Читать книгу Milo von der Straße - Billy Remie - Страница 8
Abgründe
ОглавлениеEs ging ihm elend. Milo musste sich draußen auf der Parkbank im Schneesturm erkältet haben, das hatte er schon am frühen Morgen gespürt, als er mit Basti die angebrochene Flasche geteilt hatte. Vom Crack, das dieser am Nachmittag über mehrere Bekannte hatte kaufen können, war nichts mehr übrig, als Milo wieder auf ihn gestoßen war.
Sunny bot ihnen eins der »Kinderzimmer« an, um ungestört zu sein. Sie schliefen auf dem Boden vor einem Kinderbett, hatten die Matratze vom Lattenrost gezogen und durch Schlafsäcke erweitert, damit sie es beide bequem hatten. Vor dem Fenster hing zum Schutz vor der Kälte und um das Zimmer abzudunkeln eine alte, kackbraune Decke. Die Wände waren vollgeschmiert mit Kinderkritzeleien, wobei Sunnys drei oder vier Kinder beim Jugendamt aufwuchsen und nur alle paar Wochen bei den Eltern wohnten, falls die Mutter denn mal nicht wieder zornig abgehauen war und zeitweise einen anderen Macker hatte. Seit Basti Milo das erste Mal seinen »Freunden« vorgestellt hatte, war Sunnys Alte dreimal mit einem anderen abgehauen und dann doch wiedergekommen.
Interessant, mit welch sinnlosen Grübeleien sich das Gehirn beschäftigte, nur um sich von dem Elend abzulenken, das der Körper gerade durchlitt, dachte Milo schniefend.
Abgesehen von seiner rotztriefenden Nase und dem kratzigen Hals fühlte er sich wie einmal vom Zug überrollt. Gekaut und ausgespuckt. Vollkommen durch den Wolf gedreht. Es war ätzend, er schien Fieber zu haben, war müde und träumte wirres Zeug, das ihn nicht schlafen ließ. Seine Glieder schmerzten, ihm war abwechselnd kalt und heiß, er musste husten – rauchte aber aus Gewohnheit und Sucht trotzdem, wenn er denn mal kurz aus dem Delirium erwachte.
Nachdem Basti mit ihm geschlafen hatte und er durch die Drogen viel länger gebraucht hatte als Milo Lust gehabt hätte – aber er hatte es natürlich trotzdem durchgezogen, ob krank oder nicht, weil er für Basti da sein wollte – war dieser auch schon wieder nach draußen abgerauscht.
»Lass uns noch was machen«, hatte er Milo gedrängt. »Lass zu den anderen gehen.«
Bestimmt hoffte er beinahe auf einen Dreier, aber Milo hatte dazu weder Lust noch die Kraft. Rapide hatte sich sein Zustand verschlechtert und er hatte nur noch schlafen wollen.
»Kannst du nicht bei mir bleiben?«, hatte er Basti angefleht. Er hatte sich selten so verletzlich gefühlt, war noch nie so schlimm krank gewesen.
Basti hatte es versprochen und sich zu ihm gelegt, ihn gewärmt, bis er unruhig eingeschlafen war.
Als er irgendwann am Tag erwachte, dröhnte noch immer die Technomusik im Wohnzimmer zu ihm durch und er war allein. Bastis lautes Lachen erklang im Zimmer nebenan.
Milo hatte sich zu schlecht gefühlt, um nach ihm zu rufen. Und es war okay, er kannte Basti gut genug, er würde auf ihn aufpassen, doch er konnte selten stillsitzen. Er war ja nur nebenan, nur einen Ruf entfernt. Und Milo war wieder eingeschlafen, träumte von Bastis Lachen und von einem kühlblickenden Fotografen hinter der Kamera.
Als er wieder aufwachte, war es wegen einer Hand auf seiner Stirn und einem besorgten Laut. »Milo, du glühst ja!«
Er drehte sich um und konnte nicht anders als Basti durch einen Fieberschimmer anzulächeln und eine Hand zu seinem Gesicht zu heben. »Hey…«, brachte er nur hervor und erschrak selbst ob seiner rauen und kraftlosen Stimme. Ihm war schwindelig, obwohl er lag.
Bastis »krähenähnliches« Gesicht, das ihm stets ein sehnsüchtiges Ziehen im Herzen verursachte, war voller Sorge um ihn. »Du siehst gar nicht gut aus.«
Wie zur Bestätigung, schüttelte ein Hustenanfall Milos Leib und er musste sich abwenden und auf einen Ellenbogen stützen. Basti klopfte liebevoll seinen Rücken, bis es vorbei war.
»Scheiße, das hört sich an, als ob du dir die Lunge rauswürgst!« Er fuhr sich durch den neonpinkgefärbten Irokesen.
»Und es macht es nicht besser, dass hier alles nach Katzenpisse stinkt«, scherzte Milo und fuhr mit dem Handrücken unter seiner Nase entlang.
»Und Sunny hat nicht mal Katzen.«
Erschöpft ließ Milo sich auf den Rücken fallen und blickte zu Basti auf. Es stand dichter Rauch von seiner Zigarette in dem winzigen Raum, Flaschen lagen umher und irgendeiner der Anwesenden schien ihm noch etwas verkauft zu haben, denn ein kleiner Spiegel lag neben einem offenen Alufolienstück, er war abgeleckt und Bastis Pupillen waren riesig.
»Hast du was zu trinken?«, fragte Milo wehleidig und befühlte selbst seine Stirn. Seine Finger waren so eiskalt, dass ihm seine eigene Haut noch heißer vorkam, als sie ohnehin schon war.
Basti drehte sich kurz um und reichte ihm dann die Wodkaflasche aus dem Haus des Fotografen.
Zögerlich nahm Milo sie entgegen. »Haben wir kein Wasser oder so?« Es war das erste Mal, dass er krank und auf der Straße war. Das erste Mal ohne heißes Badewasser und Tee und Medikamente oder ein warmes, kuscheliges Bett.
Das erste Mal, dass er keine Lust auf Alkohol und Party hatte.
Ratlos hob Basti die Schultern. »Nur aus dem Wasserhahn, soll ich dir holen? Aber Alkohol tötet doch Bakterien, oder?«
Auch Milo hob ratlos die Schultern, dann trank er aus der geöffneten Flasche, an der Lippenstift hing, den er zuvor auf dem Mund der blonden Bitch gesehen hatte. Er sagte nichts, aber er spürte wieder einen eifersüchtigen Stich.
Während er hier krank lag, amüsierten sich die anderen. Er fühlte sich beschissen, nicht nur körperlich. Dabei waren die anderen ihm scheißegal, selbst die Clique. Sie alle waren Bastis Freunde, Bastis Bekannte, Bastis Dealer. Er hatte Milo mit ihnen bekanntgemacht, er hatte Milo »angeschleppt«, wie die anderen sagten, zog ihn mit sich. Milo war nur an Basti interessiert, nicht an den anderen. Er wollte bloß bei Basti sein. Er war sein Zuhause, seine Zuflucht, sein Fels.
Basti zündete eine zweite Zigarette mit der glühenden Spitze seiner eigenen an, zog einmal daran und reichte die Selbstgedrehte dann an Milo weiter.
Trotz Husten rauchte er sie. Weil er gar nicht mehr darüber nachdachte, weil er sie brauchte. Auch wenn es höllisch wehtat.
