Читать книгу Was Katzen wirklich wollen - Birgit Rödder - Страница 22
Warum gerade die Falbkatze?
ОглавлениеWieso ausgerechnet die unscheinbare, grau-beige Falbkatze als einzige Felidenart den Weg in die Domestikation gefunden hat, lässt sich nicht ohne Weiteres erklären. Sicherlich hängt es nicht mit dem früher allgemein angenommenen Umstand zusammen, dass die Falbkatzen sich leichter zähmen ließen als andere kleine Wildkatzenarten. Die scheuen Tiere fassen (ausgenommen natürlich bei Handaufzucht) mindestens so schwer Zutrauen zum Menschen wie andere Katzenarten.
Warum liegt das Entstehungsgebiet einer domestizierten Form überhaupt in Nordafrika? Nachweislich sind die klassischen Zentren der Domestikation in Europa und Vorderasien zu finden, wo auch eine ganze Reihe mehr oder weniger geeigneter katzenartiger Kandidaten vorhanden war.
Die Antwort liegt im Wie. Die Eigenwilligkeit der Katze verknüpfte sich günstig mit der ägyptischen Hochkultur. Dies ergab für die Katze eine von allen anderen Haustieren abweichende Domestikationsgeschichte. Darin spielt eine weit fortgeschrittene Art der Vorratshaltung eine Rolle, die damals in anderen Kulturen noch weitgehend unbekannt war, nämlich die Aufbewahrung mehrerer Ernten in großen Getreidekammern.
Die Falbkatzen suchten selbstständig solche Zentren der Vorratswirtschaft auf, angezogen durch das massenweise Vorkommen von Mäusen und Ratten, ihren bevorzugten Beutetieren.
Der Mensch erkannte bald den Nutzen dieser Katzen, die seine Vorräte ziemlich wirksam vor allzu großen Verlusten durch die Nager bewahrten. So duldete er die kleinen Räuber nicht nur, sondern begann bald, sie mittels kleiner Leckerbissen anzulocken. Als sesshafte Reviertiere blieben die Falbkatzen am Ort und gewöhnten sich an die Anwesenheit der Menschen, die sie mit der Zeit als ungefährliche, ja freundliche Mitlebewesen betrachteten.
Eigenwillig von Anfang an
Trotzdem blieb die Katze lange Zeit unbeeinflusst von den Folgen nachdrücklicher Domestikation.
Die Katzenmumien, die man daraufhin untersucht hat, wiesen kaum oder gar keine der typischen Merkmale wie Schädelverkürzung, Veränderungen an Extremitäten oder Fellstrukturen auf ( >).
Nun gibt es zwar auch bei der Katze einen Teil der Mutationen, die bei anderen Haustieren bald eine große Vielfalt an Farben und Formen hervorbrachten. Doch hat sie sich bei aller Anhänglichkeit lange Zeit der Zuchtwahl durch den Menschen widersetzt, der ihr seinerseits auch lange den Bewegungsraum und die freie Partnerwahl überließ. Fast alle der heute anerkannten, weil gezielt herangezüchteten Katzenrassen sind, ungeachtet ihrer oft in die graue Vorzeit reichenden Entstehungslegenden, kaum älter als ein Jahrhundert.
Schon Darwin schilderte 1859 seine Vorstellungen über die mangelnden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Katzenzucht: »Katzen lassen sich hingegen wegen ihrer nächtlichen Streifzüge nur schwer verpaaren; man sieht daher auch, so beliebt sie auch bei Frauen und Kindern sein mögen, kaum eine neue Rasse entstehen ...« An anderer Stelle schrieb er weiter: »... ich meine, die Seltenheit oder das Fehlen unterschiedlicher Rassen bei Katzen (...) hauptsächlich auf die Tatsache zurückführen zu können, dass bei ihnen keine Zuchtwahl zur Anwendung kam.«
Die planmäßige Katzenzucht dient außerdem lediglich der Liebhaberei. Sie hat daher kaum einen Einfluss auf die weit überwiegende Zahl der »gewöhnlichen« Hauskatzen mit nach wie vor freier Wahl des Geschlechtspartners, deren Lebensweise und Funktion in den agrarwirtschaftlich dominierten Bereichen aller Kontinente sich nur unwesentlich von derjenigen des alten Ägyptens unterscheidet. So führt die Katze als unabhängiges Haustier bis heute gewissermaßen ein Doppelleben.
Freiwillig zum Haustier geworden
Sie ist ein wahrer Sonderfall der Domestikation: Die Falbkatze war wohl das einzige Haustier, das nicht vom Menschen frühzeitig eingefangen, gezüchtet und so zum Haustier »umgemodelt« worden ist. Vielmehr hat sie sich über den »Vermittler Maus« freiwillig uns Menschen angeschlossen, sich aber stets ihre Unabhängigkeit und damit auch einen gewissen Grad an Wildheit zu wahren gewusst. Leyhausen war der Erste, der hier von einer »Selbstdomestikation« sprach. Inzwischen ist diese naheliegende Vorstellung Allgemeingut geworden; wohl kaum ein Katzenkenner wird sie heute noch ernsthaft anzweifeln.
Leyhausen sagte, eingedenk eines bekannten Buchtitels von Konrad Lorenz (»So kam der Mensch auf den Hund«): »Die Katze kam nicht auf den Menschen, sondern auf den Geschmack häuslichen Komforts.«
INFO
WAS SICH DURCH HAUSTIERWERDUNG ÄNDERT
Das gewinnt ein Tier durch die Domestikation:
• Schutz vor einer feindlichen Umgebung (Raubfeinde, Klima …)
• Zuteilung von Wasser und Nahrung durch den Menschen, ebenso des Sexualpartners, des Lebensraums. Damit entfallen die Mühen und Gefahren, die mit Suchstrategien verbunden sind.
• Eine höhere Dichtetoleranz, das heißt, Haustiere konkurrieren untereinander weniger hart und vertragen sich besser.
• Eine größere Variationsbreite in Körperbau, Fellfarbe und Fellstruktur
• Eine größere Toleranz im Umgang mit Menschen
Das verliert ein Tier durch die Domestikation:
• Freiheit, zum einen durch die Haltung in einem eingeschränkten Bereich, zum andern, weil es nicht mehr frei um Rang, Nahrung und Revier konkurrieren kann.
• Die uneingeschränkte Wahl seines Paarungspartners
• Einen Teil seiner Überlebensfähigkeit in der freien Natur