthaft betrieben.
„Im Winter veranstalteten wir die unmöglichsten Dinge, um uns warm zu halten“, erzählte mir mein Vater. „An den Surfbrettern gab es noch keine Leinen. Wenn man also in den Wintermonaten ins Wasser fiel, musste man in brutaler Kälte zum Strand zurückschwimmen. Eine unserer verrückten Ideen war, vor dem Surfen heißes Wasser über unsere Anzüge zu gießen, damit die Kälte nicht gar so schneidend war. Unterwegs zum Strand dampften wir wie Teekessel.“
Ich frage mich immer noch, woher mein Vater wusste, dass er zum Surfen geboren war. Wenn ich ihn darauf anspreche, sagt er mir, das Schicksal habe ihn wohl an die Hand genommen und zu den Wellen geführt.
Seine Eltern George und Mary Hamilton zogen mit ihren vier Kindern mehrmals innerhalb New Jerseys um, bevor sie sich in Ocean City niederließen. Während George seine Zahnarztpraxis aufbaute, sorgte Mary dafür, dass mein Vater, seine beiden Brüder und seine Schwester tüchtig Schwimmsport betrieben.
Eines Tages brachte „Dr. George“, mein Großvater, meinem Vater ein Surfbrett mit. Es war in einer Fabrik maschinell gefertigt worden (im Gegensatz zu einem normalen handgearbeiteten Surfbrett) und man konnte es ausgerechnet in einem Eisenwarenladen kaufen. Ein einziger Versuch und mein Vater war davon gefesselt. Bald gehörten er und Monk zur Surferszene an der Küste von Jersey. Hätte Opa nur geahnt, was für ein tägliches Ritual er damit eingeführt hatte!
Weitergehen
1968 machte mein Vater seinen Abschluss an der Ocean City High School. Aus diesem Anlass schenkten ihm meine Großeltern eine Reise nach Manhattan Beach, Kalifornien, wo er den ganzen Sommer lang surfen konnte. Das war das beste Geschenk, das er sich je vorstellen konnte. Hier konnte er höchstpersönlich die Wellen ausprobieren, die er bisher nur aus Zeitschriften kannte.
Doch Amerika war in einen Krieg verwickelt. Schüler und Studenten wurden nicht mehr zurückgestellt und achtzehnjährige Jungen wurden von überall her eingezogen und in die Urwälder von Vietnam gebracht. In der Hoffnung, er könne noch etwas länger im Land bleiben und surfen, ging mein Vater zu den Reservisten. Aber seine Einheit wurde rasch aufgestellt. Damit er nah am Wasser bleiben konnte, meldete er sich zur Marine.
1970 wurde er nach Vietnam geschickt. Durch den Lärm der schweren Geschütze, mit denen er vom Schiff aus die Truppenbewegungen unterstützen sollte, wurde sein Hörvermögen dauerhaft geschädigt. Und obwohl ein Kriegs-schiff nicht der Ort ist, an dem ein Surfer unbedingt landen will, entpuppte sich auch das letztendlich als Schicksal.
Auf dem Schiff freundete sich mein Vater mit dem jungen Seemann Robby aus Hawaii an, der auch liebend gerne surfen ging. Papa staunte über die unglaublichen Surfgeschichten, die Robby anschaulich erzählte. „Wenn das hier vorbei ist“, sagte Robby wieder und wieder, „kommst du nach Hawaii!“
Weihnachten 1971 besuchte mein Vater erstmals die Inseln. Es war Liebe auf den ersten Blick. Wer könnte schon den warmen tropischen Passatwinden, dem durchsichtigen, einladenden Wasser, den kräftigen Winterwellen und dem lässigen, entspannten Lebensstil widerstehen? „Eines Tages ...“, sagte er zu Robby und machte eine sehnsüchtige Geste zu den Wellen.
Als Vater seinen Militärdienst beendet hatte, ließ er sich in San Diego, Kalifornien, nieder, schrieb sich am Mesa Junior College ein und verbrachte natürlich seine gesamte Freizeit mit Surfen an den Riffs von Sunset Cliff.
Doch er konnte sich nicht gut auf sein Studium konzentrieren. Seine Gedanken wanderten ganz weit weg. Er wurde von dem Wunsch verzehrt, wieder nach Hawaii zu kommen. Und nach zwei Semestern hielten ihn meine Großeltern für vollkommen übergeschnappt, denn Papa schmiss das Studium, nahm seine gesamten Ersparnisse von seinem Teilzeitjob, einen Rucksack und sein Surfbrett und machte sich mit einem einfachen Ticket auf nach Hawaii.