»Bleibst du bei mir?«, fragte Milo und schaute flehend zu Basti hin.
Dieser schenkte ihm sein süßestes Lächeln. Das Lächeln, das Milo zum ersten Mal in seinem Leben hatte fühlen lassen, was Verliebtheit war. Wie brennend und gierig sie sich anfühlte.
»Ja klar«, versprach Basti und beugte sich zu ihm hinab, um ihm einen einnehmenden Kuss zu geben.
*~*~*
Es wurde nicht besser, sondern schlimmer. Auch in Bastis warmen Armen fand Milo keine Ruhe, es ging ihm elend und trotzdem konnte er kaum einen langen und erholsamen Schlaf finden. Eiskalte Schauder fuhren ihm durch die Glieder, das Fieber nahm zu, die Schwäche und die Schmerzen in den Gliedern ebenso. Der Husten setzte sich fest, die Nase war wie mit Beton verstopft, er schmeckte einen Pelz auf der Zunge, kalter Schweiß verklebte seine Haut.
Dann kam die Übelkeit, die Magenkrämpfe und die pochenden Kopfschmerzen.
Bibbernd klammerte er sich an Bastis Arme, gleichzeitig wollte er wütend gegen die beschissene Musik anschreien, denn der Bass schmerzte in seinen zugegangenen Ohren. Der Geruch nach Rauch und Katzenpisse machte alles nur noch schlimmer.
»Können wir nicht in ein Hotel?«, flehte er Basti an, der ihn an sich zog und vor sich hin summte, weil er durch die Drogen nicht schlafen konnte. Er zappelte ständig mit den Beinen und zuckte unkontrolliert, knackte nervös mit den Fingern. Doch obwohl er ihn wahnsinnig machte, wollte Milo ihn um sich haben.
»Ja, morgen«, versprach er. »Ins Motel, okay? In der Nähe vom Bahnhof, wo der alte Puff war, weißt du noch? Da wo sie nicht nach Perso fragen. Da pflegen wir dich gesund.«
Milo musste lächeln. »Nur du und ich?«
»Nur du und ich.« Basti küsste seinen Nacken. Einmal, zweimal. Dann drückte er ihn an sich und kuschelte sich wie ein großer Kater an Milos Rücken. »Hab doch gesagt, ich pass auf dich auf. Und ich will heiß duschen. Mit dir.«
Mit dir.
Milo wollte auch heiß duschen, in Bastis Armen liegen und von ihm eingeseift werden. Er konnte es kaum erwarten, mit ihm allein zu sein und ganz allein seine Aufmerksamkeit zu haben. Für mehr als ein paar Stunden. Nur sie. Es klang so schön und der Gedanke an die Zeit zu zweit ließ ihn durchhalten.
Auf der Straße kam Zweisamkeit viel zu selten vor, zumindest in ihren Kreisen. Basti war sehr beliebt, immer schon. Er hatte dieses natürliche Selbstbewusstsein, das andere anzog. Und er liebte die Aufmerksamkeit.
Auch Milo war ihm erlegen, wie kaum ein anderer.
Seinetwegen war er hier.
Irgendwann musste er doch in einen tieferen Schlaf gesunken sein, denn er erwachte aus einem tiefen und wirren Traumschlick, weil er kotzen musste.
Vielleicht war es der Alkohol oder die Packung Brie aus dem Rucksack, die er Nikolai gestohlen und gegessen hatte, doch was es auch war, es wollte raus.
Er drehte sich auf die Seite und kotzte neben die Matratze auf den Boden. Es war nicht das erste Mal, dass er zu wenig Kraft zum Aufstehen hatte, doch normalerweise war er zu besoffen. Und dann fühlte es sich auch nicht so elendig schmerzhaft an, weil er dann betäubt war. Nun würgte sein Körper seinen Mageninhalt mit aller Kraft hervor, die Krämpfe erstickten ihn und es floss ihn aus Mund und Nase. Es fühlte sich an, als ob sein Brustkorb brechen würde.
Und es hörte nicht auf.
Das letzte Mal hatte er so viel erbrochen, als er die ersten drei Tage auf der Straße verbracht und mit Basti Alkohol und Koks konsumiert hatte, nicht geschlafen hatte, und ihm dann der ganze Scheiß einen Tag lang wieder rausgekommen war. Obwohl der viele Alkohol daran schuld war, hatte Milo seitdem erst einmal keine Drogen mehr ausprobiert, nicht einmal einen Joint, aus Angst vor den Folgen. Er brauchte Schlaf, er musste essen können, wenn er Hartes trank. Und er brauchte den Alkohol, weil er sich durch diesen locker und hemmungslos fühlte, statt das schüchterne Elend zu sein, das kaum ein Wort hervorbrachte.
Nein, der Alkohol hatte ihm damals den Mut verliehen, Basti zu küssen. Und für ihn war dies das Beste gewesen, was ihm passieren konnte, denn Basti hatte es erwidert. Milo konnte den Suff nicht aufgeben, lieber ließ er das Koksen sein, damit er auch mal etwas Essen konnte, um den Alkohol aufzusaugen.
Vorerst ließ er die Finger von dem Scheiß. Obwohl er mittlerweile so oft gehungert hatte, dass er immer wieder verlockt war, das Gefühl durch Drogen zu betäuben.
Noch ein halbes Jahr oder ein Jahr länger und er würde bestimmt nicht mehr Nein sagen können.
Als sein Magen endlich leer war, schien er sich zu beruhigen. Erschöpft ließ Milo sich auf den Rücken fallen, begraben unter einer Decke und Bastis dicker Bomberjacke. Die Seite neben ihm war leer und kalt. Es lief noch immer Musik, aber jetzt war sie leiser.
Eine Weile lag er einfach nur halb auf den Rücken gedreht auf der Kindermatratze und hatte die Beine angezogen. Ihm war eiskalt, aber nach dem Kotzen ging es seinem Magen besser.
Irgendwann dämmerte er wieder weg und träumte verwirrtes Zeug. Träumte von Basti, der wieder hereinkam und ihn besteigen wollte, träumte von seinem liebevollen Drängen und Streicheln, träumte von der Bitch, die er klar gemacht hatte, und dass sie hereinstürmte und Drama machte. Träumte davon, dass ihn die Bullen suchten. Träumte, wie sie ihn verfolgten. Träumte von dem gruseligen Freier mit der fetten, freundlichen Visage und fettglänzenden Lippen, von den Seilen, dem Knebel. Er war mit ihm gefangen in der Zelle auf der Polizeistation, niemand hörte seine Panik. Dann ging die Tür auf, er hörte die Polizei reden, plötzlich war auch Nikolai da und jemand fragte ihn, ob das seine Kamera und sein Geld sei. Milo warf sich im Schlaf ängstlich herum, sein Herz hämmerte in der Brust. Doch dann hörte er den Fotografen mit seiner monotonen und halb gelangweilten Stimme »Nein« sagen. Milo träumte, wie Nikolai den Polizisten bezahlte und dann Milo anbot, aus der Zelle zu kommen. Dann tauchte Basti aus dem Nichts auf und flirtete mit seinem üblich charmanten Grinsen mit dem Fotografen, wollte ihn zu bezahlten Sex mit ihm verführen, genauso wie Milo es gemacht hatte. Und Milo wusste nicht warum genau, aber er fing im Schlaf an zu weinen, als die beiden es trieben.
