Читать книгу Soul Surfer - Bethany Hamilton - Страница 8

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3. Ernst zu nehmende Konkurrenz

„Zwei Brüder!“

Das gebe ich zur Antwort, wenn man mich fragt, warum ich so ehrgeizig meinen Sport ausübe. Wenn man schließlich das jüngste von drei Kindern und das einzige Mädchen ist, muss man schon lernen, sich zu behaupten. Aber abgesehen von dem üblichen „Alles was du kannst, das kann ich viel besser“ haben mich meine Brüder wirklich inspiriert. Sie sind sehr verschieden.

Noah ist einundzwanzig und er surft im Stehen – genau wie Mama, Papa und ich. Er ist recht dünn und sehr schnell auf den Wellen. Außerdem macht er Standfotos. Von ihm stammen die meisten tollen Fotos von mir beim Surfen. Was ich an ihm am meisten bewundere? Wenn er etwas anfängt, bringt er es auch zu Ende. Er ist sehr entschlossen und zielstrebig.

Mein Bruder Timmy ist siebzehn und er spielt gerne das fünfte Rad am Wagen – und den Klassenclown. Als Noah mit dem Surfen anfing, beschloss Timmy, sich auf Bodyboarding zu verlegen. Ein Bodyboard ist ein Schaumstoffbrett von knapp einem Meter Länge, das wie ein Surfbrett verwendet wird, außer dass man nicht darauf steht. Es hat keine Finnen auf der Unterseite, sondern harte Kanten, mit denen man die Kurven fährt. Bodyboarder tragen Schwimmflossen, damit sie mit ihren kleineren Brettern auch die Wellen erwischen.

Viele, die im Stehen surfen, zollen Bodyboardern keinen Respekt. Sie ignorieren sie im Wasser oder versuchen sogar, ihnen die Welle zu nehmen. Doch ein guter Bodyboarder kann eine echt beeindruckende Show abliefern. Er gelangt tiefer in den als „tube“ bezeichneten Hohlraum als jeder Surfer, beginnt später mit dem Wellenritt und macht verrückte Luft-Manöver. Daher war Timmy also davon angetan – verrückte Stunts sind seine Spezialität!

Timmy kann mich auch immer zum Lachen bringen – das schafft er mit jedem. Er hat ein natürliches Talent,genau zu wissen, was er tun oder sagen soll – genau das, was dir ein Lächeln hervorlockt, egal wie schwierig oder ernst die Lage ist. Er tut alles – und ich meine alles – für ein Lachen. Als er beispielsweise nach meinem Unfall in einer Fernsehshow interviewt wurde, benahm er sich total doof und fuhr sich andauernd vor laufender Kamera durchs Haar. „Wen stört’s, wenn mich alle für verrückt erklären?“, sagte er zu mir, als ich ihn damit aufzog. Er wollte unbedingt, dass seine Kumpels daheim über Timmy, den Fernsehkomiker, lachten!

Aber Timmy ist mehr als nur lustig – er bearbeitet die stundenlangen Videoaufnahmen, die unsere Eltern von mir beim Surfen machen. Er ist dabei sehr kreativ und unterlegt die Bilder mit cooler Musik.

Ein starkes Mädchen

Meine Brüder treiben körperbetont aggressive Sportarten wie Rollhockey, Fußball und Paintball. Wenn die Mannschaften aufgestellt werden, will jeder meine Brüder bei sich im Team haben, weil sie so flink und wild sind!

Als ich ihnen so beim Sport zusah, wollte ich natürlich auch mitspielen. Warum sollten schließlich nur sie so viel Spaß haben? Und ich muss ihnen zugutehalten, dass sie mich immer mitmachen ließen und mich nie wie ein kleines Mädchen behandelten. Ich gehörte zu den Jungen. Und wenn das bedeutete, dass ich angegriffen oder umgeschubst oder übel zugerichtet wurde, dann war das eben so.

Außerdem war ich hart im Nehmen! Sie wussten, sie konnten mich dazu bringen, mich auf Inlinern oder einem Skateboard zu versuchen, ohne dass ich gleich wegrannte oder heulte, wenn ich mal hinfiel.

Meine Brüder ließen mich Sachen ausprobieren, die ich von mir aus nicht gemacht hätte. So waren es denn auch Timmy und Noah, die mich dazu brachten, in Pauaeaka zu surfen. Damals hätte ich mich ohne ihre Ermutigung und ihren absoluten Glauben daran, dass ich es schaffen würde, niemals getraut, ehrlich!

