Читать книгу Was Katzen wirklich wollen - Birgit Rödder - Страница 18
Wer war es?
ОглавлениеAuf der Suche nach den Katzenahnen wurden zum Teil abenteuerliche Theorien aufgestellt. So nahm man an, dass die Rohrkatze, auch Sumpfluchs genannt, an der Entstehung der Hauskatze beteiligt sein musste, weil man in den ägyptischen Grabstätten neben Falbkatzenmumien auch Rohrkatzenmumien gefunden hatte. In einer anderen Hypothese wurde dem langhaarigen Manul eine Beteiligung an der Hauskatze nachgesagt. Woher sollten sonst die Perser- oder Angorakatzen kommen?
Haben unsere rundlichen deutschen Hausmiezen mit dem dicken Winterfell nicht doch einen Einschlag von der europäischen Wildkatze, kommen die Ohrpinsel mancher Katzenrassen nicht doch vom Luchs?
Nichts von all dem! Inzwischen können wir nämlich beweisen, dass die Falbkatze, und zwar die Unterart, die in Ägypten heimisch ist, und niemand anders die Ahnfrau unserer Hauskatzen ist ( >).
Die Falbkatze – die geheimnisvolle Unbekannte
Nachdem wir nun wissen, dass die Falbkatze die Ururgroßmutter all unserer Stubentiger ist, wird es Zeit, dieses rätselhafte Wesen näher vorzustellen:
Die Falbkatze hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet, das sich von der Südspitze Afrikas bis nach Vorderasien erstreckt. Nur in der Westsahara und in der westafrikanischen Regenwaldzone kommt sie nicht vor.
Auf den ersten Blick sieht sie wie eine sehr unscheinbare Hauskatze aus. Erst bei genauerer Betrachtung entfaltet sich die besondere Schönheit dieser Katzenart.
• Die Falbkatze ist vergleichsweise groß und schlank, muskulös, hat einen langen Rücken, einen langen, spitzen Schwanz sowie auffallend hohe Beine. Selbst schlanke Hauskatzen wirken im Vergleich zur Falbkatze gedrungen. Bedingt durch die Länge der Beine, sieht eine sitzende Falbkatze sehr aufrecht aus, ihre Haltung erinnert dabei in der Tat an die Form altägyptischer Statuetten, die ja diesem »Urmodell« einer Katze nachempfunden sind.
• Die Kopfform dieser Katzenart ist schmal und wirkt bei den Katern männlich-kantig. Hauskater haben fast stets viel rundere und dickere Wangen. Das harmonisch geschwungene Falbkatzenprofil ist weder übertrieben lang und gerade, noch ist es gedrungen und kurz.
• Das auffälligste Merkmal sind die großen, an der Rückseite leuchtend orangefarbenen Ohren, die mit kleinen, farblich nicht abgesetzten Ohrbüscheln geschmückt sind.
• Die Fellgrundfärbung variiert von grau über beigebraun bis zu rötlich gelben Tönen. Alle Unterarten sind an den Flanken mehr oder weniger blassbraun gefleckt oder gestreift. Außer im hellen Licht kann man die Streifen aber kaum sehen, das Tier wirkt fast einfarbig graubeige, an Bauch und Brust gelblich. Die einzige Ausnahme: Am Ansatz der Vorderbeine und an den Außenseiten der Hinterschenkel finden sich vier bis fünf kräftige, tiefschwarze Querstreifen, und die Fußsohlen sind schwarz. Auch das hellgraue Schwanzende zieren drei schwarze Streifen, die Schwanzspitze ist schwarz. Die grau getönten Jungen tragen schwarze Querstreifen, die sich bis zum Alter von zwölf Wochen allmählich verlieren.
INFO
STECKBRIEF DER FALBKATZE
Körperbau: Schlank, »großrahmig«, Schulterhöhe bis etwa 40 Zentimeter; maximale Länge vom Kopf bis zur Schwanzspitze bis zu 90 Zentimeter; Gewicht schwankt zwischen drei und sechs Kilogramm.
Färbung: Grau bis beige, mit schwacher, bräunlicher Flanken- und Gesichtszeichnung; schwarze Bänder an den Gliedmaßen und am Schwanzende, schwarze Sohlen und Pfotenunterseiten; Mundregion, Tasthaare und Kinn weiß, Brust und Bauch gelb, Ohrenrückseiten orange.
Augen: Groß und rund, gelb bis grünlich.
Nasenspiegel: Kräftig ziegelrot.
Wurfzahl und -größe: Einmal, seltener zweimal im Jahr zwei bis fünf Junge.
Lebensdauer: Acht bis zehn Jahre in freier Wildbahn, in Gefangenschaft bis etwa 15 Jahre.
Das Verhalten der Falbkatze
Sie ist eine fürsorgliche Mutter, die ihren Nachwuchs noch länger versorgt als die Hauskatze. Bis zu neun Monate lang lässt sie sich von ihren Kätzchen die Beute abnehmen, putzt, erzieht und versorgt sie, spielt mit ihnen und lässt sie sogar nach der Säugeperiode ab und zu nuckeln. Manche Kater unterstützen die Katzenmutter nicht nur bei der Nahrungsbeschaffung, sondern auch bei der Aufsicht, Pflege und der spielerischen Unterhaltung der Halbwüchsigen. Ich beobachtete einmal einen Falbkater, der sich von einem Jungen ab dem Alter von zwölf Wochen regelmäßig bei seinen Revierausflügen begleiten ließ.