Dann wachte er wieder auf, wobei sich sein Schlaf keineswegs erholsam angefühlt hatte, eher wie ein Kampf.
Noch immer war er allein und jetzt krampfte sein Magen erneut, doch es wollte aus einer anderen Öffnung raus.
Er hielt sich den Bauch, der sich anfühlte, als hätte er Glasscherben gegessen, und stand im Dunkeln auf. Noch immer war es Nacht, jede Stunde dauerte so lange wie ein beschissener Tag.
Auf dem Klo fand er Sunny, der neben der Schüssel auf dem Boden lag, alles war vollgekotzt und stank irgendwie sauer. In der Armbeuge steckte noch die Spritze. Doch zum Glück lag der etwa Vierzigjährige auf dem fleckigen Badezimmerteppich, sodass Milo ihn nach draußen in den Flur zerren konnte und es dann gerade noch schaffte, den Hintern über das Klo zu hängen. Er musste sich verbiegen, weil er sich wegen dem Erbrochenen nicht hinsetzen konnte.
Diese Momente waren nicht die glorreichsten, das wusste er, und in solchen Augenblicken wünschte er sich beinahe wieder nach Hause.
Aber nur beinahe.
Er versuchte schon lange nicht mehr, über Leute wie Sunny nachzudenken. Über die Spritzen, über die Kotze und die komatösen Menschen, die herumlagen. All das versuchte er auszublenden und sich nur darauf zu konzentrieren, dass Basti und er nur auf der Straße wirklich frei sein und zusammen sein konnten. Nur hier.
Wirklich schlimm waren die Augenblicke, wenn er neben Basti aufwachte und ihn in der eigenen Kotze liegend vorfand, die Spritze oder Pfeife noch in oder neben sich. Denn jedes Mal fürchtete er um Bastis Leben, wenn er neben ihm saß und ihn bewachte, bis er wieder die Augen öffnete.
Jedes verdammte Mal.
Es war oft genug beängstigend auf der Straße, doch zum ersten Mal machte er sich sorgen um sich selbst. Heiß und kalt lief es ihm über den Leib, während er sich bebend entleerte. Er wusste nicht, wie lange es dauerte, doch lange genug, dass er beinahe umkippte.
Milo trank danach aus dem Wasserhahn, schöpfte sich das sehr kalkbelastete Nass in den Mund und nahm ein paar Schlucke, doch dann spürte er seinen Magen erneut rebellieren. Er schaffte es nicht bis in Zimmer und befürchtete, dass sein Magen noch länger rebellieren würde, also blieb er im Badezimmer liegen.
Hin und wieder dämmerte er im flackernden Licht der Lampe ein, die Fliesen waren hart und kalt, er krümmte sich zusammen wie ein Embryo, es roch schrecklich eklig. Manchmal kam jemand herein, stieg über ihn und benutzte die Toilette oder übergab sich. Noch immer lief Musik, die ihn langsam wahnsinnig machte.
Er sehnte sich nach Ruhe und Einsamkeit, einem weichen Bett und einem neutral riechendem Zimmer. Keine Zigarettenrauchschwaden, keine Musik, keine fremden Menschen.
Wo war eigentlich Basti und warum vermisste er Milo nicht in seinem Bett?
Dieser Gedanke war es, der ihn im frühen Morgen dann doch aufstehen ließ. Zumindest schien sein Magen sich beruhigt zu haben, doch in seinem Kopf dröhnte es und seine Knie waren ganz weich. Gekrümmt vor Schwindel tastete er sich hervor, es war noch dunkel, das Rauschen der Straßen drang gedämpft aber immer noch überlaut herein.
In ihrem Zimmer war Basti noch immer nicht. Milo begann, ihn zu suchen. Im Wohnzimmer lagen noch mehr komatöse Menschen, manche hatten ihren Hund dabei. Milo erkannte im Halbdunklen ihre Gesichter nicht, doch er erkannte sehr wohl die Etikette der leeren Wodkaflaschen. Er war so weggetreten von der Erkältung – oder sogar Grippe – gewesen, dass er nicht mitbekommen hatte, dass Basti sich an ihren Vorräten bedient und sie unter seinen Freunden aufgeteilt hatte. Alle Flaschen waren leer, dabei waren kaum vierundzwanzig Stunden vergangen. Und mehr als das. Milo erkannte die vielen leeren Alufolienstücke auf dem Tisch, die von einer »großen Party« zeugten. Basti war immer gönnerhaft, liebte es geradezu, sein Geld rauszuwerfen und sich wie eine Art großer Bruder aufzuspielen, der für alle ein bisschen was überhatte. Offensichtlich hatte irgendwer irgendwen angerufen, und Basti hatte ihr Geld bereits für eine langanhaltende – über Nächte und Tage andauernde – Scheißparty rausgeworfen.
Das war so typisch für ihn, er verschleuderte immer sofort alles, was sie einnahmen, lebte nur im Moment. Von einem Freier zum nächsten. Sparen kannte Basti nicht, an Morgen denken kannte er nicht. Fast so als ob er keinen Morgen erwartete.
Milo kam nicht umhin, zum ersten Mal deshalb wirklich böse zu werden. Denn er hatte das allein verdient und war ein großes Risiko dafür eingegangen. Das Geld war nur für ihn und Basti bestimmt gewesen. Nur für sie! Nicht für diese fremden Scheißleute!
Er war froh, dass er ein bisschen was von dem Geld des Fotografen ins Geheimversteck seines Rucksacks geschoben hatte, von dem Basti nichts ahnte. Damit würden sie das Motel bezahlen und mehr als eine richtige Mahlzeit!
Milo brauchte nicht länger suchen, er erkannte Basti allein schon an seinem charakteristischen Keuchen, das schwer und rhythmisch im Raum hing. Er musste nur den Kopf drehen und zur Küche blicken. Dort im Licht der Straßenlaternen, das durch die vergilbten Vorhänge auf den Tisch fiel, fickte Basti die blonde Bitch hart von hinten. Ihre winzigen Brüste durch das heruntergezerrte Shirt entblößt, der Minirock hochgehoben und die Leggings runtergezogen. Ihr Make up war verlaufen und ihr Mund stand weit offen, sie stöhnte und keuchte abgehackt, während Basti wie ein Besessener in sie hämmerte.
Das konnte noch Stunden so gehen, das wusste Milo aus Erfahrung.
Tränen brannten plötzlich in seinen Augen, noch bevor er sich seiner Gefühle gewahr wurde. Eine Enge in Brust und Kehle ließ seinen Atem ersticken. Lautlos fuhr er herum und eilte zurück in ihr Zimmer.
Er versuchte, seine Eifersucht zu beruhigen und sagte sich, dass es nicht mehr als Sex war, dass es kein Betrug war. Basti war immer ehrlich.
Und doch fing er an zu heulen und grub das Gesicht in Bastis Jacke, mit jener er ihn liebevoll zugedeckt hatte. Hasste und liebte diesen Mistkerl gleichermaßen inbrünstig.
Es tat so weh, dass er das Gefühl nicht beschreiben konnte, in ihm riss jedes Mal etwas, wenn er Basti mit jemand anderen sah.
Ich kann das nicht mehr, dachte er nicht zum ersten Mal. Er konnte ihn nicht mehr teilen, Basti war doch sein! Sie gehörten doch zusammen!