Er gelangte schließlich auf die Insel Kauai. Vom Flughafen aus fuhr mein Vater per Anhalter hinten auf einem alten roten Pick-up mit lauter Eimern voll Schweinetrank zum North Shore. In den Urwäldern außerhalb der Stadt Hanalei hatten sich Hippie-Surfer breitgemacht. Manche – wie die spätere Weltmeisterin Margo Oberg und ihr Mann Steve – hatten schon bequeme und feste Holzhäuser aus Stammresten und Plastikplanen gebaut. Andere lebten abenteuerlicher in schimmelnden Zelten oder groben Behelfsunterkünften. Der Ort hieß Taylor’s Camp, weil das Land, das sie besetzt hatten, einem Verwandten der Schauspielerin Elizabeth Taylor gehörte.
Mein Papa war neu auf Hawaii und hatte eingestandenermaßen keine Ahnung. Da er sich unbedingt häuslich niederlassen und surfen gehen wollte, suchte er sich einen hübschen Graben aus. Er baute sich einen Holzboden für sein Zelt und ging jeden Tag in Pauaeaka, Tunnels oder Hanalei Bay surfen. Doch gleich zu Beginn der Regenzeit lernte er seine erste Lektion: Der Graben war eigentlich ein ausgetrocknetes Flussbett. Und als er vom Surfen zurückkam, waren sein „Heim“ und all sein Hab und Gut weggespült!
Ein perfektes Gegenstück... am anderen Ende der „Welt“
Etwa um die Zeit, als mein Vater seine eingefrorenen Zehen in New Jersey auftauen ließ, schleppten meine Mutter Cheri Lynch und ihre ältere Schwester Debbie am anderen Ende des Kontinents, in der warmen Sonne Kaliforniens, ein geliehenes superschweres Surfbrett über den Sand von Mission Beach, einem Küstenort nördlich von San Diego. Meine Mutter war gerade mal zwölf und kam mit ihren Armen kaum um das riesige Brett. Sie schob das dicke Stück Schaumstoff und Harz auf den Horizont zu und stolperte von Zeit zu Zeit in die kleinen Wasserlöcher, die die Strömung in den Sand gegraben hatte.
Wenn meine Mama über diese Zeit redet – über ihr allererstes Surfen –, scheint sie das alles noch einmal zu durchleben. Denn für jeden echten Surfer ist das der größte Nervenkitzel überhaupt. Ich höre ihr gerne zu, wenn sie erzählt, wie sie es gemacht hat und wie sie sich dabei fühlte: Als ihr das Wasser bis zur Hüfte ging, schwang sie die Nase des Bretts Richtung Strand, zog sich unbeholfen aufs Brett und fing an zu paddeln. Das heranströmende Wasser nahm das Surfbrett auf und schnellte mit ihm zum Sand. Sie kam auf die Füße und ließ sich von der ersten und letzten Welle des Tages sehr breitbeinig, wie Anfänger es tun, zum Strand tragen. „Es war ein ungeheuer überwältigender Augenblick“, erzählt sie mir oft.
Und ich weiß, was sie damit meint. Surfen ist eine Sucht, ein Hochgenuss, den man keinem beschreiben kann, der es noch nicht erlebt hat. Und wenn es dich erst ergriffen hat, lässt es dich nicht wieder los.
Meine Mutter machte ihre Eltern verrückt mit der Bettelei, sie doch mit dem Auto die zwanzig Minuten nach Pacific Beach zu bringen, wo die Wellen am Fuße der Law Street ausrollten. Glücklicherweise liebten meine Großeltern den Sand und die Wellen ebenfalls. Mein Opa John Lynch war Football- und Wrestling-Trainer an der San Diego High School. Da sein Terminplan im Sommer nicht sehr eng war, konnte er seine Familie (meine Oma Dorothy, Mama und meine Tanten Debbie und Karen) schnell mal ins Auto laden und die langen Sommertage am Strand verbringen.
Wenn meine Mutter nicht surfte, schnorchelte sie über den mit Tang bedeckten Riffs von La Jolla auf der Suche nach Abalones, den sogenannten Meerohren oder -schnecken, die sie vom Felsen abkratzte. Mama war sehr waghalsig. Manchmal betrieben sie und ihre Schwestern den ganzen Nachmittag mit anderen Durchgeknallten eine Art „Bodysurfing“, bei dem die auslaufenden Wellen den Surfer mit einem „Klatsch!“ auf den trockenen Sandboden befördern.