Meine Brüder feuern mich an und unterstützen mich tatkräftig, eine Top-Surferin zu werden. So ist meine Familie eben: Wenn einer von uns einen Wettkampf oder einen Preis gewinnt, ist es, als hätten wir alle gewonnen, denn jeder hat jeden unterstützt und dazu beigetragen, dass er oder sie an dem Platz stand, von wo aus er oder sie gewinnen konnte.

Uns wurde auch beigebracht, gute Verlierer zu sein. Ganz gleich, wie gut jemand ist – früher oder später wird er oder sein Team auch mal verlieren. Papa pflegt dann zu sagen: „Es nützt doch nichts, sich aufzuregen oder sauer zu sein. Es gibt doch immer wieder eine Gelegenheit zu zeigen, dass du es kannst.“ Daran versuche ich mich zu erinnern, wenn ich einen Wettkampf vermasselt habe. Nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Morgen kommt ein neuer Tag.

Ich surfe zwar seit meinem sechsten Lebensjahr, habe jedoch auch noch anderen Sport betrieben. Ab dem ersten Schuljahr habe ich bei den Mädchen vom North Shore Team Fußball gespielt. Lange Zeit war ich „Ausputzerin“ in der Abwehr.

Zuerst war ich enttäuscht. Ich wollte unbedingt eine sein, die während des Spiels das Tor macht. Dann merkte ich, dass mich der Coach aus einem bestimmten Grund an diese Position gestellt hatte. Ich hatte schnelle Reflexe und konnte gut abwehren.

Eins habe ich über Teamsport gelernt: Keine Aufgabe ist viel, viel wichtiger als eine andere. Alle müssen zusammenarbeiten. Erst nach sechs Jahren Fußball bekam ich die Chance, dieses Tor zu schießen. Das ist eine lange Zeit, ich weiß, aber dadurch wurde das Toreschießen nur noch toller.

Mein erster großer Sieg

Meine Eltern fingen an, mich zu Surfwettkämpfen anzumelden, als ich noch in der Grundschule war. Bei den meisten Wettkämpfen wurden die Kids von einem Elternteil in eine Welle geschubst, anstatt dass das Kind selbst versucht hätte, die Welle zu erwischen.

Als ich sieben Jahre alt war, konnte ich ohne die Hilfe meiner Eltern surfen und Wellen erwischen. Ich brauchte noch Anleitung, doch ich wurde mit jedem Tag besser. Unterstützt von meinen Eltern beschloss ich, am Rell Sun Wettbewerb auf der Insel Oahu teilzunehmen. Das war etwas Großes – vor allem für ein achtjähriges Kind.

Auf den Inseln Hawaiis herumzureisen ist weder einfach noch billig. Wir mussten das Startgeld, den Flug, das Mietauto und das Hotel bezahlen. Und im Gegensatz zu Golf oder manchen anderen Sportarten bekommt man im Falle eines Sieges nur wenig oder gar kein Geld – insbesondere als Kind bzw. als Mädchen.

Der Wettkampf fand am Makaha Beach statt. Es waren jede Menge tolle Surfer da und ich war mehr als aufgeregt, allein schon dabei zu sein. Surfer – vor allem in der Jugendabteilung – sind wie eine große glückliche Familie.

Die Wellen waren riesig und ich spürte den Adrenalinstoß. Viele Kinder schüchtert es ein, wenn die Welle mächtig wird. Und ich? Ich gebe alles dafür – je größer, je lieber! In Makaha war ich nie zuvor gesurft, was den Kindern am Ort einen Vorteil verschaffte. Doch auch das bekümmerte mich nicht.

Ich trat in zwei Disziplinen an: Mädchen von sieben bis neun auf dem kurzen Brett und auf dem langen Brett. Die älteste Teilnehmerin war zwölf, denn der Rell Sun Wettbewerb ist für Kinder unter dreizehn, im Surfer-Jargon auch „Grommets“ oder „Gremmies“ genannt.

Carrissa Moore, die an diesem Tag auch surfte, war richtig gut und ich bewunderte ihre Zähigkeit. Sie hätte den Wettkampf gewonnen, doch sie hatte einen Unfall, bei dem ihr die Finne ihres Surfbretts einen tiefen Schnitt im Hals einbrachte. Wir nahmen mit noch anderen christlichen Familien an diesem Wettkampf teil; daher versammelten wir uns alle und beteten für sie.