Ein Teil von ihm wollte zurückgehen und sie auseinanderreißen, ihr in die blöde Fresse schlagen und ihm die Nase brechen, beide verfluchen und Basti vor die Wahl stellen.
Doch am Ende hatte er zu viel Angst davor, ihn zu verlieren. Basti war ihm zu wichtig. Deshalb lag er nebenan und weinte still, nicht mehr als Bastis Geruch in der Nase, der an dessen Jacke haftete, während sein Freund sich nur eine dünne Wand entfernt die Seele mit einem Weib rausfickte.
Es war sein Fehler gewesen, wusste Milo verzweifelt. Er hätte Basti mehr als eine schnelle Nummer geben müssen. Er hätte nicht krank werden dürfen!
Verdammtes Schicksal, er musste doch für Basti da sein!
Er wollte nicht zuhören und doch konnte er nicht anders, diesbezüglich war sein Gehirn absolut selbstzerstörerisch! Verzweifelt versuchte er zu schlafen, doch er war zu aufgewühlt und ihm ging es zu übel.
Hinterher konnte er selbst nicht erklären, warum, doch er griff nach seinem Rucksack und kramte die gestohlene Kamera hervor, drehte sie im Dunkeln und drückte so lange Knöpfe, bis sie anging und der Bildschirm sein Gesicht beleuchtete. Er musste sie umdrehen, weil die Bilder auf dem Kopf standen.
Milo schniefte, das Keuchen nebenan war leise genug, um es zu überhören, doch weil er wusste, dass es da war, drang es immer wieder zu ihm durch und zerriss ihm die Seele.
Schüttelfrost stellte sich ein und er vergrub sich bis zur Nasenspitze in Bastis Jacke, während er durch die Bilder klickte.
Er sah sich selbst an, was sich zuerst komisch anfühlte. Er wollte die Bilder löschen, doch irgendwie konnte er es dann doch nicht. Noch nicht. Zuerst klickte er sie durch. Es war nur er auf der Speicherkarte, keine sonstigen Bilder, nur er. Und … die Fotos von ihm faszinierten ihn.
Das letzte Bild von sich, das er vor diesem Tag gesehen hatte, war er am Küchentisch zuhause mit einem albernen Partyhütchen auf dem Kopf, Pausbacken und leidigem Gesicht gewesen. Die Bilder auf der Kamera waren anders, ernster, reifer. So hatte er sich noch nie gesehen, so kantig, fast erwachsen und doch irgendwie jung. So … dürr und verbraucht und doch… mit einem gewissen Charme. Noch nie hatte er sich selbst angesehen und attraktiv gefunden, nur Basti oder auch Freier hatten ihm das Gefühl geben können, fickwert zu sein, doch diese Bilder zeigten eine Seite von ihm, die er selbst nie gekannt hatte. Er mochte das Verruchte, die Kanten, das Erwachsene – aber er mochte nicht die Augenringe und nicht die eingefallenen Wangen, den unsicheren Blick auf den ersten Fotos, die Angst in seinen Zügen. Aber genau das war er, stellte er fasziniert fest, ein Mensch irgendwo dazwischen. Nicht richtig erwachsen, nicht richtig unschuldig, nicht richtig verlottert, nicht abgestumpft, aber auch nicht tiefreichend schüchtern.
Irgendwas dazwischen.
Milo hatte selbst noch nicht herausgefunden was oder wer er eigentlich war. Alles, was er bis zu diesem Moment wirklich je sicher in seinem Leben gewusst hatte, war, dass er Bastis Milo war. Mehr war er bisher nicht gewesen. Erst, seit er Basti liebte hatte er eine Rolle. Vom Kind zu Bastis Milo. Denn nur Basti hatte je mehr als einen wertlosen Hosenscheißer in ihm gesehen.
Vielleicht tat es deshalb so weh, ihn immer wieder teilen zu müssen.
*~*~*
»Danke, dass du dich mit mir triffst.« Nikolai stand nicht auf, lehnte sich nur zurück und schenkte dem blonden Mann, der gerade erst den Laden betreten hatte, einen neutralen Blick.
»Hatte ich eine Wahl?«, gab Max betont abweisend zurück und öffnete seinen anthrazitgrauen Mantel. Kälte haftete noch an ihm, während er sich auszog, um sich gegenüber an den kleinen Tisch zu setzen.
»Ich wusste nicht, dass ich dich mit vorgehaltener Waffe her zitiert habe«, konterte Nikolai gleichgültig. Er war es nach all den Jahren leid, dass der andere immer so tat, als wäre er das Opfer.
Dabei war ihre Beziehung eigentlich immer gut gewesen, bis auf die üblichen Unstimmigkeiten, nur das Schlussmachen war… böse ausgegangen.
Sie waren in Nikolais Lieblingscafé, dem Book´s & Coffee House. Er war kein großer Leser, doch es gab kostenloses W-Lan und den besten Kaffee der Gegend, natürlich absolut nachhaltig. Der Laden war eine Mischung aus einer robusten Landhausstileinrichtung und modernen Accessoires, keine aufdringlichen Farben oder Gemälde an den Wänden, alles schlicht mit Bücherregalen ausgestattet, kleine Tische im Vorraum und eine kleine Küche im 60er Jahre Vintagestil, in der zum Kaffee auch Kekse und Kuchen gereicht wurde. Betrieben wurde das Ganze von einem sehr jungen Ehepaar, die er mittlerweile als gute Bekannte bezeichnete, Garrett und Lisa.
Max hing den Mantel über die Stuhllehne und ließ sich dann elegant an den Tisch gleiten. Er trug wie üblich helle Hosen und ein helles Hemd, die seine schlanke Statur betonten. Er war ein hübscher Mann, immer schon gewesen, nicht besonders groß, aber umwerfend schön. Das Gesicht perfekt symmetrisch und oval, die Lippen voll, aber nicht aufdringlich, eine perfekt gerade Nase, ein Teint wie eine Porzellanpuppe, goldenes Haar, das wie hingegossen auf seinem Kopf lag. Wie ein Prinz, rausgeschnitten aus einem Märchen.
»Du weißt doch sicher, dass wir so etwas wie eine Deadline haben, oder?«, riss Max ihn aus seinen Grübeleien und griff zur Karte, obwohl er immer nur das Gleiche bestellte. Dabei warf er Nikolai einen vorwurfsvollen und geschäftigen Blick aus blauen Augen zu. »Das Cover hätte vorgestern stehen müssen! Was sollte der Scheiß mit dem Model? Einfach abzuhauen! Das sieht dir mal wieder ähnlich, nur weil es nicht nach deinem Kopf ging!«
Es war klar gewesen, dass er dafür noch einen Vortrag gehalten bekam und für seine Entscheidung geradestehen musste, doch durch ihre Trennung war Max offensichtlich nicht scharf darauf gewesen, von selbst auf ihn zuzukommen. Verdammt. Nikolai hätte diesem Gespräch vielleicht aus dem Weg gehen können, doch dann hätte er sich noch mieser gefühlt.
»Ja, wegen der Zeitschrift…«, begann er und lehnte sich wieder nach vorne, um Max direkt in die Augen zu blicken. »Ich denke, wir sollten sie verkaufen.«
Zuerst geschah gar nichts, Max´ hübsches Gesicht schien eingefroren. Dann verlor es rapide an Farbe, sodass Nikolai sich sorgte.
