Читать книгу Was Katzen wirklich wollen - Birgit Rödder - Страница 36
Der Mensch als »Überkatze«
ОглавлениеMeist aber ist der »erkorene« Mensch im Leben einer gut gehaltenen Hauskatze alles zusammen, je nach Situation und Rollenspiel, ein wahrer »Über-Artgenossse«, der alles sein kann, was die Katze als positiv empfindet. Nur ein Rivale wird er ihr kaum sein. Dafür sieht sie ihn denn doch nicht genug als »Katze«.
Die Katze als »Kind«
Die Hauskatze unterliegt durch die Domestikation einer bereits mehrfach erwähnten teilweisen Reifehemmung ( >, >). Dieses Zurückgreifen auf kindliche Triebhandlungen tritt zwar auch bei allen anderen domestizierten Säugetierarten auf, doch ist es bei unseren Stubentigern besonders bedeutsam. Bei ihnen überlagert es nämlich die ursprüngliche Tendenz zum solitären Dasein und macht erst so aus dem eher einzelgängerischen Haustier Katze ein sozial lebendes »Heim- und Familientier«.
Rollenspiele: Dieser Verkindlichung kommt der Mensch zusätzlich entgegen, wenn er, wie ursprünglich die Mutterkatze, die Fütterung übernimmt. Eine ausgewachsene Katze, die ihrem Menschen mit steil hochgerecktem Schwanz entgegenläuft und ihm dann zum Ort der Fütterung voraneilt, verhält sich wie ein Katzenjunges. Ebenso, wenn sie ihm gegenüber mit endlosen »Miau«-Tiraden klagt und ihn beispielsweise auffordert, doch bitte schleunigst etwas zu tun, um ihren Hunger zu stillen oder sie aus ihrem versehentlichen Schrankgefängnis zu befreien.
Der aus Katzensicht ideale Mensch ist immer zu Hause und zu Diensten, ohne jedoch zu stören.
Und das ist noch keineswegs alles. Auch ein Mensch, der seine Katze streichelt, bei sich angeschmiegt oder auf dem Schoß ruhen lässt, handelt »katzenmütterlich«, ebenso, wenn er Nachbars Hund, der in Kätzchens bedrohliche Nähe gerückt ist, wegscheucht. Sogar gelegentlicher Tadel kann diese zwischenartliche »Mutter-Kind-Beziehung« vertiefen.
Das Besondere an dieser Art Kindsein ist, dass es ein ganzes Katzenleben lang vorhält. Dadurch kann sich das kindliche Anschlussbedürfnis besonders tief entfalten.
Missverständnisse: Manchmal allerdings kommt es auch vor, dass dieses gegenseitige »Mutter Mensch«-und-»Kind Katze«-Rollenspiel zu Missverständnissen führt: Nicht selten lässt sich nämlich ein Mensch von einer Katze in Rückenlage dazu verleiten, sie wie ein Baby mit dem Finger auf die Nase zu stupsen. Und dann wundert er sich, wenn die Katze gekränkt davonläuft. So freundlich der kleine Nasenstüber auch gemeint gewesen sein mag, die Katze versteht ihn noch von der Erziehung durch ihre echte Mutter her als Akt der Strafe.
INFO
DAS GEWOHNHEITSTIER KATZE
Katzen lieben regelmäßige Tagesabläufe ebenso wie regelmäßig wiederkehrende Rituale. Sie verleihen ihnen das Gefühl, Ereignisse vorhersehen zu können und ihr Leben zu kontrollieren. Beliebte Rituale betreffen vor allem die Fütterung, speziell die von besonderen Extras, Zuwendungen und Streicheleinheiten sowie Beschäftigung, etwa durch Spiel. Besonders angenehme Erlebnisse schlagen Katzen gerne als Routine vor, indem sie uns zur Wiederholung auffordern – meist immer zur gleichen Tageszeit. Sitzt Ihre Katze also heute erwartungsvoll vor Ihnen, fragt sie sicher nach den Extras, die es am Vortag zur gleichen Zeit für sie gab.
Die Katze als »Mutter«
Eine Katze, nicht selten auch ein Kater, die/der erbeutete Mäuse der (möglicherweise davon gar nicht begeisterten) Hausfrau »stolz« präsentiert, tut dies nicht um des Lobes willen, wie dieses Verhalten oft aufgefasst wird; sie/er versteht es als Aufgabe des Mutter- beziehungsweise Vatertiers, das den Menschen mit Beute versorgt.
Hin und wieder können solche mütterlichen Verhaltenselemente durchaus ihre wertvollen Seiten haben. So wird von einem Gefangenen im Londoner Tower berichtet (Sir Henry Wyatt, um 1550), der in seinem Verlies regelmäßig von einer Katze aufgesucht wurde. Das Tier brachte ihm jedes Mal erbeutete Tauben mit, die seine karge Gefängniskost erheblich aufbesserten.
