Читать книгу Luves - Die Magier von Cimala - Bianca Schäfer - Страница 8

Kapitel 5

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Durch das östliche Tor gelangte Luves in die Siedlung der Zauberwirkenden, die man auch die Kesselrührer nannte. Auf einen Außenstehenden mochte diese Ansammlung von Häusern und Werkstätten wie ein kleines Dorf wirken, das sich jenseits der Mauern von Cimala angesiedelt hatte. Grauer Rauch stieg von den Schornsteinen der aus roten Ziegeln gemauerten Häuser in den Sommerhimmel auf. Geschäftiger Lärm drang aus einer der Schmieden hervor. Als er eines der Gebäude passierte, in denen man Zaubertränke braute, stieg ihm der intensive, würzige Duft der Kräuter in die Nase, hüllte ihn dicht wie eine Wolke ein. Er hustete, bis ein Windhauch die Dämpfe vertrieb. Unruhe entstand im Inneren des Hauses, Stimmen wurden laut. Die Tür sprang auf; ein junger Schüler stürmte an ihm vorbei, rannte durch den Spalt zwischen zwei Häusern und verschwand. Ein Meister der Gilde der Zauberwirkenden wankte hustend zur Türschwelle und lehnte sich gegen den Türrahmen. Weißlicher Rauch kroch gleich einem feinen Nebel bis auf seine Kniehöhe aus dem Inneren nach außen.

»Du verdammter Idiot!«, brüllte er dem Jungen nach und hob drohend seine Faust. »Zwei Becher Weißhäubchen! Nicht zwei Eimer!«


Sein Gesicht leuchtete rot und er rang keuchend nach Luft. Er entdeckte Luves, deutete auf das Haus, aus dessen Tür- und Fensteröffnungen immer dichtere Wolken drangen.

»Dieser verdammte Bengel hat wieder nicht zugehört und den ganzen Trank verdorben! Drei Wochen Arbeit sind jetzt für die Katz!«

Er zog ein Tuch aus seiner Tasche und verdeckte damit Mund und Nase, bevor er im Haus verschwand. Luves zögerte und überlegte seine Hilfe anzubieten, aber da stürmten bereits andere Magier und ihre Gehilfen herbei. Allen vorweg der Schüler, der das Unglück verursacht hatte. Grob drängten sie ihn beiseite, um das Haus zu betreten. Jemand brüllte einen Wasserzauber und das Feuer erlosch mit einem wütenden Zischen, das an eine bösartige Schlange erinnerte. Ein letzter Schwall Rauch quoll aus dem Gebäude hervor, der in einer Windböe zerstob. Die Stimmen der Anwesenden wurden übertönt von dem Gezeter des Meisters, der den schuldigen Schüler beschimpfte.


Luves wandte sich ab und setzte seinen Weg zum anderen Ende der Siedlung fort. Er sprach einen vorbeigehenden Schüler an, der neugierig nach dem Unglücksort Ausschau hielt, und fragte ihn, wo er Meister Riudan finden konnte. Der verwies ihn auf eine der Holzhütten, in der sich eine kleinere Schmiede befand, wo man Amulette anfertigte. Luves dankte ihm für die Auskunft und näherte sich dem Gebäude. Hier statteten sich die Jäger mit Schutzzaubern und Tränken aus, die sie auf ihren Reisen im Kampf gegen die geächteten Wesen benötigten. Vieles wurde auch auf den Märkten im Umland verkauft. Talismane, die gegen den bösen Blick der Hexen schützten, Liebestränke, die eine unerfüllte Liebe zum Guten wendeten, Tinkturen gegen Warzen und Amulette, die krankes Vieh heilen sollten. Alles, was die Magier an die Menschen verkauften, war nicht besser als der Schund, den Wunderheiler feilboten und kaum wirksamer, aber sie fanden ihre willigen Abnehmer, die dafür mit klingender Münze bezahlten.


In der kleinen Hütte schlug ihm die Hitze eines Schmiedefeuers entgegen. Daneben stand ein groß gewachsener Mann mit den breiten Schultern eines Schmiedes, der am Amboss arbeitete. Die Zauberkräfte der gefertigten Gegenstände erfüllten den Raum mit ihrer Energie, die Luves beinahe körperlich spürte. Ein Schauer lief über seinen Rücken. Er hätte sich am liebsten wie ein Hund geschüttelt, um das unangenehme Gefühl zu vertreiben.