»Alles okay?«, fragte er leise und überlegte schon, Lisa zu zurufen, damit sie schnell ein Glas Wasser brachte.
»Verkaufen?« Max war mehr als nur entsetzt. Er sah aus, als habe Nikolai tatsächlich eine Waffe auf ihn gerichtet und würde ihn um eine Niere betrügen wollen. »Du willst unsere Zeitung verkaufen?« Er klappte die Kuchenkarte lautstark zu. »Bist du irre?«, brach es dann aus ihm hervor. »Wir haben online eine riesige Kundschaft aufgebaut, Lai! Und jetzt willst du verkaufen?«
Er war auf dieses Gespräch vorbereitet, hatte es in seinem Leben oft genug mit Geschäftspartnern geführt. Nur, dass er noch nie so dumm gewesen war, ein Geschäft mit seinem Partner aufzuziehen. Doch anfangs hatte es so gut geklungen und sie hatten auch wirklich Freude daran gehabt, doch jetzt hatten sie sich getrennt – und Nikolai wollte sich lieber erhängen, als noch mehr mit der Welt der Mode und oberflächlichen Schönheit zu tun zu haben.
»Wir haben ein tolles Geschäft aufgebaut«, stimmte Nikolai zu und nippte kurz an seinem Kaffee, um Max Zeit zu geben, ihm zuzuhören. »Wir haben aus einem winzigen Blog eine Zeitschrift erschaffen. Wir schreiben jetzt großen Gewinn, online haben wir eine große Nachfrage, unsere Zeitschrift ist bekannt geworden. Deshalb ist jetzt der ideale Zeitpunkt, das Unternehmen zu verkaufen.« Er lehnte sich halb auf den Tisch und faltete die Hände zusammen. »Max, das ist nun mal mein eigentlicher Beruf, das weißt du. Ich ziehe Unternehmen groß und verkaufe sie wieder. Wir hatten das besprochen, bevor wir uns entschlossen-«
»Ja, aber…« Max fiel ihm erst ins Wort, dann brach er ab. Beleidigt presste er die Lippen zusammen und suchte offenbar verzweifelt nach Argumenten. »Wir haben«, betonte er dann, »wirklich Erfolg damit, Lai! Wir verdienen eine goldene Nase. Ich weiß, für dich macht das keinen Unterschied, aber ich… ich brauche das Geld wirklich!«
»Aber so haben wir das nicht geplant, Max!«, warf Nikolai schulterzuckend ein. »Und du wirst großen Gewinn mit dem Verkauf machen, um das Geld neu zu investieren!«
Max sah ihn zweifelnd und besorgt zugleich an.
Nikolai seufzte ernst. »Wir wollten eine Zeitschrift, die mehr als plastische Schönheit zeigt! Wir wollten auch ernste Themen, wir wollten Kolumnen, Reportagen, Kampagnen, wollten auf Dinge aufmerksam machen! Verstehst du? Wir hatten ein völlig anderes Ziel!«
Max lehnte sich nun auch über den Tisch und seine Stimme klang schneidend. »Du hast selbst gesehen, dass sich Berichte über Umweltschutz oder Depressionen oder sonst was nicht verkaufen! Die Leute wollen kein Elend, sie wollen sich von dem Elend ablenken, das ihnen ständig im Fernsehen gezeigt wird! Wenn sie online gehen oder zur Printzeitschrift greifen, dann wollen sie sich bewusst mit Belanglosen berieseln lassen! Wir waren ein winziger Blog und wir brauchten etwas, das Interessenten anlockt! Und das haben wir gefunden! Du machst tolle Fotos, Lai. Du weißt genau, wie du Menschen und Kleider gemeinsam auf dem perfekten Bild einsetzen musst! Große Unternehmen reißen sich darum, ihre Mode bei uns vorzustellen! Das hat sich wirklich verkauft.«
»Ich kann gut Bilder machen und du verstehst was von Mode«, stimmte Nikolai zu, »aber keiner von uns ist ein Verleger.«
»Dafür haben wir ja unsere Angestellten.« Max lehnte sich zurück. »Ich verstehe dein Problem nicht! Wir haben es geschafft, etwas Großes aufzuziehen, und jetzt, wo wir Erfolg haben, willst du verkaufen?«
Nikolai seufzte genervt. »Wie gesagt, es ist mein Beruf. Denk doch mal nach, du könntest von dem Gewinn endlich in eine eigene Boutique-Kette investieren. Das hast du immer gewollt!«
»Ja, als ich noch dachte, ich könnte nie mehr als ein Verkäufer sein«, warf Max pikiert ein. »Und dein Beruf ist das Fotografieren!« Sein Blick wurde plötzlich weich und seine Stimme versöhnlicher. »Was ist los? Ist es wegen deiner Familie? Haben sie dich wieder an der kurzen Leine?«
»Meine Familie hat nichts damit zu tun!«, schnauzte er ungehalten.
Er reagierte zu heftig, das bemerkte er an Max´ erschrockenem Blick.
Nikolai atmete aus und nahm sich zurück. »Ich gehöre nicht in deine Welt, Max, kapier das doch endlich. Ich will mit Models und Mode nichts mehr zu tun haben, es lässt mich von Mal zu Mal weniger fühlen. Das bin nicht ich! Und so haben wir das nie geplant! Wir wollten reisen, Max! Nicht nach Rom oder Venedig, um Frauen in Sommerkleidern auf der Gondel zu fotografieren, sondern um die verfickten geschmolzenen Gletscher zu dokumentieren, um zerbombte Kriegsgebiete festzuhalten, den letzten lebenden Eisbär zu fotografieren! Um Menschen zu finden, die ihre Häuser nicht verlassen können, weil unsere schnelllebige Gesellschaft ihre Seelen zerstört hat! Wir wollten echte Geschichten, Max, wir wollten den Stummen eine Stimme leihen! Ich wollte das, um das Gefühl zu haben, dass ich mit meinem Leben etwas anfange! Aber jetzt sitzen wir hier beide auf einem erfolgreichen Modeblog fest, den ich nie wollte. Und du auch nicht!«
Eine Weile schwieg Max und blickte nach draußen, beobachtete mit langsam feuchtwerdenden Augen die vorbeigehenden Passanten, er schniefte versteckt. »Ich werde nicht verkaufen.«
Nikolai war enttäuscht, obwohl er mit einer Weigerung gerechnet hatte. »Dann musst du mich auszahlen, Max.«
Sein Ex wandte ihm schockiert den Blick zu, als habe er nicht damit gerechnet.
Entschuldigend hob Nikolai die Schultern. »Es tut mir leid, aber wir haben uns darauf geeinigt. Und es steht im Vertrag, du kannst es nachlesen.«
Tja, Max hätte lieber mal die Zeilen durchgelesen, bevor er blind vor Glück und Liebe unterschrieben hatte. Auch wenn Nikolai damals die rosarote Brille angehabt hatte, er hatte Geschäftliches immer von Privatem getrennt und vertraute dabei selten auf andere.
Bis ihm ein Stricher begegnete und er ihn hatte fotografieren wollen.
Verdammt, wie sehr er doch diese Bilder vermisste, dabei hatte er nicht einmal die Gelegenheit gehabt, sie anzusehen.