Wir selbst waren zwar kaum in vergleichbarer Notlage, als unsere ungarische Kätzin Zsazsa, ein schwarzer Siammischling, anfing, für ihren heranwachsenden Wurf reife Aprikosen zum Spielen anzubringen. Die Jungkatzen interessierten sich kaum dafür, wir jedoch freuten uns über die süßen Früchte von Nachbars Spalierbaum, den Zsazsa mehrmals am Tage erkletterte, um die Aprikosen einzeln abzupflücken und anzuschleppen. Im Jahr darauf, als die Jungen längst aus dem Hause waren, beglückte uns Zsazsa aufs Neue mit dem Obst. Der strenge Frost des folgenden Winters bereitete dann leider dem Aprikosenbaum und damit dieser interessanten Variante mütterlichen Verhaltens ein Ende.
Weniger glücklich endete die Geschichte einer wohlmeinenden Katze eines Ehepaars, welche die Hausfrau und frischgebackene Mutter eines ersten Kindes mit mitgebrachten Mäusen »unterstützen« wollte. Die Frau, die offenbar wenig vom Wesen der Katzen verstand, und der Mann – er war auch nicht klüger – gaben daraufhin ihre Katze weg, von der sie glaubten, sie brächte die »grässlichen und unappetitlichen« Mäuse aus böswilliger Eifersucht daher, um die Frau zu erschrecken und so den Familienfrieden zu stören. Dass eine Maus für eine Katze so ziemlich das Wertvollste ist, was sie zu verschenken hat, kam dem Ehepaar nicht in den Sinn, so nahe dies auch liegen mag.
Der »Sexualpartner«
Jeder, der schon einmal eine rollige Katze in seinem Hause gehabt hat, weiß, wie sehr sich die Rolligkeit auf das Anschlussbedürfnis der Katze auswirkt. Mieze kann dann in ihrer schier unersättlichen Gier nach Zärtlichkeit ziemlich lästig werden, und bei einer durch Eileiterunterbrechung unfruchtbar gemachten und dadurch mehr oder weniger dauerhaft rolligen Katze kann es ausgesprochen mühsam werden, deren ständige dringliche Wünsche nach Liebkosungen zu befriedigen. Bei der Katze wie auch bei anderen Säugetieren rühren nämlich viele Handlungen aus dem Werbe- und Sexualverhalten von Verhaltensweisen her, die in der Kindheit das Streben nach Anschluss unterstützten.
Achtung, launisch! Im Rahmen einer Begrüßung oder auch als Kraul- oder Spielaufforderung kann man eine Katze beim »Rollen« auch ohne ein direktes sexuelles Motiv beobachten.
Sie drückt eine Wange auf den Boden, dreht den Kopf weiter, bis er fast auf der Stirn liegt, und lässt den Körper mit einem Plumps und einer Drehung auf den Rücken folgen. Vor allem, wenn man mit der Katze nicht sehr vertraut ist, sollte man aber trotz der offensichtlichen Freundlichkeit der Geste beim Anfassen des Tiers Vorsicht walten lassen. Gerade sexuell gestimmte Katzen sind oft unberechenbar, nicht nur für Menschen, sondern auch für andere Katzen. Ihre Laune kann blitzschnell umschlagen.
Manche Katzen erweisen sich außerdem am Bauch als ausgesprochen kitzelig, und die Rückenlage ist eine besonders wirksame Abwehrstellung, aus der heraus man mit allen vier Pfoten schlagen und kratzen kann.
Auch eine Katze, die beim Gestreicheltwerden den Rücken durchstreckt und den Schwanz zur Seite legt, ist sexuell gestimmt und reagiert entsprechend positiv auf Zärtlichkeiten seitens des Menschen. Obwohl die meisten Katzen recht zuverlässig sanftmütig sind, kann es hierbei – wie bei echten sexuellen Handlungen zwischen Katzen – vorkommen, dass die Stimmung plötzlich umschlägt, sich die Katze von einem Moment zum anderen bedrängt fühlt und sich mit Tatzenhieben wehrt.
Er bringt gerne seine Beute heim, um seine Menschen zu versorgen oder um selbst in Ruhe zu fressen.
Katze und Mensch als Spielkameraden
Gewöhnlich spielen ausgewachsene Katzen in der freien Wildbahn eher selten miteinander; am häufigsten kann man gemeinsame Spiele in den sexuell aktiven Phasen der Tiere beobachten. Der Mensch aber bleibt Spielkamerad, auch dann, wenn die Katze bereits älter ist. Bei der frei laufenden Katze lässt die Lust am Spiel mit den Jahren deutlich nach. Hat man hier nicht ein gewisses Spielritual eingehalten, hat man manchmal Mühe, das Interesse einer Katze an einem Papierbällchen oder einer Ledermaus mehr als ein paar träge Tatzenschläge lang wachzuhalten.
Ganz anders verhält es sich bei Katzen, die ausschließlich in der Wohnung gehalten werden: Für sie ist das tägliche Spiel mit dem Menschen eine Notwendigkeit für die psychische Gesundheit ( >).