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Kaffee in Karlsruhe

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Das eigentliche Mysterium der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.

OSCAR WILDE

Die darauffolgenden Wochen habe ich mindestens so viel meiner freien Zeit am PC oder Smartphone verdaddelt wie mein Sohn Laurin. Frank und ich schickten einander E-Mail, WhatsApp und manchmal telefonierten wir auch. So lernten wir uns immer besser kennen. Ich hatte gute Laune, viel Energie und war total tiefenentspannt bei Dingen, die mir sonst auf den Geist gingen. Man könnte auch sagen: Ich war verliebt, oder sagen wir so: auf bestem Wege dorthin, denn wir hatten uns ja noch nicht wirklich richtig getroffen. Bevor wir uns zum ersten Mal trafen, musste Frank beruflich noch viel reisen und auch ich hatte viele Termine. Dann endlich lockten die ersten Zeitfenster zur Begegnung. Wir zögerten nicht und machten Nägel mit Köpfen.

Das erste Date stand schließlich fest. Wir hatten uns auf die wunderschöne und für frisch Verliebte geradezu prädestinierte und weltbekannte romantische Stadt Karlsruhe geeinigt. Na gut, das war ein Witz – doch war Karlsruhe tatsächlich die auserwählte Stadt, der erste Kompromiss in unserer sich anbahnenden Romanze. Meinem Vorschlag nach Köln zu kommen, wollte Frank nämlich aufgrund einer dort nicht ganz so glücklich verlaufenen verflossenen Liebschaft nicht folgen (nie wieder nach Köln, hatte er sich eigentlich geschworen). Und seinen Vorschlag, ich möge stattdessen doch in seine Geburtsstadt Offenburg kommen, lehnte ich ebenfalls ab. Wenn er nicht nach Köln wollte, würde es natürlich auch keinen Offenburger Heimvorteil für ihn geben. So war Karlsruhe unser Kompromiss – die goldene Mitte.

Dann war es soweit, bei brüllender Hitze saß ich im mäßig klimatisierten Zug nach Karlsruhe. Unter der Schale, in die ich mich geworfen hatte, verdampfte ich buchstäblich. Wie sagt man doch? Wer schön sein will, muss leiden. Ich litt. Und hoffte, dass ich in Sachen Schönheit wenigstens die richtigen Register gezogen hatte mit meiner engen Lederhose, mit der ich bei meiner Ankunft in Karlsruhe gefühlt für immer unlösbar verschmolzen war.

Ich stieg aus dem Zug, zupfte meine lockere Seidenbluse zurecht und stöckelte in meinen hohen Schuhen den Bahnsteig entlang. Dann erblickte ich Frank. Jeans und T-Shirt, Sportschuhe. Das war ganz klar die Männer-Backmischung nach meinem Geschmack – so wie ich es immer beschrieb, wenn die Frage nach meinem Traummann-Backrezept kam: eine Mischung aus Marlboro-Mann und Cowboy wollte ich immer. Genau das war Frank. Sich verbiegen? Niemals. Entweder nimmt sie mich, wie ich bin, war sein Gedanke. Oder eben nicht. Das gefiel mir sehr an ihm.

Mein Glück war auch, dass er mich ganz unvoreingenommen kennenlernte, da er in den 90er Jahren beruflich viel Zeit in Kolumbien verbracht hatte, später in die Schweiz zog und mich daher nur ganz vage aus früheren ZDF-Zeiten kannte. Meine RTL-Jahre hatte er überhaupt nicht mitbekommen. Wahrlich ein Geschenk des Himmels, denn so hatte er nicht gleich eine vorgefasste Meinung. So oft nämlich habe ich erlebt, dass Männer sich aufgrund meiner Prominenz schon vor einer Begegnung ein Bild von mir gemacht haben. Doch dieses Bild und die Realität hatten eigentlich nur selten etwas gemeinsam. So kommt es oft vor, dass Menschen mich kennenlernen und erstaunt sagen, dass ich im Fernsehen anders wirke. Seriös und perfekt nehmen sie mich wahr. Die nackte Wahrheit aber ist: Ich bin alles andere als das! Chaotisch bin ich, lebensfroh und lustig, ja, ich kann wahnsinnig albern sein. Und ich glaube, mir ist während meines ganzen Lebens tatsächlich in dieser Hinsicht etwas wirklich gut gelungen: Ich habe mir immer noch ein bisschen Kind bewahrt. Heute kann ich sagen: Das tat und tut mir damals wie heute richtig gut. Es ist so, Fernsehen verfremdet, und je nachdem, welches Format man präsentiert, gestaltet sich auch die eigene Außenwirkung.