»Du bist so ein Arschloch.« Max stand wütend auf und schnappte sich seinen Mantel.
Nikolai spürte eine große Last auf sich, wollte nicht immer der Spielverderber sein. »Max…«
»Nein, ich verstehe schon. Ich werde einige Tage darüber nachdenken«, sagte er so schnippisch, dass Nikolai sicher war, dass Max ihn die nächsten Monate rein aus Prinzip ignorieren und schmoren lassen würde. Außerdem würde er einen Anwalt zur Rate ziehen, ganz bestimmt.
»Ja, denk darüber nach«, stimmte Nikolai trotzdem zu, denn er hatte nicht erwartet, dass sie an diesem Morgen schon zu einer Einigung kommen würden. »Aber, Max…« Er stand auf, als sein Ex zur Tür eilen wollte.
Widerwillig und mit geblähten Nasenflügeln drehte dieser sich wieder zu ihm um, sein Blick hätte töten können.
»Bitte«, Nikolai breitete ergebend die Arme aus, »es muss doch jetzt nicht so zwischen uns sein. Wir waren zehn Jahre ein gutes Team, Max! Und wir sind erwachsen! Wir können doch ohne Groll auch nach unserer Trennung respektvoll miteinander umgehen! Wir müssen jetzt keine Feinde sein wie zwei Heten in einer Seifenoper! Das ist lächerlich, lass uns normal zueinander sein, nach all den Jahren schulden wir es uns, oder nicht?«
Max sah ihn einen Moment an, sein Blick schien wieder weicher zu werden. Er musterte Nikolai kurz, Wehmut und alte Gefühle standen in seinen blauen Augen. Doch dann verschloss er sich wieder und bedachte ihn mit betont professioneller Distanz. »Du hörst von mir, Nikolai.«
Nikolai. Nicht mehr Lai.
Max warf sich den Mantel über, drehte sich um und ging nach draußen, die Türklingel klingelte lieblich.
Seufzend ließ Nikolai sich wieder auf seinen Stuhl fallen und fühlte sich müde und dumpf. Er rieb sich die Augen, als Lisa mit einem schicken und breiten Haarband in der braunen Mähne neben ihn trat und ihm Kaffee nachgoss.
»Danke«, sagte er und griff zur Tasse.
»Es tut mir so leid mit euch beiden«, tat sie ihr Beileid kund und rieb ihm mütterlich den Rücken.
»Ja«, seufzte er nur und trank, um nicht behaupten zu müssen, auch ihm täte es leid. Denn je mehr er in sich hineinhorchte, je weniger Bedauern empfand er.
Es war richtig so, denn die Leere in seinem Innern hatte er schon vor der Trennung empfunden.
Er hatte kein schlechtes Leben, doch er spürte von Jahr zu Jahr deutlicher, dass irgendetwas fehlte. Irgendetwas, das ihn wirklich … glücklich machte.
Er wusste nicht, was es war, er wusste nur, dass es nicht Max´ hieß.
*~*~*
Ein feuchter Lappen auf der Stirn weckte Milo auf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass er irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen war. Nun zwang er die verkrusteten Augen auf und blinzelte in Bastis besorgtes und eingefallenes Gesicht. Seine braunen Augen wirkten lebendig, beinahe unruhig, doch seine Hautfarbe war fahl und teigig, er wirkte übernächtigt und aufgedreht zugleich.
Sein Anblick machte Milo von Tag zu Tag mehr Sorgen, Basti schien zu verwelken. Milo hatte Angst um ihn. Er war alles, was er hatte.
»Hey, du bist wach!« Erleichtert sah Basti auf ihn herab. »Komm her, deine Augen sind ja total verklebt!« Er wusch ihm erst einmal sanft über die Lider. »Wie geht es dir denn?«
Es brannte Licht und durch den Deckenvorhang fiel der graue Wintertag in den winzigen Raum, die Musik war endlich auf angenehme Lautstärke gedreht und Milo konnte keine weiteren Stimmen mehr hören, nur Sunnys Schnarchen im Flur.
»Geht so.« Seine Stimme klang viel zu dunkel und kratzig, er räusperte sich.
Es roch, als hätte Basti das Zimmer kurz gelüftet, auch wenn der Geruch nach Katze noch vorhanden war. Doch die Kotze war vom Boden verschwunden und Milo hatte noch mehr Decken über sich. Er ließ sich ein wenig Zeit, um aufzuwachen, fühlte sich aber noch immer beschissen.
»Du machst mir echt sorgen, mein Kleiner!« Basti warf den Lappen weg und strich Milo dann mit liebevollem Blick durchs Haar.
Der Schmerz von letzter Nacht stach wieder wie ein Dorn im Herz, als Milo seinen Basti wieder beim Ficken mit dieser blonden Hure vor sich sah. Genervt riss er den Kopf zur Seite und setzte sich so weit auf, dass er die Schultern an die kalte Wand lehnen konnte. Betont starrte er in eine andere Ecke und murmelte: »Nenn mich nicht Kleiner! Ich bin nicht dein verfickter Kleiner!«
Basti starrte ihn irritiert an. »Hey, was los?« Er lehnte sich hinüber, um Milos Blick einzufangen. »Bist du sauer oder so?«
»Wo warst du die ganze Nacht?« Milo wandte ihm das Gesicht zu und versuchte eisern, nicht wie ein Kind loszuheulen.
Verwundert schüttelte Basti den Kopf und versuchte sich an einem charmanten Lächeln, doch dadurch sah er nur noch zerknitterter aus. »Hier bei dir! Wo sonst, Milohasi?« Er wollte ihn küssen, aber Milo drückte ihn weg, denn sein Maul stand nach Möse.
Er wollte erneut kotzen.
Milo grunzte und musste dann wegen der verstopften Nase schniefen, er fuhr mit dem Handrücken darunter entlang. »Ach ja? Als ich mich übergeben musste, warst du nicht da!« Er wollte schneidend klingen, wütend sein, doch ihm fehlte die Kraft und seine Worte kamen nur gehaucht hervor. »Du warst auch nicht da, als ich eine Stunde oder länger im Bad vor der vollgekotzten Toilette gelegen habe!«
Statt wütend, klang er nun weinerlich. Und er hasste es.
Reuevoll ließ Basti die Schultern hängen. »Es tut mir leid, Milo«, beteuerte er. »Aber ich war die ganze Zeit da, ich wäre sofort gekommen, hättest du gerufen!«
»Hast ordentlich Muschigeruch.« Mehr sagte er nicht, blickte ihn nur wütend an.
Seufzend – sogar eine Spur schuldig – verzog Basti das Gesicht. »Du hast uns gesehen.«
Milo verschränkte die Arme unter der Jacke und starrte vor sich hin, kämpfte eisern gegen den Kloß im Hals und das Zittern seiner Lippe.
»Milo!« Basti warf sich wie ein Kater über ihn und stupste mit dem Finger gegen seine rote Nase. »Hey, nicht weinen, ok? Nicht wegen sowas!«
Schniefend sah er weg.
»Da war nichts!« Basti brachte sein Gesicht nahe an Milos heran und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, ob er wollte oder nicht. »Siehst du? Sie hat widerlich geschmeckt, hab sie nur geleckt, weil sie trocken wie ein Furz war!«
Milo starrte ihn stumm an, wollte weinen und brüllen zugleich. Sei still, ich will es nicht hören.
