Читать книгу Warum tut Liebe weh - Bianka Kitzke - Страница 3

Der Neuanfang

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Die Aula der Fachhochschule war voll. Es wimmelte von Menschen und alle warteten wie Emma auf das Ergebnis ihrer abgeschlossenen Prüfung. Sie hatte,- wie alle anderen hier auch, in den letzten Monaten eine Umschulung zum Physiotherapeuten gemacht, nachdem sie feststellen musste, dass ihr zuerst erlernter Beruf als Krankenschwester ihr immer mehr gesundheitliche Probleme bereitete und sie nicht mehr die schweren Lasten tragen konnte. Emma hatte sich eine schwere Rückenverletzung im Bereich der Bandscheibe zugezogen, die sehr schmerzhaft war und sie seither nun fast täglich zur Physiotherapie musste. Dies war der ausschlaggebende Punkt um eine Umschulung zu machen. Nun saß sie in der Aula ihrer Berufsschule und wartete auf das Ergebnis ihrer Prüfung.

Mit ihren neunundzwanzig Jahren war sie eine der ältesten Schülerinnen in ihrer Klasse gewesen, denn alle anderen waren gerade mal achtzehn,- höchstens zwanzig Jahre alt. Aber das hatte niemanden gestört und Emma hatte auch schnell den Draht zu den anderen Mitschülern gefunden. Und nun war die Zeit gekommen, wo sie sich von allen die sie lieb gewonnen hatte verabschieden musste …

Emma wurde aus ihren Träumen gerissen, als sich ein junger Mann neben sie setzte. Kevin war ein Mitschüler von ihr und in der letzten Zeit auch ein enger Freund geworden. Zwar hatte sie auch Nelly, - die eigentlich Antonella hieß und ihre beste Freundin war, doch Kevin konnte sie Dinge anvertrauen bei denen sie sich sicher war, dass ein Mann sie nicht weiter erzählen würde.

„Na Emma! Macht dich das Warten auch so wahnsinnig wie mich. Ich werde gleich bekloppt, wenn der da drin noch lange braucht“ sagte er und zeigte auf die verschlossene Tür des Prüfungsraumes, während er tiefer in den Stuhl rutschte.

„Hey, das wird schon. Du hast es bestimmt geschafft und kannst schon bald die Praxis deines Vaters übernehmen“

„Denkst du wirklich, dass ich ein so guter Masseur sein werde!“ fragte er skeptisch.- „Eigentlich würde ich ja viel lieber … ach egal!“

„Hey, zweifelst du etwa daran. Kevin, ich weiß was du kannst und ich weiß wie hart du gearbeitet hast. Also, Kopf hoch - du schaffst das. Und wenn es nicht klappen sollte, dann kannst du immer noch woanders als Therapeut arbeiten“, erwiderte sie und legte ihm eine Hand auf seinen Schenkel. Kevins Vater hatte einen Massagesalon in der Stadt, der sehr gut besucht war. Doch da sein Vater nun ins Rentenalter kam, sollte Kevin den Salon übernehmen. Kevin hatte nie die Absicht gehabt dies zu tun, - er wollte lieber studieren und dann auf Reisen gehen, hatte sich dann aber dem Bitten seiner Mutter gefügt und die Ausbildung zum Physiotherapeuten gemacht. Wenn der Salon nicht so gut wie bei seinem Vater laufen sollte, konnte er immer noch woanders unterkommen hatte seine Mutter zu ihm gemeint. Gerade als Kevin was auf Emmas Antwort sagen wollte, ging die Tür auf und der Prüfer kam heraus. Er blickte sich in der Runde um und rief dann nach Emmas Namen. Sie atmete noch einmal tief durch und ging mit ihm in das Zimmer. Für Emma waren diese Augenblicke die reinste Qual. Der Prüfer redete und redete, doch alles was sie interessierte war im Grunde nur ob sie nun Physiotherapeutin war oder nicht. Im Inneren hatte sie schon abgeschaltet. Sie war sich sicher, dass sie es verkackt hatte, doch als der Mann dann endlich gratulierte und ihr das Diplom zur bestandenen Prüfung überreichte, war sie völlig perplex.

„Vielen Dank“ Emma strahlte über das ganze Gesicht.

„Ich hoffe sie werden eine gute Physiotherapeutin werden. Denn falls ich irgendwann mal einen brauchen sollte,- Sie wissen schon was ich meine“. Im Grunde genommen war das ein blöder Spruch, - das wusste der Prüfer, aber nun war er schon draußen. Emma lächelte ihn an, bedankte sich noch mal und lief freudenstrahlend hinaus. Kevin sprang auf als Emma ihm entgegen gelaufen kam.

„Ich habe bestanden. Schau,- ich habe bestanden.“ rief sie und warf sich Kevin in die Arme.

„Ja ich sehe es. Aber nun muss ich auch …- wartest du auf mich“.