Damals waren surfende Mädchen noch eine Seltenheit. Das war etwas für Jungs, vor allem weil die ersten Surfbretter schwer und unhandlich waren. Man musste unbedingt ein starker Schwimmer sein und es wurden noch keine Fangleinen verwendet. Man musste schon wirklich athletisch sein – und das war sie –, um mit den Kerlen zu surfen. Und den Männern machte es offen gestanden nichts aus: „Ich brauchte mein schweres gelbes Surfbrett niemals selbst zum oder vom Strand zu schleppen“, prahlt meine Mutter gerne. „Da war immer eine Horde Jungs um mich herum, die mir liebend gern geholfen haben.“
Nach der Schule zog Mama ins Eldorado der Hippie-, Surfer- und Ausgeflippten-Szene: Ocean Beach. Doch auch sie war auf dem Weg nach Kauai. Nachdem sie Südkalifornien abgegrast und auch einen Abstecher ins Skigebiet Mammoth Mountain, Kalifornien, gemacht hatte, stellte sie fest, dass sie einen weniger hektischen Lebensstil und eine größere Heraus-forderung im Surfen brauchte. In den frühen 1970er-Jahren war Kauai noch nicht so von Touristen überlaufen, aber Hollywood hatte bereits angeklopft. Elvis Presley hatte 1961 hier einen Film gemacht (Blue Hawaii). Und 1958 nahmen Mitzi Gaynor und John Kerr den North Shore als Hintergrund für die Filmversion des Rodgers & Hammerstein-Musicals South Pacific. Doch die meiste Zeit ging es dort gemächlich, traditionsreich und ländlich zu.
Da meine Mama es satt hatte, alleine zu reisen, bequatschte sie Chris, einen Freund, mit ihr das Abenteuer zu wagen. Sie landete auf dem kleinen Flughafen von Lihue, wo ihre Habseligkeiten direkt aus dem Flugzeug aufs Rollfeld geschmissen wurden. Schwer beladen mit Surfbrettern und Rucksäcken machte sich das Paar auf den Weg zur Hauptdurchgangsstraße. Von dort aus wollten sie die knapp 50 Kilometer zum North Shore trampen. Erst acht Stunden später durften sie sich in einen VW-Bus voller Surfer quetschen ...
Meine Mutter hatte etwas Geld gespart, sodass sie surfen und campen konnte. Auf Anhieb gefiel ihr das Surfgebiet auf Kauai viel besser als alles, was sie bisher von Kalifornien gewohnt war. Tagsüber verbesserte sie ihre Fähigkeiten in den großen Wellen, nachts campierte sie am Lagerfeuer mit vielen anderen Surfern und Hippie-Typen, die an die Küsten Kauais gezogen waren.
Marienkäfer und Thunfisch finden zueinander
Mein Vater arbeitete als Kellner im Kauai Surf Hotel. Das Hotel war in der Stadt Lihue und somit weit entfernt von seinem Zelt am North Shore. Da er kein Auto hatte, trampte er zur Arbeit und zurück. Doch spät in der Nacht war es schwierig, nach Hause zu kommen. Bisweilen schaffte er nur die halbe Strecke. Er schlurfte nachts um zwei durch eine kleine Ortschaft, meilenweit entfernt von seinem eigentlichen Ziel, legte sich auch schon mal auf eine Kirchenbank und deckte sich mit dem Antependium zu, wenn ihm kalt wurde ...
Der North Shore ist so etwas wie eine Kleinstadt. Hier kennt jeder jeden. Über kurz oder lang warf mein Vater also auch ein Auge auf die hübsche Blonde, die von den anderen Surfern den Spitznamen Marienkäfer erhalten hatte. (Er selbst hatte auch einen Spitznamen. Sie nannten ihn Thunfisch, da er in den Wellenpausen so häufig im Meer seine Bahnen schwamm, dass alle sagten, er sei wie ein Thunfisch.) Doch Mama war nicht interessiert. Sie hatte zu der Zeit einen festen Freund. Sie und mein Vater wurden lose Freunde, aber das wars auch. Bis zu dem Tag, wie meine Mutter sagt, „an dem ich meinen Freund nicht mehr hatte. Da kam alles ins Rollen ...“
Am darauffolgenden Valentinstag, der auch der Geburtstag meiner Mutter ist, machte Papa ihr einen Heiratsantrag. „Deine Mutter brach in Tränen aus ... und sechs Monate später heiratete sie mich“, erzählt mein Vater. Und es begab sich, dass jedes Kind, das dieses Paar bekam, rasch in die Sportart eingeführt wurde, die ihre Eltern liebten.
Schließlich hatten sie Salzwasser in den Adern.