»Sei gegrüßt, Luves«, rief ihm Meister Riudan munter zu und schlug den Hammer erneut auf das glühende Eisen. Funken stoben auf und das helle Klingen stach in Luves' Ohren. »Ich habe dich bereits erwartet. Hat der alte Schwätzer Bukov dich aufgehalten?«

»Vergebt mir die Verspätung. Ich musste mich erst mit den Karten der Sommerfelder vertraut machen.«

»Soll er zwischen seinen staubigen Büchern verrotten«, sagte der Meister heiter. »Du hast Glück, dass dich dein erster Auftrag in diese Gegend führt.«

»Es soll dort sehr schön sein.«

»Die Landschaft soll dir egal sein, aber das Bier darfst du dir nicht entgehen lassen. Die Frauen dort sind auch nicht abgeneigt, wenn man ihnen hübsche Augen macht. Schon gar nicht bei euch jungen Burschen.«


Luves verkniff sich eine Erwiderung und nickte lediglich stumm. Aufmunternd klopfte ihm Riudan auf die Schulter.

»Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich gegen einen Troll kämpfen musste. Damals war ich ungefähr so alt wie du.« Er grinste breit unter seinem rostroten Vollbart, als er die verblüffte Miene des jungen Mannes bemerkte. »Auch wenn du mir nicht glaubst, aber ich habe nicht immer nur in Schmieden gehockt oder Tränke angerührt. Ich bin viel durch das Land gereist und habe Abenteuer erlebt. Du wirst sehen, es wird dir gefallen. Außerdem wird es dir guttun, dir den Wind um die Nase wehen zu lassen. Sonst verweichlichst du wie einer dieser Spruchweber in ihrer moderigen Bibliothek. Das willst du doch nicht, oder?«

»Nein, Meister«, sagte Luves schnell und Riudan lachte dröhnend.

»Möchtest du einen guten Rat von mir bekommen?«

»Es ist meine erste Jagd. Da bin ich für jeden Hinweis dankbar, den ich bekommen kann.«

»Sobald du diesen verdammten Faun siehst, jag ihm einen Blitz in seinen hässlichen Hintern und schick ihn in die Tiefen der Unterwelt.«

»Ich werde mir Euren Ratschlag zu Herzen nehmen«, murmelte Luves irritiert.

»Und gib auf die Nachtmahre acht, wenn du in den Wäldern eine Rast einlegst.«

»Es sind doch nur kleine Tiere.«

Ein Nachtmahr war kaum länger als Luves' Unterarm und galt als scheues Raubtier, das im Unterholz lebte. Er konnte sich kaum vorstellen, dass von diesen Wesen eine wirkliche Gefahr für ihn ausging.

»Sie neigen zwar nicht dazu, Menschen anzugreifen, doch sie sind hinterhältig und klüger, als man meint. Mir hat eines dieser Biester meine Reisetasche ausgeräumt, während ich schlief. Weil es nichts zu fressen fand, hat es mir aus Bosheit in die Tasche gekackt. Das war eine schöne Sauerei.«

»Ich werde mich vorsehen«, versprach Luves und unterdrückte ein Grinsen, um nicht respektlos zu erscheinen.


Riudan trat an einen Tisch heran, auf dem drei Lederbänder lagen, an denen münzartige, schmucklose Metallplättchen befestigt waren, deren Oberflächen matt schimmerten. Zwei waren aus Eisen gefertigt, das Dritte aus Silber. Dieses hob der Meister zuerst auf und reichte es dem Magier, der die eingravierten Runen betrachtete, die den Zauber an den Anhänger banden.

»Ich habe ein paar Zauber eigenhändig für dich vorbereitet. Ein Schutzzauber vor den dunklen Geistern, damit sie dich nicht mit ihren Flüchen belegen können. Du kannst sie dir nicht vom Leib halten, aber so wirst du wenigstens nicht verhext.«

Er bedankte sich für die Mühe, die Riudan auf sich genommen hatte, und legte die Kette an, während ihm bereits die Nächste gereicht wurde.

»Hier hast du einen Schattenzauber, der dich verbirgt, damit du dich unbemerkt anschleichen kannst. Das kann sehr nützlich sein, vor allem, wenn man es mit einer solch hinterlistigen Kreatur zu tun hat wie einem Faun. Außerdem brauchst du noch einen Maskenfluch, falls du deine äußere Gestalt verändern musst.«

»Ich beherrsche den Zauberspruch dafür. Da werde ich das wertvolle Amulett nicht benötigen«, warf Luves ein und wollte es zurückgeben, doch der Meister winkte ab.

»Mit dem Anhänger wird er dich jedoch kaum Kraft kosten. Nimm ihn lieber mit. Solche Dinge haben sich schon öfters als nützlicher erwiesen, als du es dir vorstellen kannst.«


Er legte auch die dritte Kette an und ließ sie unter seinem Hemd verschwinden, um sie vor neugierigen Blicken zu verbergen. Die Metalle der Anhänger legten sich kühl auf seine Haut. Er benötigte einen Moment, um sich an die Energien zu gewöhnen, die sie verströmten. Es waren zweifellos starke Zauber, die er selbst niemals hätte anfertigen können. Deshalb dankte er Meister Riudan nochmals von ganzem Herzen dafür.

