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Prolog

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«Ich will aber nicht…»

Das kleine Elfenkind saß mürrisch vor dem großen Spiegel.

«Dein Vater hat das alles gut durchdacht. Ich darf nicht zu viel verraten, aber ich bin sicher, dass ihr euch ausgezeichnet verstehen werdet…», antwortete die gutmütige, alte Kinderfrau.

Für diesen Kommentar erntete sie zweifelnde, fragende Blicke aus einem Paar strahlend grüner Kinderaugen.

Die Amme wusste nur zu gut, wie schnell man dem Zauber dieser Augen erliegen konnte und deshalb ging sie auch gar nicht weiter darauf ein. Auch die darauf folgenden, stillen Proteste ignorierte sie. Sie war eine der wenigen am Hofe, die dieses Kunststück überhaupt zustande brachte und da das kleine Mädchen dies wusste, fügte es sich brav.

Es hörte auf zu zappeln und sie konnte ihr Werk endlich vollenden.

Sie war gerade damit fertig geworden die langen, braunen Haare der Kleinen zu flechten und hochzustecken. Am Ende wurde die Frisur von einem zierlichen, kunstvoll gefertigten Diadem gekrönt.

Wie immer sah die Prinzessin hinreißend aus!

Yasirah war gerade einmal zehn Jahre alt, aber man konnte schon jetzt sehen, dass sie die Schönheit ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatte. Auch die Grimasse, mit der sie just in diesem Moment ihren Unmut zum Ausdruck bringen wollte, konnte darüber nicht im Geringsten hinwegtäuschen.

Zufrieden und mit fast mütterlichem Stolz betrachtete die Amme ihren Schützling.

Die Prinzessin war ein gutes Kind. Sie wurde vom Volk geliebt und verehrt. Aber seit dem Tod ihrer geliebten Mutter hatte sie es wirklich nicht leicht gehabt. Sie zog sich immer mehr zurück und gab sich ihrer Traurigkeit hin.

Als ihr Vater das bemerkte, fällte er eine Entscheidung, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Einer seiner engsten ehemaligen Berater und Weggefährten Larkondir hatte ihn gebeten, seinen Sohn Ardonai an den Hof zu berufen, um ihn dort ausbilden zu lassen. Da sich der Junge genau in Yasirahs Alter befand und sie ein Schicksal teilten, kam der König nur zu gern der Bitte nach. Er hoffte, dass sie in ihm einen guten Spielgefährten finden und vielleicht eines Tages ihre Trauer überwinden könnte.

Dies alles geschah gegen den Willen der Prinzessin, die darin absolut keine Notwendigkeit sah. Sie hatte nicht das Gefühl, dass ihr irgendetwas im Leben fehlte. Erst recht nicht einer dieser aufgeblasenen Knaben, die sich dank ihrer edlen Abstammung für die Hoffnung des gesamten Volks hielten und sich dementsprechend jederzeit bedienen und verhätscheln ließen. Wenn dies die Alternative zu ihrer selbstgewählten Einsamkeit darstellen sollte, müsste sie nicht lange überlegen, was sie wählen würde.

Natürlich könnte sie dies dem König gegenüber niemals laut äußern. Man widersprach ihm nie! Auch nicht, wenn man seine Tochter war. Also würde sie sich letztendlich seinem Willen fügen.

Stumm folgte sie der Amme in den Thronsaal.

Sobald sie den silbernen, leuchtenden Raum betrat, knicksten alle ergebenst vor der kleinen lieblichen Gestalt. Sie verblieben in dieser Position bis Yasirah ihnen deutete sich zu erheben. Dies alles geschah mit einer Anmut, die zwar dem königlichen Erbe der Prinzessin, aber nicht annähernd ihrem zarten Alter entsprach. Erst als der Letzte sich wieder erhoben hatte, ging sie zu ihrem Vater, der sie stolz in seine Arme schloss, bevor er sie auf ihren Platz zu seiner Linken geleitete.

Kaum hatte sie sich gesetzt, öffnete sich die große Flügeltür am Ende des Saals erneut und hinein trat ein kleiner Elfenjunge in den edelsten Gewändern. Ein Raunen ging durch den Saal. Obwohl er verloren aussah, marschierte der Neuankömmling ohne Zögern durch die Reihen und ging direkt vor dem Thron in die Knie. Er legte sich die kleine Hand zu einer Faust geballt auf die linke Brust und erst dann senkte er sein Haupt.

So verharrte er, bis der König ihn mit einem Schmunzeln erlöste:

«Erhebe dich Ardonai, Sohn des Larkondir, und sei mir willkommen in meinem edlen Haus.»

Der Knabe tat sofort, wie ihm geheißen.

Während der ganzen Zeit hatte Yasirah es vermieden, Ardonai anzusehen. Doch jetzt war es an ihr, den Gast willkommen zu heißen. Sie atmete noch einmal tief durch, bevor sie das Wort an ihn richtete und ihn zum ersten Mal näher betrachtete.

Das Erste was ihr an ihm auffiel, war die weiße Rose, die er direkt über dem Herzen trug.

Unbewusst griff sie nach ihrer eigenen und ihr stiegen Tränen in die Augen.

Gemäß den Sitten ihres Volkes, war dieses reinste aller Symbole den trauernden Hinterbliebenen vorbehalten, um ihre Verstorbenen zu ehren.

Als sie sich wieder gefasst hatte und in seine strahlend blauen Augen sah, erkannte Yasirah darin einen Schmerz, der ihr nur allzu gut bekannt war und obwohl sie sich zu Beginn vorgenommen hatte, ihm einen kühlen Empfang zu bereiten, konnte sie es jetzt nicht übers Herz bringen.

Deshalb sagte sie so sanft wie möglich:

«Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen.»

Als ihre Stimme wie ein Glockenspiel durch den Raum klang, lächelte er sie wissend an und antwortete erleichtert:

«Die Freude ist ganz meinerseits, edle Prinzessin.»

Innerhalb kürzester Zeit hatten die beiden Freundschaft geschlossen. Sie schienen unzertrennlich- bis zu jenem, unheilvollem Tag, der alles zu zerstören drohte.

Yasirahs Erbe - Letzte Zuflucht

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