Читать книгу Was Katzen wirklich wollen - Birgit Rödder - Страница 29
Veränderungen in der äußeren Erscheinung
ОглавлениеWegen ihrer Neigung zur freien Partnerwahl und auch wegen ihrer verhältnismäßig kurzen Domestikationsgeschichte sind die Erscheinungsformen der Katzen nicht mit der Mannigfaltigkeit der Hunderassen zu vergleichen.
Die stattliche Norwegische Waldkatze ist neben der Maine Coon eine der größten Rassekatzen.
Neue Fellfarben
Am auffälligsten waren und sind die neuen Fellfarben, die der Graurock unter der schützenden Hand des Menschen entwickeln konnte. Und so gab es nach etlichen Katzengenerationen – ganz ohne Zuchtwahl – gescheckte, schwarze, rote und weiße Katzen. Durch ein »Farbverdünnungsgen« entstanden aus schwarzen zudem »blaue« oder rauchgraue, aus roten cremefarbene, aus braunen fliederfarbene Individuen, auch als »lilac« bezeichnet.
Scheckung: Ein eigenes Gen, das bei Haustieren typischerweise aktiv wird, ist das Scheckungsgen. Es bewirkt, dass ein gemusterter, schwarzer, roter beziehungsweise entsprechender verdünnter Grund weiße Flecken bekommt.
Manchmal sieht man Katzen mit drei Farben. Diese schwarz-weiß-roten Tiere werden nach altem Volksglauben auch
Glückskatzen genannt. Lange dachte man, dass sie vor Feuer schützen und dies sogar löschen, wenn man sie hineinwirft. Glücklicher für sie war die Einstellung, dass es Unglück bringe, sie zu ertränken oder zu erschlagen. Die Färbung hat viele Namen, sie wird auch als Schildpattmuster, Calico, Tricolor, Tortoise, Tortie und in Verbindung mit Tigerzeichnung als Torbie bezeichnet. Normalerweise sind alle dreifarbigen Katzen weiblich. Das Gen für die Farbe (außer für Weiß) wird nämlich immer auf dem X-Chromosom getragen, und zwar eines pro Chromosom. Da Weibchen zwei X-Chromosomen haben, Kater nur eines, können Kätzinnen auch zwei Farben (zusätzlich zu Weiß) haben, Kater immer nur eine. Nur ganz selten passiert in der Natur eine Entgleisung. Dann tritt eine genetische »Unmöglichkeit« auf: ein dreifarbiger Kater. Bastiaan, in der Wildnis der Karoo gezeugt, ist so ein Exemplar, ungefähr so selten wie ein Sechser im Lotto. Dreifarbige Kater sind freilich nicht so ganz männlich, weil sie nämlich ein weibliches Geschlechtschromosom zu viel haben (XXY). Aufgrund dieser Anomalie sind sie auch zu über drei Vierteln unfruchtbar. Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass es keine dreifarbigen rein männlichen Katzen (XY) gibt.
Schlanker Körperbau, gerades Profil, große Ohren und vor allem die Spitzenzeichnung des kurzen Fells sind die Markenzeichen der Siam- und Thaikatzen.
Die »Siamfärbung«: Eine weitere neue Farbgebung, die durch die Domestikation hervorgebracht wurde, heißt Akromelanismus. Was fast wie der Name einer Krankheit klingt, bedeutet »Spitzenschwärzung« und bezeichnet nichts anderes als die typische Siamfärbung. Die tritt nicht nur bei Katzen auf, sondern auch bei Meerschweinchen, Chinchillas und Kaninchen, sonst allerdings nirgends. Bei solchen Tieren können die Pigmente, die die Fellfärbung bestimmen, nur an den kühleren Teilen des Körpers gebildet werden, wie an Gesicht beziehungsweise Nase, Pfoten, Schwanz und Hodensack. Die Dunkelfärbung ist also vererbungs- und temperaturabhängig. Katzen, die in einer kühleren Umgebung aufwachsen, sind dunkler als solche, die in einem warmen Klima leben. Auch die verdünnten Farben kommen als Spitzenfarben vor.
»Wildfarbene« Katzen: Noch einige Bemerkungen zu der sogenannten »wildfarbenen« Hauskatze. Ausgewachsene Falbkatzen und auch unsere heimischen Waldwildkatzen sind an den Flanken nur sehr schwach bräunlich gezeichnet, während getigerte Hauskatzen ihr Fellmuster über und über tragen. Anders ist das bei den Jungtieren, vor allem in den ersten acht Lebenswochen. Bei ihnen lassen sich Wildkatzen ohne Erfahrung nicht so leicht von getigerten Hauskatzen unterscheiden.
