Читать книгу Was Katzen wirklich wollen - Birgit Rödder - Страница 31

Domestikationstypische Verhaltensanpassungen

Оглавление

Nicht nur Körperliches veränderte sich im Laufe der Jahrtausende, in denen die Katze nun mit dem Menschen lebt, auch in ihrem Verhalten passte sich Miez an ihre neue Lebenssituation an.

Katzen mögen Menschen

Die auffälligsten Anpassungen finden sich im Verhältnis der Katze zum Menschen. Sie kommt dessen Wünschen an ein Haustier viel leichter nach als ein Wildtier. Das betrifft die Stubenreinheit ebenso wie die Zahmheit, das sanfte Betragen und die offensichtliche Zuneigung zur Spezies Mensch.

Woher aber rührt dieses Anschlussbedürfnis, wenn eine Zuchtwahl durch den Menschen doch kaum stattgefunden hat? Sobald bei Wildkatzen die Familienbindung aufhört, werden die kindlichen Instinkte durch andere, nämlich die des erwachsenen Tiers (Revierverteidigung, Abwehr, Rivalität) unterdrückt. Die kindlichen Stimmungsreste, die für Verhaltensweisen wie Anhänglichkeit oder Zärtlichkeitsverlangen verantwortlich sind, gehen aber nicht ganz verloren, sie treten nur kaum mehr zutage, außer vielleicht in der kurzen Paarungszeit.

Nun führt Domestikation ganz allgemein zu einer »Verkindlichung« von Körpermerkmalen, aber auch des Verhaltens. Dies betrifft auch die Hauskatze, deren Wangen kindlich rund bleiben und deren Fell nie die jugendliche Streifung verliert.

Die erwähnten kindlichen, zärtlichkeitsbestimmten Veranlagungen bilden sich also bei Mieze als Folge ihrer Haustierwerdung nicht so weit zurück wie bei den wilden Verwandten.

Der Mensch ist für die Katze so viel Artgenosse, dass er ihr all das bieten kann, was wohl auch Katzen zueinanderzieht. Daher kann er mit etwas Einfühlungsvermögen sowie durch Füttern und Streicheln, was beides mütterliche Verhaltensweisen sind, die Katze wieder Kind sein lassen. So kommt es zwischen Mensch und Katze zu echten, dauerhaften Freundschaften, wie es sie unter Katzen nur äußerst selten gibt.

»Miau!« und anderes Vokabular

An der Stimme hat die Domestikation wenig verändert, wenn man von Spezialformen wie dem kräftigen Röhren einer Siamkatze einmal absieht.

Verschoben haben sich jedoch die Häufigkeiten, mit der Hauskatzen ihre verschiedenen Rufe ertönen lassen.

»Brüllen« wie ein Löwe: Den imponierenden Hauptruf ( >) lassen die Falbkatzen beider Geschlechter ungleich häufiger ertönen als Hauskatzen. Freilich gibt es hier auch Ausnahmen. Der schwarze Siammischling Miro etwa »brüllte« täglich im wunderschön hallenden Treppenhaus, das er wie einen Verstärker benützte.

Miauen wie ein Kätzchen: Hauskatzen verfügen über einen ungeheuren Reichtum an Maunz-, Gurr- und Miaulauten. Auch dies rührt von dem Einfluss des Domestikationsmerkmals der Verkindlichung her. In der Tat ist der bekannteste Laut der Hauskatze, das »Miau«, eine Sonderform eines Jungtierruflauts, der die Mutter zur Behebung einer Mangellage auffordern soll.