Flehend zog Basti die Augenbrauen zusammen, sah aus wie ein Welpe, der um Liebe flehte, obwohl er gerade auf den Teppich gekackt hatte. »Verzeih mir, Milo. Bitte! Ich war die ganze Zeit nebenan, ich hätte sie sofort verstoßen, wenn du gerufen hättest. Aber… Mensch, ich… du weißt doch, wie das manchmal ist. Ich habs gebraucht, okay? Verstehst du? Es war nur dummes Geficke. Und ich wollte dich damit nicht belasten, weil du krank bist.«
»Ach…«, raunzte Milo und zog unter Basti die Beine hervor, um die Knie anzuziehen und ihn von sich fernzuhalten.
»Sie kennt da einen, Milo«, erklärte Basti weiter, »der uns was verkaufen kann. Moe hat gesagt, der hätte echt gutes Zeug, wäre vergleichsweise billig. Du weißt, wie schwer es ist, an was ranzukommen, seit Ollie im Knast ist! Ich sitz echt auf dem Trockenen! Ich hab mich nur gut mit ihr gestellt, okay?«
Milo sagte noch immer nichts. Sollte das bedeuten, er würde öfter mit dieser blonden Bitch ficken, um über sie an Drogen ranzukommen? »Dann siehst du sie öfters?«
»Ach Quatch!« Basti rückte wieder an ihn heran. »Jetzt hör doch mal auf! Ich weiß nicht mal, wie sie heißt, ist mir auch egal. Sobald sie mich ihrem Typ vorgestellt hat, kann sie sich von sonst wem ficken lassen. Ich muss nur erst mal Kontakt aufbauen, verstehst du?«
Milo verstand, ja, trotzdem wollte er weinen.
»Hey…«, hauchte Basti und setzte sein liebevolles Lächeln auf, rückte noch näher, bis er das Gesicht an Milos pressen konnte. »Du und ich, Milo, wir haben was Besonderes. Etwas, das uns niemand nehmen kann, verstehst du? Mehr als Sex, das weißt du doch! Du bist mein Milo, mein Kleiner, okay? Wir haben etwas, das uns niemand nehmen kann.« Er hob kurz den Kopf, um Milo mit einem flehenden Blick zu betrachten und ihm eine stille Träne zärtlich von der Wange zu wischen. »Du bist mein ein und alles. Niemand sonst. Wir sind Familie, Milo. Uns trennt nichts.«
Milo schluckte, sein Hals schmerzte fürchterlich und er unterdrückte einen starken Hustenreiz, Schüttelfrost ließ ihn wieder eine Gänsehaut fühlen. »Versprochen?«, jammerte er geschwächt.
Basti strahlte. »Bei meinem Leben!«
Das brachte Milo zumindest zum Schmunzeln. Er erwiderte den nächsten Kuss, den Basti ihm gab, um ihn zu besänftigen.
»Jetzt reg dich nicht weiter auf, ja?« Er stupste ihn zärtlich mit der Nase an, streichelte mit dem Daumen seinen hohen Wangenknochen. »Du bist krank, du solltest dich nicht so aufregen!«
Milo griff nach Bastis Muschelkette, die er ihm geschenkt hatte – das erste, was er jemals im Leben geklaut hatte – und spielte damit. Stirn an Stirn. Ein Team, eine Einheit.
»Ja«, hauchte er einlenkend und lächelte zerknirscht. »Glaub mir geht’s einfach nur so beschissen. Hab dich gebraucht.«
»Und ich bin da!«, versicherte Basti feierlich, beinahe ein wenig zu aufgedreht. Er packte Milo bei den Schultern und küsste ihn noch einmal hart, dann ließ er von ihm ab.
»Schau!«, meinte er und drehte sich um. »Während du geschlafen hast, hab ich was für dich besorgt!«
Er drehte sich mit einem fleckigen Glas in der einen und einer Colaflasche in der anderen Hand wieder um, ein Löffel hatte er auch in den Fingern.
Milo hob die Augenbrauen, Wärme flutete sein Herz.
»Weißt du noch?«, grinste Basti. »Genau wie früher!« Er öffnete die Flasche mit den Zähnen und goss umständlich einen Schluck ins Glas, dann stellte er die Flasche zur Seite und nutzte den Löffel, um so lange zu rühren, dass sich die Kohlensäure verflüchtigte.
Milo musste grinsen, er empfand in diesem Moment so viel Liebe für ihn. Basti war extra für ihn einkaufen gewesen.
»Ich habe noch mehr!«, sagte er, als er Milo das Glas reichte. Er zog seinen schwarzen, löchrigen Rucksack heran, den er früher immer für die Schule verwendet hatte, und kramte eine knisternde Tüte hervor, die er Milo in den Schoß warf.
»Salzstangen!«, sagte er stolz dabei. »Ich habe auch dieses Knäckebrot, das du so gerne magst, Mineralwasser – oh, hier, Erkältungstee!« Stolz präsentierte er seine Ware, wenn auch alles nur vom Discounter und No-Name Produkte. »Deinen Lieblingswodka, ein paar Taschentücher, Nasenspray, so Lutschtabletten. Schaus dir an, Milo! Schau, ich sorge gut für dich!«
Es war kein liebevolles Scherzen, er schien wirklich die Bestätigung zu brauchen, sah Milo zwar grinsend, aber auch drängend an.
Milo lächelte liebevoll. »Das tust du.« Er war wirklich ergriffen und schämte sich ob seiner Eifersucht. Er war Basti wichtig, nur zeigte Basti das eben anders.
»Und ich hab natürlich auch sowas hier!« Basti zog ein Päckchen mit weißem Pulver hervor und ließ es vor Milos Gesicht schwanken. »Das sollte deinen Kreislauf in Schwung bringen.«
Skeptisch betrachtete Milo die Tüte. »Meinst du, das ist ´ne gute Idee…?«
Basti zuckte mit den Achseln. »Hätte auch so ein Erkältungsmittel, aber da steht auch ´ne Warnung wegen Herzrasen drauf, und es macht müde, also… Kannst du auch gleich was ziehen, dann bist du wenigstens fit.« Er bemerkte Milos ängstlichen Blick und lachte. »Schau nicht so, ist gestreckt, keine Sorge. Ganz harmlos.«
Ganz harmlos? Von wegen! Aber Milo wollte kein ängstliches und weinerliches Baby sein, indem er Basti jetzt mit einem Vortrag kam.
»Ich will gerade nur pennen«, sagte er also nur gequält. »Wann können wir ins Motel?«
Bastis Blick verschloss sich, er senkte den Arm und schloss die Hand um das Tütchen.
Milo starrte ihn mit schlimmer Vorahnung an. »Was?«
Sein Freund sah zu Boden und biss sich auf die Lippe.