Die Dinge kommen ins Rollen

Dann war ich an der Reihe. Meine Mutter sagte mir, wo ich das Wellenreiten starten sollte. Ich surfte an dem Tag richtig gut und gewann schließlich alle meine Läufe sowie die Meisterschaft in meiner Altersklasse. Als Preis erhielt ich keine Trophäen, sondern zwei brandneue Surfbretter. Wahre Surflegenden überreichten sie mir, während meine Freunde und die Familie drum herumstanden und mir zujubelten. Ich war ziemlich aus dem Häuschen. Und ich weiß noch, dass ich dachte: „Passiert das jetzt wirklich mir?“

Dieser Wettbewerb brachte die Dinge für mich ins Rollen. Ich nahm an immer mehr Wettkämpfen teil und bewährte mich in den meisten ganz gut. Ich nahm am Haleiwa Menehune Contest teil, der am berühmten North Shore von Oahu abgehalten wird. (Menehunen sind ein Sagenvolk kleinwüchsiger Menschen im Volksglauben Hawaiis.) Ich trat gegen dieselben Kids wie vorher an, was ich prima fand, weil wir uns schon kennengelernt hatten und ich tolle neue Freundinnen fand. Auf dem Wasser wetteifern wir zwar gegeneinander, doch sind die Wettkämpfe eigentlich spaßige, fröhliche Events, wo das Gewinnen zweitrangig ist gegenüber dem Surfen, dem Strand und der Gemeinschaft.

Und eigentlich wird niemand so hochnäsig wie in anderen Sportarten. Es gibt kein: „Ich bin die Beste und niemand kommt an mich heran.“ Denn wir alle wissen, dass im Wasser so viel passieren kann: Die Natur kann ihre Spielchen mit dir treiben, oder man erwischt nicht das richtige Timing. Jeder kann also eine Trophäe mit nach Hause nehmen – und wenn du verlierst, ist morgen ein neuer Tag.

Häufig muss ich im selben Durchlauf surfen wie meine Freundin Alana. Wir beide geben alles, um die andere zu schlagen. Wer verliert, ist niemals sauer auf die andere, und wir freuen uns für die andere, wenn sie gewinnt. Ist doch nur Sport – nur kein Stress!

Auch heute noch habe ich diese Haltung, wobei mittlerweile, mit zunehmendem Alter, der Konkurrenzgedanke untereinander größer wird. Es gibt mehr zu gewinnen: mehr Geld, mehr Sponsoren und mehr Zusatzgeschäfte.

Als ich mehr und mehr Wettkämpfe gewann, rückte es in den Bereich des Möglichen, dass ich auch eine Profi-Surferin werden könnte wie ein paar andere Mädchen von meiner Insel. Zumindest dachten das meine Eltern und meine Brüder. Ich machte mir keinen Kopf darum. Ich wollte vielmehr die Augenblicke genießen, während ich sie erlebte, und mich nicht so sehr um die Zukunft sorgen.

Mein Bruder Noah wurde mein Promoter. Er stellte ganz tolle Bewerbungsunterlagen für mich zusammen und schickte sie diversen Surfer-Ausstattern. Er machte eine Webseite und Computerprogramme; er fotografierte und half mir sogar beim Surfbrett-Design, damit ich ein Brett bekomme, das genau auf meine Art zu surfen zugeschnitten ist. Er stellte Kontakt her zu Herstellern von Fangleinen und Surfbekleidung und er verschickte Werbematerial an alle in der Surf-industrie, die ihm einfielen. Da er die Surf-Fotografie liebt und Wirtschaftswissenschaften studiert, ist er der geborene Geschäftsmann. Er hat mir auch zu meinem Sponsor „Rip Curl“ verholfen.

Die Leute fragen mich immer wieder nach meinem Geheimnis, warum ich Wettbewerbe gewinne. Was soll ich dazu sagen? Ich weiß nur, dass es eine Kombination aus dem Perfektionieren der eigenen Fähigkeiten und einer positiven Einstellung ist. Vor einem Wettkampf fühle ich mich nie nervös oder gestresst. Ich denke nicht einmal großartig an den Spot und teste ihn auch nicht vorher. Ich beobachte vor dem Wettkampf kurz die Wellen, um mir eine Strategie zurechtzulegen. Nach dem, was ich da beobachte, suche ich mir eine markante Stelle am Strand aus, nach der ich mich ausrichte, und bestimme die beste Stelle für den Start.

