Читать книгу Birgit ungeschminkt - Birgit Schrowange - Страница 10

Lachen in Lachen

Оглавление

Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut.

EDUARD MÖRIKE

Die Perückenzeit neigte sich nun immer mehr dem Ende zu. Das Versprechen, das ich vor knapp einem Jahr für das neue Show-Format bei RTL, This Time Next Year, zu Protokoll gegeben hatte, näherte sich der Einlösung: Heute in einem Jahr würde ich meine Sendung EXTRA mit grauen Haaren moderieren.

Und es wurde auch höchste Zeit. Die ständige Furcht, ein Windstoß könnte die Perücke davontragen oder mein Haar könnte sich anderweitig desaströs irgendwo verhaken, musste ein Ende haben. Alles völlig berechtigte Befürchtungen, denn selbst einen Elefantenrüssel hatte ich in der Zwischenzeit bei Dreharbeiten im Zoo bereits im Haar gehabt. Nur zu Hause war ich sicher. Obwohl ...

Eines Nachmittags kam ich von einem Termin nach Hause, warf die Perücke in die Ecke und mich selbst aufs Sofa, um ein paar Minuten abzuschalten, als Laurin anrief. Natürlich war er in mein Experiment eingeweiht, und so bekam ich jedes Mal eine Vorwarnung, wenn er Freunde mitbrachte. Er würde später mit seiner Freundin Franziska eintreffen, ich solle an meine Kopfbedeckung denken. Doch mit der gleichen Sorgfalt, mit der Laurin mich über Franziskas Besuch informiert hatte, vergaß ich diese Information auch unmittelbar wieder. Und so kam es, dass ich die Badezimmertür öffnete,

Franziska vor mir stand und sie mir erst dann wieder einfiel: die Perücke! Ich knallte die Tür vor Franziska zu, installierte das vergessene Haarteil und steckte – als sei nichts gewesen, haha – meine Nase in Laurins Zimmer.

„Na, ihr beiden ...“, grüßte ich kurz durch den Türspalt.

Franziskas Augen waren groß wie Mühlräder im Märchen.

„Was?? Du hattest doch gerade graue kurze Haare? Da im Bad, da kamst du doch mit grauen Haaren raus!“

„Wie kommst du auf sowas?“, ging ich in die Offensive. „Fata Morgana lässt grüßen ...!“

„Meine Mutter hat doch keine grauen Haare, spinnst du!“ Laurin schaute Franziska entrüstet an.

„Aber ... da hab ich wirklich jemanden gesehen!“, verteidigte Franziska sich energisch. „Das kann doch gar nicht sein!“

„Quatsch!“, fuhr Laurin dazwischen.

„Quatsch ...“, sagte ich auch noch mal und schloss leise Laurins Tür.

Da hatte ich das geheime Projekt wahrlich auf Messers Schneide balanciert. Und ganz gleich, ob Franziska nun an Laurins, meinem oder ihrem eigenen Geisteszustand zweifelte – ich sollte vielleicht besser die letzten Tage, bevor ich mein neues Ich öffentlich machte, verschwinden. Sonst würde ich noch alles vermasseln. Ich würde ein paar Tage abtauchen, um jedwedem Risiko zu entgehen. Ich musste nicht lange nachdenken wohin – nach Lachen würde ich reisen, Franks Wohnort. Ich wäre raus aus Köln, und Frank müsste sein Versprechen einlösen: eine Kostprobe Birgit in natura – echt und ungeschminkt!

Karlsruhe, Stuttgart. Dann war es soweit. Ich war auf dem Weg zum dritten Rendezvous in die kleine Schweizer Gemeinde Lachen, direkt am schönen Zürichsee gelegen. Und obwohl die entscheidenden Karten ja nun auf den Tisch gekommen waren, drängte sich das Teufelchen trotzdem wieder auf meine Schulter. Wieder zischte diese freche Stimme in mein Ohr: Nichts zu lachen in Lachen, liebe Birgit! ... du siehst ganz fürchterlich aus ... deine Zeit ist vorbei ... vorbei ... dein Cowboy hat längst ne Neue ... schwarzbraun ist die Haselnuss, in Lachen macht dein Cowboy Schluss! ... Unerhört! Ich gab dem Teufel einen imaginären Faustschlag auf seine diabolische Nase. Das saß! Wenig später erreichte ich Lachen, bezog dort in einem kleinen Hotel direkt am Zürichsee ein Zimmer und wartete auf Frank.

Kaum war er da, starteten die Schmetterlinge in mir wieder ihre Flugübungen. Wir machten uns auf den Weg zu seinem Haus, und auch meine Ungeduld, ihm endlich meinen Naturschopf zu zeigen, wuchs wieder.

„Ich zeig dir nun sofort, wie ich aussehe!“, drängte ich bereits, als er noch die Tür aufschloss.

„Jetzt lass uns erst mal nen Wein trinken.“ Frank war total entspannt, ich hingegen ganz nervös und bockig wie ein Schulmädchen. Doch vielleicht wollte er mich ja auch einfach nur ,schöntrinken’.

„Nee, ich will jetzt keinen Wein trinken, ich möchte dir unbedingt zeigen, wie ich da drunter aussehe!“ Ich zeigte auf mein Kunsthaar, so wie ich das schon in Stuttgart getan hatte, als ich ihm mein Geständnis gemacht hatte. Ich musste es jetzt einfach wissen. Es konnte ja immer noch schiefgehen. Solange er es nicht wirklich gesehen hatte – in natura, wie er selbst sagte –, konnte das alles danebengehen und der Teufel Recht behalten. Ich war wie ein aufgescheuchtes Huhn und bewunderte irgendwie seine Ruhe und Besonnenheit. Frank lässt sich Zeit, er denkt erst und redet dann. Ich rede erst, dann denke ich. Ich musste mich nun unbedingt zusammennehmen. Denn letztlich floss ja, wenn ich ehrlich bin, ganz wunderbar eins ins andere: Wir tranken Wein, versanken ineinander im Gespräch, lachten.

Dann kam der große Augenblick: Ich nahm die Perücke ab – und er fand mich toll! Ich war im siebten Himmel. Von da an waren wir wirklich zusammen. Und ich war ich.


Birgit ungeschminkt

Подняться наверх