»Du warst nie der beste Schüler, doch du besitzt Ehrgeiz, Kraft und ein hohes Maß an Bauernschläue. Aber überschätze dich nicht! Das Land Aestra ist nicht die Stadt Cimala. Dort herrschen andere Regeln und Gesetze, als du sie gewohnt bist. Willst du noch einen guten Rat, mein Junge?«, fragte der Meister mit einem freundlichen Lächeln zum Abschied und Luves nickte. »Komm einfach nur wieder heil und gesund zurück.«

Der junge Magier versprach ihm, sich vorzusehen und entbot ihm einen respektvollen Abschiedsgruß.


Er entschied sich, für seinen Rückweg zur Gilde der Jäger, einen Pfad zu wählen, der an der Stadtmauer entlang führte, anstatt sich erneut in das Getümmel zu stürzen. Nur gedämpft drang der Lärm aus den Straßen zu ihm. Luves genoss es, durch das hohe Gras zu gehen anstelle des holprigen Pflasters der Straßen und Gassen. Vor ihm erstreckten sich die Wiesen mit den tiefen Wäldern dahinter, die bis zum Horizont zu reichen schienen. Es war schwer sich vorzustellen, welche Welt sich dahinter verbarg und welche Abenteuer und Gefahren dort auf ihn warten mochten. Aus den Büchern in der Bibliothek glaubte er, alles über dieses Land zu wissen, jede Region und ihre Eigenheiten zu kennen. Er war sich sicher darüber, jedes Detail über die geächteten Wesenheiten, die sich in Aestra angesiedelt hatten oder dort herumstreunten, angeeignet zu haben. Aber das waren nur Worte und Karten auf vergilbtem Pergament. Nun erwartete ihn die Realität. Morgen früh würde er sich aufmachen und feststellen, ob er den Anforderungen der Gilde gewachsen war und er sich beweisen konnte. Eine Mischung aus Aufregung und Angst stieg in ihm auf, ließ seinen Bauch kribbeln. Er fühlte sich bereit dazu, seine Mission zu erfüllen und in die Ränge der Jäger aufzusteigen. Selbst der Gedanke an seinen mürrischen Begleiter konnte ihm in diesem Moment die Stimmung nicht verderben. Er holte tief Luft und lächelte dem Horizont entgegen. Morgen würde er in genau diese Richtung reiten und als Jäger zurückkehren.


Als er die staubige Landstraße erreichte, auf der sich die Karren noch immer in einer scheinbar unendlichen Karawane hintereinander reihten, hörte er eine Stimme, die lauthals seinen Namen rief. Er wandte sich um und entdeckte Toge, der seinen Umhang um sich raffte, damit er schneller laufen konnte. Keuchend rang er nach Luft, als er Luves erreichte.

»Hast du bei den Veteres vorgesprochen?«, japste Toge und sah ihn erwartungsvoll an.

»Allerdings«, erwiderte Luves grinsend. »Möchtest du raten, worum es ging?«

»Man hat dir eine Strafe wegen irgendeiner Nichtigkeit verpasst.«

»Nein. Du darfst noch einmal raten.«

»Hat man dir etwa einen Auftrag erteilt?«

»Ich habe mir gerade meine Ausrüstung zusammengestellt. Morgen breche ich auf.«

»Heiliger Trollmist! Das ist großartig. Endlich steht dir nichts mehr im Wege, zu den Jägern aufzusteigen. Was für ein Wesen sollst du fangen?«

»Es geht um einen Faun.«

Toge verzog das Gesicht und verdrehte die Augen.

»Ein Faun? Dass man dafür extra einen Jäger auf eine Mission schickt.«

»Nicht nur einen Jäger. Ich reise zusammen mit Meister Friebert.«

Toge erstarrte und seine Augen weiteten sich vor Schreck.

»Heilige Urgewalten! Da hast du wirklich das große Los gezogen. Für mich wäre es der reinste Albtraum. Lieber lasse ich mich von einer Horde Untoter jagen, als nur einen Tag mit diesem fürchterlichen Griesgram zu verbringen. Aber du wirst schon mit ihm fertig.«

Freundschaftlich klopfte er Luves auf die Schulter, während sie nebeneinander hergingen.

»Wohin werdet ihr reisen?«

»Zu den Sommerfeldern. Wir müssen schnell aufbrechen, bevor sich seine Spur verliert.«

»Du schaffst das schon. Ein Faun ist ja kein allzu gefährlicher Gegner. Ich wünschte, ich wäre schon so weit und könnte hinausziehen in die Welt.«

Sehnsüchtig seufzte Toge und blickte an den Fuhrwerken vorbei hinaus auf die Landschaft. Luves konnte ihm ansehen, dass er alles dafür gegeben hätte, um mit ihm zu tauschen.

Luves - Die Magier von Cimala

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