Manchmal mache ich eine falsche Bewegung und verliere dadurch eine Wettkampfausscheidung. Zugegeben, dann geht es mir mies und ich bin sauer auf mich selbst. „Kopf hoch, Bethany“, sagt mein Vater dann. Ich nehme also seinen Rat an und versuche es abzuschütteln, damit ich mich auf das vor mir Liegende konzentrieren kann. Er hat mir auch beigebracht, wie wichtig es ist, aus meinen Fehlern zu lernen. Ich lasse schlechte Angewohnheiten gar nicht erst einreißen.

Da ich noch Amateurin bin, bekomme ich für einen Wettkampfsieg kein Geld. Aber ich habe die Möglichkeit, Geld von meinen Sponsoren zu bekommen, wenn ich auf einen guten Platz komme. Eigentlich geht es mir jedoch nicht um die Knete. Gelegentlich vergisst mal einer, dass es bei einem Surfwettbewerb um den Spaß an der Freude geht, und vermiest es damit allen. Bei einem Wettkampf schrie ein Vater seine Tochter an, weil sie nicht gut surfte. Sie tat mir richtig leid. Was nutzt das denn auch? Wäre ein bisschen Ermutigung nicht besser angekommen?

Da ist meine Familie ganz toll: Sie sind meine größten Fans. Ob ich gewinne oder verliere – sie finden mich großartig. Und ich weiß, dass sie mich lieben, egal wie ich in einem Wettkampf abschneide. Meine Eltern haben beide schon nebenbei an Wettkämpfen teilgenommen, meine Brüder wollen es erst gar nicht. Ich schätze mal, das macht mich zur Starwettkämpferin der Familie – nicht, dass mich das etwa von meinen häuslichen Pflichten entbinden würde!

Meine Lieblings-Surfspots sind:

Pine Trees – Hanalei, Kauai, Hawaii

Trussels – San Clemente, Kalifornien

Bells Tourquay – Australien

Popoya-Santana – Nikaragua

Und mein ALLERLIEBSTER ...

Hanalei Pier – in Kauai, wo ich es gelernt habe!

Platz gemacht für die jungen Damen!

Immer mehr Mädchen haben angefangen zu surfen. Sie werden mittlerweile als Sportlerinnen ernst genommen und können vom Sport leben, was vor zehn Jahren noch fast unmöglich war. Heute gibt es sogar Zeitschriften speziell für Surferinnen.

Die Frauen unter den Profi-Surfern sind eine eingeschworene Gemeinschaft, und alle sind sie sehr engagiert. Die Mädchen im Amateurbereich (in dem ich surfe) kommen auch gut miteinander klar, wobei es heutzutage schon sehr viel mehr gibt, sodass ich nicht sagen kann, dass ich allen sehr nahestehe. Aber ich lerne sehr gern neue Leute kennen.

Ich weiß nicht, was andere Mädchen vor einem Ausscheidungskampf machen, doch für mich ist die Prozedur ganz einfach: Ich bete. Ich bete, dass alle behütet werden und ich bete um Weisheit für die Auswahl meiner Welle und für die Fähigkeit, zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein.

Oft werde ich gefragt, ob ich mich vor meinem Unfall schon einmal beim Surfen verletzt habe. Eigentlich ist Surfen ein ziemlich sicherer Sport: Wenn man fällt, fällt man aufs Wasser, was viel besser ist als, sagen wir mal, Skateboard zu fahren und auf den harten Belag zu knallen.

Ein- oder zweimal wurde ich in einer großen Welle ziemlich lang unter Wasser gehalten. Das ist nicht dasselbe wie verletzt zu werden, aber für ein, zwei Minuten wird man etwas panisch und es geht einem durch den Sinn, dass man ja auch untergehen könnte. Dann lässt einen die Welle wieder nach oben kommen und man kann atmen und vergisst, dass man in Panik war.

Die meisten Surfer verletzen sich an ihrem eigenen Surfbrett oder dem Brett eines anderen Surfers. Einmal spielte ich an einer Welle, die am Wasserrand direkt auf den Sand brach, und bekam mein eigenes Brett ab. Das tat so weh, dass ich ein paar Tage aus dem Wasser blieb. Es gehört schon einiges dazu, um mich vom Surfen abzuhalten – ich war ein einziger blauer Fleck. Dann wieder knallt dich eine große Welle auf den Boden, und wenn dieser Boden zufälligerweise aus Korallen besteht ... nun ja, sagen wir mal, du bist dann nicht gerade ein schöner Anblick mit all den Schnitten und Schürfwunden.

Blutergüsse, Schrammen, Begegnungen mit dem Riff ... was solls, gehört alles dazu. Das nehme ich in Kauf ... solange ich surfen kann.

Soul Surfer

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