»Plaudern« mit dem Menschen: Die überwiegende Zahl der Laute, die die Katze an den Menschen richtet, entsprechen hingegen durchaus denen erwachsener Falbkatzen, nur entstammen sie weitgehend den Funktionskreisen der freundlichen Annäherung, der Spielaufforderung und der Beschwichtigung. Sehr häufig überlagert und moduliert die Hauskatze die ursprünglichen Lautelemente und setzt sie in erweiterter Funktion ein. Das helle, kurze Begrüßungs-Gurren beispielsweise wird, überlagert von maunzenden Tönen, zu einer Art sozialer Stimmfühlung, die Leyhausen »plaudern« nannte. Man kann es manchmal zwischen zwei miteinander befreundeten Katzen hören. Dieser »Paardialekt« besteht aus Lauten, die nur miteinander sehr vertraute Tiere unter sich, nicht jedoch gegenüber Dritten äußern. Wesentlich häufiger als untereinander »plaudern« Katzen aber mit ihnen nahestehenden Menschen, wobei der Mensch hier fast immer den Anstoß gibt. Die Katze passt sich dann in besonderer Weise an, wobei sicher eine Art Stimmungsübertragung eine Rolle spielt, vielleicht aber auch Nachahmung. Ich habe schon mehrmals festgestellt, dass Menschen, die viel mit ihren Katzen sprechen, meist auch viel »Antwort« bekommen.

Diese Fähigkeit zu »plaudern« gewinnt in einer Zeit, in der vor allem Großstadtmenschen inmitten einer erdrückenden Menge an Mitmenschen immer mehr vereinsamen, eine neue Bedeutung: Der müde, ausgelaugte Büromensch, der sich abends aufs Sofa wirft, mag ruhig den Eindruck bekommen, seine Katze »erzähle« ihm etwas. Und wenn er ihr antwortet und vielleicht seine Sorgen und Nöte bei ihr ablädt, so wird die Katze zwar bestimmt nichts vom Wortlaut verstehen, aber mit sichtlichem Wohlbehagen zur Kenntnis nehmen, dass sie »dazugehört«. Dies lässt die Katze eine wunderbare Zuhörerin sein, eine verständnisvolle Kameradin, die sich (fast) nie beklagt, eine Rüge erteilt oder schimpft und niemals alles besser weiß.

Hin und wieder mag so für die Katze als »beste Freundin« eines Menschen das Gleiche gelten, was umgekehrt den Menschen für sie zur »Überkatze« macht: Entgegenkommen und Zuwendung ohne innerartliche Konkurrenzsituationen.


Ein ausreichend großes Nahrungsangebot sorgte während der Haustierwerdung dafür, dass die Katze ihr ursprünglich einzelgängerisches Leben aufgab und die Vorteile des Gruppenlebens genießen lernte.

Formen des Zusammenlebens und andere Verhaltensweisen

Die Sozialstrukturen, die frei lebende Hauskatzen ausbilden, sind erstaunlich variabel, sogar im Vergleich zu denen der Falbkatze. Es gibt unter ihnen löwenrudelähnlich organisierte Gruppen, Katergruppen, die wie Studentenverbindungen wirken, ebenso Weiberfreundschaften, dauerhafte Paarbindungen, Harems, Herumtreiber, selbst den gelegentlichen »Kneipentreff« kann man beobachten.

Meistens sind die Gesellschaftsformen von Haustieren im Vergleich zu ihren wilden Verwandten nicht so faszinierend, weil sie durch den Menschen eher eingeschränkt sind. Bei Hauskatzen scheint es umgekehrt zu sein: Ihre Gesellschaftsformen erweisen sich als noch vielfältiger als die der Falbkatzen.

Andere Verhaltensweisen hingegen sind bei der Hauskatze ein wenig reduziert: Durch die gesteigerte Sexualität und die schneller aufeinanderfolgenden Würfe verliert die Hauskatzenmutter zum Beispiel früher die Geduld mit ihren Jungen.

Manchmal faucht sie ihre Kleinen schon nach zwölf Wochen an, während die Falbkatze ihren Nachwuchs bis zu neun Monate versorgt und unter einer früheren Trennung sichtlich leidet.

Die Verhaltenskreise Jagen – Töten – Spielen kommen bei der Hauskatze in ihrer Reihenfolge leicht durcheinander. Bei manchen Katzen funktionieren sie nicht mehr ganz zuverlässig ( >).

Was Katzen wirklich wollen

Подняться наверх