Читать книгу Milo von der Straße - Billy Remie - Страница 6
Ein verdammt guter Job
ОглавлениеEr trug nicht mehr als eins von Nikolais dünnen, marineblauen Sweatshirts, das ihm wie ein Minikleid über den nackten Hintern reichte und dessen weiter Kragen ihm von der Schulter rutschte, als er knapp eine Stunde später im noch immer vor Dampf stickigem Badezimmer stand und Wasser ließ.
Das zweite Mal hatte länger gedauert, von guter alter Handarbeit auf dem Boden vor dem Sofa waren sie in die Dusche gewandert, Milo konnte im Spiegel noch die Striemen erkennen, die seine Hände auf der Scheibe hinterlassen hatten, spürte mit einem angenehmen Erschaudern noch Nikolais Arme fest um seinen Leib, das Glas an seiner Wange, den Schwanz so tief in sich, dass er auf mehr als eine Art schwebte.
Letztlich war es im Bett zum Ende gekommen, mehr oder weniger. Er hatte in ein Wespennest gestochen, einen Drachen geweckt. Nikolai hatte ihn so lange gefickt, dass es ihm nun seltsam vorkam, ihn nicht mehr in sich zu spüren. Er selbst war dabei auch auf seine Kosten gekommen, mehrfach. Das war das erste Mal, dass ein Freier von ihm gewollt hatte, dass er für ihn kam. Es war auch das erste Mal, dass er selbst dabei hart gewesen war. Das erste Mal, dass der »Job« sogar Spaß machte. Zumindest konnte er sich wirklich nicht beklagen, ein zufriedenes Grinsen lag auf seinem Gesicht und er … fühlte sich wohl. Es war nicht schmutzig, nicht kalt, ihm tat die Rosette nicht weh und er musste den Toilettengang am Morgen nicht fürchten. Nein, er war noch ganz weich und hätte sogar von selbst mehr als Lust auf eine dritte Runde.
Er wusch sich die Hände, weil er mittlerweile so eine Ahnung hatte, dass Nikolai einen kleinen Wert auf Reinlichkeit legte. Was übrigens nicht unbedingt für Sperma oder Speichel zu gelten schien, denn er war seit dem letzten Höhepunkt nicht erneut in die Dusche gerannt, ein Papiertuch hatte es auch getan.
Milo schaltete das Licht aus, als er das Bad verließ, und hielt sich einen Moment im Türrahmen fest, um in das angrenzende Zimmer zu blicken. Es brannte nur eine Lampe, die warmes Licht spendete und neben dem riesigen Bett stand. Hinter den großen Fenstern lag die dunkle Stadt, der Schneefall war noch dicht, aber ruhiger geworden. Kurz keimte Sorge um seine Freunde auf, er fühlte sich schuldig, weil er im Warmen war, Spaß hatte, doch dann erinnerte er sich, dass sie sich alle in dieser Nacht bei einem Bekannten trafen, der mehr oder weniger eine Wohnung besaß. Oder besser gesagt, besetzte.
Das protzige Bett schien zu groß für einen einzigen Mann, vor allem wenn derjenige so dünn war wie der Fotograf, der ihn vor wenigen Stunden aufgegabelt hatte und der nun auf der Bettkante saß. Nackt.
Nicht zum ersten Mal ließ Milo die Augen über den drahtigen Rücken wandern, erfasste die dezenten Armmuskeln und den langen und schlanken Nacken. Und wieder stellte er fest, dass er den Fotografen attraktiv fand. Genüsslich erinnerte er sich daran, wie er mit diesem Körper vereint gewesen war, erinnerte sich an die Festigkeit und Glätte seiner Haut, an die strammen Gliedmaßen und seidigen Haare. Den Geruch, den Geschmack. Und es überraschte ihn, dass ihn nichts abstieß, dass dieser Mann nichts an sich hatte, dass ihn irgendwie anwiderte. Nein, Milo hatte gern mit ihm geschlafen und würde es gerne noch einmal tun, bevor die Nacht vorbei war.
Schmunzelnd betrat er das Zimmer, krabbelte hinter Nikolai auf das Bett, der den Kopf über einen Umschlag gesenkt hatte und die geschwungenen Augenbrauen unter seinen wiegenden Strähnen zusammenzog.
»Was machst du?« Milo umarmte ihn von hinten und knabberte an seinem Hals, zog die Nase über die seidene Haut und sog den Duft der Seife ein, der sie gleich riechen ließ. Er mochte dieses Detail, dass sie nun ein und denselben Geruch besaßen, so sehr, dass er wieder leicht erbebte.
Wie immer nahm der Fotograf die Berührungen scheinbar völlig gleichgültig hin, doch so wie er ihn ausgehungert genommen hatte, konnte Milo ihn nicht derart kalt lassen, wie sein Gesicht vermuten ließ.