Wir haben es hier mit einem weiteren Charakteristikum domestizierter Tiere zu tun, dem Umstand, dass ihre Entwicklung in der einen oder anderen Hinsicht auf einer jugendlichen Stufe stehen bleibt. Dies betrifft auch die gestreifte Fellzeichnung, die sich bei den ausgewachsenen Falb- und Wildkatzen mit Ausnahme bestimmter Körperstellen verliert, während sie bei der domestizierten Form fast vollständig erhalten bleibt. Getigerte Hauskatzen sind also meistens dunkler, sowohl in der Fellgrundfarbe wie auch im Fellmuster, ihre Punkte-, Streifen- oder Marmorzeichnung bleibt schwarz. Bei den rötlichen Katzen hebt sich das gesamte Streifenmuster in einem dunkleren Rotton ab.
Die Felltextur
Änderungen in der Felltextur traten in der Katzengeschichte erst lange nach neuen Farbschlägen auf.
Zunächst entstand eine mittelmäßige Langhaarigkeit, vor allem bei Katzen im östlichen Mittelmeerraum. Von dort, genauer gesagt aus der Türkei, kommt auch der Name »Angora«. Die Länge und Dichte des Fells konnten sich nicht mit denen der später herangezüchteten »Perserkatze« vergleichen. Dafür konnte diese Katze sich noch selbst pflegen und im Freien überleben.
Das gekräuselte Fell mancher neuer Katzenrassen ist – ebenso wie die Nacktheit – das Ergebnis von einzelnen Defektmutationen, bei denen bestimmte Haartypen nicht mehr ausgebildet werden können.
Der Körperbau
Die schlanke, jedoch gut muskelbepackte, drahtige Figur der Falbkatze ist einer stämmigeren, rundlicheren, gewissermaßen kindlicheren Gestalt gewichen. Dies hat früher zu der Annahme verführt, die nach Europa gebrachten Falbkatzenabkömmlinge hätten sich mit unserer heimischen Wildkatze vermischt. Die schweren, vergleichsweise gedrungenen Hauskatzen mit rundem Kopf schrieb man einem kräftigen Schuss Wildkatzenblut zu, bei den dünnen, zierlichen Siamkatzen sollte das Falbkatzenblut stärker durchbrechen. Diese oft geäußerte Annahme ist jedoch durch nichts zu belegen. Selbst die Norwegische Waldkatze, eine Zuchtrasse, die unserer Wildkatze besonders stark ähnelt, ist ein reiner Falbkatzenspross. Das wissen wir mittlerweile dank der immer besseren Gentests: Die Gene der Hauskatzen stimmen fast ausschließlich mit denen der ägyptischen Falbkatze überein. (Das »fast« bezieht sich auf die seltenen Ausnahmen, die hier wieder einmal die Regel bestätigen.)
Tatsächlich erklären sich die rundlicheren Formen der Hauskatze mit einer Verkürzung der Gliedmaßen und ihrem oft längeren und dichteren Fell.
Zu den Erbeinflüssen der Domestikation kommt aber noch ein weiterer hinzu: Ein wesentlicher Teil der Unterschiede in Körperbau und Fell von in kühlen und in warmen Ländern lebenden Katzen lässt sich unmittelbar auf den Selektionseinfluss des Klimas und, bis zu einem gewissen Grad, auch der Ernährung zurückführen.
Nicht zuletzt spielt auch die persönliche Veranlagung eine Rolle. Auch bei den Falbkatzen gibt es etwas kräftigere, manchmal sogar pummeligere, und die überschlanken Typen. Unter den Hauskatzen ist dieser Spielraum allerdings viel größer.
Die Kopfform: Die schmale, aber nicht besonders lange Kopfform der Falbkatze wurde bei der Hauskatze breiter, vor allem die Wangen sind fast stets viel runder und dicker. Die manchmal übertrieben langen Köpfe mancher Schlankrassen, die auch oft ein gerades, »griechisches« Profil haben, ohne Einbuchtung zwischen Stirn und Nase, den sogenannten »Stopp«, sind ein Zuchtprodukt der letzten 50 Jahre, ebenso wie die eingebuchteten, extrem verkürzten Gesichtsschädel vieler Perserkatzen- und Exotisch-Kurzhaar-Linien.
Die Ohren der Hauskatze sind etwas kleiner und manchmal runder als jene der Falbkatze, deren dreieckige, ziemlich spitz zulaufende Ohrmuscheln auf der Rückseite leuchtend orange gefärbt sind, bei nördlichen Unterarten auch rötlich, sich jedenfalls farblich deutlich vom fahlen Körperfell absetzen. Bei der »wildfarbenen« Hauskatze dagegen entspricht die Ohrenfarbe mehr dem fahlen Braun der Fellgrundfarbe an den Flanken. Ein kleiner, oft ganz unauffälliger Ohrpinsel kommt auch bei den meisten Hauskatzen vor. Seine Größe ist allerdings weitgehend rasseabhängig.
