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Schweigend gegen den Wind

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Als Sara abends mit ihrer Mutter nach Hause radelte, waren beide schweigsam und hingen ihren Gedanken nach. Der Wind wehte ihnen kräftig entgegen und sie mussten sich mit dem ganzen Körper dagegen stemmen, um den kleinen Hügel zu ihrem Haus zurückzulegen.

Sara konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals woanders gewohnt hatte als in diesem Häuschen am See. Und doch war sie mit ihrer Mutter erst nach dem Tod ihrer Großmutter dort eingezogen. Erst als ihr Großvater Hilfe auf dem Schiff brauchte, hatte ihre Mutter sich entschieden, ihr Leben allein mit Sara aufzugeben.

In dem Häuschen war, obwohl es klein wirkte, Platz genug für sie alle. Sara und ihre Mutter hatten in der unteren Wohnung jeder ihr eigenes Reich. Saras Großvater lebte unter dem Dach. »Von hier aus habe ich die beste Aussicht auf mein Schiff«, sagte er immer. Doch Sara wusste genau, dass ihr Großvater diese Wohnung gewählt hatte, damit sie und ihre Mutter mehr Platz hatten.

Oft entdeckte sie ihn, wie er an der Tür zu dem kleinen Garten stand und nachdenklich auf den See schaute. Manchmal sagte er: »Ach Sara, warum hast du mich so früh verlassen!« Dann wusste Sara, dass nicht sie, sondern ihre Großmutter gemeint war.

Ihr Großvater fuhr nicht mehr mit dem Fahrrad. »Einer muss den Proviant mitbringen«, erklärte er jeden Morgen, wenn er sich ins Auto setzte, während Sara und ihre Mutter sich aufs Fahrrad schwangen.

Ihre Mutter hätte mit ihm fahren können. Doch normalerweise nutzten Sara und ihre Mutter die Radtour nach Hause, um die wichtigsten Erlebnisse auszutauschen.

An diesem Tag war das anders. Es konnte am Wind liegen, der ihnen zu schaffen machte und ihre Worte ohnehin überall hin nur nicht zur Mutter oder zu Sara geweht hätte.

Sie malte sich aus, wie bei diesem Wetter Wörter durch die Luft wehten und den falschen Empfänger erreichten. Was würde passieren, wenn ein Mann seiner Freundin sagte: »Ich liebe dich!« und die Liebeserklärung wegflog und bei einer anderen Frau landete. Möglicherweise sprach die gerade mit ihrem Mann darüber, dass sie sich scheiden lassen wollte.

»Der Wind kann ein großes Durcheinander verursachen«, sagte Sara und schnaufte, während sie in den Pedalen stehend den Hügel hochfuhr. In dem Augenblick ließ der Wind nach und Saras Satz stand zwischen ihnen.

Ihre Mutter sah sie verblüfft an. »Wie meinst du das?«

»Ach nichts!«, gab Sara zurück. Wie hätte sie ihrer Mutter ihren Gedankengang erklären können. Stattdessen sagte sie: »Björn hat ein braunes und ein blaues Auge!« Dabei ließ sie sich auf ihren Fahrradsitz zurückfallen. Sie hatten die Kuppe des Hügels erreicht und konnten die Räder laufen lassen. Das gab ihnen Raum für ein Gespräch. Doch ihre Mutter reagierte nicht auf ihre Bemerkung. Sie tat, als müsste sie etwas Wichtiges am Straßenrand suchen und betrachtete jeden Baum und jeden Strauch besonders genau.

»Sieh mal, da liegt tatsächlich ein alter Fernseher«, rief sie unvermittelt.

Sara erkannte an dem verschlossenen Gesichtsausdruck, dass ihre Mutter nicht über Björn und Menschen mit blauen und braunen Augen sprechen wollte. Sie bedrängte ihre Mutter nicht weiter. Vielleicht waren Menschen mit einem braunen und einem blauen Auge wirklich kein Thema für die Heimfahrt von der Arbeit. Sie dachte an Björn und überlegte, was sie über ihn wusste. Er spielte Saxofon und Klavier, trug einen Hut und einen Ohrstecker mit einem Totenkopf. Was mochte es mit diesem Totenkopf auf sich haben? Sie erinnerte sich an die Totenkopf-Fahnen in den Piratenbüchern. Wieso hatte ihr Großvater einen Praktikanten angenommen, der nicht nur einen Ohrstecker, sondern auch eine Armbanduhr mit einem Totenkopf besaß? Nur, weil es der Sohn von Bekannten ihrer Mutter war? Von Bekannten, die Sara nicht kannte? Sara hasste es, wenn so viele Fragen offen waren.

MS Sara

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