»Basti!«
»Es ist alles weg.«
Milo blinzelte. »Wie, es ist alles weg?«
»Na, weg eben!«, herrschte Basti ihn an. Auch diese Stimmungsschwankungen war Milo von ihm gewöhnt. Vom liebevollen Verführer, zur Kratzbürste. »Das Geld! Es ist nicht mehr genug für ´ne Nacht im Motel übrig.«
Milo starrte ihn einen Moment einfach nur fassungslos an, das Glas noch in der Hand. »Wie kannst du das ganze Geld schon ausgegeben haben?«, fragte er entsetzt. »Es waren Siebenhundert! Was hast du damit gemacht?«
Basti hob ratlos die Schultern. »Ich weiß nicht. Ich… die anderen wollten noch was haben. Irgendein Typ meinte, er kenne da jemanden. Ich hab gesagt, ich schmeiß ´ne Runde. Er wollte was holen gehen, Moe meinte, er wäre korrekt… aber, er hat uns abgezogen. Hab Moe dann losgeschickt, wenigstens bisschen Koks aufzutreiben, aber er hat nicht viel bekommen, war arschteuer. Wir waren noch Alkohol kaufen, nachdem der Wodka alle war…« Wieder hob er ratlos die Schultern. »Fuck, keine Ahnung, ich erinnere mich nicht. Hab noch so… zweiundzwanzig, nachdem ich für dich einkaufen war. Ja? Verstehst du? Das war auch teuer!«
Milo ließ sich zurück gegen die Wand fallen und starrte vor sich hin. Das ganze Geld – weg.
Wie konnte das sein?
Verdammt, er hätte auf Basti aufpassen müssen!
»Scheiße…«
»Nein, nein, nein!«, sprach Basti auf ihn ein. »Nicht aufregen, okay? Ich… ich geh gleich auf den Strich, okay? Kein Grund, zur Sorge! Und dann bring ich dich ins Motel!«
Milo richtete die Augen auf Bastis flehendes Gesicht. »Ich hab noch was«, sagte er wie betäubt. Er hatte sein Gespartes nicht so lange zurückgehalten, wie erhofft.
Bastis Augen hellten sich auf. »Wie viel?«, fragte er sofort.
»Genug für ein Motel.«
Basti legte den Kopf genervt schief. »Wie viel, Milo! Und woher?«
»Ich … hab´s zurückhalten wollen«, gestand er entschuldigend, »nur für den Notfall, wenn es mal wieder knapp wird. Ich… ich wollte dich nicht wieder so leiden sehen.«
Basti war nicht wütend, er grinste, denn er war zu erleichtert, dass sie noch nicht gänzlich pleite waren. »Du kleiner Fuchs, du kennst mich eben!«
Milo lächelte wieder zerknirscht.
»Gib es mir!« Basti stand auf und streckte fordernd eine Hand zu ihm hinab.
Verwundert starrte Milo zu ihm auf und schüttelte den Kopf. »Was geben?« Dann begriff er doch noch und riss die Augen auf. »Das Geld? Warum?«
»Ich treffe mich auf dem Strich mit Moe und der Kleinen von gestern, wir wollten zu ihrem Typ gehen. Dann kann ich schon etwas besorgen.«
»Du hast doch noch Geld und machst noch was auf dem Strich!« Milo wollte Basti nicht anschaffen schicken, doch das Geld war für das Motel! Er hatte sich schon so darauf gefreut.
»Mit dem Arsch kann ich kaum sitzen, Milo! Gib mir noch paar Tage, okay?« Er klang gereizt.
Milo starrte zu ihm auf, wollte ihn nicht verärgern und gleichzeitig bereute er, von dem Geld erzählt zu haben. »Gut… dann… dann komme ich mit.«
Er machte Anstalten, aufstehen zu wollen.
»Nein! Milo!« Basti ging in die Hocke und hielt ihn zurück. »Du kannst doch so nicht raus, Mensch!«
Panik stieg in Milo auf. »Soll ich etwa hierbleiben?«
Basti verzog mitleidig den Mund. »Es ist arschkalt draußen, willst du stundenlang durch die Kälte wandern? Du kannst doch kaum stehen!«
Verzweifelt und panisch schüttelte Milo den Kopf. Er wollte nicht allein bleiben. »Mir egal, ich komme mit! Ich will nicht ohne dich hier sein!«
»Milo, bitte!«, sprach Basti bedächtig auf ihn ein. »Du holst dir da draußen nur den Tod! Außerdem… Mann, du hast den reichen Typ beklaut, der sucht bestimmt nach dir.«
»Die Stadt ist groß!«
»Aber er wird genau da suchen, wo sich die meisten von uns Straßenpennern aufhalten, Milo. Auf dem Strich und am Bahnhof!«
Scheiße, da war vermutlich etwas Wahres dran. Traurig sah er zu Basti auf, Angst kroch ihm die Kehle rauf und seine Finger begangen zu zittern. »Ich will nicht allein hierbleiben«, flüsterte er ängstlich. »Lass uns morgen zusammen gehen.«
Basti schluckte hart, verzweifelt. Er wollte Milo nicht allein lassen, ihn nicht ängstlich hier zurücklassen, doch seine Sucht trieb ihn raus. Er packte Milos Kopf und drückte einen Kuss auf seinen Scheitel. »Bitte, Milo… für mich, ja? Du schaffst das. Ist doch nur Sunny, und der ist eh hinüber. Es ist, als würdest du in einem Motel auf mich warten, ja? Niemand wird dich zur Kenntnisnehmen, versprochen. Du kannst doch was lesen oder so.«
Mit den Kopfschmerzen schwer vorstellbar, außerdem hatte er das einzige Buch, das er von Zuhause mitgenommen hatte, langsam satt.
Milo machte sich los und sah Basti gequält an, doch die Entscheidung war schon gefallen.
Basti strich ihm zärtlich über das Gesicht, küsste ihn versöhnlich. »Gib mir das Geld, Milo, ja? Bitte.«
Zweifelnd sah Milo ihn an.
»Komm schon«, bat Basti mit aller Verzweiflung. »Mann, ich kann das echt nicht mehr, diese verfickten Freier zerstören mich! Außerdem wollen die eh nur dich, wenn du mitkommst, du bist jünger.«
Milo sah weg.
»Und ich bin nicht wie du, Milo. Ich hasse das! Ich mach´s nur für uns, das weißt du! Nur damit du Essen hast! Aber jetzt haben wir ja Geld, oder? Und ich hab kein Bock, mich wieder mit diesen verfickten Stricherbanden rumzuplagen. Nicht, seit die Wichser mich in der Gruppe vergewaltigen wollten, damit ich von ihrem Revier abhaue!«
Seufzend griff Milo nach seinem Rucksack und öffnete das »Geheimfach«. Er zog Hundert hervor, von den anderen Zweihundert sagte er nichts, er wollte nämlich ins Motel und vertraute Basti nicht, dass er ihnen ein Zimmer besorgte. Sie würden nachher zusammen gehen, wenn er zurück war, ob Basti wollte oder nicht. Wenn er erstmal seine Drogen bei sich hatte, war er ohnehin beruhigter.
Basti leckte sich nervös die Lippen, als er den Schein einsteckte, seine Finger zitterten. »Komm, lass uns was ziehen, ja? Dann geh ich schnell los und besorg mir was Richtiges.«
Was Richtiges war in seinem Fall wohl Heroin.
Milo wollte protestieren, doch er wusste, dass er gegen eine Wand lief. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, wieder fit zu werden, damit er nachher über Basti wachen konnte.
»Hey!« Basti kniete sich vor ihn, als er alles vorbereitete, er lächelte wieder. »Jetzt schau nicht so, ja? Ich bin bald zurück, dann hauen wir hier ab. Nur du und ich!«
Milo versuchte, zu lächeln, doch ihm war nicht mehr danach.