Es schien eher so, als ob Nikolai nicht einmal bemerkte, dass er gleichgültig rüberkam.
»Hier.« Nikolai reichte den Umschlag über die Schulter. »Mehr habe ich nicht da, aber ich denke, es sollte genügen.«
Milo stockte, doch dann griff er ein wenig zu eilig nach dem Umschlag, als ob die Zeit zum Zugreifen ablaufen würde. Er spähte hinein.
Seine Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. »Das… das müssten ja…«
»Tausend, plus die hundert von heute Mittag.« Nikolai drehte sich zu ihm um. »Das sollte den Rest der Nacht abdecken.«
Milo konnte nicht atmen, als er auf das Geld starrte. So viel nahmen sie nicht einmal in einer Woche ein, sie würden auch niemals so lange sparen, um es anzuhäufen. Kurz um, das erste Mal in seinem Leben war er in Besitz von eintausend Tacken! Und er konnte es nicht glauben.
Nikolai interpretierte seinen Blick falsch. »Ist es zu wenig?«, hakte er geschäftig nach, als wäre er bereit, zu verhandeln. »Vielleicht kannst du ja einen kleinen Rabatt in Erwägung ziehen, weil du vielleicht auch wenig Freude an der Nummer hattest.«
Ein wenig? Hatte er denn nicht mitbekommen, dass Milo unter seinen Stößen zu Butter geschmolzen war? Es war fast peinlich, wie er sich ihm in der Dusche hechelnd entgegengedrückt hatte, jeden Stoß geliebt und genossen hatte, wie eine läufige Hündin.
Er sah Nikolai an, der auf eine Reaktion wartete, und wollte ihm sagen, dass das viel zu viel war, angesichts der Tatsache, dass sie… Spaß hatten. Doch dann sickerte die Erkenntnis zu ihm durch, das Geld in der Hand ließ ihn erkennen, was das hier war.
Du hast es doch so gewollt, Milo. Stimmt, er hatte mehr rausschlagen wollen und das hatte er. Basti würde Augen machen!
Dennoch, seit dem Fick auf dem Sofa, als Nikolai ihn nicht wie einen Stricher, sondern mehr wie… ein Date vorbereitet hatte, hatte Milo vergessen, dass das hier sein Job war.
Eine Dienstleistung.
Mehr nicht.
Er lächelte, vielleicht etwas kühler als zuvor, denn sein Gegenüber musterte sein Gesicht nachdenklich. »Gut?«, hakte er ungeduldig nach.
Milo nickte. »Ja, geht klar.« Er drehte sich um und legte den Umschlag auf die andere Seite auf den Nachttisch neben dem Bett. Als er sich wieder umdrehte, erreichte sein Lächeln auch seine Augen.
»Sonst auch alles in Ordnung?«, fragte der Fotograf mit seiner monotonen Stimme, die zwar kaum Gefühl mitschwingen ließ, jedoch unaufdringlich und dadurch seltsam beruhigend auf Milo wirkte. Kalt und irgendwie tiefreichend friedvoll, so wie der Schneefall vor dem Fenster.
Wie gesagt, er fühlte sich wohl, und das… kam sehr selten in fremder Umgebung vor.
Wieder nickte er.
Nikolai betrachtete ihn noch einen Moment länger, dann ließ er sich quasi umfallen.
Schmunzelnd sah Milo auf ihn herab, als er sich neben ihn auf den Rücken drehte und genüsslich ausstreckte. Sein Schwanz lag auf seinem strammen Schenkel, nicht erwähnenswert groß, aber schön und verlockend, seit Milo wusste, dass er damit seine Prostata hervorragend bearbeiten konnte.
Ihm wurde wieder warm, ließ die Augen genüsslich höher über den flachen Oberkörper wandern, über die lange Kehle zum spitzen Kinn und dem trotz zu großer Nase schönem Gesicht. Die Augen waren geschlossen, Milo mochte es wie das Licht die hohen Wangenknochen umschmeichelte.
Er hätte am Mittag niemals erwartet, dass dieser Mann ihn so faszinieren könnte. Diese steinerne Maske, die ihn zuerst verunsichert hatte, zog ihn nun an. Er wollte sie nicht aufbrechen, nicht ihre Geheimnisse mit Gewalt hervorzwingen, er mochte sie so wie sie war. Verschlossen, irgendwie kühl. Und doch loderte Leidenschaft darunter, die ihm mehr als einmal an diesem Abend ins Ohr gehaucht worden war.
Die Erinnerung weckte seine Libido erneut.
»Was starrst du so?«
Milo biss sich schmunzelnd auf die Lippe, dann legte er sich neben ihn, den Kopf auf seine Hand gestützt, damit er auf ihn herabsehen konnte. »Du bist echt n´ bisschen seltsam.«
Nikolai zwang ein rauchgraues Auge auf. »Wieso?«
Eine Frage, die Milo nicht einmal so einfach beantworten konnte, er hob die Schultern. »Keine Ahnung, so… undurchdringlich, irgendwie.«
Ein Stirnrunzeln antwortete ihm, dann schloss der Fotograf wieder die Augen.