Anders als die übrigen Wüsten- und Savannenkatzenarten hält sich die Falbkatze gern im dichten Buschwerk auf, klettert gut und liebt erhöhte Ruheplätze. Darin erinnert sie stark an unsere Mieze, wenn sie ein Bücherregal zu ihrem Lieblingsruheplatz erkoren hat. Und wie ihre domestizierten Verwandten finden auch junge Falbkätzchen schwierige Kletterexpeditionen besonders interessant. Sie verbringen Stunden im Geäst. Falls der Baum nicht zu hoch ist, lassen sie sich einfach wie reifes Obst aus den Ästen fallen, wenn es etwas zu essen gibt, also besondere Eile geboten ist.
Der kleine Unterschied
Falbkatzen sind schneller und stärker, sie springen höher und sind gewandter als Hauskatzen. Sie verfangen sich beispielsweise selbst beim wildesten Spiel nie ernsthaft in einem Strick. Ein hoher Sprung, eine geschickte Wendung des Körpers, und sie sind die lästige Fessel los.
Die Kindheit der Falbkatzen dauert durchschnittlich länger als die der Hauskatzen. Sie verlieren die Milchzähne mit sechs Monaten (Hauskätzchen schon mit vier bis fünf Monaten). Geschlechtsreif werden die Weibchen erst mit neun bis zwölf Monaten, die Kater brauchen oft noch länger. Ich beobachtete mehrmals, dass Kater erst im Alter von zwei Jahren einen Reifeschub erlebten, nämlich, wenn sie eine passende Partnerin bekamen. Erst dann entwickelten sich die Hoden zur vollen Größe, und der Harn, den sie unversehens eifrig zu verspritzen begannen, bekam den katertypisch strengen Geruch.
Auch wenn sie mit ihren Mitkatzen alle möglichen sozialen Kontakte unterhält, pirscht und jagt die Falbkatze allein. Selbst ihre Lieblingsbeute ist ähnlich, nämlich kleine Nagetiere. Allerdings nutzt sie ihre größere Kraft und Gewandtheit, um sich auch an Beute zu wagen, die für eine normale Hauskatze zu groß ist. So leben auf unserer Forschungsstation in Südafrika Hauskatzen und Hühner in friedlicher Gemeinschaft, und auch die Kaninchen bleiben unbehelligt. In der Nähe einer Falbkatze indes überleben die Vertreter beider Tiergruppen keine zehn Sekunden.
Alles in allem sind die genetischen wie auch die Verhaltensunterschiede zwischen der Falbkatze und ihrer domestizierten Form nicht groß. Sie sind in den meisten Fällen mehr graduell als grundsätzlich. So kommt es auch immer wieder vor, dass Haus- und Falbkatzen miteinander Nachkommen erzeugen. Diese Mischlinge sind genauso überlebensfähig wie die reine Wildform und auch fortpflanzungsfähig. Das ist zwar einerseits ein Kompliment für die Schlauheit und Zähigkeit der Hauskatze, andererseits oft ein Ärgernis für die Naturschützer, die die Existenz der Falbkatzen bedroht sehen.
Falbkatzen sind gute Mütter, die ihre Jungen vorbildlich versorgen und lange Zeit soziale Kontakte mit ihnen pflegen.
Wild bleibt wild
Der einzige durchschlagende Unterschied zwischen Falb- und Hauskatze liegt in der Zahmheit.
Eine Hauskatze bedarf lediglich einer kurzen Phase der Sozialisierung ( >) zum rechten Zeitpunkt, und sie wird ihr Leben lang den Menschen als freundliches oder zumindest harmloses Wesen betrachten. Ein liebevoller, geschickter Mensch kann mit etwas Glück, Geduld und Spucke sogar eine verwilderte Bauernkatze zu einem vertrauten Hausgenossen ummodeln ( >).
Falbkatzen, die von der Mutter großgezogen werden, bleiben dagegen wild, auch wenn man sie täglich füttert, mit ihnen spielt und sie mit besonderen Leckerbissen versorgt. Selbst gegenüber einem an und für sich vertrauten Menschen bleiben sie schreckhaft und halten meist einen gewissen Sicherheitsabstand ein. Fremde meiden sie wie die Pest.
Wirklich handzahm werden nur handaufgezogene Tiere. Aber selbst diese entwickeln gelegentlich eine Neigung zur Bissigkeit, manchmal aus Übermut, manchmal auch aus Angriffslust. Beides trifft vor allem auf die Kater zu. Handaufgezogene Falbkatzen vertrauen grundsätzlich nur Menschen, die sie gut kennen. Sie müssen auch nach der Geschlechtsreife in einem Gehege wohnen, denn sonst gehen sie fort, um sich ein eigenes Revier zu suchen.
Eine interessante Beobachtung am Rande: Ich erlebte Freundschaften unserer südafrikanischen Hauskatzen mit Karakals und auch mit unserem sonst ziemlich rabaukigen, wilden Servalkater. Eine »Verbrüderung« zwischen den Haus- und Falbkatzen hingegen fand niemals statt.