Krüppelohrige Katzenrassen wie Schottische Faltohrkatze (Scottish Fold) oder Pudelkatze sind das Ergebnis einer Mutation, die den Knorpel betrifft – übrigens nicht nur der Ohren, sondern auch der Gelenke. Es hat nichts mit den weichen Kipp- oder Schlappohren mancher Hunde, Kaninchen, Schweine oder Schafe zu tun.
Die Augen der meisten Hauskatzen sind ein wenig kleiner als die der wilden Verwandtschaft. Dafür können sie eine ganze Palette der faszinierendsten Farben zeigen. Obwohl – es gibt Schwarzfußkatzen mit bernsteinfarbenen statt den üblichen gelbgrünen Augen, und einer unserer längst ausgewachsenen Karakals hat die blaue Augenfarbe seiner Jugend behalten.
Die Futterverwertung
Hauskatzen haben einen etwas längeren Darm als Falbkatzen. Das hängt mit einem veränderten Nahrungsangebot über Generationen zusammen. So wurde aus dem Fleischspezialist Falbkatze ein Tier, das auch kohlenhydrathaltige Tischreste verwerten konnte, über Jahrhunderte die Nahrung der meisten Hauskatzen. Industriell gefertigtes Futter kam erst in der Zeit des Nachkriegs-Wirtschaftswunders auf den Katzentisch. Aber auch dieses ist oft zu kohlenhydratreich.
Es gibt übrigens Falbkatzen in Zoos, die mit Fertig- nahrung großgezogen wurden und deshalb daran gewöhnt sind. Freie und naturnah gehaltene Tiere rühren weder Trocken- noch Dosenfutter an.
VON DER WILD- ZUR HAUSKATZE: EINE GEGENÜBERSTELLUNG
Domestikationsbedingte Veränderungen des äußeren Erscheinungsbilds betreffen hauptsächlich die Gestalt und Färbung der Katze.
1 Falbkatzen sind schlanker und hochbeiniger als fast jede Haus- und Rassekatze. Ihr stets wildfarbenes Fell weist nur an Beinen und Schwanz deutliche Streifen auf, am Schwanzende bilden sie im Gegensatz zur Hauskatze geschlossene und voneinander getrennte Ringe. Die Kopfform einer Falbkatze ist der einer schlanken Hauskatze ähnlich.
2 Viele Haus- und vor allem Rassekatzen zeigen ein stämmigeres Erscheinungsbild, wie dieser Britisch-Kurzhaar-Kater. Der gedrungene Körper steht auf kurzen, kräftigen Beinen, der Kopf ist breit und pausbäckig. »Briten« gibt es in vielen Farbschlägen (hier in Blau-Weiß), mit Ausnahme von fahler Wildfärbung.
RASSEKATZEN – BUNTES VOLK AUF SAMTIGEN PFOTEN
1 Somali: Die Somali ist die halblanghaarige Verwandte der Abessinierkatze. Das typische »Ticking« beider Rassen entsteht durch eine mehrfache Bänderung der Haare. Dabei ergibt sich, ähnlich wie bei einigen Kaninchen, kein Zeichnungsmuster, sondern eine einheitliche »Melierung« des Fells.
2 Rex: Die Selkirk Rex ist eine von mehreren Rexkatzen, die allesamt ein gelocktes Fell besitzen.
Das durch eine Mutation veränderte Haarwachstum der lebhaften Katzen betrifft leider auch die Sinneshaare, die dadurch gekräuselt sind und leicht abbrechen, weswegen die Tiere in der Tastwahrnehmung beeinträchtigt sind.
3 Perser: Die Perserkatze gehört zu den ältesten Katzenrassen und zeigt meist ein gemäßigtes Temperament. Ihr langes und dichtes Fell ist sehr pflegeintensiv. Das Kindchenschema mit großen Augen, kleinen Ohren und kurzer Schnauze, das die Perser so beliebt macht, ist auch bei ihrer kurzhaarigen Variante, der Exotisch Kurzhaar, stark ausgeprägt.
4 Russisch Blau: Die blaue Fellfärbung entsteht durch ein Gen, das die schwarze Grundfarbe »verdünnt«, und ist mittlerweile bei einigen Katzenrassen zu finden. Die Russisch Blau trägt ihr namengebendes silberblaues Fell standardmäßig, dazu noch smaragdgrüne Augen. Ihre halblanghaarige Schwesterrasse nennt man Nebelung.