»Ich meine, wer gabelt einen Stricher auf, um ihn zu fotografieren? Du hast mich ja nicht unter einem Vorwand weglocken müssen, ich hätte es überall mit dir gemacht.«
»Ich wollte dich nicht ficken.«
»Das hat sich aber anders angefühlt.«
Konnte es sein, dass er plötzlich so etwas wie den Hauch eines Schmunzelns auf den sonst unbewegten Zügen erahnen konnte?
Milo betrachtete das Gesicht eingehend, das sich von Augenblick zu Augenblick mehr zu entspannen schien, doch niemals »weich« wurde. Selbst als Nikolai langsam eindöste, lag eine Stirnfalte zwischen seinen Brauen und sein Kiefer wirkte weiterhin hart wie aus Granit, die Lippen dünn und missbilligend, als ob er selbst an seinem Schlaf etwas auszusetzen hätte.
»Du kannst dich in der Küche bedienen, wenn du Hunger hast«, sagte der Fotograf in die Stille hinein. Er klang schläfrig.
Milo ließ es unkommentiert, dass er das Thema wechselte. »Danke. Doch ich habe lediglich ein Auge auf deine Bar geworfen. Wollen wir nicht noch was trinken?«, fragte er hoffnungsvoll, wollte nicht nur Nikolai wieder wach bekommen und erneut verführen, sondern auch seinen Bedarf an Alkohol decken, denn seit dem Mittag hatte er nichts mehr getrunken und durch die Aktivitäten war er noch schneller nüchtern geworden.
Nikolai schielte wieder zu ihm auf, eine Augenbraue hochgezogen. »Du weißt, dass eine Flasche von meinem Wodka mehr kostet, als du in einem Jahrzehnt mit deinem hübschen Arsch verdienen kannst?«
Milo spürte zum ersten Mal an diesem Abend einen Stich. »Du meinst, du willst deinen kostbaren Suff nicht an einen verwahrlosten Stricher verschwenden?«, übersetzte er pikiert.
Nun öffneten sich Nikolais Augen weiter, verständnislos sah er hinauf in Milos beleidigtes und ernstes Antlitz. »Weißt du eigentlich, wie formvollendet schön dein Gesicht ist, wenn du so schaust?«, fragte er mit gesenkter Stimme rau und hob wie in Trance und vollkommen fasziniert eine Hand, um über Milos Kiefer zu streicheln.
Die Berührung brannte sich ein, Milos Herz machte seltsame Sachen.
»Und nein«, betonte Nikolai, als er Milos Wut den Wind aus den Segeln genommen hatte, »so meinte ich das nicht. Ich finde nur, Alkohol ist ein Genussmittel und sollte nicht dazu dienen, dass du dir die Gehirnzellen wegsäufst, um mich zu ertragen.« Er ließ die Hand fallen und blickte ernst drein. »Ich will nicht, dass du jetzt besoffen bist, ich will deinen klaren Blick, den ich so mühsam aus dir rausfickte.«
Milo konnte nicht anders, als amüsiert zu grinsen. Nikolai verstand es, ohne großes Gehabe zu feixen.
»Es war bestimmt nicht halb so mühsam, wie es für mich war, deinen eingeschlafenen Schwanz zu wecken«, gab er zurück und reckte das Kinn trotzig vor.
Wieder lag der Hauch eines Schmunzelns auf dem Gesicht unter ihm, zumindest leuchteten die rauchgrauen Augen – die von dichten Wimpern umrandet waren – amüsiert. »So mühsam war das gar nicht«, gab Nikolai ehrlich zu bedenken. Er machte sich nichts vor und beeindruckte Milo damit.
Es gab nicht viele Menschen, die ehrlich zu sich selbst waren.
»Stimmt.« Milo lehnte sich halb auf ihn, brachte seine Lippen nahe an Nikolais Mund, und raunte: »Es war spielend leicht.«
»Vielleicht, weil du einfach einen verdammt guten Job machst.«
Ein Kompliment, das ihn wahrscheinlich beleidigt hätte, wäre es von einem anderen Freier gekommen, denn wer war schon gern eine gute Hure. Doch so fühlte er sich nicht, als es von Nikolai kam. Nein, nun musste er noch mehr lächeln.
»Dann sollte ich mit dem fortfahren, was ich so verdammt gut kann«, flüsterte er verspielt und rutschte tiefer. »Und ich erinnere mich noch gut daran, was dich vorhin besonders ins Staunen versetzte…«
Nikolai schnaubte, hielt ihn aber nicht auf, als Milo sein schlaffes Geschlecht erreichte und in seinen Mund saugte, um es noch einmal zu überreden, für ihn hart zu werden.
Und das wurde es.