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Fast ein Märchen ...

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Alles worauf die Liebe wartet, ist die Gelegenheit.

MIGUEL DE CERVANTES

Die große Liebe – ich hatte gar nicht mehr daran geglaubt. Und mich auch nicht wirklich mehr damit beschäftigt. Denn mein Leben als Single war schließlich nicht schlecht. Oder um es positiv auszudrücken, was ich ohnehin viel lieber mache: Es war gut. Das Leben fühlte sich einfach gut an. Auch nach zehn Singlejahren noch. Mein Leben hielt mich täglich in Bewegung, mein spannender Job, meine Aufgaben als alleinerziehende Mutter eines aufgeweckten Sohnes, die Pflege meiner wichtigen Freundschaften oder natürlich auch familiäre Pflichten. Klar hatte ich auch immer mal den einen oder anderen Bewerber. Nie jedoch war einer darunter, der meinen Herzschlag so beschleunigt hätte, dass sich infolgedessen ein paar vollreife Schmetterlinge doch noch mal unter meine ebenso vollreife Bauchpelle verirrten. Und das war in Ordnung. Genauso wie es in Ordnung gewesen wäre, wenn sich ebendies doch ereignet hätte. So oder so – ich war erfolgreich auf dem Weg zu jenem Ziel, mit dem ich mein letztes Buch vor einigen Jahren geschlossen hatte: eine coole Alte zu werden.

Eine eigenartige Wendung nahm mein Leben auf einmal, als ich den Entschluss gefasst hatte, mir nicht mehr die Haare zu färben. War in Sachen Amor jahrelang wirklich gar nichts gelaufen, so hatte ich plötzlich – mit Perücke auf dem Kopf, unter der mein kurzgeschorenes Echthaar im Verborgenen endlich freie Bahn zur Entfaltung hatte – sogleich einen Bewerber, der sich um mich bemühte. Seltsam, dachte ich. Es hatte sich ja, von außen betrachtet, zunächst nicht wirklich etwas verändert. Mein falsches Haupthaar war so kunstvoll gefertigt, dass es meiner alten Frisur, mit der ich mich nun schon so viele Jahre der Öffentlichkeit präsentierte, im wahrsten Sinne des Wortes haargenau glich.

Etwas anderes war passiert, das mit Äußerlichkeiten nichts zu tun hatte. Es war meine klare Entscheidung, einen Schlusspunkt unter das jahrelange Haarefärben zu setzen. Im Grunde war es immer mein Wunsch gewesen, das bereits frühe Ergrauen meines dunkelbraunen Schopfes ganz unverkrampft zuzulassen. Denn ich habe eigentlich nie verstanden, warum der Einzug des Silberstichs ins Herrenhaar mit gleichzeitig zunehmenden Rissen in der Fassade den Testosteron-Score des jeweiligen Haar- und Faltenträgers noch mal so richtig in die Höhe schnellen ließ – während für ergrauende Damen der Zug ganz unweigerlich abgefahren war, wenn es um Attraktivität, Weiblichkeit oder Sex-Appeal ging.

Nun hatte ich entschieden: Ich mach das jetzt. Ich lasse mein Naturhaar wachsen. Schluss mit dem seltsamen Schönheitswahn. Es war höchste Zeit, sich endlich darüber hinwegzusetzen – über die zahllosen Entsetzensschreie, den Um-Gottes-Willen-Unmut und das Unisono-Urteil: Das kannst du doch nicht machen! – Doch, kann ich!

Und es war klar: Diese eigenartige Wendung, die mein Leben dann also nahm, hing zweifellos damit zusammen, dass ich unter meiner Perücke endlich auf dem Weg zu mir selbst war. Die Haare waren die eine Sache. Aber auch in übrigen Lebensbereichen hatte ich begonnen Dinge zu tun, die mich erfüllen. Zuerst hatte ich den Hund in mein Leben geholt, dann nahm ich Gesangsunterricht, weil mir Singen so viel Freude macht. Dann kam das Haus auf Mallorca, das ich mir schon immer gewünscht hatte. Jeder Mensch sollte sich seine kleinen Glücksinseln erschließen. Es muss kein Haus auf Mallorca sein, es kann auch ein Schrebergärtchen oder eine kleine Blumenoase auf Balkonien sein. Oder ein ganz anderes ureigenes kleines Glück, wie bei mir schließlich noch die Entscheidung für meine natürliche Haarfarbe. Mit all diesen Veränderungen begann auch ich selbst mich zu verändern. Ich schaute anders in die Welt, fühlte mich rundum im Einklang mit mir. Es war das perfekte Gefühl, diesen ersten Schritt zum Ich gemacht zu haben. Der Schritt, der meine komplette Ausstrahlung verändern sollte, und dies bereits als mein Vorhaben eigentlich noch gar nicht nach außen hin sichtbar war. Zu dieser neuen Authentizität gehörte, dass die Männerwelt plötzlich vermehrt Interesse an mir zeigte. Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Verehrer auf einmal wie Pilze aus dem Boden schossen, aber – es tat sich etwas, ich strahlte nach außen…

Birgit ungeschminkt

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