„Logisch und danach gehen wir feiern. Ok“

Emma kam erst gegen Abend nach Hause. Sie bewohnte ein kleines Apartment in einer Plattenbausiedlung. Zwar nicht mitten in der Stadt, aber es war trotzdem keine schöne Gegend. Es war dunkel, muffig und strahlte kein bisschen etwas von heimischem Flair aus, daher lud Emma auch nie Gäste zu sich ein. Es war ihr peinlich, wenn andere Leute wüssten wie sie haust. Die Einzige, die es wusste war Nelly - und das reichte vollkommen. Doch wenn sie nun einen guten Job angeboten bekäme, würde sie es sich bestimmt leisten können in eine schickere Gegend und in eine größere Wohnung umziehen zu können. Sie und Kevin waren, nachdem auch er die Prüfung bestanden hatte in einem Café in der Stadt ganz in der Nähe ihrer Wohnung, gemütlich einen Prosecco trinken gegangen und hatten auf ihre Zukunft angestoßen. Was nun zur Folge hatte, dass ihr ein wenig der Schädel kreiste, aber mit einer Aspirintablette und einem Nickerchen wäre sie in einer Stunde wieder hergestellt. Immerhin wollte sie heute Abend noch mit Nelly anstoßen oder zumindest ein wenig Party machen. Emma nahm die Tablette, die sie in der Hand hielt und spülte sie mit der Cola hinunter die auf dem Tisch stand. Das war zwar nicht Sinn der Sache,- weil sie ja wusste das man Tabletten nur mit Wasser einnehmen sollte, aber da die Flasche gerade da stand, nahm sie sich einfach einen Schluck. Sie spülte die Tablette hinunter und griff zum Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldete sich nach mehrmaligem klingeln die Stimme von Nelly.

„Hey Süße. Ich bin es. Emma. Was hältst du davon, wenn wir uns heute ein wenig amüsieren würden. Nur du und ich?“

„Oh, hört sich gut an. Und was feiern wir?“

„Meine bestandene Prüfung“.

Nelly stieß einen freudigen Schrei aus, was Emma dazu brachte den Hörer etwas weiter weg zuhalten um keinen Hörsturz zu bekommen.

„Ok, dann freust du dich und wir sehen uns heute Abend. Und wo werden wir hingehen?“ fragte Nelly.

„Ähm … ich habe keine Ahnung. Zu Luigi, zu Rafael oder vielleicht in die Disco?“

„Ich dachte du stehst nicht auf Discos“.

„Das ist was anderes. Heute machen wir einfach mal eine Ausnahme. Und so ab und zu kann man auch mal in eine Disco“.

„Dann habe ich da vielleicht eine Idee“.

Nelly holte Emma zwei Stunden später ab. Sie trug ein pinkfarbenes Oberteil und eine schwarze Hose, dazu hochhackige Pumps.

„Emma ich will ja nichts sagen, aber … aber das da …“ sagte Nelly und zeigte auf Emmas Oberteil. - „Das kannst du nicht anlassen“

„Warum denn nicht“

„Weil es pink ist. Zieh dir was anderes an und tue mir den Gefallen und lass deine Haare offen.“

„Spinnst du“, rief Emma entsetzt. - „Ich zieh mich um, aber meine Haare - das geht nicht. Die sind so widerspenstig. Du kennst doch mein Haar“.

„Och, Mensch. Komm, dann lass mich mal machen“.

Als Nelly mit Emma fertig war, waren ihre Haare nicht mehr so ein Wuschel, sondern fielen in langen Locken auf ihre Schultern. Nach mehrmaligem Drehen vor dem Spiegel und meckern, zog sich Emma statt dem pinkfarbenen, ein weißes Top an und stellte sich vor Nelly.

„Besser?“

„Prima! - Komm dann lass uns gehen“

Nelly fuhr mit Emma ins DaAbra, der angesehensten Disco der ganzen Stadt. Emma bekam den Mund nicht mehr zu, als sie den Wagen auf dem Parkplatz vor der Disco abstellte.

„Bist du wahnsinnig! Ich kann da nicht rein. Weißt du was für Leute da drin rumlaufen. Das ist der angesagteste Club der ganzen Stadt. Ich kann mir nicht mal den Eintritt leisten.“

„Emma, nun hör schon auf. Beruhige dich und lass mich mal machen“, grinste Nelly und stieg aus.

„Dein Wort in Gottes Gehörgang“, murmelte sie und eilte Nelly hinterher. Sie holte Nelly kurz vor dem Eingang ein.

„Sag mal, woher kennst du eigentlich diesen Schuppen?“ fragte Emma.

„Och … ähm … ich komm öfter hierher“.

Emma dachte sie hätte sich verhört. Nelly kam öfter hierher! Ins DaAbra! Aus Insiderquellen, - genau genommen aus der Zeitung wusste Emma, dass der Eintritt im DaAbra, eine ganze Stange Geld kostet und es sich Normalverdiener nicht leisten konnten je solch einen Schuppen von innen zu sehen. Emma hatte schon den Mund geöffnet um Nelly zu fragen, wo in aller Welt sie das Geld hernahm um hier öfter ein und aus zugehen, - denn sie war weder reich noch verdiente sie die große Kohle, als Nelly schon vom Türsteher angesprochen wurde.