Jedenfalls gefiel mir die Art und Weise, wie Frank hier ins Rennen ging, ausgesprochen gut. Letztlich spiegelte sein Auftritt zu 100 Prozent auch meine Einstellung und Wünsche wider: so angenommen zu werden wie ich bin und daher auch vollkommen authentisch zu sein. Wenn ich diese Haltung aber doch teilte, wieso zum Himmel stand ich dann selbst so overdressed vor ihm? Offensichtlich hatten die Schmetterlinge in meinem Bauch sämtliche Funktionszentren für klaren Geist und sinnhaftes Handeln lahmgelegt. Wie auch immer, da musste ich nun durch. Welch ein Glück, dass Frank so eine sagenhafte Ruhe und Souveränität ausstrahlte und die totale Inkongruenz meiner Erscheinung wohlwollend übersah. Seine Gegenwart tat gut, seine unaufdringliche, herzliche Begrüßung fühlte sich gut an, ganz mühelos kamen wir ins Gespräch und setzten uns schließlich in Bewegung, ein Café zu finden.

Natürlich setzte ich alles daran, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mein Schuhwerk für einen Spaziergang vollkommen ungeeignet fand – mit mäßigem Erfolg, denn bereits nach kurzer Stöckel-Strecke am Bahndamm entlang sah Frank mich besorgt an.

„Kannst du noch laufen?“

„Klar. Kein Problem!“, log ich. Mir taten die Füße weh in diesen blöden Schuhen, die Knie schmerzten, es war eine Bullenhitze in der knallengen Lederhose, und es gab ja auch noch ein anderes verborgenes Saunaparadies: mein Kopf unter der Perücke! Ich schwitzte extrem ... doch auf keinen Fall wollte ich mir was anmerken lassen – alles super, redete ich mir hartnäckig ein, alles super ...

Als wir nach einer Weile in einem unspektakulären Café gelandet waren, spürte ich riesige Erleichterung. Endlich sitzen, dachte ich. Doch als mein Körper schließlich entspannen konnte, ging das Kopfkino wieder los. Denn je mehr Frank mir in seiner natürlichen Art gefiel, desto mehr dachte ich über meine eigene Natürlichkeit nach. Mein übertriebenes Outfit, meine schlanke Figur – ich befand mich zu jener Zeit in einem Werbevertrag mit Weight Watchers und hatte 8 Kilo weniger als sonst – und dann die Perücke, unter der nun seit ein paar Monaten mein neues Ich entstand. So sehr ich auch ein Fan der Natürlichkeit war – im Moment war ich ein richtiger Fake. Ich musste ihm die Sache mit der Perücke sagen. Aber wie? Ich bekam es nicht raus. So lange saßen wir in dem Café, so kurzweilig und wunderbar verging die Zeit, wir redeten und redeten, wirklich über Gott und die Welt, aber – ich bekam es nicht raus. So hatte ich, als es dann Zeit für den Zug nach Hause war, mein Geheimnis immer noch im Gepäck. Was jedoch sowohl für ihn als auch für mich immer transparenter wurde: Wir hatten uns ineinander verliebt. Als am Bahnhof mein Zug einfuhr, hatten sich zu den Schmetterlingen im Bauch schon Flugzeuge gesellt. Und wir wussten, dass wir uns wiedersehen würden.

Birgit ungeschminkt

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