„Hey Nelly, schön dich zu sehen. Warst ja seit Tagen nicht mehr hier“.

Bob begrüßte Nelly auf eine Art und Weise die merken ließ, dass sich die beiden sehr gut kannten. Er küsste sie auf beide Wangen und seine Hand ruhte wie selbstverständlich auf ihrem Hintern.

„Emma, das ist Bob. Bob, meine Freundin Emma.“ Bob nickte und lächelte „Sie hat heute ihre Prüfung bestanden. Sie ist nun Ausgebildete … Ähm …“

„Physiotherapeutin“ vollendete Emma den Satz.

„Genau. Und sie ist das erste Mal hier. Kannst du dir das vorstellen. Ich nicht! Wie kann man einen Laden wie den hier auslassen. Hmm? Wie wäre es wenn du dir die Fragen und sonstigen Formalitäten ersparst und uns rein lässt, damit wir ein bisschen feiern können“, grinste sie Bob an und setze ihren Hundeblick ein. Bob grinste und öffnete die Tür.

„Wie könnte ich da Nein sagen. Viel Vergnügen im DaAbra“.

Mit einem Lächeln drückte sich Nelly an Bob vorbei und Emma folgte ihr etwas schüchterner. Nelly ging wie selbstverständlich in den Club, als liefe sie durch ihre Wohnung. Emma blieb an der Kasse stehen und sah sich geschockt die Eintrittspreise an, bevor sie sich an ihre Freundin wandte.

„Nelly, hier kostet allein der Eintritt schon …“

„Hey, mach dir mal keine Gedanken. Komm ich habe schon bezahlt. Immerhin habe ich die nicht für umsonst,“ sagte sie und hielt sie ihre Golden-Card hoch. - „Und nun komm. Die Party wartet“.

Im Inneren der Disco war es ziemlich laut und Emmas Ohren dröhnten. Von ihrem angesäuselten Kopf ganz zu schweigen, aber sie wollte ja unbedingt Party machen an diesem Abend und nun war sie hier. Im DaAbra. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Sie war wirklich in dem angesagtesten Laden der ganzen Stadt. Hier tummelten sich Reiche und Berühmte. Mal abgesehen von den Schönen, den oberen Zehntausend und nun auch sie. Emma schlich hinter Nelly her, während die sich mit den Leuten unterhielt, mal hier und da ein Hallo in die Runde warf und ihre Drinks bestellte. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das Licht und nun konnte sie auch schon kleinere umrisse erkennen.

„Sag mal woher kennst du eigentlich die ganzen Leute?“

„Schätzchen, wie gesagt ich komm öfter her. Da lernt man den ein oder anderen kennen“.

„Und woher nimmst du das ganze Geld?“ fragte sie.

„Ganz einfach. Ich lass mich einladen! So habe ich auch die Golden-Card bekommen.“

„Aha“, konnte Emma nur antworten. Und so einfach es sich anhörte, - sie würde es nie fertigbringen sich irgendeinem an den Hals zu werfen und sich einladen zu lassen um eine Gold-Card zu bekommen. Was sollte sie auch damit? Sie war eh nie in irgendwelchen Clubs.

„So jetzt weißt du alles. Ich hole uns dann mal was zu trinken“, sagte sie und verschwand in der Menge. Da stand sie nun. Am Rande der Tanzfläche und ob sie wollte oder nicht, fing Emma automatisch an im Takt der Musik mit zu wippen. Als Nelly ihr den Cocktail in die Hand drückte, fiel ihr Blick an ihr vorbei auf eine Reihe junger, gutaussehender Männer, die an der Bar standen. Einer hatte es ihr besonders angetan. Immer wieder fiel ihr Blick auf den Mann mit dem hellen Hemd und der schwarzen Hose. Die Umrisse, die sie von ihm erkennen konnte sagten ihr, dass er einen gut gebauten Oberkörper hatte, denn so wie sein Hemd spannte musste er muskulös sein.

„Nelly, sag mal siehst du den Mann da drüben.“

Nelly folgte ihrem Blick und sah ihn an der Bar.

„Ja, was ist denn mit dem?“

„Ach nichts, - ich wollte nur wissen, ob du ihn vielleicht kennst“.

„Hmm ... der ist auch öfter hier, aber wie er heißt - keine Ahnung. Oooh da ist ja Belle. Warte ich komm gleich wieder“, sagte Nelly und verdrückte sich in die Menge. Belle war eine alte Bekannte von Nelly. Emma nutzte die Gelegenheit um ihre Abwesenheit aus, um ein wenig raus zu gehen. Da sie die Lautstärke in der Disco nicht so gewöhnt war, war sie froh dem Lärm zu entkommen. Wie Nelly ihr gesagt hatte, war im hinteren Teil des Clubs eine Tür, die nach draußen in einen Biergarten führte. Emma drängte sich so gut es ging an der Menschenmasse vorbei um nach draußen zu gelangen. Doch das schien schwieriger zu sein, als zuerst erwartet.

Warum tut Liebe weh

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